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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : wohin geht die Reise als Neurologe?



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hoisn12
03.12.2020, 13:43
Guten Morgen

Ich bin im 2. WBJ in der Neuro. Ich habe dazu keinen Thread hier gefunden aber ich frage mich gerade, wie es mit der längerfristigen Perspektive aussieht. Würde mich über Meinungen / Ansichten freuen

- Niederlassung klingt als Idee interessant. Allerdings habe ich von Kollegen und eigener Recherche den Eindruck,
1. sind die Dinge, die man macht, aus Sicht von jemandem aus der akutneurologischen Klinik, doch eher langweilig. Ganz viele NLGs bzw. Ephys allgemein & Co, Kopfschmerzen, Schmerzen allgemein, evtl noch Carotiden (was eines der spannenderen Dinge wäre)
2. ist man unter den Niedergelassenen vom Einkommen her eher am unteren Ende, was sich natürlich auch auf die Position als Angestellter in einer Praxis widerspiegelt. Meinen (zugegeben) wenigen Quellen zufolge bewegt das sich eher nicht über OA-Klinik Niveau.

- Alternative: in der Klinik bleiben. Problem: Nachdem ich ein paar Kliniken kennen gelernt habe und nach Berichten von Kollegen gibt es wirklich nicht viele Neurologien mit menschlichen Arbeitsbedingungen (in meinem PJ an der Uni: Standard waren 10-12h für die WBA) und ich habe in meiner aktuellen Klinik trotz Stroke-Unit, Intensiv und großer Akutneurologie sehr großes Glück (und das sagen ausnahmslos alle Kollegen, die mal in einer anderen Klinik waren).
Heißt: Langfristig, wenn man Kinder & Co kommen, scheint es mir auch als FA oder OA im klinischen Bereich (dazu kommt noch Hintergrund bei Strokes usw.) nicht so einfach, günstige Arbeitsbedingungen zu finden. Eventuell sind Fachkliniken da eine Ausnahme…

Was denkt ihr?

Zilia
03.12.2020, 14:12
Hallo hoisn12,

hast Du schon an die Tätigkeit in einer neurologischen Reha-Klinik gedacht?

MDK und RV sind auch immer dankbar für neurologische Fachärzte, die fleißig begutachten.

Viele Grüße

Zilia

GelbeKlamotten
03.12.2020, 15:42
Facharzt für Psychiatrie noch dazumachen, dann kannst du dir mit Gutachten eine goldene Nase verdienen.

hoisn12
03.12.2020, 16:11
Danke für die Antworten bisher


Facharzt für Psychiatrie noch dazumachen, dann kannst du dir mit Gutachten eine goldene Nase verdienen.

Hab mein obligatorisches Psych. Jahr hinter mir und will in der Psych eigentlich keine weitere Zeit mehr verbringen (außer konsiliarisch) ;-)



Hallo hoisn12,

hast Du schon an die Tätigkeit in einer neurologischen Reha-Klinik gedacht?

MDK und RV sind auch immer dankbar für neurologische Fachärzte, die fleißig begutachten.

Viele Grüße

Zilia

Ich kenne bisher nur die Akutneurologie aber das stimmt, das ist schon ein großer Bereich. Ich bin kein so großer Freund der Intensivmedizin und Beatmungen, deshalb eher eine spätere Phase, andererseits hat es dann noch mehr den Rehaklinik-Charakter, aber vielleicht schnupper ich da mal rein, danke

DA1994
03.12.2020, 18:37
Schmerztherapie ist auch eine attraktive Sache, wo mit sehr geregelten Arbeitszeiten auch eine LOA-Position möglich ist. Ebenso gibt es immer Mal wieder Stellen als neurologischer Konsiliararzt.

https://www.helios-gesundheit.de/kliniken/herzberg-osterode/unser-haus/karriere/stellenangebote/detail/leiter-interdisziplinaere-schmerztherapie-mwd/

Hier nur Mal so als Beispiel eine Stelle, die ich inhaltlich interessant fände.

hoisn12
04.12.2020, 08:08
Interessant, danke!

Gibt es eigentlich auch jemanden, der zum Punkt Niederlassung bzw. die Situation als niedergelassener Neurologe Erfahrungen oder Ähnliches hat? Ich kann mich da nur noch an unsere Allgemeinmedizin-VL erinnern, in der angepriesen wurde, finanziell steht man als Hausarzt doch sehr gut da, unter den Niedergelassenen nicht an der Spitze, aber doch deutlich vor den Neurologen und Psychiatern :-D

hoisn12
04.12.2020, 10:03
P.S., ich habe in diesem Zusammenhang sogar darüber nachgedacht, das Fach zu wechseln. Nicht falsch verstehen, mir geht es nicht nur ums Geld. Nur drängt sich bei mir immer wieder der Gedanke auf, warum bist du damals nicht in die Augenheilkunde? Ich mag Neuro und das Gehirn vom Inhaltlichen aber Augenheilkunde finde ich auch sehr spannend (zumindest das, was ich damals im Studium und einer Mini-Famulatur mitbekommen habe). Was ich jetzt aus meiner naiven Sicht in Auge besser finde

- die Erkrankungen sind klarer und die Diagnose ist häufig schnell zu stellen, in Neuro stochert man ehrlicherweise schon oft im Nebel und findet am Ende doch kein umschriebenes Syndrom, zu dem wirklich die Merkmale passen
- meistens gibt es eine unmittelbare Therapieoption
- der Weg einer Niederlassung ist ganz gut möglich
- man kann operieren, muss aber nicht

Sind das nachvollziehbare Gedanken? Wenn örtlich flexibel sollte es auch möglich sein, eine Stelle, oder zumindest mal ein Reinschnuppern zu bekommen, oder?

Popliteus
04.12.2020, 20:10
Interessant, danke!

Gibt es eigentlich auch jemanden, der zum Punkt Niederlassung bzw. die Situation als niedergelassener Neurologe Erfahrungen oder Ähnliches hat? Ich kann mich da nur noch an unsere Allgemeinmedizin-VL erinnern, in der angepriesen wurde, finanziell steht man als Hausarzt doch sehr gut da, unter den Niedergelassenen nicht an der Spitze, aber doch deutlich vor den Neurologen und Psychiatern :-D

Guten Abend,
ich bin ebenfalls in der Neuro (4. Jahr), lese schon lange hier mit und habe mich für dieses Thema angemeldet, da es mich auch schon lange beschäftigt.

Zusammengefasst denke ich auch, dass Neuro ein spannendes Fach ohne große Perspektive als FA ist.

Das Grundproblem in der Niederlassung ist m.E., dass Neuro von einer engagierten Anamnese und Untersuchung lebt. Für mich macht es gerade den Reiz des Faches aus, mit einer guten Untersuchung Art und Ort der Schädigung zu erkennen/einzugrenzen. Nur sind Anamnese, Untersuchung und Gespräch gerade das, was katastrophal vergütet wird (auch nach GOÄ). Dazu kommt wie schon geschrieben, dass Neurologie in der Niederlassung zu einem beträchtlichen Teil aus peripherer Neurologie, Kopf- und Rückenschmerz besteht. Das ist überspitzt, man kann sich auch interessante Nischen suchen und es hängt sehr von der Lage und Ausrichtung der Praxis ab. Aber im Schnitt ist es eintöniger als in der Klinik (zumindest außerhalb einer Stroke Unit).

Ich denke, man sollte die Vergütung aber von der Art der Tätigkeit getrennt betrachten. Zur Vergütung gibt es harte Zahlen, und andere Niedergelassene sehen auch nicht einen spannenden Fall nach dem nächsten.

Also zur Vergütung: Im ZI-Panel (https://www.zi-pp.de/pdf/ZiPP_Jahresbericht_2018.pdf) wird ein Median-Überschuss von 175k für Neurologen ausgewiesen, klingt erstmal nicht schlecht. Wenn man aber die Verteilung der Honorare anschaut, sieht man, dass die Stichprobe deutlich zu höheren Honoraren verglichen mit der Grundgesamtheit verzerrt ist. D.h. der Median dürfte auch zu hoch sein und viele verdienen wirklich wenig Geld, der untere Teil der Grundgesamtheit ist ziemlich erschreckend. Bei Allgemeinmedizin (164k) passen z.B. Stichprobe und Grundgesamtheit gut. Nach mir bekannten Zahlen von niedergelassenen Neurologen ist tatsächlich ein OA-Gehalt inkl Dienste oder etwas (10-30k) darüber realistisch.

Jetzt muss man überlegen:
- Dafür hat man ein viel höheres wirtschaftliches Risiko.
- Dafür muss man für ein intellektuelles Fach wie Neuro sehr schnell arbeiten, 10- oder 15 min-Taktungen sind - nach meiner begrenzten Evidenz - eher die Norm. Das mag in der Allgemeinmedizin gut gehen (da arbeitet man auch hart und noch schneller, keine Frage!), aber in der Neurologie macht sowas wirklich keinen Spaß. Die Krankheiten sind oft chronisch, schlecht behandelbar, progredient, bedrohlich, schwer verständlich und nicht fassbar...da honorieren Patienten und Angehörige 10 min Termine nicht mit besonderer Dankbarkeit.

In der Klinik ist nicht alles so schlimm wie als Assistenzarzt, aber zufriedene FÄ/OÄ habe ich selten gesehen. Fairerweise muss man sagen, dass neurologische Kliniken aufgrund des Bedarfs und der Vergütung immer mehr zu Stroke Units + Anhang werden. Darunter leidet die Vielfalt ebenso wie in der Niederlassung.

Neuro ist spannend, aber Zufriedenheit hängt auch von den Arbeitsbedingungen und der Wertschätzung (u.a. in Geld ausdrückbar) ab. Ich würde es nicht mehr machen.

tarumo
04.12.2020, 21:05
Grundsätzlich sollte man, wenn es um die Niederlassung geht, das seinerzeit von der KVB beauftragte "Neubauer-Gutachten" lesen. Das ist mittlerweile im Giftschrank, aber sicher online noch irgendwo zu finden. Die Mühe muß man sich halt machen.

Ein paar Punkte, weswegen neurologische Niederlassungen in Deutschland wenig gefragt sind, wurden noch nicht genannt:

-ständiger Verschreibungsbedarf an teuren oder teuersten Medikamenten und das damit verbundene latente Risiko eines Regress und damit privaten Ruins. Den Fall aus Berlin, wo die TK die vorab gegebene Zusage für off-label-Medikamente nicht mehr akzeptierte und dem verordnenden Neurologen rückwirkend eine Strafzahlung von mehr als 1 Mio EUR anhängte, habe ich hier bereits verlinkt
-komplexe, langwierige Krankheitsbilder , keine wirtschaftlich notwendigen "Verdünnerscheine"
-PatientInnen mit neurologischen Krankheitsbildern dürfen oft keine PKV mehr abschließen, daher unterdurchschnittlich Privatpatienten
-und auch das völlige Fehlen von "lifestyle" und "checkup" Medizin als Selbstzahlerleistung.

Es klingt zwar blöd, aber das GKV-System bestraft aktuell diejenigen, die sich ambulant um komplexe, langwierige und teure Krankheitsbilder kümmern. Und da sind die Neurologen halt vorne mit dabei.

hoisn12
04.12.2020, 22:38
Oh super, das sind echt erleuchtende Antworten, danke. Decken sich mit meinen begrenzten Erfahrungen.

Ein anderer Zweig zum Vertiefen ist die Forschung. Ich habe eine experimentelle Diss gemacht und wurde auch eingeladen, das weiterzuführen. Nun ist es allerdings (zumindest hier) so, dass man entweder eine der (projektbasierten, befristeten) reinen Forschungsstellen bekommt, die schlecht bezahlt sind und nicht für die Weiterbildung zählen, oder halt während der Klinik Arbeit quasi in der Freizeit weiter forscht... Beides nicht so toll.
Mein damaliger Dr-Vater hat mir auch angeboten, die Weiterbildung bei ihm an der Uni anzufangen und dafür in ein neues Clinician Scientist Programm aufgenommen zu werden. Aussage war dann: "Ja, interessierte Neurologen, die forschen, suchen wir immer. Aber zuerst werden Sei ein guter Kliniker, also in den ersten zwei Jahren wohnen Sie dann mit 90+ Stunden in der Woche quasi in der Klinik..." Nein danke!

@tarumo: bist du auch WBA in Neuro? Was ist dann deine Perspektive für die Zukunft?

@Popliteus: hast du eine Lösung gefunden, was du in Zukunft machen wirst? Willst du vielleicht deine privaten Nachrichten aktivieren? Würde mich gerne ein wenig austauschen

Popliteus
04.12.2020, 22:53
Grundsätzlich sollte man, wenn es um die Niederlassung geht, das seinerzeit von der KVB beauftragte "Neubauer-Gutachten" lesen. Das ist mittlerweile im Giftschrank, aber sicher online noch irgendwo zu finden. Die Mühe muß man sich halt machen.


Danke für diesen Input! Dieses Gutachten (das man schnell findet) versucht etwas zu quantifizieren, das meiner Meinung nach bei Diskussionen über die Niederlassung häufig ausgeblendet wird: das unternehmerische Risiko im Vergleich zum Angestellten. Es zeigt auch, dass der 1:1 Vergleich mit Oberarztgehältern Selbstbetrug pro Niederlassung ist.



-komplexe, langwierige Krankheitsbilder , keine wirtschaftlich notwendigen "Verdünnerscheine".

Das stimmt allgemein, Migränepatienten wäre solche Kandidaten, wenn es nur um Rezepte und einmal im Quartal Karte durchziehen geht. Ebenso anfallsfreie Epileptiker. Problem: Schmerzpatienten beanspruchen häufig überproportional viel Zeit, anfallsfreie Epileptiker wollen übers Absetzen reden. Neuro ist halt kompliziert ;-)

Popliteus
04.12.2020, 23:06
Oh super, das sind echt erleuchtende Antworten, danke. Decken sich mit meinen begrenzten Erfahrungen.

Ein anderer Zweig zum Vertiefen ist die Forschung. Ich habe eine experimentelle Diss gemacht und wurde auch eingeladen, das weiterzuführen. Nun ist es allerdings (zumindest hier) so, dass man entweder eine der (projektbasierten, befristeten) reinen Forschungsstellen bekommt, die schlecht bezahlt sind und nicht für die Weiterbildung zählen, oder halt während der Klinik Arbeit quasi in der Freizeit weiter forscht... Beides nicht so toll.
Mein damaliger Dr-Vater hat mir auch angeboten, die Weiterbildung bei ihm an der Uni anzufangen und dafür in ein neues Clinician Scientist Programm aufgenommen zu werden. Aussage war dann: "Ja, interessierte Neurologen, die forschen, suchen wir immer. Aber zuerst werden Sei ein guter Kliniker, also in den ersten zwei Jahren wohnen Sie dann mit 90+ Stunden in der Woche quasi in der Klinik..." Nein danke!

@tarumo: bist du auch WBA in Neuro? Was ist dann deine Perspektive für die Zukunft?

@Popliteus: hast du eine Lösung gefunden, was du in Zukunft machen wirst? Willst du vielleicht deine privaten Nachrichten aktivieren? Würde mich gerne ein wenig austauschen

Ich habe leider keine perfekte Lösung. Ich habe den Eindruck, dass wir Neurologen folgenden Fehler machen: Wir sind oft intelligent, fleißig, haben im Studium viel investiert, sind sorgfältig bis zur Zwanghaftigkeit und erwarten unbewusst, dass dies von Patienten und dem System honoriert wird. Das wird es aber eben gerade nicht, und dann wird man schnell unzufrieden.
Bei der Forschung hast du ja glücklicherweise schon gemerkt, dass du bei dem Deal eher nicht gewinnst.

Habe die PN aktiviert, du kannst mir also gerne auch dort schreiben.

anignu
05.12.2020, 01:00
wir Neurologen [...] sind oft intelligent, fleißig, haben im Studium viel investiert, sind sorgfältig bis zur Zwanghaftigkeit und erwarten unbewusst, dass dies von Patienten und dem System honoriert wird.
Während alle anderen Ärzte oft nicht intelligent, im Studium wenig investiert haben, sorglos bis zur Schlampigkeit sind dafür aber auch weder vom Patienten noch vom System irgendwas erwarten... alles klar.
Ein Tipp: überarbeite dein Bild bzgl. anderer Fachrichtungen

ehem-user-15-12-2020-1454
05.12.2020, 02:27
Es zeigt auch, dass der 1:1 Vergleich mit Oberarztgehältern Selbstbetrug pro Niederlassung ist.


Laut diesem Gutachten sollte sich dann auch kein Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Rechtsanwalt etc. selbstständig machen (siehe Tabelle) mit anderen freien Berufen. Die Ausbildung ist definitiv nicht einfacher. Einen wirklichen Abstand gibt es nur zu Notaren und Patentanwälten. Wenn man sich die Grundgesamtheit im Praxis Panel ansieht, wird deutlich, dass das Soll-Honorar sehr wohl von vielen Ärzten erreicht wird. Gerade von den beschriebenen Orthopäden und Urologen. Das genannte angemessene Arzteinkommen ebenso. Ich weiss aus sehr verlässlicher Quelle, das auch ein Allgemeinmediziner ohne nennenswerten Privatanteil dass "angemessene Arzteinkommen" von 159.544 erreichen kann. Natürlich nicht jeder. Aber im Vergleich zu Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern stehen Ärzte ja gut da. Da gibt es auch Angestellte bei den Big4 die deutlich mehr als die Selbstständigen verdienen

ehem-user-15-12-2020-1454
05.12.2020, 04:33
Es gibt auch genug Praxisbörsen, wo Umsatz und Gewinn aufgeführt sind. Warum j

tarumo
05.12.2020, 08:52
Es gibt auch genug Praxisbörsen, wo Umsatz und Gewinn aufgeführt sind. Warum j

Witzig, wie man Akademiker täuschen kann. Wenn ich eine Praxis verkaufen will, versuche ich Gewinn und Umsatz nach oben zu schönen, oder? "Richtige" Buchführung nach BGB muß man ja nicht betreiben. Also kann man vieles behaupten. Die im ÄB zum Verlauf stehenden Praxen sind zu 100% auch alle "scheinstark" oder "gewinnträchtig". Nur dumm, daß da noch nichtmal ein Investor zuschlägt...

Nach Deinem Vorschlag könnte man auch eine Kfz.- Pannenstatistik an den Händlerangaben einer Internet-Gebrauchtwagenbörse festmachen, wo die Fahrzeuge alle in einem sehr guten Zustand und immer scheckheftgepflegt sind...

Zum Vorposting:
Das Neubauer-Gutachten beschreibt die Situation zu einem definierten Zeitpunkt X.

Was man nicht außer Acht lassen sollte: der genannte Betrag von z.B. 159.000 EUR kann nach dem FA sowohl mit einem AT-Vertrag als OA , als OA mit Poolbeteiligung, als auch je nach Fachrichtung in einem MVZ durchaus realistisch erreicht werden- und zwar als Angestellter mit allen Rechten und 0.0 unternehmerischen Risiko. Im Ausland sowieso...Schade, daß das in-die-Tasche-Lügen gleich im Folgebeitrag schon wieder losgeht.

Punkt 2: die genannten Beträge können und werden durch staatliche Eingriffe permanent beeinflußt, und zwar meistens nach unten. Die GOÄ, nach der Privatpatienten abgerechnet werden, ist in den Grundzügen seit 1982 (!) unverändert gelassen worden. Bei den gesetzlich Versicherten hat sich der Scheinwert die letzten 20 Jahre mehr als halbiert.
Ringsrum wird alles teurer, Miete, Geräte, Personal, Strom, Versicherungen usw...

KEIN Anwalt würde sich einen solchen Eingriff bieten lassen. Vielmehr wird deren Gebührenordnung in regelmäßigen Abständen erhöht. Einfach mal informieren. Und so kann man durchaus interpolieren, daß der Anwalt in fünf Jahren noch genausogut zurecht kommt wie heute. Natürlich kommen auch neue Betätigungsfelder hinzu wie lukrative Clanmandate (der Mann von Renate Künast hat sich auf sowas spezialisiert) oder Ausländerrecht, ein goldenes Jahrzehnt für jeden in dem Metier.

Der Anwalt muß auch keinen Honorarabzug hinnehmen, wenn er nicht auf kostenpflichtigen Fortbildungen war. Und er muß auch keinen teuren TI-Elektroschrott in der Praxis installieren, damit die Rechtsschutzversicherungen jederzeit Zugriff auf seine Daten nehmen können. Ein Anwalt muß keine Quartalspauschalen hinnehmen. Ein Anwalt muß bis auf wenige Ausnahmen nicht für Empfänger von staatlichen Transferleistungen und deren Vergütungordnung tätig sein. In der Medizin sind halt dummerweise 90% der Patienten Empfänger von Sozialtransferleistungen (nichts anderes ist die GKV).
Und kein Jurist würde für derzeit 10 EUR im Monat ein kostenpflichtiges Abo abschließen, um überhaupt zur Berufsausübung berechtigt zu sein (AdvoCard ist was anderes als der eHBA).

In der Medizin schaut es so aus, Beispiel aus meinem Fachgebiet: die KV hat im April 2020 mal eben die Vergütung für die Schnittbildgebung um fast 20% abgesenkt. Heißt also einen Umsatzverlust von 20%, da Schnittbildgebung bei GKV-Mitgliedern nunmal den Löwenanteil ausmacht. Jeder der etwas rechnen kann, weiß, daß dann der Gewinn nicht auch um 20% sinkt, sondern- je nach Marge- auch schon mal unter Null gedrückt wird. Und ein paar Jahre Null heißt weg vom Fenster.
Das führt dann zu, daß man den Laden entweder an einen Investor verkauft, der noch ein paar Jahre zubuttern kann, um später dann mit einer Machtposition Kassen, Patienten, Politik zu erpressen. Oder man verkleinert sich erheblich, behält ein paar Geräte und macht als Privatpraxis weiter. Oder man sperrt im fortgeschrittenen Alter ganz zu, verkauft die Zulassung an einen Investor, mit dem Ergebnis siehe oben.
Corona wird zu einem weiteren Praxissterben führen, da die Einnahmesituation der GKV unabänderlich an die Gesamtlohnsumme gekoppelt ist, und selbst wenn nächstes Jahr die Praxen wieder voll sind, wird es wieder weniger Vergütung geben, da die Kassen da noch "pleiter" sein werden als jetzt schon.

Popliteus
05.12.2020, 09:35
Während alle anderen Ärzte oft nicht intelligent, im Studium wenig investiert haben, sorglos bis zur Schlampigkeit sind dafür aber auch weder vom Patienten noch vom System irgendwas erwarten... alles klar.
Ein Tipp: überarbeite dein Bild bzgl. anderer Fachrichtungen

Ich habe befürchtet, dass so etwas kommt, mein Beitrag war zugespitzt. Ich möchte nicht, dass dieses Thema wie so viele in Beschimpfungen abgleitet und möchte das daher klarstellen. Natürlich sind andere genauso intelligent, fleißig, etc. Bei Neurologen gibt es einen bestimmten Typus, der sehr akademisch orientiert ist; viel Kopf, wenig Bauch.

tarumo
05.12.2020, 09:43
Ich habe befürchtet, dass so etwas kommt, mein Beitrag war zugespitzt. Ich möchte nicht, dass dieses Thema wie so viele in Beschimpfungen abgleitet und möchte das daher klarstellen. Natürlich sind andere genauso intelligent, fleißig, etc. Bei Neurologen gibt es einen bestimmten Typus, der sehr akademisch orientiert ist; viel Kopf, wenig Bauch.

da gibt es diese US-amerikanischen Karikaturen "medical stereotypes". Neurologen sind dort "armchair intellectuals".
https://i.redd.it/srj1r8ozfdk01.jpg
Klar, daß dann die KVen und Kassen leichtes Spiel haben.

ehem-user-15-12-2020-1454
05.12.2020, 11:21
Wenn ich eine Praxis verkaufen will, versuche ich Gewinn und Umsatz nach oben zu schönen, oder? "Richtige" Buchführung nach BGB muß man ja nicht betreiben. Also kann man vieles behaupten. Die im ÄB zum Verlauf stehenden Praxen sind zu 100% auch alle "scheinstark" oder "gewinnträchtig". Nur dumm, daß da noch nichtmal ein Investor zuschlägt...



KEIN Anwalt würde sich einen solchen Eingriff bieten lassen. Vielmehr wird deren Gebührenordnung in regelmäßigen Abständen erhöht. Einfach mal informieren. Und so kann man durchaus interpolieren, daß der Anwalt in fünf Jahren noch genausogut zurecht kommt wie heute.

Unrealistisch hohe Gewinne fallen aber spätestens bei der Prüfung der Zahlen auf. Ein guter Freund ist Steuerberater und hat mir _natürlich ohne Einzelheiten zu nennen_ die Zahlen des Praxis Panel bestätigt. Das Panel wurde von der gleichen Institution in Auftrag gegeben wie das Gutachten. Beides KBV. Warum die KBV bewusst viel zu hohe Zahlen veröffentlichten soll, verstehe ich definitiv nicht.
Aus dem Gutachten geht hervor, das Juristen deutlich weniger verdienen als Ärzte (siehe Tabelle). Man könnte daraus lesen, dass es sich nur lohnt Notar oder Patentanwalt zu werden.

Shade
05.12.2020, 13:56
Also ich kann gerne noch von meinen Erfahrungen in einer neurologischen Rehabilitationsklinik erzählen, meiner Ansicht nach ein großes wichtiges Feld der Neurologie, da eben die meisten neurologischen Erkrankungen nicht in 2 Wochen ausgestanden sind.

Wir haben geregelte Arbeitszeiten, 8 bis 17 Uhr, können regelmäßig Mittagspause machen (ok, die KollegInnen, die nicht vom Schreibtisch loskommen, gibt es auch) und man bleibt gelegentlich mal 30 Minuten oder selten mehr länger. Man sieht natürlich nicht das volle Spektrum der Neurologie, dafür aber den langfristigen Verlauf, von dem viele Akutärzte wahrscheinlich keine Ahnung haben. Dazu machen wir natürlich auch viel nicht-neurologisches, da wir keine anderen Disziplinen im Haus haben und machen sehr viel Innere, bisschen Uro, bisschen Gyn usw., ehe wir uns Konsile einholen, die immer mit recht viel Aufwand verbunden sind. Ich denke die meisten hier sind recht zufrieden mit ihrem Job.

Das einzige, was mich langfristig auch von einer Reha-Klinik abschrecken würde, sind die Dienste. Aktuell machen wir meist 5 24h-Dienste pro Monat, das könnte ich mir z.B. mit kleinen Kindern und langfristig nicht vorstellen.

Ich habe, bevor ich mit dem Weiterbildung für Neurologie begonnen habe, auch zwei Tage in einer neurologisch/psychiatrischen Praxis hospitiert, die ÄrztInnen dort waren recht zufrieden, die Patientenkontakte waren sehr nett und angenehm usw. Übers Finanzielle habe ich mit ihnen allerdings nicht gesprochen..

Evtl. kommt auch eine Anstellung in einer spezialisierte Ambulanz in Frage, als ambulante Tätigkeit aber eben an ein Krankenhaus angeschlossen?