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Markian
03.02.2021, 12:59
Ich bin jetzt seit einigen Tagen Arzt in Weiterbildung in der Inneren in einer mir bisher noch fremden Stadt. Ich hab das Gefühl ich kann absolut nichts und bin einfach komplett überfordert. Obwohl ich noch eingearbeitet werde und eigentlich überall jemand drüber schaut, fühle ich mich irgendwie gar nicht wohl. Von den anderen Assistenten wird Druck gemacht, dass ich schneller Arbeiten soll und mehr Verantwortung übernehmen soll. Ich hab noch nicht mal alle verschiedenen Programme verstanden. Ich möchte meine Patienten gut versorgen, aber ich merke einfach, dass ich es nicht kann. Ich muss jede Dosierung nachschlagen, das braucht Zeit. Deswegen arbeite ich absolut ineffektiv. Ich kenne die Arbeitsabläufe nicht. Es fällt mir selbst bei meinen wenigen Patienten total schwer alles zu koordinieren und die Diagnose und Therapie zu planen. Oft haben sie mehrere Baustellen gleichzeitig und ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Zum Glück bin ich momentan noch nicht in vorderster Front, sondern noch behütet durch die anderen Assistenten. Mir ist echt unwohl morgens zur Arbeit zu gehen. Ich wollte deshalb fragen, ob es bei euch am Anfang auch so war? Und welche Tipps ihr habt, dass es besser wird.

davo
03.02.2021, 13:42
Das ist VÖLLIG normal.

Woher sollst du die Arbeitsabläufe, Programme, Dosierungen, usw. auch kennen? Es ist völlig logisch, dass du von all dem keine Ahnung hast.

Am Anfang wirst du eben sehr oft wen anderen fragen müssen. Das ist ganz normal. Das haben deine Kollegen auch zu akzeptieren.

Ich fand, dass ich nach ca. einem Monat so halbwegs einsetzbar war. Aber die Facharztweiterbildung dauert eben 5-6 Jahre, und das mit gutem Grund. Auch frische Fachärzte sind im Umgang mit schwierigen Situationen meist nicht souverän. Es wäre also völlig vermessen, zu erwarten, dass du nach ein paar Tagen die Stationsarbeit oder gar die Innere Medizin gut beherrschst.

Gerade die Innere Medizin ist sowohl in Sachen Stationsarbeit als auch in Sachen Fachwissen eine sehr große Herausforderung.

Mit der Zeit wirst du besser werden.

hebdo
03.02.2021, 13:47
6 Monate weiter schwimmen, dann sieht man irgendwann Land. Druck von den Kollegen ist nicht angebracht.

Arrhythmie
03.02.2021, 13:51
Hey,

also: Ich denke ALLEN geht es so, auch denen die es eben nicht ganz so offen zugeben. Ich finde es außerdem super, dass Du Dir am Anfang auch die Zeit nimmst alles nochmal nachzuschlagen (Dosierungen etc...) und nicht schlampig arbeitest. Niemand kann ernsthaft verlangen, dass Du das als Frischling schon alles kannst. Das können ja teilweise nichtmal Leute im 2. Jahr (hab das oft im PJ gesehen, gerade in der Inneren, dass die eben auch nachfragen/nachschauen mussten).

Dann kommt noch hinzu dass Du ja einfach auch in der Inneren bist, ne.... Multimorbide Wracks mit Medikamentenlisten so lang wie mein Einkaufszettel (ich kenne es nur so aus dem PJ....) Ich kenn Dich ja und ich bin mir absolut sicher, dass Du Deine Sache sehr gut machst, auch jetzt schon, wo Du gerade am Anfang stehst und gefühlt nichts kannst.
Du bist sehr clever und lernfähig und bekommst das hin. Wenn Du 1 Jahr durchhalten kannst wäre es mega gut, das hilft Dir bestimmt auch in der Derma.
Außerdem macht es Dich begehrter für Deine zukünftigen Bewerbungen.

LG, Du packst das!

Matzexc1
03.02.2021, 17:26
Ich bin seit letztem Jahr in der Anästhesie, bisher nur 1 Fachgebiet kennengelernt, seit Januar muss ich mich auch mit Kinderanästhesie und einem anderen Gebiet beschäftigen.

Mir geht es auch heute teilweise nicht anders, das ich etwas nachschlagen muss und teilweise manche Frage 2x stelle. Die ersten 6-12 Monate sind die Schlimmsten, ab dann erwarte ich das es besser wird

Den Druck kenne ich auch: "Wer PJ in der Anästhesie hatte sollte nach 4 Wochen einen Saal alleine fahren können", wörtliches Zitat eines Altassistenten zu mir

Kopf hoch es wird immer besser

Halte durch und mach weiter :-)

Markian
03.02.2021, 20:23
Ja dieses Gelaber von wegen du bist ja selber Arzt geht mir schon ein bisschen auf die Nerven. Kann dich da voll verstehen Matze. Es stimmt im Endeffekt schon, aber man lernt halt im PJ auch nicht so viel. Wir haben auch eine PJlerin auf Station, über die sich die anderen Ärzte lustig machen. Das find ich auch absolut gar nicht cool. Lernen tut sie bei uns auch nichts.

davo
03.02.2021, 20:31
Naja, schade dass das so ist. So schwer es auch ist, aber man muss versuchen, sich von solchen Idioten nicht runterziehen zu lassen. Und, auch das ist nicht immer einfach, nicht selbst so zu werden.

Wenn Weihnachten näher rückt, wirst du bestimmt mehr Routine entwickelt haben. Braucht einfach seine Zeit.

McLaren422
03.02.2021, 20:55
Ich bin jetzt seit einigen Tagen Arzt in Weiterbildung in der Inneren in einer mir bisher noch fremden Stadt. Ich hab das Gefühl ich kann absolut nichts und bin einfach komplett überfordert. Obwohl ich noch eingearbeitet werde und eigentlich überall jemand drüber schaut, fühle ich mich irgendwie gar nicht wohl. Von den anderen Assistenten wird Druck gemacht, dass ich schneller Arbeiten soll und mehr Verantwortung übernehmen soll. Ich hab noch nicht mal alle verschiedenen Programme verstanden. Ich möchte meine Patienten gut versorgen, aber ich merke einfach, dass ich es nicht kann. Ich muss jede Dosierung nachschlagen, das braucht Zeit. Deswegen arbeite ich absolut ineffektiv. Ich kenne die Arbeitsabläufe nicht. Es fällt mir selbst bei meinen wenigen Patienten total schwer alles zu koordinieren und die Diagnose und Therapie zu planen. Oft haben sie mehrere Baustellen gleichzeitig und ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Zum Glück bin ich momentan noch nicht in vorderster Front, sondern noch behütet durch die anderen Assistenten. Mir ist echt unwohl morgens zur Arbeit zu gehen. Ich wollte deshalb fragen, ob es bei euch am Anfang auch so war? Und welche Tipps ihr habt, dass es besser wird.

ich arbeite zwar noch nicht (sollte aber bald losgehen), aber ich glaube, dass es 95% der Ärzte beim Berufsstart so ergeht. Man muss sich da wohl einfach durchquälen, der Überforderung wird irgendwann die Erleuchtung und dann die Routine folgen. Einfach frohen Mutes weitermachen, sich nicht verrückt machen, sich lernfähig zeigen, nach der Arbeit unklare Dinge nochmal nachvollziehen. Und akzeptieren, dass ne gewisse Überforderung normal ist.

Viel Glück weiterhin! ;)

Matzexc1
03.02.2021, 20:59
Ja dieses Gelaber von wegen du bist ja selber Arzt geht mir schon ein bisschen auf die Nerven. Kann dich da voll verstehen Matze. Es stimmt im Endeffekt schon, aber man lernt halt im PJ auch nicht so viel. Wir haben auch eine PJlerin auf Station, über die sich die anderen Ärzte lustig machen. Das find ich auch absolut gar nicht cool. Lernen tut sie bei uns auch nichts.

Mein Anästhesietertial: Frühbesprechung-"such dir irgendeinen Saal aus"-häufig war ich dann in der Neuro oder der Kardio(viele neue Assitenten die selbst wenig wussten)-Mittagspause-nach Hause gehen. Intensiv war spannender, aber die hatten auch was anderes als Lehre im Kopf.

Durchhalten Leute und eines Tages entscheiden wir über die Qualität der Ausbildung :-)

Markian
03.02.2021, 21:00
Ja ich kann es schon verstehen, das Arbeitspensum ist auch einfach abartig. Dass man da abstumpft ist auch irgendwie logisch. Ich hab mich einfach gefragt ob es an mir liegt, dass es einfach gar nicht läuft.

Trendafil
03.02.2021, 22:51
Das Problem an der Inneren ist, dass man plötzlich so viel auf einmal bedenken muss und im Endeffekt schon froh ist, wenn man das KIS zum laufen gebracht hat.

Das ist normal. Du kannst das alles gar nicht wissen.
Keinem gehts in der Inneren anders, weil viel auch einfach Routine und Erfahrungssache ist.

Es hilft sich so ein Merk&Anschiss Buch anzulegen. Dort notiert man die wichtigsten Abteilungs/Hausstandards und Dinge, die mehr oder minder professionell als "Kritik" an einen heran getragen wurden (*hust* du verstehst?)

Es soll laut vieler Kollegen mit der Zeit besser werden. Und so wie ich Dich aus unserer Examensgruppe "kennen lernen" durfte, schätze ich Dich als jemanden ein, der seine Arbeit sehr gewissenhaft erledigt. Eine bessere Voraussetzung für dieses Fremdjahr gibts ja fast nicht.

Du packst das!

Habt ihr an eurem Haus so "Assistentenbücher", also so eine art Skript von Altassistenten über die wichtigsten Abreilungsspezifischen Besonderheiten und Krankheiten? Führen deine Kollegen ein Notizbuch, das du dir mal ansehen könntest?

Bei uns gibts mehrere solcher skripte und sogar fachbücher der OÄ, wo einfach viel alltägliches beantwortbar wird.
zum beispiel:
Neutropenes Fieber und der Patient in Schutzisolation. Schnelldiagnostik und Therapieoptionen.
oder verschiedene schemata bei Übelkeit während CTX.

Das erleichtert einem auch schon mal den Start (insb wenn die Dosierung angegeben ist und man nicht mühevoll googeln muss, während die Pflege ungeduldig auf die Uhr klopft..)

Es geht jedem so Markian. Du machst sicher deinem Ausbildungsstand entsprechend einen guten Job!

davo
04.02.2021, 05:37
Ich hab mich einfach gefragt ob es an mir liegt, dass es einfach gar nicht läuft.

Nein, natürlich nicht. Ist ja logisch, dass du Dinge, die man im Studium nie gelernt hat, nicht kannst. Du bist eben Berufsanfänger, da ist es ganz normal, dass man das meiste noch nicht weiß, vieles nachschlagen muss, organisatorisch unbeholfen ist. Geht jedem so.

Markian
04.02.2021, 06:00
Es gibt leider keine so richtigen Hausstandards und ein Büchlein führen die anderen Assistenten nicht. Die sind denk ich schon so lange dabei, dass sie sowas nicht brauchen. Ich hoffe einfach es legt sich schnell.

davo
04.02.2021, 06:47
1. Lass dich nicht blenden. Viele Ärzte haben Halbwissen, machen die Dinge so, wie sie glauben - und wenn man dann genauer hinschaut, war es eigentlich Blödsinn. Was ich damit sagen will: Nur weil jemand nie nachfragt, und kein Büchlein hat, heißt das noch lange nicht, dass er auch tatsächlich alles weiß ;-) Bei uns haben auch viele erfahrene Fachärzte so ein Büchlein.

2. Setz dir keine unrealistischen Erwartungen. Eine gute Freundin von mir ist jetzt ein Jahr in der Inneren und kommt sich dennoch oft verloren vor. Ist halt ein Riesenfach mit viel Organisationsaufwand und viel Stress. In einem halben Jahr wirst du wahrscheinlich erstmals etwas Routine haben. Das ist dann auch völlig in Ordnung so. Nur nicht ungeduldig werden oder zu viel von dir selbst erwarten.

Markian
04.02.2021, 11:42
Danke davo, echt nett von dir. Man fängt halt an an seinem ganzen Studium und der Arbeitsstelle zu zweifeln.

anignu
05.02.2021, 00:09
ein Büchlein führen die anderen Assistenten nicht.
Und? Nur weil es andere nicht machen heißt es nicht dass es per se schlecht ist. Ein Büchlein macht aus mehreren Gründen Sinn:
1. kann man sich hauseigene Standards reinschreiben, also zum Beispiel welches Antibiotikum bei welcher Standarderkrankung verwendet wird (und ja, da gibt es Unterschiede von Haus zu Haus)
2. kann man sich dann auch gleich die Dosierungen dazuschreiben damit man sie nicht immer wieder nachschlagen muss
3. kann man sich auch mal zu Hause hinsetzen und sich einfach mal Schemata rausschreiben bei welchem Krea man was in welcher Dosierung gibt oder Ähnliches
um dann 4. durch das damit beschäftigen und hinschreiben sich die Sachen besser merken zu können als wenn man sie nur liest.

Ehrlich gesagt: du kannst machen was du willst. Wie du das Wissen und die Standards in deinen Kopf bekommst ist völlig egal. Aber es ist kein Zufall dass immer wieder Leute schreiben von einem kleinen Büchlein. Einfach weil sie, wie ich, gute Erfahrungen damit gemacht haben.

nie
05.02.2021, 08:56
Und nur weil du es bei den anderen Assistenten nicht siehst, heißt es nicht, dass die keins haben.
Im ersten Jahr habe ich mein Buch auch fleißig geführt und viel notiert. Mit der Zeit ist es dann weniger geworden wohl man die Routinen/Standards kennt und zumindest ich schreibe überwiegend noch Sachsn auf, die ziemlich komplex/selten sind. Deshalb habe ich mein Buch jetzt nicht oft im Gebrauch aber immer dabei und greifbar falls ich doch mal nachschauen muss oder mir was notieren will.

Kenne eigentlich keinen Assistenten, der nicht bei der ein oder anderen Frage sei Büchlein aus der Tasche zaubert. Ich habe meins damals auch einfach angefangen und nicht geschaut ob andere sowas habe. Die Infos haben sich einfach mit der Zeit so gesammelt.

daCapo
05.02.2021, 10:53
Würde auch dieses Taschenbuch dringend empfehlen für den Anfang: Alles aufschreiben, was man noch nicht so gut kennt und was dann aber immer wieder kommt.

Rhiannon
05.02.2021, 14:28
Und nur weil du es bei den anderen Assistenten nicht siehst, heißt es nicht, dass die keins haben.
Im ersten Jahr habe ich mein Buch auch fleißig geführt und viel notiert. Mit der Zeit ist es dann weniger geworden wohl man die Routinen/Standards kennt und zumindest ich schreibe überwiegend noch Sachsn auf, die ziemlich komplex/selten sind. Deshalb habe ich mein Buch jetzt nicht oft im Gebrauch aber immer dabei und greifbar falls ich doch mal nachschauen muss oder mir was notieren will.

Kenne eigentlich keinen Assistenten, der nicht bei der ein oder anderen Frage sei Büchlein aus der Tasche zaubert. Ich habe meins damals auch einfach angefangen und nicht geschaut ob andere sowas habe. Die Infos haben sich einfach mit der Zeit so gesammelt.

Genau so ist es. Mein kleines schwarzes Buch mit allen Standards und den wichtigsten Telefonnummern und was man sonst manchmal noch so braucht, ist immer in der Kitteltasche. Mittlerweile (letztes WBJ) eher selten im Gebrauch, aber grad am Anfang ständig.

Absolute Arrhythmie
05.02.2021, 14:54
Ich hab mein kleines schwarzes Buch und meine Telefonliste immer in der Kittel Tasche. Gucke nicht so oft rein, aber wenn ich dann doch mal die Dosierung des Heparin-Perfusors oder die Nummer der Onko-Fachschwester brauche ist es Gold wert. Und es gibt mir ein Gefühl der Sicherheit. Genau wie ich im Dienst immer mein Notfallbuch dabei habe (Klinische Notfälle griffbereit), auch wenn ich nicht oft nachgucke.
Auf Station muss man halt lernen sich zu organisieren, das braucht Zeit und Routine. Und manche können auch am Ende der WBZ ihre Zeit nicht so einteilen, dass sie effizient arbeiten.