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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wechsel von Innere zu Neurologie



Lbml
07.02.2021, 12:55
Hey liebe Kollegen,

ich plane aus diversen Gründen einen Wechsel aus der Inneren in die Neurologie. Momentan arbeite ich seit 7 Monaten in der Inneren in einem mittelgroßen Haus und bin mit der Wahl wirklich nicht glücklich. Da mich v.a. neurologischen Fälle in der Notaufnahme begeistern und ich noch am Anfang der WB stehe, würde ich gerne sehen, ob ich in einer anderen Fachrichtung mehr Spaß an der Arbeit habe oder ob es generell der Klinikalltag ist, der mir so wenig Freude bereitet. Wenn ich die 12 Monaten Innere fertig habe, möchte ich in die Neurologie wechseln. Leider habe ich keine Famulatur oder Pj vorzuweisen und etwas bedenken, ob mir das bei der Bewerbung zum Verhängnis wird.

Gibt es jemanden von euch der dieses Wechsel vollzogen hat? An die Neurologen: Empfehlt ihr den Einstieg in einem kleinen Haus oder lieber einem Maximalsorger? Denkt ihr, es ist von Nachteil keine neurologische Erfahrung zu haben?

davo
07.02.2021, 12:58
Neurologie ist ein großes, oft sehr anstrengendes Fach mit sehr vielen Stellen. Auch an Unikliniken bekommt man deshalb oft recht leicht eine Stelle. Also wirst du mit einem Jahr Innere-Berufserfahrung absolut kein Problem haben, eine Stelle zu finden.

cartablanca
07.02.2021, 13:06
Die Arbeitsbelastung in der Neuro ist häufig noch schlimmer wie in der Inneren.

davo
07.02.2021, 13:24
Das war und ist auch mein Eindruck.

Lbml
07.02.2021, 14:09
Danke für Antworten. Ja die Arbeitsbelastung ist auch nicht der alleinige Grund. Das hängt vermutlich auch wieder stark von den Rahmenbedingungen der jeweiligen Abteilung ab. Aber bei entsprechendem Fachinteresse würde ich das auch in Kauf nehmen. Mich würde noch interessieren, ob es hier Leute gibt, die in beiden Abteilungen Erfahrungen gemacht haben und einen Vergleich ziehen können?

nie
07.02.2021, 16:13
Was genau nervt dich denn in der Inneren und was erhoffst du dir von der Neurologie?

Fachlich gibt es sicher einige Unterschiede und wenn du natürlich merkst, dass du mehr Interesse an den neurologischen Erkrankungen hat, ist ein Wechsel sich sinnvoll.
Aber letzten Endes ist der ganze Mist, der nervt, in beiden Fächern in gleichen Ausmaß vorhanden. Durchgearbeitete Dienste, viel Papierkram, ausbaden von Pflege(heim)defiziten, multimorbides Patientenklientel ohne Aussicht auf Besserung und in der Neuro halt auch viele Patienten, die eine Liste an internistischen Erkrankungen mitbringen.

Ich arbeite als Internistin und wir teilen uns Station, IMC/ITS und das Arztzimmer in der ZNA mit den Neurologen und arbeite viel und eng zusammen. Alles was mich nervt, nervt bei den Neurologen in ähnlichem Ausmaß. Daher ist halt die Fragen, aus welchen Gründen du einen Wechsel anstrebst und was du dir von einem Wechsel erhoffst. Sonst besteht leider die Gefahr, vom Regen in der Traufe zu landen.

Fluoreszenz
07.02.2021, 17:12
Ich arbeite aktuell im 2 WBJ an einer Uniklinik in der Neuro, erste Stelle, aber ich habe Freunde in der Inneren und natürlich das PJ-Tertial absolviert.
Was die Arbeitsbelastung angeht nimmt es sich meiner Erfahrung nach nicht allzu viel zwischen den beiden Fächern. Ich habe aber auch nicht den Eindruck, dass die Neurologen schlimmer dran sind, als die Internisten.
Was die Größe des Hauses angeht, sind in der Neuro größere Häuser wahrscheinlich schon zu empfehlen, weil du das gesamte Spektrum des Faches kennenlernst. Die Krankheitsbilder in der Neuro sind so vielfältig, dass dein klinischer Blick einfach davon profitiert ein breites Spektrum an Erkrankungen kennenzulernen. Häufig ergibt sich die Richtung, in die das Krankheitsbild des Patienten einzuordnen ist, erst durch eine zielführende Anamnese und eine genaue neurologische Untersuchung. Kurz gesagt: Wenn du in einer kleineren Klinik noch nie einen Opsoklonus gesehen hast, wirst du diesen vielleicht in der Untersuchung vielleicht nicht bemerken und nicht feststellen, dass der Patient möglicherweise eine Encephalitis hat.
Aber auch wir haben mit den ständigen Problemen der heutigen Medizin zu kämpfen: DRGs, Notaufnahmen, die von Patienten überrannt werden, so dass nur Zeit für das absolut Notwendige bleibt, Zeitmangel und mangelhaftes Teaching. Den strukturellen Defiziten kann man leider auch mit einem Fachwechsel nur schwer entgehen...

Lbml
07.02.2021, 17:33
Vielen Dank für die ausführlichen Antworten. Wahrscheinlich kommt mein aktueller Frust auch sehr durch die Arbeitsbelastung, die Unmenge an Patienten und das Gefühl sich fast ausschließlich, um die häusliche Versorgung der Patienten zu kümmern. Ihr habt schon Recht. Das ist wohl etwas, das beide Fächer betrifft und sich auch nicht durch einen Wechsel bessern wird. Allerdings kommt noch hinzu, dass ich meine Zukunft nicht in der Inneren sehe. Wir haben bei uns nur eine allgemeine Innere mit a.e. gastroenterologischen Schwerpunkt und bis auf wenige Ausnahmen sind die Krankheitsbilder wirklich wenig spannend. Auch die endoskopische Diagnostik fesselt mich nicht besonders. Ich hatte auch überlegt, in ein großes Haus mit festen Rotationen zu wechseln. Aber wenn ich mir vorstelle dort wieder in der Gastro oder in der schnelllebigen Kardiologie zu landen, vergeht mir auch die Lust. Bei meiner aktuellen Stelle ist es auch leider so, dass fast gar keine Ausbildung stattfindet. Klar muss man schnell selbstständig arbeiten, aber seit meinem Examen habe ich mit Mühe und Not maximal eine kurze OA-Visite in der Woche erhalten.
Insgesamt erhoffe ich mir mehr Begeisterung für ein Fach aufbringen zu können und eventuell in einem anderen Haus auch etwas mehr Betreuung bzw. Lehre zu erhalten (ich weiß, tendenziell ist die überall schlecht, aber man darf ja noch Wünsche haben).

davo
07.02.2021, 17:39
Aber was genau willst du dann machen? Die Krankheitsbilder sollen "spannend" sein, aber Kardio ist dir zu "schnelllebig" und Gastro langweilt dich. Wo genau siehst du dann die spannende Innere? In der Nephro? :-p (Sorry, der musste sein...)

Oder bist du eher der Typ, den es Richtung Rheumatologie oder Onkologie zieht?

Feste Rotationen an einem großen Haus klingt echt sehr optimistisch. Meist geht die Breite dort ja doch unter. Ein Kommilitone macht Innere an der Uni, der arbeitet jetzt über ein Jahr in derselben Subspezialisierung, und ein Wechsel ist weder erwünscht noch absehbar.

Vielleicht ist das Problem bei dir eher die schlechte oberärztliche Betreuung? Wenn man mehr lernt, ist in der Regel ja auch mehr Begeisterung da.

Lbml
07.02.2021, 18:01
Gute Fragen😀 Ja also tatsächlich fand ich sowohl Rheuma als auch Onko in der Famulatur spannend. In meiner aktuellen Klinik sehe ich davon aber eher wenig. Ich möchte auch nicht die ganze Innere als uninteressant abstempeln, aber bislang habe ich eben nicht das Gefühl, dass das genau „mein Ding“ ist. Und ja, die mangelnde Betreuung bestärkt natürlich die Unzufriedenheit. Daher suche ich ja nach Alternativen und am meisten hat mich eben die Neuro angesprochen. Sicherlich kann es mir dort ähnlich ergehen, aber da hilft wohl nur ausprobieren und bei Hospitation genau hinschauen.

Rahmspinat
07.02.2021, 19:52
Mich überrascht das ziemlich, dass die OÄ in manchen Kliniken nur einmal wöchentlich zur OA-Visite kommen. Wenn auf deren Stationen Mist passiert, bleibt das doch an denen hängen.

davo
07.02.2021, 20:03
Das Zauberwort lautet Übernahmeverschulden.

Wenn dann was schiefgeht, heißt es garantiert, "Aber man hätte mich doch jederzeit erreichen und jederzeit prompt hinzuziehen können - der Assistenzarzt hätte doch wissen müssen, dass er so einen Fall nicht alleine managen kann."

Rahmspinat
07.02.2021, 20:30
Das Zauberwort lautet Übernahmeverschulden.

Wenn dann was schiefgeht, heißt es garantiert, "Aber man hätte mich doch jederzeit erreichen und jederzeit prompt hinzuziehen können - der Assistenzarzt hätte doch wissen müssen, dass er so einen Fall nicht alleine managen kann."

So einfach sollte es dann in der Realität hoffentlich nicht sein. Wenn du nen Anfänger auf Station alleine bzw. zu zweit als Anfänger auf Station steckst, müsste doch jedem Richter klar sein, dass man noch nicht die klinische Weitsicht hat, um jede potentiell für den Patienten gefährliche Situation zu erkennen und zu entschärfen.