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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : AG über Grund für Langzeit-Krankmeldung informieren (bei F-Diagnose)



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Chaneira
07.03.2021, 17:48
Liebe Forumsmitglieder,

wie aus dem Titel hervorgeht stehe ich vor dem Problem, dass ich bald längere Zeit zwecks einer stationären psychiatrischen Behandlung ausfallen werde (genauer Zeitpunkt ist noch nicht bekannt, weil ich auf einer Warteliste stehe) und nicht weiß ob ich meinen Arbeitgeber über den wahren Grund für diese dann für einige Wochen notwendige Krankmeldung informieren soll.

Es wäre laut der Psychiatrie wohl möglich sich die AU auch über den Hausarzt ausstellen zu lassen, sodass nicht direkt mein Aufenthaltsort ersichtlich wäre.. Kennt sich jemand damit aus?

Mein beruflicher Background ist: Uniklinik, Notfallmedizin/Anä. Hier nicht gerade ein Bereich mit sonderlich viel Toleranz bei Erkrankungen der AN (euphemistisch ausgedrückt) bzw. zumindest dort, wo ich während der Krankmeldung eingesetzt sein werde (Schichtdienst) mit absolut dünner Personaldecke und darauf folgenden panischen Anrufen aller anderen Mitarbeiter, wenn mal jemand ausfällt usw..

Ich kann schlecht lügen, deshalb tendiere ich dazu die Wahrheit zu sagen.
Jedoch ist es so, dass ich mir dann ziemlich sicher bin jegliche Karriereoptionen (mit denen es gerade noch ziemlich gut ausschaut) dort verspielt zu haben.. Habe auch die Befürchtung, dass mir selbst bei ehrlicher Kommunikation nicht geglaubt werden wird, weil ich halt eine mega Fassade aufgebaut habe (was sicherlich auch pathologisch ist, aber das habe ich jetzt ja verstanden).Zudem bin ich mir sehr unsicher, ob dieses absolute "high-performance-Supra-Hyper-Maximalversorgung"-Arbeitsumfeld langfristig überhaupt gut für mich ist und ich gerade bei einer negativen Reaktion meines Chefs nicht eh besser daran täte in einen Bereich (AG-Wechsel oder auch Fachwechsel) mit besseren Arbeitsbedingungen zu wechseln..

Für die Option "Lüge" bin ich ehrlich gesagt ziemlich ratlos, was ich alternativ erzählen soll.. Es wird ja wahrscheinlich dann jeder denken, dass es was Richtung Ca ist oder ich muss mir eine Unfallstory überlegen? Hat jemand da geeignete Ideen, die plausibel sind bezüglich Krankheitsdauer usw.?

Und nachgefragt werden wird AUF JEDEN FALL. Alleine, weil die Dienstpläne ja geplant werden sollen und es per se üblich ist, wenn schonmal jemand krank ist (was praktisch nicht passiert), dass man erzählt was man hat und wielange man weg sein wird..

Vielleicht hat ja der ein oder andere diese Situation schon erlebt und kann mir einen klugen Rat geben!
Aktiviere auch die PNs, wenn ich dazu kognitiv in der Lage sein werde. ;)

Vielen Dank auch vorab!

Rettungshase
07.03.2021, 21:02
https://www.sueddeutsche.de/karriere/arbeit-was-muss-der-chef-bei-psychischen-erkrankungen-wissen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-190621-99-743562

Ich würde mich hierzu noch mal explizit von einem Anwalt für Arbeitsrecht beraten lassen. Ist wahrscheinlich in 1-2h Beratungszeit durch und gut investiertes Geld.
Außerdem kannst du - angelehnt an den Artikel - ja mal vorfühlen, ob es an deiner Klinik hierzu Ansprechpartner gibt (Betriebsarzt, Betriebsrat, betriebliches Gesundheitsmanagement uswusf.).

An meiner Klinik würde ich dem Dienstplaner zu gegebener Zeit soufflieren, dass ich voraussichtlich erst mal eine Weile ausfallen werde. Hier bin ich aber überzeugt, dass er es vertrauensvoll behandelt.


Zudem bin ich mir sehr unsicher, ob dieses absolute "high-performance-Supra-Hyper-Maximalversorgung"-Arbeitsumfeld langfristig überhaupt gut für mich ist.
Bei einem derart toxischen Arbeitsumfeld wie du es beschreibst würde ich bis zur weiteren Klärung der Details allerdings nur das absolut notwendige Minimum mitteilen.
Wenn du mit offenen Karten spielst, kann es halt sein, dass du "gegangen wirst". Andernfalls bleibt die Entscheidung bei dir: Wenn du fertig mit der Therapie bist und den Entschluss fasst, zu bleiben, bleibt dir diese Option genauso offen, wie aus freien Stücken zu gehen.

John Silver
07.03.2021, 22:42
Bloß nichts sagen. Krank, soundso, komme voraussichtlich dann und dann wieder. Punkt. Wenn eine direkte Frage nach dem Grund kommt, irgendwas von Karies oder kindlicher Leistenhernie erzählen. Sagste was von F., wirste garantiert gleich abgeschrieben und so bald wie möglich gegangen. Das ist eine Maschine, in der jeder Mensch nur noch eine Schraube ist; bist kaputt, wirst halt schnell ersetzt und fertig.

Kackbratze
07.03.2021, 23:10
Es gibt keinen Grund den Arbeitgeber über die Diagnose aufzuklären. Sowie das F auftaucht, ist selbst das normale Arbeiten endgültig vorbei.

Feuerblick
08.03.2021, 06:21
Ihr arbeitet in komischen Bereichen. Ich habe und hatte immer Kollegen mit bekannter F-Diagnose. Die waren halt AU, waren in Behandlung und kamen irgendwann wieder. Kein Mobbing, kein Kaltstellen sondern eher ein „okay, geht das für dich schon?“. Kollegialität ist nichts, was durch Vorgesetzte passieren muss sondern durch die Kollegen. „Gegangen“ wurde nur ein einziger Kollege. Der war im Rahmen seiner F-Diagnose körperlich aggressiv mehreren Kolleginnen gegenüber. Da hörte das Verständnis dann auf. Aber sonst...
Natürlich MUSS man dem Arbeitgeber die Diagnose nicht nennen. Ich halte dennoch überhaupt nichts davon, solche Diagnosen dauerhaft zu verschweigen. Es muss irgendwann mal Schluss damit sein, einfache chronische Erkrankungen zu verschweigen. Nichts weiter ist das doch. Da wird immer beklagt, dass solche Erkrankungen nicht akzeptiert werden, aber jeder hält damit hinterm Berg.
Und wenn die Arbeitsatmosphäre sowieso „toxisch“ ist und die Kollegen schon für gesunde Menschen Vollidioten sind, sollte man dringend der eigenen Gesundheit zuliebe einen anderen Arbeitgeber suchen. Dem muss man dann in der Tat erst einmal nichts von der Diagnose erzählen. :-nix

hebdo
08.03.2021, 06:36
Bei dem beschriebenen Arbeitsumfeld würde ich eher nichts sagen. Sag einfach die Wahrheit, dass du eine Erkrankung hast, bei der sich die Behandlung über mehrere Wochen zieht und du erstmal bis auf nicht absehbare Zeit ausfällst.

Ein Kollege ist damit offen umgegangen. Ihr Chef hatte viel Verständnis und hat sogar den verantwortlichen Bereichs-OA abgesetzt. Er ist dann nicht mehr wiedergekommen und hat nach ~6 Monaten gekündigt.

daCapo
08.03.2021, 08:44
Hebdo hat es genau richtig gesagt: einfach garnicht ansprechen und ausweichen, oder von einer "Stoffwechselerkrankung" sprechen wenn es garnicht anders geht.




Es wäre laut der Psychiatrie wohl möglich sich die AU auch über den Hausarzt ausstellen zu lassen, sodass nicht direkt mein Aufenthaltsort ersichtlich wäre.. Kennt sich jemand damit aus?

Ich kann schlecht lügen, deshalb tendiere ich dazu die Wahrheit zu sagen.
Jedoch ist es so, dass ich mir dann ziemlich sicher bin jegliche Karriereoptionen (mit denen es gerade noch ziemlich gut ausschaut) dort verspielt zu haben.. Habe auch die Befürchtung, dass mir selbst bei ehrlicher Kommunikation nicht geglaubt werden wird, weil ich halt eine mega Fassade aufgebaut habe (was sicherlich auch pathologisch ist, aber das habe ich jetzt ja verstanden).Zudem bin ich mir sehr unsicher, ob dieses absolute "high-performance-Supra-Hyper-Maximalversorgung"-Arbeitsumfeld langfristig überhaupt gut für mich ist und ich gerade bei einer negativen Reaktion meines Chefs nicht eh besser daran täte in einen Bereich (AG-Wechsel oder auch Fachwechsel) mit besseren Arbeitsbedingungen zu wechseln..


a) Würde auf jeden Fall die AU über den HA besorgen
b) Auf der anderen Seite sagst du selbst, vllt ist es nicht deine Sache mit dem Uniklinik Supramaximal Versorger Anästhesie.
Die Anästhesie hier an der Uniklinik hat auch eine starke Fluktuation an Mitarbeitern. Viele gehen einfach mit Auflösungsverträgen wegen der hohen Arbeitsbelastung obwohl der Chef wirklich bemüht ist das geltende Arbeitsrecht korrekt umzusetzen.
Die Frage, ob du da wirklich eine Karriere willst (in Anbetracht deiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen) musst du dir selbst beantworten. Karriere an der Uniklinik Anästhesie ist hier nicht besonders schwer, einfach weil es soviel Fluktuation bei den Mitarbeitern gibt und Tada...wieder ne höhere Position frei für die Karriereleiter.

Hoppla-Daisy
08.03.2021, 15:05
Ich bin damit offen umgegangen. Und ich hab jetzt in der Wiedereingliederung keine Schwierigkeiten. Man ist insgesamt rücksichtsvoll, aber nicht mit Samthandschuhen unterwegs (DAS fänd ich auch sehr strange).

Und ich höre, wenn ich im Haus unterwegs bin, heute noch oft „wie schön, dass du wieder da bist! Wie geht es dir?“. Da macht sich überhaupt nirgendwo bei mir das Gefühl breit, als würde man mich argwöhnisch betrachten, so nach dem Motto „die hatte ne F-Diagnose....“

Allerdings stehe ich auch sehr dahinter, dass aus F-Diagnosen kein Geheimnis gemacht wird. Klar, man hat die, man arbeitet dran, durchläuft ne lange Therapie. Aber man kann eben auch wieder gesundet daraus hervorgehen. Wie bei jeder anderen Krankheit auch. So what :-nix

Nessiemoo
08.03.2021, 17:16
Eine Freundin von mir ist auch wegen einer F-Diagnose länger ausgefallen, sie ist offten damt umgegangen und ihre Abteilung war und ist sehr unterstützend.


Zudem bin ich mir sehr unsicher, ob dieses absolute "high-performance-Supra-Hyper-Maximalversorgung"-Arbeitsumfeld langfristig überhaupt gut für mich ist und ich gerade bei einer negativen Reaktion meines Chefs nicht eh besser daran täte in einen Bereich (AG-Wechsel oder auch Fachwechsel) mit besseren Arbeitsbedingungen zu wechseln..


Da hast du bestimmt recht. Bisdahin würde ich in der Situation wie du es beschreibst, es nicht sagen. Lass doch alle irgendetwas denken.

Chaneira
08.03.2021, 18:49
Vielen Dank an alle, die sich bisher die Zeit für eine Antwort genommen haben! Gibt ja durchaus unterschiedliche Ansichten und ich sehe da auch bei jedem Weg Vor- und Nachteile..

@Rettungshase
Danke für den Link! Würde am liebsten genau SO vorgehen und den Dienstplaner frühzeitigst informieren, weil mir natürlich bewusst ist wie ätzend es ist Ersatz zu finden - vorallem in den Schichtdienstbereichen mit dünner Personaldecke.
Würde total gerne die Möglichkeit haben nach erfolgter Therapie selbst zu entscheiden: Eben, weil ich mich gerade nicht so in der Lage sehe direkt zu entscheiden, was perspektivisch der beste berufliche Weg für mich ist und es echt auch Aspekte an meiner aktuellen Arbeit gibt, die ich mag. Leider denke ich nicht, dass bei Ansprache des Dienstplaners da irgendwas vertraulich bleiben würde, weil dann halt auch Rotationen umgeplant werden müssten und das dann wieder mit dem Chef besprochen werden muss.

Chaneira
08.03.2021, 18:52
Befürchte, so wird die Ansicht auch sein: Länger krankgemeldet = kann man nicht mehr gebrauchen. Gibt hier tatsächlich noch genug motivierte, deutsprachige Bewerber*innen, die gerne kommen möchten.

Bin jetzt ja nicht von der schneidenden Zunft, aber befürchte, dass kindliche Leistenhernie nicht ganz so plausibel klingen wird. ;)

Chaneira
08.03.2021, 18:55
Mein letzter Post bezog sich primär auf den Post von @John Silver, sorry.

Chaneira
08.03.2021, 19:15
@Feuerblick @Hoppla-Daisy

Bin voll bei euch, dass ich auch der Meinung bin, dass man gegen diese Tabuisierung von psychischen Erkrankungen etwas tun sollte und somit per se offensiv damit umgehen sollte. Habe ich gegenüber meinem privaten Umfeld inzwischen auch größtenteils gemacht. Allerdings ist es in der Medizin ja leider eher so, dass noch viele "antiquierte" Ansichten vorherrschen und ich kriege es leider viel zu oft mit, wie z.B. bei Schockräumen von Pat. nach Suizid(versuch) wirklich vollkommen unangemessene "Witze" gemacht werden - und hiermit meine ich nicht "normales" copingmäßiges mit Galgenhumor an die Situation herangehen, sondern mehr so Äußerungen wie, dass man so "Verrückten" auch nicht mehr helfen bräuche, wie man nur so "dumm" sein kann nicht mehr leben zu wollen usw. usw.

Mir wurde von Seiten der Psychiatrie halt auch absolut davon abgeraten irgendetwas ehrlich auf der Arbeit zu sagen, weil deren Erfahrungshorizont wohl auch eher in Richtung krasse Nachteile im medizinischen Bereich hindeutet.

Danke euch auf jeden Fall für eure Berichte mit positiveren Erfahrungen!!!


Womit es aber eh steht und fällt ist wohl auch einfach meine Unfähigkeit zu lügen (kann nichtmals lügen, ob ich echt nachrelaxiert oder Propofol gespritzt habe - gut, das ist ja auch semi sinnvoll, aber auch nicht das Thema) und mein Mangel an plausiblen medizinischen "Ausreden".
Es WIRD massiv gefragt werden und befürchte, dass irgendwelche vagen Aussagen oder gar keine Aussage mir noch übler genommen werden als die Wahrheit.
Und juristische Basisrechte interessieren hier schon niemanden bzgl. nach im Tarifvertrag vorgeschriebener Mindestrechte z.B. in Bezug auf die Arbeitszeiten: Da verhält es sich mit nicht nach Gründen für die AU fragen dürfen halt sehr ähnlich.

Feuerblick
08.03.2021, 19:19
Fragen dürfen sie ja, antworten musst du aber nicht. Das ist dann nicht mal „lügen“. Es gibt ja durchaus auch delikatere Erkrankungen somatischer Art, die man ungern vor den Kollegen ausbreitet. Wenn die Kollegen fragen und du nicht antworten möchtest, dann sagst du einfach „Sei mir nicht böse, aber das ist privat.“

PrinzessinAmygdala
08.03.2021, 19:43
Bin hier stille Mitleserin und finde es irgendwie gerade richtig traurig, dass man sich mit einer F-Diagnose so verstecken muss, weil man Angst vor einer Kündigung hat. Das verschlimmert doch so manche Erkrankung vielleicht auch noch. Ich gebe meinen Vorrednern recht, dass es kein Tabu sein sollte. Traurig genug, dass es oft noch so ist. :-(

WackenDoc
08.03.2021, 19:54
Dann sag doch dem Dienstplaner, dass eine langwierigere medizinische Behandlung ansteht, du aber nicht über Details sprechen möchtest.
Und in der Therapie kannst du doch immernoch entscheiden, wie du nach der Rückkehr damit umgehst.

daCapo
08.03.2021, 23:39
Allerdings stehe ich auch sehr dahinter, dass aus F-Diagnosen kein Geheimnis gemacht wird. Klar, man hat die, man arbeitet dran, durchläuft ne lange Therapie. Aber man kann eben auch wieder gesundet daraus hervorgehen. Wie bei jeder anderen Krankheit auch. So what :-nix

Das finde ich gut.
Sehr altmodisch in der heutigen Zeit und in Anbetracht der Zunahme der Erkrankungen daraus ein Tabuthema zu machen

Kackbratze
09.03.2021, 06:08
Ja, so wie es Chefs gibt, die in toxischen Umgebungen Elternzeit, Sabbaticals, Gleichberechtigung und Halbtagsstellen total unterstützen.

Nicht.

Nur weil es per Gesetz möglich ist, heisst das nicht, dass das auch gleich total knorke ankommt und Alle die besten Buddys sind.

daCapo
09.03.2021, 08:49
Nur weil es per Gesetz möglich ist, heisst das nicht, dass das auch gleich total knorke ankommt und Alle die besten Buddys sind.

So ist es auf der Karriereleiter/toxischen Umgebungen/Haifischbecken.

Günni Gürtelrose
09.03.2021, 17:46
Ich würde es auch nicht sagen, denn deine Arbeitsumgebung hört sich nicht so an, als würde da Verständnis kommen. Wenn du dem Dienstplaner sagst, du müsstest demnächst leider für eine längere Zeit in Behandlung, würdest jetzt aber nicht über die Diagnose reden können, ist es ja keine Lüge. In der psychiatrischen Klinik werden sie dir nicht ohne Grund abgeraten haben, was zu sagen. Klar ist es schlimm, dass solche Erkrankungen immer noch tabuisiert werden, aber in deiner eh schon belasteten Situation musst du nicht die Aufklärerin sein, außer, du entscheidest dich ganz bewusst dazu.