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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ratschlag Jobwechsel



Avastin
19.03.2021, 17:30
Hey Leute,

ich brauche mal euren Rat. Und zwar bin ich Assistent in der Ortho/Unfall und will Ende des Jahres den Facharzt machen. In meiner aktuellen Stelle im Krankenhaus bin ich aufgrund diverser nicht gehaltener Versprechen und nicht vorhandener, operativer Ausbildung nicht ganz so zufrieden. Der Job ist allerdings sicher und das Geld ist ganz ok (allerdings auch viele Dienste).
Mir liegt nun ein Angebot einer großen Gemeinschaftspraxis auf dem Tisch. Es klingt unfassbar, aber dort würde ich tatsächlich mehr in den OP kommen. Ausserdem hätte ich keine Dienste mehr und Mittwochs sowie Freitags kurze Tage. Die sind auf eine langfristige Zusammenarbeit aus und das Betriebsklima ist super. Der Haken ist aber, dass sie mir für den Anfang weniger Geld angeboten haben. Sie sagen zwar, dass sich das relativ schnell steigern wird, aber schriftlich habe ich das natürlich nicht.
Damit ihr eine Hausnummer habt: Es geht um einen Unterschied von jährlich brutto 8000 € wenn ich das vergangene Jahr als Maßstab nehme. Mit dem aktuellen Jahr währe es wohl noch ein etwas größerer Unterschied. Dafür bräuchte ich aber ja auch keine Dienste mehr machen.
Wozu würdet ihr tendieren? Ich weiss, Geld ist nicht alles. Aber man muss auch seine Rechnungen bezahlen.
Ich freue mich auf eure Meinung!

John Silver
19.03.2021, 17:39
Wenn Du in der Praxis nicht nur als Sprechstundenheini gebraucht wirst, sondern wirklich ordentlich operierst, steigerst Du Deinen Marktwert in 2-3 Jahren locker auf 150.000+. Fürs Kleingeld kannst Du immer noch KV-Dienste machen, mit 1-2 Diensten pro Monat hast Du locker 8000 im Jahr drin.

Im Käseblatt..äh, Ärzteblatt bietet gerade eine große Ortho-Praxis mindestens 120.000 pro Jahr für jemanden, der/die bloß Sprechstunde machen soll; für einen Senior Operateur ist deutlich mehr drin.

docdean
19.03.2021, 19:44
Viel mehr Freizeit und nachts durchschlafen für 400€ netto im Monat weniger? Wär für mich überhaupt keine Frage. Und ich weiß ja nicht, was du für nen Lebensstil hast, aber mit den verbliebenen 3000€ netto im Monat (schätz ich mal) könnte ich meine Rechnungen immer noch locker bezahlen.

hebdo
20.03.2021, 09:10
Ich bin vor 1,5 Jahren aus der Klinik in eine Praxis gewechselt. Habe auch ca 9000€ weniger verdient, weil ich keine Dienste mehr gemacht habe. Gemessen am Grundgehalt bin ich aber 2 Entgeltstufen TV VKA aufgestiegen. Habe dann mit 2-3 NEF Dienste/Monat und 4 KV-Dienste pro Jahr etwa 15.000€ dazuverdient.

Nach einem Jahr habe ich nachverhandelt: 12 Stunden weniger Wochenarbeitszeit für das gleiche Gehalt - alles als WBA im letzten Jahr.

Als Facharzt habe ich jetzt eine Gehaltssteigerung von 30% bekommen. Im Sommer steht eine neue Verhandlungsrunde an. Es ist noch luft nach oben.

Die Höhe der Entlohnung ist gerade am Anfang zweitrangig. Viel mehr zählt die perspektive. Wer nur aufs Geld achtet kommt mit spätestens 50 in eine Sackgasse und die Abhängigkeit als reiner Angestellter steigt.

Bei operativen Fächern sollte man offen und selbstkritisch mit den eigenen Fähigkeiten sein und die Erwartungen der Arbeitgeber gut einordnen. Die Behandlungsqualität ist nochmal viel wichtiger als in einem großen Krankenhaus.

Thomas24
20.03.2021, 11:05
Die Behandlungsqualität ist nochmal viel wichtiger als in einem großen Krankenhaus.

Viel, viel, viel wichtiger als in einer großen Klinik- halte deine Zuweiser und die Laufkundschaft zufrieden. Guter Service, exzellente Op Qualität, problemlose Nachsorge. Und Problemfälle behandelst du selber nach, bis alles wieder schick ist. Das rundum Sorglos Paket eben.

Thomas24
20.03.2021, 11:16
Hey Leute,

ich brauche mal euren Rat. Und zwar bin ich Assistent in der Ortho/Unfall und will Ende des Jahres den Facharzt machen. In meiner aktuellen Stelle im Krankenhaus bin ich aufgrund diverser nicht gehaltener Versprechen und nicht vorhandener, operativer Ausbildung nicht ganz so zufrieden. Der Job ist allerdings sicher und das Geld ist ganz ok (allerdings auch viele Dienste).
Mir liegt nun ein Angebot einer großen Gemeinschaftspraxis auf dem Tisch. Es klingt unfassbar, aber dort würde ich tatsächlich mehr in den OP kommen. Ausserdem hätte ich keine Dienste mehr und Mittwochs sowie Freitags kurze Tage. Die sind auf eine langfristige Zusammenarbeit aus und das Betriebsklima ist super. Der Haken ist aber, dass sie mir für den Anfang weniger Geld angeboten haben. Sie sagen zwar, dass sich das relativ schnell steigern wird, aber schriftlich habe ich das natürlich nicht.
Damit ihr eine Hausnummer habt: Es geht um einen Unterschied von jährlich brutto 8000 € wenn ich das vergangene Jahr als Maßstab nehme. Mit dem aktuellen Jahr währe es wohl noch ein etwas größerer Unterschied. Dafür bräuchte ich aber ja auch keine Dienste mehr machen.
Wozu würdet ihr tendieren? Ich weiss, Geld ist nicht alles. Aber man muss auch seine Rechnungen bezahlen.
Ich freue mich auf eure Meinung!

Für die paar Euro fünfzig mehr oder weniger brutto als Assistent würde ich mir keinen Kopf machen. Viel wichtiger ist in deinem Ausbildungs Stadium: wo kann ich die maximal beste Ausbildung, sprich fachliche Expertise für mich rausschlagen, um meinen Marktwert nach dem FA zu steigern. Und es ist nunmal so: operieren lernt man beim operieren.

Nach dem FA sind konkrete Fähigkeiten kriegsentscheidend für deinen Einkommensverlauf. Nicht: schicke Diplome, schicke Urkunden oder Zusatzbezeichnungen. Sondern deine konkreten Skills.

Da die Geldmenge gerade durch die Zentralbankpolitik durch die Decke geht, aber die Anzahl (guter) Operateure bei weitem nicht im gleichen Maße steigt (was in einigen Regionen und Fächern durchaus auch mit der im Durchschnitt schlechter werdenden Qualität in der Assistentenschaft korrelliert- sowohl sprachlich, fachlich und die Arbeitseinstellung betreffend), kannst du nach deinem FA erhebliche Einkommenszuwächse erwarten, sofern du wertvolle Skills besitzt. Siehe Beitrag von John Silver, DocDean und co. Angebot (stagnierende Anzahl der Fachärzte insgesamt und darunter eine eher abnehmende Anzahl fachlich guter Fachärzte mit Sprachkenntnissen auf muttersprachlichem Niveau) und Nachfrage (steigend) lassen sich nicht aushebeln, selbst im einem semi- sozialistischen Gesundheitssystem. Also: nutze die Zeit und mach deine Arbeitszeit wertvoller.

daCapo
20.03.2021, 12:04
stagnierende Anzahl der Fachärzte insgesamt und darunter eine eher abnehmende Anzahl fachlich guter Fachärzte mit Sprachkenntnissen auf muttersprachlichem Niveau) und Nachfrage (steigend) lassen sich nicht aushebeln

Zeitraum 2000-2019
Augenheilkunde: 6336 - 7867
Allgemeinmedizin: 36963 - 44216
Anästhesie 14827 - 25827

Tatsächlich in manchen Fächern über 20 Jahre faktisch Stagnation unter Berücksichtigung von mehr Teilzeit insgesamt und höheren Bedarf. Aber nicht in jedem Fachgebiet.
Grundsätzlich hast du aber vollkommen Recht: Besser nicht aufs Geld schauen, sondern dahingehen, wo man die gute Ausbildung bekommt und was lernt. Und ja auch da hast du Recht: Wer was drauf hat und viel leistet (spricht sich auch rum in der Branche), verdient auch mehr in den Praxen und kann entsprechend verhandeln.

Zum Rest: Haben wir schon ewig diskutiert. Wer hat denn denn den Medizinstudiumplatz bezahlt, der Sozialstaat oder? Wer hat die Uniklinik gebaut und betreibt sie über Umwege immer noch? Wer zahlt denn die Kassenbeiträge und finanziert das Ganze? Es ist ein umlagenfinanziertes System, der Patient zahlt nicht am Ende alles aus eigener Tasche (bei manchen OPs / Verfahren auch nicht möglich) wie beim Kauf eines Autos. Man sieht ja wohin ein weitgehend "freies" System wie in den USA führt-->Teuer&mittelmäßig; aber klar, da verdient man sich ne goldene Nase. Daher werden unsere Abschlüsse (vor allem nicht der FA) dort anerkannt.


. Der Job ist allerdings sicher und das Geld ist ganz ok (allerdings auch viele Dienste).
Mir liegt nun ein Angebot einer großen Gemeinschaftspraxis auf dem Tisch. Es klingt unfassbar, aber dort würde ich tatsächlich mehr in den OP kommen.

Von der Tendenz würde ich dahingehen, wo ich mehr lernen kann und mich den andern hier anschließen.

CrashStudios
20.03.2021, 12:17
Zum Rest: Haben wir schon ewig diskutiert. Wer hat denn denn den Medizinstudiumplatz bezahlt, der Sozialstaat oder? Wer hat die Uniklinik gebaut und betreibt sie über Umwege immer noch? Wer zahlt denn die Kassenbeiträge und finanziert das Ganze? Es ist ein umlagenfinanziertes System, der Patient zahlt nicht am Ende alles aus eigener Tasche (bei manchen OPs / Verfahren auch nicht möglich) wie beim Kauf eines Autos. Man sieht ja wohin ein weitgehend "freies" System wie in den USA führt-->Teuer&mittelmäßig; aber klar, da verdient man sich ne goldene Nase. Daher werden unsere Abschlüsse (vor allem nicht der FA) dort anerkannt.


ja ja, der gutmütige und spendable Vater Staat. Nimmt dir nur 70-80% durch direkte und indirekte Steuern deines, im internationalen Vergleich, unterdurchschnittlichen Arztgehaltes, um Krankenhäuser und Straßen zu bauen. Nur leider sehe ich davon an unserer Klinik bzw. den maroden Straßen nichts.

daCapo
20.03.2021, 12:33
ja ja, der gutmütige und spendable Vater Staat. Nimmt dir nur 70-80% durch direkte und indirekte Steuern deines, im internationalen Vergleich, unterdurchschnittlichen Arztgehaltes, um Krankenhäuser und Straßen zu bauen. Nur leider sehe ich davon an unserer Klinik bzw. den maroden Straßen nichts.

Ich finde nicht, dass die Gehälter hier mies sind und die Statistik auch nicht.
https://www.zm-online.de/news/praxis/globaler-gehaltsreport-fuer-mediziner-deutschlands-aerzte-auf-platz-2/
Wir haben hier auch mehrfach über die Tarifverträge diskutiert für Ärzte in Weiterbildung (Bezahlung ok im internationalen Vergleich)
Qualität der Ausbildung/Wertschätzung der Arbeit/Umgang miteinander/Arbeitsbedingungen sind ein anderes Thema.


In den USA wird dein Studium nicht bezahlt, musste dich selbst drum kümmern, später dann abzubezahlen über Jahre/Jahrzehnte; das Gesundheitssystem gilt als viel zu teuer und mittelmäßig; aber der verdienst ist TOP. Wie bereits gesagt, stehen da nicht die Türen der ganzen Welt offen.
Finde die Straßen hier nicht marode...durchschnittlich im europäischen Vergleich

wir kommen vom Thema ab.

Feuerblick
20.03.2021, 12:35
Leute, könnt ihr bitte beim Thema bleiben? Hier wurde weder nach Finanzpolitik noch nach den USA gefragt. Beides wurde in den letzten Wochen und Monaten echt genug durchgekaut und hilft dem TE nicht weiter.
Danke!

Feuerblick
MediLearn-Moderatorin

Thomas24
20.03.2021, 12:38
Zum Rest: Haben wir schon ewig diskutiert. Wer hat denn denn den Medizinstudiumplatz bezahlt, der Sozialstaat oder? Wer hat die Uniklinik gebaut und betreibt sie über Umwege immer noch? Wer zahlt denn die Kassenbeiträge und finanziert das Ganze? Es ist ein umlagenfinanziertes System, der Patient zahlt nicht am Ende alles aus eigener Tasche (bei manchen OPs / Verfahren auch nicht möglich) wie beim Kauf eines Autos. Man sieht ja wohin ein weitgehend "freies" System wie in den USA führt-->Teuer&mittelmäßig; aber klar, da verdient man sich ne goldene Nase. Daher werden unsere Abschlüsse (vor allem nicht der FA) dort anerkannt.



Also, erstens: was hat das mit der Fragestellung zu tun? Der Kollege fragt nach der optimalen Vorgehensweise *für sich*. Nicht nach dem Wohlergehen der Versicherungsgemeinschaft, der Solidargemeinschaft, dem Staat, wem auch immer. Sondern *für sich*.

Zweitens: die Dinge sind nunmal, wie Sie sind. Ein stagnierendes Angebot an Arbeitskräften trifft auf wachsende Nachfrage. Frag doch mal bei deinen Bekannten, wie es in der freien Wirtschaft so läuft: ein in 5 Sprachen codender BSc. Informatik kann erheblich mehr Gehalt einfordern (hohe Nachfrage nach den Skills), als ein Absolvent von BSc. "Gendergerechte Germanistik, interkulturelles Problematisieren und inklusives Stuhlkreissitzen" (Gar keine Nachfrage nach den Skills, außer in der Sozialindustrie). Der Informatiker braucht vermutlich noch nichtmal einen Studienabschluss, sondern nur die professionellen Zertifizierungen. Der Kollege kann als besserer Operateur erheblich höhere Einkommen erzielen, als ein mittelmässiger Operateur. Das ist völlig legitim.

Drittens: der Kollege- mal angenommen unsere Regierung ist nicht so doof, den Deal (Arbeitsbedingungen, Einkommensperspektiven vs. höchste Steuer- und Sozialabgabenlast der Welt bei verfallender Infrastruktur) für den produktiven Teil der Gesellschaft immer unattraktiver zu gestalten- dass er ebenfalls ins Ausland abwandert, wird ein mehrfaches an Steuern und Sozialabgaben in das System zurückzahlen, als sein Studium gekostet hat. Mach dir da mal keine Sorgen. Die Grünen schlagen im aktuellen Wahlprogramm nicht nur Einkommensteuererhöhungen, sowie eine Vermögenssteuer vor, sondern auch die Steuerpflicht an die Staatsbürgerschaft zu koppeln, um auch im Ausland an sein Geld zu kommen. Wenn´s dich interessiert: Seite 49 unten.

Viertens: ich empfehle jedem, in seine Fähigkeiten und in seine Bildung zu investieren. Das erhöht nicht nur die Vermarktbarkeit der eigenen Arbeitskraft, erlernte Fähigkeiten können auch nicht von Dritten wegbesteuert, gestohlen oder verboten werden.

Fünftens: -komplett OT, aber weil du die USA erwähnst- wenn eine Mehrheit der Leute für die Fortsetzung der monetären Politik wählen ("Free shit for everybody! Give us more Stimulus Money"), dann sind Sie selber Schuld. Diejenigen, die für vermeintlich progressive Politik stimmen, preisen sich selbst aus aus Healthcare, College Tuition, Housing Market etc. aus. All das neu erschaffene Fiat "Geld" wird auf eine konstantes Angebot treffen und die soziale Lage vieler für vermeintlich sozial- progressive Politik wählende Menschen verschlechtern, wegen der Inflation bei steigender Umlaufgeschwindigkeit des Geldes (post Lockdown). Erheblich sogar. Aber eins muss man Ocasio- Cortez und co lassen: Sie machen einen exzellenten Job, wenn es darum geht Ursache und Wirkung zu verschleiern.

Konsequenz: am Ende sind es dann wieder die "evil Corporations, die Juden, die Finanzindustrie usw.", die dem kleinen Mann das Leben versauen, während Joey Millenial im Keller seiner Eltern hausen muss, genau wie sein Facebook Buddy Guido in Italien mit Mitte 30 bei seinen Eltern wohnen muss, weil Sie sich nichts eigenes leisten und auch keinen Job ergattern können.

Aber das hat ja nichts mit fortgesetzter staatlicher Intervention in die Märkte zu tun gehabt. Das waren die bösen Rothschilds in Kombination mit den Bilderbergern, jaja. :-nix

Fazit: nimm den besten Deal, den du für dich bekommen kannst und setze den Fokus aufs Lernen. Das Geld kommt später- wie viel du davon für dich behalten dürfen wirst, werden wir dann sehen.

Nachtrag: Funkels Ermahnung zu spät gesehen. Punkte 1,2,4 sind für den Fragesteller nützlich. Der Rest vielleicht für DaCapo.

John Silver
20.03.2021, 13:23
Ich will es ebenfalls unterstreichen: Es zählt, was man wirklich kann. An einer Uniklinik zählt neben klinischen Fähigkeiten auch die Fähigkeit, Papers hochrangig zu publizieren und Mittel anzuschaffen. In einer spezialisierten Klinik oder Praxis zählen diese Dinge dagegen deutlich weniger. Es zählt auch immer weniger, ob man Dr. med. oder gar Prof. ist. Das Zeitalter mag noch so schick und digital sein, aber die allermeisten Menschen folgen nicht dem Titel, sondern einer Empfehlung; und Niedergelassene schicken dahin, wo sie eine gute Behandlungsqualität sehen.

Deshalb betone ich meine Empfehlung, die Lehrjahre nicht in der schicken Klinik zu verbringen, wenn man dort nicht genug lernt. Dann besser downshifting, kleinere Klinik oder Praxis; klingt zunächst nicht so schick, aber wenn man dabei echte Skills erwirbt, und nicht nur die Gelegenheit, allen zu erzählen, in welch schicker Klinik man mal gearbeitet hat, zahlt sich das aus.

npspammer
20.03.2021, 14:27
Spannende Diskussion bezüglich der besten Herangehensweise an die eigene berufliche Entwicklung. Die genannten Argumente der interventionell Tätigen sind denke ich wertvoll für die Jüngeren, insbesondere der Hinweis auf die teilweise schlechte klinische Ausbildung an den Unikliniken.

Wie würdet ihr den Fall für einen sehr konservativ tätigen internistischen Kollegen (nehmen wir Fächer wie Rheumatologie, Nephrologie oder Häm/Onko) sehen? An meiner Uni werden fleissig Scheine wie Intensivmedizin, DEGUM-Zertifikate, Notfallmedizin, Palliativmedizin oder medikamentöse Tumortherapie gesammelt, die einem in der Niederlassung eher wenig bringen (da teilweise die erlernten Skills und Leistungen als fachinternistisch Niedergelassener nicht abzurechnen sind). Natürlich gilt es auch hier wieder Zuweiser und Patienten mit guter Arbeit zu überzeugen, die Komplikationsrate niedrig zu halten und sich vielleicht in klinischen Studien etc. zu engagieren. Aber das Skillset finde ich erstmal abstrakter und damit für einen Arbeitgeber bzgl Gehalt schwerer einzuschätzen.

hebdo
20.03.2021, 15:45
Für die angesprochenen Disziplinen ist das Beherrschen der spezifischen Diagnostik wie Sono, Kappilarmikroskopie, gelenkpunktionen etc. das wichtigste.

Rheumatologie: sinnvoll auf jeden Fall die Laborermächtigung, sonst kommt der Umsatz nur über die Patientenzahl und dann muss man ein riesen Tempo hinlegen.

Die Nephrologie ist sehr speziell. Die Wochenpauschalen der Dialyse machen je nach Praxis zwischen 80-90% vom Umsatz aus. Die Ambulanz und vor allem der Konsildienst sind eher "Hobby". Gerade bei den Krankenhausdialysen muss man manchmal schauen, dass man nicht draufzahlt. Gerade wenn die Praxis nicht an der Klinik stationiert ist.
Neben HD und PD kann man noch Geld mit Apharesebehandlungen verdienen. Gerade die Lipidapharese bringt noch einiges ein. Der Aufwand für die jährliche Kostenubernahme ist relativ hoch. Dazu ist die unkomplizierte Fortbildung zum Lipidologen sinnvoll. Gerade sind rheologische Behandlungen für das diabetische Fußsyndrom und die trockene Makuladegeneration im Kommen. Da wird viel von der Fachgesellschaft und der Industrie gepusht. Was sich langfristig etablieren wird ist noch unsicher. Der Hypertensiologe ist nur für das Praxisschild, bringt keinen extra monetären Benefit. beide Zertifikate lipidologie und Hypertensiologie werden aber gerade von der Industrie sehr gefragt und helfen bei den Gehaltsverhandlungen.

Ergänzen kann man noch die Diabetologie - viel Überschneidung und Synergien. Hier ist aber das DDG Zertifikat sinnvoll um die lukrativen Schulungen abrechnen zu können. Kann aber mit Patientenküche und Ernahrungsberatung sehr augwendig werden.

Intensiv- und Notfallmedizin bringen nichts in der Niederlassung.

Beim DEGUM Zertifikat weiß ich nicht ob es abrechnungstechnisch etwas bringt.

mbs
21.03.2021, 03:40
Wie gut oder schlecht die Ausbildung ist hängt sicher nicht allein vom Uniklinik-Status ab. Es gibt Unikliniken mit besserer operativer bzw. praktischer Ausbildung als an reinen "Versorgungskliniken" - egal welcher Größe.

So nervig und anstrengend Dienste auch sein können - selbst an Kliniken mit schlechterer Ausbildung kann man da (sofern man mit dem richtigen Hintergrund Dienst hat) doch an den ein oder anderen Eingriff rankommen der einen weiterbringt. Klar ist es nicht das Optimalkonzept dass Ausbildung nur durch Mehrarbeit stattfindet aber es ist immerhin etwas. An einer Praxis wo es nur Routineprogramm und geregelte Abläufe gibt hat man weniger Improvisationsspielraum in der Richtung. Es sei denn das Erlernen bestimmter OPs ist explizit irgendwo festgehalten - auf das reine Versprechen mehr operieren zu dürfen würde ich mich nicht verlassen. Gesagt wird viel, eben auch weil es nicht bindend ist.

John Silver
21.03.2021, 10:29
Die Behauptung, in den Diensten lerne man das Operieren, ist und bleibt Bullshit. Nichts weiter als eine gern genommene Entschuldigung für ein schlechtes Ausbildungskonzept im normalen Dienst. Operieren lernt man tagsüber unter vernünftiger Anleitung. In den Diensten kommt man nur für einen Bruchteil der Zeit in den OP; die meiste Zeit verbringt man mit Stationen und der Notaufnahme. Als frischer Facharzt stagniert man, weil man auch noch am Folgetag fehlt.

An einer Uniklinik lernt man das Operieren erst, wenn man die Habil durch hat und Oberarzt wird. Und das schaffen bei weitem nicht alle.

daCapo
21.03.2021, 11:49
Da hat er Recht.
Im Dienst lernt man vor allem Notfälle und Überhang der Station. Auch wichtig zu lernen und managen, aber es wiederholt sich, spreche da für konservative Fächer.



An einer Uniklinik lernt man das Operieren erst, wenn man die Habil durch hat und Oberarzt wird. Und das schaffen bei weitem nicht alle.

Da sprichst du für die Allgemeinchirurgie oder? Klar TME oder Whipple; kleinere Sachen sollten einem da schon beigebracht werden trotz Preußen-Militär Hierarchie. So kenne ich es von Kollegen/Praktika, die nun auch länger zurückliegen.

Wir hatten hier bereits einen Thread-->Lernt man was in Diensten und dies bereits ausführlich diskutiert: In allen Fächern ist der Lerneffektnach einer Zeit gering, war so ungefähr der Tenor und "nur" durch Dienste lernt man auf keinen Fall ausreichend. Die komplexen, geplanten Sachen laufen im Tagesgeschäft, egal ob Innere, Chirurgie, Radio.

-->Kommen auch vom Thema ab; wenn der TE bereit dienstfit ist und Dienste eher Wiederholung sind, dann wäre eine Praxis mit viel, abwechslungreichen OP-Einsatz sinnvoll