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Canax
24.03.2021, 14:31
Hallo,

ich bin jetzt im 10. Semester und überlege meinen Facharzt in Neurologie zu machen.

Das Gehirn und Nervensystem hat mich einfach schon immer fasziniert und ich habe auch ein Familienmitglied mit Epilepsie, so dass ich auch schon"privat" Berührungspunkte mit dem Gebiet hatte.

Was für Vor/Nachteile meint ihr hat der Facharzt bzw. wurden eure Erwartungen erfüllt?
Wie sieht es mit work/life balance aus?
Niederlassungsmöglichkeiten und Verdienst? Da stehen Neurologen ja wohl eher an der untersten Stelle.

Berufsaussichten sollen aber wohl sehr gut sein, auch aufgrund des demografischen Wandels.

ich würde mich sehr über eure Erfahrungen und Gedanken freuen!

Liebe Grüße

Zaphir
24.03.2021, 14:45
Bis zum 10. Semester solltest du ja schon einiges mitbekommen haben, wie dir Work-life Balance eines klinikers aussieht. Eigentlich sind ja Neurologen in der Klinik ähnlich gefordert wie die Internisten. Klar kann das niedergelassen anders aussehen, aber willst du schon so weit in die Zukunkt planen?

Was hat der demografische Wandel konkret mit der Neurologie zu tun? Gerade in der Neurlogie gibt es viele bunte Krankheitsbilder, die in allen Altersstufen verstreut sind. Klar ist das Risiko einer Erkrankung durch verlängerte Lebenszeit meist erhöht, aber das zählt dann für alle Fachbereiche und für viele eher als für die Neuro.

Ich würde den Berufwunsch nicht an Perspektiven ausmachen, die mich frühstens in 8-9 Jahren tangieren. Du hast ja schon gesagt, dass die Neurologie dich interessiert, mach dein PJ Tertial da drin und entscheide dann.

Canax
24.03.2021, 14:51
Also das Interesse ist in jedem Fall da, die Famulatur die ich gemacht habe hat mir auch sehr gut gefallen. Dennoch würde ich schon sehr gerne wissen welche Möglichkeiten es gibt.
Meine Zukunft sehe ich nicht lebenslang im Krankenhaus. Ich würde mich schon sehr gerne irgendwann niederlassen bzw. in eine Praxis mit einsteigen.
@Zaphir, hast du deinen Facharzt in Neuro gemacht?

hiddl
24.03.2021, 15:02
Ich würde den Berufwunsch nicht an Perspektiven ausmachen, die mich frühstens in 8-9 Jahren tangieren. Du hast ja schon gesagt, dass die Neurologie dich interessiert, mach dein PJ Tertial da drin und entscheide dann.
Ich sehe das anders herum, ich wundere mich immer, wie manche die Weiterbildung mit der besten Work-Life-Balance wählen und dann erstaunt sind, dass Anästhesisten häufig ans Krankenhaus gebunden bleiben. Ein gewisser Blick in die Zukunft schadet nie, auch wenn sich vieles natürlich noch anders ergeben kann.
Die neurodegenerativen Erkrankungen nehmen mit dem demographischen Wandel sicher zu. Arbeitslos wird ein Neurologe voraussichtlich nicht.

Popliteus
24.03.2021, 15:41
Ich bin Assistenz im 4. Jahr in der Neurologie. Daher kann ich keinen fundierten Einblick in die Niederlassung geben, aber zu Klinik und Praxis allgemein kann ich sagen:

Klinik: V.a. an nicht-universitären Häusern sehr viele Notfälle (bis zu 90% der stationären Patienten werden über die Notaufnahme akquiriert). Das reicht von recht harmlosen Sachen bis zu Strokes, und v.a. diese sind ein 24/7h-Business. Daher kann ich es nachvollziehen, wenn man nicht nicht sein ganzes Leben (auch und gerade als Hintergrund, der nachts am Telefon über Lysen entscheiden muss) in der Klinik verbringen will.
Praxis (Erfahrung aus Hospitationen und zweiter Hand): Viel periphere Neurologie, viele chronische progrediente Erkrankungen, viele nicht-organische Störungen -> Patienten können sehr anstrengend sein. Finanziell ist es tatsächlich am unteren Ende (unter Hausärzten), was individuell aber auch reichen kann.

Mein Ratschlag: Wenn dich Neurologie (nach dem PJ) sehr fasziniert und du dauerhaft in Richtung Uni/Forschung gehen möchtest, mach es. Dort kann man Neurologie am ehesten so praktizieren, wie man sich das als Student vorstellt. Hat aber auch die bekannten Nachteile. Wenn nicht, würde ich in Abhängigkeit von den Alternativen lieber was anderes machen.

Popliteus
24.03.2021, 15:44
Und zu Niederlassungsmöglichkeiten: Der Bedarf und die Zahl der Neurologen sind in den letzten 20 Jahren stark gewachsen, die Zahl der KV-Sitze nicht. Daher kann es je nach Ort mit den Niederlassungsmöglicheiten trotz hoher Nachfrage mau aussehen.

hoisn12
24.03.2021, 18:28
Stimme Popliteus zu 100% zu.
Ein großer und größer werdender Bereich ist die Neuro-Reha. Wem das liegt, hat hier sicherlich gute Jobchancen. Je nach Vorliebe für eher Reha-Medizin oder eher Intensiv-Medizin mit beatmeten Patienten je nach Phase alles dabei

Popliteus
24.03.2021, 18:39
Die neurodegenerativen Erkrankungen nehmen mit dem demographischen Wandel sicher zu.

Zahlenmäßig (peripher/Praxis) relevante neurodegenerative Erkrankungen = Parkinson, Alzheimer-Demenz. Beide werden sicher zunehmen. Aber was rechnet man ab? Sowohl GOÄ als auch EBM geben meines Wissens für Gespräch und Untersuchung nicht viel her. Deswegen bekommen in der Praxis viele ein EEG ;-)

Nicht vergessen darf man auch, dass Patienten mit eingeschränkter Mobilität und Kognition sich nicht für einen hohen Durchlauf eignen. Außerdem kommen sie oft mit Begleitperson, die Zahl der Fragen an den Arzt nimmt zu -> kein besonders lukratives Geschäftsmodell.

Daher: Demographische Veränderungen erhöhen die Zahl der potentiellen Patienten, ob sich das finanziell niederschlägt, ist eine andere Frage.

hiddl
24.03.2021, 18:48
Ich arbeite in einem MVZ mit Schwerpunkt Parkinson ;-). Doch, doch, das kann sich rechnen, Chroniker-Ziffer etc. sei Dank. Der Zeitbedarf eines Patienten hängt auch weniger von seiner Erkrankung als von seiner Primärpersönlichkeit ab.

Popliteus
24.03.2021, 18:52
Ich arbeite in einem MVZ mit Schwerpunkt Parkinson ;-). Doch, doch, das kann sich rechnen, Chroniker-Ziffer etc. sei Dank. Der Zeitbedarf eines Patienten hängt auch weniger von seiner Erkrankung als von seiner Primärpersönlichkeit ab.

Ok, dann weißt du tatsächlich mehr als ich ;-)

Wie viel Zeit hast du denn allgemein für einen Patienten inkl. Dokumentation? Ich kenne Takte zwischen 10 min und 30 min, wobei letzteres mir schon sehr luxuriös scheint.

Ich kenne es zumindest so, dass Parkinson-Patienten z.B. ein EEG oder Duplex bekommen, um Umsatz zu generieren. Geht es also auch ohne diese "Zusatzuntersuchungen" mit ...zweifelhaftem Nutzen?