PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Gründe und Motivation für eine akademische Karriere



Seiten : [1] 2 3 4

stateofgrace
07.05.2021, 10:00
Hallo,

gibt es hier welche, die sich langfristig in Unikliniken sehen, eine Professur anstreben usw?

Mich interessiert eure Beweggründe. Seid ihr aus einem entsprechenden Familienumfeld, gibt es Schlüsselerlebnisse die euch dazu inspiriert haben, macht euch die Forschung wirklich Spass? Oder ist es ein "es sich selbst beweisen wollen" oder einfach nur das Prestige? Eine akademische Karriere ist ja mit vielen Entbehrungen verbunden, die sich finanziell überhaupt nicht lohnen und einem viele wertvolle Lebensjahre kosten :-)

Gibt es auch welche, die sich habilitieren lassen wollten und dann die Kehrtwende gemacht haben? Was waren eure Gründe?

ninakatharina
07.05.2021, 10:40
Ich forsche "ein bisschen" in meinem Fach, derzeit ausschließlich klinisch... ich hoffe, dass es nach meiner Rückkehr aus der Elternzeit wieder mehr wird. Habil wäre toll...allerdings nicht um jeden Preis. Ich habe zwei kleine Kinder und einen wundervollen Mann. Mit denen möchte ich auch gern Zeit verbringen, Sport machen etc. Ausserdem ist mir die Arbeit mit Patienten und eine fundierte klinische Ausbildung wichtig, als reine präklinische/ Grundlagenforscherin hab ich mich nie gesehen..

Zu den Beweggründen:
Ich fand Forschung schon im Studium faszinierend und hab da sowohl in der Psychiatrie als auch in der Mikrobiologie schon als Forschungsassistentin mitgewirkt- das Wissen in der Medizin verdoppelt sich ja aller 5 (?) Jahre. Nur wenn wir forschen und unsere Ergebnisse strukturiert erfassen, so werden wir heute schlecht oder nicht behandelbare Erkrankungen irgendwann heilen können.
Hinzu kommt, dass ich mein Team und mein Arbeitsunfeld an der Uni hier wirklich grossartig finde. Wenn ich hier langfristig bleiben möchte und irgendwann Oberärztin werden möchte, führt kein Weg daran vorbei.

Um Prestige ging es mir nicht wirklich - Ich tue mich leider extrem schwer damit, im Mittelpunkt zu stehen, und stehe mir damit manchmal selber im Weg - Vorträge und Präsentationen sind mehr lästige Pflicht, als dass es mir Freude bereiten würde. Da bewundere ich eher die anderen, die sich und ihre Themen einfach viel besser präsentieren können.
Und finanziell kann man als Medizinerin sicher anderswo schneller besser dastehen.

urinbeutel
07.05.2021, 12:27
Was mir als Studentin auffällt, ist dass der Professoren Job sicher einer der freisten Jobs im Angestellten/Beamtenverhältnis überhaupt ist. Dies ist so sicher einzigartig.

was soll das denn überhaupt bedeuten.

Ich finde in der Forschung gibt es eine hohe Dichte an Leuten, die selbst nicht wissen, warum sie es eigentlich machen. Einfach weil es Usus ist in einem universitären Umfeld.

nie
07.05.2021, 12:54
Ich meinte damit, dass man als Professor ja recht weisungsungebunden ist und sich den Tag, abseits der Lehre frei gestalten darf. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass die alle faul sind:-)), aber es kommt auch niemand anspaziert und sagt mach dies oder mach das....

Oder seht ihr das anders? Außerdem sind Professoren ja auch in der Lehre frei.

Ist halt nur mein Eindruck:-nix

Sag das mal meinem Chef oder LOA :-))

ninakatharina
07.05.2021, 13:06
In den klinischen Fächern sind Professoren ja in der Regel in die klinischen Abläufe eingebunden.. Leiten Stationen, Ambulanzen oder haben andere Leitungsfunktionen.. Zudem müssen sie beispielsweise in meinem Fach noch die Diagnostik supervidieren und haben zT ambulante Patienten. Dazu kommen Studieninitierungen, Tumorboards und andere Besprechungen... Vorlesungen, Seminare und Praktika kommen dann noch on top...viel Spielraum zur freien Zeitgestaltung sehe ich da nicht.

daCapo
07.05.2021, 13:07
Ich meinte damit, dass man als Professor ja recht weisungsungebunden ist und sich den Tag, abseits der Lehre frei gestalten darf. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass die alle faul sind:-)), aber es kommt auch niemand anspaziert und sagt mach dies oder mach das....

Oder seht ihr das anders? Außerdem sind Professoren ja auch in der Lehre frei.

Ist halt nur mein Eindruck:-nix

Du wirst noch mehr Eindrücke sammeln. Wenn ein Uni Chef erfolgreich sein will,muss er auch arbeiten. Und es gibt auch sowas wie die Verwaltung, ärztlicher Direktor, Vorstand. Ein Klinikdirektor kann nicht schalten und walten wie er will. Glucklicherweise. Käme der Uni sonst teuer zu stehen,wenn das nicht kontrolliert wird.
Natürlich gibt es dort gerade im Alter viele die nur noch das nötigste tun...mit entsprechenden Ansehen.

urinbeutel
07.05.2021, 13:45
Ein Professor der aber z.B. nur Grundlagenforschung macht, kann sich sein Leben schon angenehm gestalten (habe einen in meiner Familie). Der Weg dorthin lohnt sich in aller Regel jedoch nicht. Dann ist man in seiner Nische die Koryphäe und wird weltweit mit offenen Armen begrüßt.

hebdo
07.05.2021, 14:56
Ich meinte damit, dass man als Professor ja recht weisungsungebunden ist und sich den Tag, abseits der Lehre frei gestalten darf. Das soll jetzt nicht bedeuten, dass die alle faul sind:-)), aber es kommt auch niemand anspaziert und sagt mach dies oder mach das....

Oder seht ihr das anders? Außerdem sind Professoren ja auch in der Lehre frei.

Ist halt nur mein Eindruck:-nix

In den großen Abteilungen gibt es meist einen Laborleiter. Auf den trifft deine Beschreibung in etwa zu. Aber wie schon bereits erwähnt wurde, ist der Weg dorthin sehr steinig.

Alle anderen forschende Kliniker haben in der Regel mindestens eine Dreifachbelastung: Klinik, Forschung und Lehre.

Ich hatte viel Spaß bei der Doktorarbeit und fand die freie und eigenständige Arbeit im Labor sehr angenehm. Nach 1,5 Jahren in der Realität mit einer 80h Klinikwoche und 2 Forschungsprojekten parallel habe ich das Handtuch geworfen. Meine Motivation zur Habil war nie groß, wollte einfach mal schauen wohin die Reise geht. Es muss aber nicht immer so laufen.
In einer Klinik, in der die Forschung wirklich mit Betreuung und Freistellung gefördert wird, kann es auch mit uberschaubaren Mehraufwand etwas werden.

flopipop
07.05.2021, 16:10
oder einfach nur das Prestige?

Karriere, Prestige...sind so gut wie immer die wesentlichen und oft die einzigen Beweggründe. Chefarzt werden oder weil der Titel so geil aussieht...ich habe nur wegen dem Titel promoviert und ich kenne in meinem Umfeld nicht einen einzigen Habilitanden, der nicht Chef werden will und es aus purer Begeisterung am Forschen tut...

ninakatharina
07.05.2021, 17:12
@flopiflop: das würde ich nicht so verallgemeinern.


wollte einfach mal schauen wohin die Reise geht.
Triffts hier auch.

Ich hatte für meine labor Forschungszeit eine 50% Freistellung, welche über die DFG finanziert war. Bei vorhandensein entsprechender Drittmittel können wir recht großzügig Forschungsfreistellungen erhalten.

Mr. Pink online
07.05.2021, 19:44
Die Eingangsfrage muss sich jeder selbst beantworten können, denn die universitäre Karriere bietet viele Aspekte, die für den einzelnen unterschiedlich attraktiv sind. Ich vermute Mal der Hauptantrieb ist für die meisten, dass sie schlichtweg an der Uniklinik bleiben wollen und da ist, sowohl vor als auch nach dem Facharzt Forschung Pflicht. Diese Vermutung wird auch dadurch bestätigt, dass viele nicht bis zur Habilitation durchziehen. Habilitatieren ist mit einem enormen Mehraufwand über mind. 5-10 Jahre verbunden. Forschungsfrei ist ja eher ein Fremdwort. Außerdem will man ja auch mit dem Facharzt voran kommen. Lehre und Forschung können aber natürlich auch sehr spannend sein und viele nehmen es daher gar nicht als so große Belastung wahr. Finanzielle Interessen sind vermutlich seltenst ein Antrieb, da man schneller Chef werden kann ohne Habilitation, vielleicht nicht am Maximalversorger oder an der Uni, finanziell wird man aber auch am kleinen KH nicht verhungern.

mbs
07.05.2021, 22:48
Da der Weg lang ist und man nicht weiß was daraus wird (man habilitiert wohl nicht sondern wird habilitiert, das heißt der Chef muss auch wollen das man draufsteht, allein die Arbeit machen hilft einem nicht automatisch) muss man erstmal Projekte anfangen und parallel zur Klinik in irgendeiner Form wissenschaftlich aktiv werden. Letzteres mag zwar mit einem Mehraufwand verbunden sein, aber hat auch dann Vorteile wenn am Ende keine Habilitation stehen sollte - wenn man z.B. in die Pharmaindustrie will weil man von der Klinik weg möchte ist es sicher von Vorteil Zusatzkompetenzen erlangt zu haben, selbstständig Projekte entwickelt und Fragestellungen formuliert und bearbeitet zu haben und zu wissen was wissenschaftliches Arbeiten bedeutet. Vor allem das Management von Studien in Kombination mit klinischer Erfahrung dürfte da ein sehr großer Bonus sein. Und ein Leben außerhalb des starren Kliniksystems dürfte langfristig auf jeden Fall befreiender und vor allem weniger belastend sein.

Bin derzeit nicht an einer Uniklinik, aber versuche genau aus diesem Grund ein wissenschaftliches Projekt zu starten - oder notfalls einfach mal wieder nur retrospektiv Daten zu analysieren. Einfach um wieder reinzukommen, selbstständig ein Konzept aufzusetzen, eine Fragestellung zu beantworten und eine Publikation auf den Weg zu bekommen. War zu lange Zeit rein klinisch tätig und fühle mich dadurch irgendwie festgefahren und in einer Sackgasse.
Hoffe dass das irgendwie geht - notfalls in Kooperation mit einer Uniklinik oder einem sonstigen Institut...die werden die Ergebnisse dann wahrscheinlich aber für sich beanspruchen. Fällt euch vielleicht ein Weg ein wie man das geschickt angehen kann? Irgendwoher muss ja auch eine Finanzierung kommen, und außerhalb von Unikliniken wird da vermutlich weniger investiert bzw. hat ein Antrag weniger Chancen - oder täusche ich mich?

Mr. Pink online
08.05.2021, 02:17
Es gibt an vielen Kliniken Studienzentren. Da kann man ggf. als Prüfarzt anheuern.

stateofgrace
08.05.2021, 10:46
Danke für die vielen spannenden Antworten! Kennt ihr denn Frauen, die eine Unikarriere machen und sich dabei privat nicht vollkommen ins Aus geschossen haben? Und dabei aber auch nicht völlig "hart" geworden sind (also nicht ihr Leben im Kampfmodus leben)?

daCapo
08.05.2021, 10:56
Die Eingangsfrage muss sich jeder selbst beantworten können, denn die universitäre Karriere bietet viele Aspekte, die für den einzelnen unterschiedlich attraktiv sind. Ich vermute Mal der Hauptantrieb ist für die meisten, dass sie schlichtweg an der Uniklinik bleiben wollen und da ist, sowohl vor als auch nach dem Facharzt Forschung Pflicht. Diese Vermutung wird auch dadurch bestätigt, dass viele nicht bis zur Habilitation durchziehen. Habilitatieren ist mit einem enormen Mehraufwand über mind. 5-10 Jahre verbunden. Forschungsfrei ist ja eher ein Fremdwort. Außerdem will man ja auch mit dem Facharzt voran kommen. Lehre und Forschung können aber natürlich auch sehr spannend sein und viele nehmen es daher gar nicht als so große Belastung wahr. Finanzielle Interessen sind vermutlich seltenst ein Antrieb, da man schneller Chef werden kann ohne Habilitation, vielleicht nicht am Maximalversorger oder an der Uni, finanziell wird man aber auch am kleinen KH nicht verhungern.

Naja also da gibt es durchaus Nuancen

a) Gerade in so Nischenfächern, kleineren Unikliniken muss man auch als FA oder sogar OA an der Uni keine oder nur wenig Forschung machen. Je nach Leitung/Fach/Uniklinik Standort. Wenn alle nur noch zum Kongress fahren und Papers vorbereiten, steht irgendwann die Krankenversorgung...sagte man mir mal.
b) Gerade in der Radio an manchen (!) Unikliniken kenne ich Leute, die bereits während der Weiterbildung ihren Priv-Doz bekommen haben. Es hängt ebenso hier sehr von der Leitung, wie schnell und wie erfolgreich das geht.
An einer anderen Radiologie-Uniklinik kenne ich einen ehemaligen ltd. OA, der extrem viel geschuftet hat und dann letztendlich ohne Habil nach 8 Jahren (als FA dort begonnen) in eine Praxis gegangen ist. Dort gab es auch keine Ärzte in WB mit Priv-Doz. In der Chirurgie war es zumindest früher so, dass extrem viele Titel über Labor-Forschungsaufenthalte (1 Jahr) aus dem Ausland kamen. In der Inneren hat man letztendlich von meinem Eindruck den meisten Arbeitseinsatz zu leisten, wenn man Krankenversorgung+Forschung zusammen sieht. Auch dort gibt es einige "gute" Kliniken, die relativ viel Personal haben und einen engagierten Chef, so dass man dort zumindest teilweise Extra-Zeit für seine Arbeit bekommt.
c) So im Großen und Ganzen ist die Forschung in allen Bereichen nicht auf internationalem Spitzennivau/High End in Anbetracht der Vielzahl an Veröffentlichungen. Ob die Titelwirtschat (aus dem 19 Jhd stammend) so noch zeitgemäß ist, ist eine andere Frage.


Danke für die vielen spannenden Antworten! Kennt ihr denn Frauen, die eine Unikarriere machen und sich dabei privat nicht vollkommen ins Aus geschossen haben? Und dabei aber auch nicht völlig "hart" geworden sind (also nicht ihr Leben im Kampfmodus leben)?

Nein. Allerdings mit Nuancen. Ich würde es nicht so apodiktisch / starr sehen wie "vollkommen ins Aus" oder "völlig hart". Eher "Teilweise".

Oder ein anderes Beispiel: Uni-Karriere, Habil...und dann Familie mit Anfang 40 gegründet und in eine Praxis halbtags gegangen. Also gerade so den Absprung geschafft. Allerdings brauch man nicht unbedingt den Titel für die Arbeit in einer Praxis.

nie
08.05.2021, 11:59
Danke für die vielen spannenden Antworten! Kennt ihr denn Frauen, die eine Unikarriere machen und sich dabei privat nicht vollkommen ins Aus geschossen haben? Und dabei aber auch nicht völlig "hart" geworden sind (also nicht ihr Leben im Kampfmodus leben)?

Ja, kenne ich. Mehrere. Ich kann natürlich nichts im Detail über die Qualität des Privatlebens sagen aber sie haben zumindest alles Familie und diese auch nicht mit 40 gegründet. Und ein Leben im Kampfmodus führen sie auch nicht.

Es muss natürlich viel zusammenpassend und war sicher kein Spaziergang aber es ist nicht so als wäre es für Frauen schlicht nicht möglich.

daCapo
08.05.2021, 12:17
Achja in so Grundlagen Fächern kenne ich auch einige (Biochemie, Anatomie, Pharma)...meist aber Biologen.
Und in der Psychiatrie einige. Da wird man meist eh mit offenen Armen empfangen nach meiner Erfahrung.

Mr. Pink online
08.05.2021, 19:08
Es kommt wie immer auf Klinik/Abteilung/personelle Umstände an. Vermutlich gibt es einzelne Bereiche, wo Forschung und Lehre gut mit der Weiterbildung kombinierbar sind, Freistellung nach TdL oder darüberhinaus erfolgt und der Chef sogar die Habil fördert. Vermutlich die Nadel im Heuhaufen, aber wer sie findet hat Glück.

daCapo
09.05.2021, 09:27
Naja, auch in diesen "besseren" Kliniken wird natürlich auch "Engagement" erwartet im Sinne von für die Forschung abends bleiben und am Wochenende kommen, für den Chef alles tun, sich gut mit der Leitung verstehen. U.a. deshalb würde ich nie einen Job machen, wenn ich mit dem Chef garnix anfangen kann. Andere haben da ja eine andere Meinung.
Nur etwas besser organisiert bzw. dass man auch mal in der Woche vormittags Zeit dafür hat bzw. ein Forschungsjahr im Ausland bekommt o.ä. Ideal ist es auch, wenn es ein Paperproduzierendes Labor in der Klinik gibt oder eine Kooperation mit selbigen.

Kribbelkrabbel
09.05.2021, 10:58
Also ich möchte schon als Berufseinsteiger an die Uni und da Forschung machen, weil mich das interessiert und mir sonst langweilig wäre. Für Grundlagenforschung braucht man aber eine gehörige Portion Glück und verdankt viel Zeit, weswegen das prinzipiell für mich ausscheidet.

Was ich mir aber in meinem angestrebten Fach (Neurologie) vorstellen kann ist klinische Forschung im Rahmen von Studien, funktionelle Bildgebung und retrospektive Studien. Das dürfte überschaubar sein, was an Mehraufwand anfällt und macht mir richtig Spaß. Wie ein Hobby sozusagen.

Aber da ist es natürlich stark vom Chef abhängig und der Unterstützung und ob man etwas freigestellt wird für solche Projekte.