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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Der Weihnachtsfall



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Älgen
21.12.2003, 10:40
Hej !

Passsend zur Jahreszeit ein Fall aus dem Land der Rentiere.
Nun ist es so, daß sich die Medizin "hier bei uns" in Schweden teilweise etwas von der in D unterscheidet was Behandlungstraditionen / Organisation betrifft; werde das dann entsprechend kommentieren & Flexibilität belebt ja bekanntlich den Geist ... ;-)

So ist es hier so, daß die Krankenpflege deutlich mehr Befugnisse hat & so u.a. die Anästhesieschwestern leichtere Narkosen nach Arzt-Anordnung sebst machen.

Nun aber zum Fall: Krankenhaus 400 Km südlich vom Polarkreis, der Ambulanzhelikopter dort ist mit einer Anästhesieschwester/Pfleger besetzt, die im Zeifelsfall entweder den Dienstanähsthesisten mitnehmen oder bei Fragen "draußen" telephonisch nachfragen. Ihr seit der Anästhesiedienst, habt die Mitternachtsvisite auf der Intensiv abgeschlossen & seit auf dem Weg ins Bett als das Telephon klingelt & der Helikopter mitteilt, daß sie grade gestartet sind zu 'nem Patienten (& dort in ca 10 min landen werden), der 'nen guten Liter Frostschutzmittel für die Schweibenwischanlage fürs Auto getrunken hat & nun wissen will was sie mit dem machen sollen.

Was sagt Ihr & was macht Ihr selbst ?

lala
21.12.2003, 12:22
Hallo Älgen,
ziemlich cool :-)

Also ich würd denen erstmal sagen sie sollen die Vitalfunktionen überprüfen bzw. sichern (worauf die sicher selber kommen...klar) und die 10min nutzen "mal eben" nachzuforschen was da in so Frostschutzmittel eigentlich drin ist und was das so machen kann ;-)

Pünktchen
21.12.2003, 12:59
Im Frostschutzmittel is glaub ich Glykol drinne, von dem Zeug kriegt man bei chronischer Einnahme ne Oxalose in verschiedenen Organen mit Kristallbildung...akut: nen Nierenversagen!?
Symptome wären doch die gleichen wie bei ner Alkoholintoxikation?

Falls in der Frostschutzmittelflasche noch was drinne is...mitbringen lassen.

Sie sollten herausbekommen, wann der Mann das genommen hat bzw wann er ungefähr gefunden wurde...

Lava
21.12.2003, 13:58
Falls er noch was im Magen hat, kann man ihn vielleicht zum Erbrechen bringen. Soweit ich weiß sollte man das nur bei Säure unterlassen.

Und mal nachfragen, warum er das getan hat. Wenn es ein Selbstmordversuch war, nachfragen, ob er sonst noch was getan hat... Alkohol, Tabletten geschluckt etc.

Pünktchen
21.12.2003, 14:28
Original geschrieben von Janine
Soweit ich weiß sollte man das nur bei Säure unterlassen.

bei Säuren/Laugen und Lampenölen...und wenn sowieso nix mehr im Magen sein könnte....keine Ahnung mehr genau über die Zeitangabe: 2 stunden???

Nico
21.12.2003, 14:45
Auf meinem Frostschutzmittel steht drauf:
Bei Verschlucken auf keinen Fall Erbrechen herbeiführen!

Sind ca. 30% Alkohol, 5% anionische und nichtionische Tenside, Duftstoffe une Farbstoffe.

Hmmm....'ne Menge Alkohol drin.....

Nico

test
21.12.2003, 15:58
Ist das nich so, dass im Frostschutzmittel Glykol drin ist und das verstoffwechselt wird wie Ethanol und so gegiftet wird und man daher jede Stunde nen Glas Whisky trinken soll um nen hohen Ethanolpegel zu haben der dann sozusagen die Enzyme blockiert, die das Glykol giften würden?

Defi B.
21.12.2003, 19:12
Jep, völlig richtig! ;)
Man sollte in der Klinik wie bei Methanol-Intox eine C2-Plasma-Konzentration von ca. 1 - 1,5 o/oo anstreben, damit erreicht man, daß das Ethylenglycol weitgehend unverändert renal eliminiert wird. Allerdings ist die Halbwertzeit lang (irgendwas von 20h schwirrt mir da im Kopf rum). Bei schweren Intoxikationen ist eine Dialyse möglich.
Präklinisch würde ich mich auf ABC-Maßnahmen beschränken, wenn der Pat. wach & anprechber ist, kann man ihm Ethanol p.o. geben, würde ich sagen.

FataMorgana
21.12.2003, 20:22
Ich würde so bald wie möglich in einer Giftnotruf-Zentrale anrufen, denen das Problem schildern und sie um eine Recherche und ihren Rat bitten.

Älgen
22.12.2003, 21:41
Hej !

Viele Spekulationen über den Inhalt von Frostschutzmittel - ist länderspezifisch, aber dazu später mehr.

Ich hab' als erstes mal geflucht, weil ich meine Nacht dahinschwinden sah & dann auch als Erstes mal an die Bewußtseinslage gedacht; zu bitten die zu überprüfen wäre eher 'ne Frechheit gewesen dem Hubi-Personal gegenüber, was allerdings wichtig ist, war dann rauszubekommen, ob er so bewußtseinsgesenkt war, daß Aspirationsgefahr bestand: Ein Liter von dem Zeugs im Magen ist 'ne ganze Menge & auch wenn ich in dem Augenblick noch nicht wusste, was es ist hat es in der Lunge sicher nix zu suchen !

Sollte er intubieren müssen versteht sich die grobe Magensonde von selbst, 'nen noch ausrreichend wachen Patienten allerdings sicher nicht ! Da hab' ich dann zum Erbrechen (&Aktivkohle) geraten, so er dann weiß, was es ist & eben nicht laugend/ätzend, so die Einnahme noch nicht allzulange her war, da es vom Einladen dort bis zum KH mindestens 30 Minuten dauert & da kann man viel resorbieren.

Sehr interessant auch die Frage, warum er das Zeug gesoffen hat & auch, ob noch mehr / Anderes eingenommen wurde !

DAnn hab' ich ihn noch gebeten herauszubekommen, was genau es war, bzw. am Besten einfach den Kanister mitzunehmen & ihn gebeten, sich wieder zu melden, sobald er vor Ort ist & hab die Zwischenzeit genutzt bei der Giftinformationszentrale anzurufen.

Älgen
22.12.2003, 21:59
Von "Giftis" erhielt ich dann die Auskunft, daß es auf den Hersteller & das Herstellungsdatum des Frostschutzmittels ankommt & daß die Neueren & in Schweden hergestellen & Vertriebenen inzwischen nurnoch Isopropanol enthalten - ausländische Produkte können aber sehr wohl Glycol & mehr enthalten.

15 min später kam die Mitteilung vom Heli, daß der Patient noch ausreichend wach sei, das Zeug direkt vor dem Alarm getrunken hätte & es Statoils-Konzentrat sei - also Einheimisch & somit nur Isopropanol. Somit war dann der Weg frei für's Erbrechen.

Viel mehr Infos gab's dann nicht mehr.
So daß der Patient dann 'ne knappe Stunde Später im KH auftauchte.

Wohin soll er denn da ? Akutambulanz ? Intensiv ? Normalstation ? Welche Überwachung wollt Ihr & welche Laborwerte/Untersuchungen/ Anamnese ?

Pünktchen
24.12.2003, 11:12
Ich würde sagen Intensivstation, da wir vielleicht auch nen Dialysegerät brauchen.
(Vielleicht sollte man nen Drogenscreening noch machen um festzustellen, ob er noch was anderes genommen hat.)

Wichtig:
ASAT
ALAT
gamma-GT (?)
Kreatinin

SaschaMei
24.12.2003, 11:28
Ich denke auch, Intensivstation empfiehlt sich. Isopropanol macht ähnliche Symptome wie Ethanol, ist nur doppelt so toxisch.
Naja, und abzuschätzen, wieviel resorbiert worden ist während der Heli unterwegs war dürfte schwierig sein. Also worst-case annehmen?

Leberwerte, Nierenwerte, BGA und Hämolyseparameter beachten, engmaschige Bilanzierung, Kontrolle des BZ-Spiegels (und der Vitalfunktionen, wobei das auf Intensiv ja selbstverständlich sein sollte).

In wieweit man einen Blutisopropanolspiegel und damit in Verbindung abschätzen kann, WIE intoxikiert der Pat ist, und ob ne Dialyse notwendig ist auf dieser Basis weiß ich nicht?
Oder geht man bei der Dialysenotwendigkeit vom klinischen Bild aus?

lala
26.12.2003, 18:49
Also wenn er noch wach und ansprechbar ist würd ich ihn erstmal "normal" über die Ambulanz aufnehmen und klären:

Warum er das zeug getrunken hat und wieviel und was er sonst noch so zu sich genommen hat. Suizidale Absicht? (wenn ja schonmal sowas getan?)

Hat er irgendwelche Beschwerden eigentlich? (warum hat er den Notruf getätigt und v.a. sofort nach dem Trinken? oder hat es jemand anders getan?).
Übelkeit? Magenschmerzen? Schwindel?

Wie alt ist er? Vorerkrankungen (Leber, Niere oder sonstwas...)? Vormedikation?

Dann würd ich ihn untersuchen:
Vigilanz? Orientierend Neurostatus und körperliche Untersuchung?

Labor (E`lyte, Nieren-u leberwerte, BB, Gerinnung etc.), EKG?

Tja, spätestens dann sollte man wissen was das Zeug anrichten kann und ab welcher Menge es gefährlich werden kann und wie es zu eliminieren ist...

Älgen
26.12.2003, 18:52
Er landete erstmal auf der Intensiv & war da noch halbwegs adäquat, so dass eine Anamnese Möglich war.

Überwachung da mit EKG & Pulsoxy & da ich ein aktuelles Gas wollte (zwecks acidose ?!?) hab' ich 'ne Arterie gelegt (is ein stich so oder so), ansonsten hätte ich mich mit rr-halbstündlich begnügt.

Labormässig kann ich die Zahlen nicht mehr auswendig, aber in etwa: Leberwerte erhöht, BZ, Nierenwerte, Elyte, Blutbild, Pankreas & Koag-status normal.

Haben noch Intoxwerte (Benzos, Barbiturate, Opiate, Ethanol) mit abgenommen & vorallem Paracetamol & Methanol! Waren aber blank, bis auf Ethanol.

Anamnestisch kam noch raus, dass er alki sei & es halt nicht mehr geschafft hätte sich was Neues selbst zu brennen & deshalb der Weg in die Garage ...
"Dille" hätte er noch nicht gehabt, gekrampft allerdings schon.

Dialyse war da erstmal nicht angezeigt & Isopropanol-Spiegel hätten wir ins Uni-Labor nach Umeå schicken müssen, 400 km Luftlinie & fiel damit aus ...

Behandelt Ihr noch weiter & geht Ihr (endlich ...) ins Bett ?

Älgen
26.12.2003, 19:07
Dann jetzt noch die Antwort auf doclala's Posting - so ist das, wenn man gleichzeitig postet ...

Ambulanz war mir zu lästig, da er ja sowieso auf der Intensiv "übernachten" wird & ich ich so gleich "vor Ort" hatte - ausserdem sind die Froh, wenn sie von sowas "verschont" bleiben ...

Was die Beschwerden angeht war Ihm übel & "allgemein elend" - den NA gerufen hat ein Sohn, der ihn "in flagranti" erwischt hatte ...

Alt war er so um die 50, "Vormedikation" war Ethyl & sonst nix, das eine oder andere RR-Medikament hätte ihm sicher nicht geschadet, aber dafür müsste man ja zum Arzt gehen ...

Die alte KH-Akte, die bis dahin aufgetaucht war hatte ausser einem elektiv operierten Leistenbruch & diversen Entzügen nix zu bieten.
Dann würd ich ihn untersuchen:

Körperliche Untersuchung nix Auffälliges, (Leber nicht tastbar - BMI geschätzt gut über 35 !) & die Vigilanz "grade noch Anamnesefähig"

Behandlung von Isopropanol-Intox laut Giftis in Stockholm genauso wie Ethyl, nur das es eine längere HWZ hat & die GI-Nebenwirkungen grösser sind - Kohle hatte er ja im Hubi schon bekommen.

SaschaMei
26.12.2003, 19:26
Hm, ich wuerde sagen, dass - wenn die restliche Anamnese leer ist, der Patient vital stabil ist und die Intensivversorgung /-ueberwachung steht, erstmal der Weg ins Bett OK wäre.

Das was an Isopropanol noch im Organismus ist, muss halt vom Körper eliminiert werden, die Krampfgefahr ist noch da, und in wieweit die Leber Schaden nimmt, muss man denke ich überwachen.

lala
27.12.2003, 08:07
Sehe ich auch so - erstmal ins Bett :-)
Wenn er eh von der Vigilanz eh eher somnolent ist ist er auf Intensiv ja gut überwacht, muss man halt drauf achten dass er weiter schön schnauft und nicht versehentlich erbricht und aspiriert ...

Krampfen tun die meisten eher nicht wenn sie zu sind sondern eher wenn sie entzügig werden - aber die Gefahr ist bei dem Patienten ja zur Zeit nicht gegeben. Und wenn schon - falls er dann doch krampft kann man ihm immer noch dann was geben, prophylaktisch würde ich nichts geben....

Älgen
27.12.2003, 12:32
Mmmh hab' ich da etwas andes gesehen & hab' einerseits Valium 10mg i.v. bei Bedarf aufgeschrieben, sowie ihm prophylaktisch Carbamazepin 200mg * 4 verpasst, da er ja schonmal gekrampft hatte & diese Entzugskrämpfe teilweise etwas schwerer zu durchbrechen sind & Entzg war ja angesagt, da er auch einen Ethanol-Spiegel hatte, so etwa um die 2%o, wenn ich mich richtig erinnere.
Außerdem forcierte Diurese ,mit 2 zusätzlichen Litern Ringer über Nacht - Katheter hatten die Schwestern gleich schon von sich aus gelegt & ein Psych-Konsil für den nächsten Morgen hab' ich dann auch gleich noch geschrieben.

& Dann bin aber auch ich ins Bettchen & wurde (zumindest wegen diesem Pat) nicht mehr gestört.
Kommentar des OA am nächsten morgen zu Isopopanol: "Ja, ja das kommt dann zum Einsatz, wenn sie's nicht mehr schaffen, sich rechtzeitig Nachschub zu brennen; is' aber 'ne blöde Wahl eigentlich, denn man wird nur halb so besoffen wie von Ethanol, dafür ist der Kater doppelt so groß & hält doppelt so lange."

lala
27.12.2003, 14:43
Hmmm...Carbamazepin 4x200mg???
Hast Du schon mal so`ne Menge auf einmal genommen? Normalerweise beginnt man mit `ner Tagesdosis von 300mg und steigert LANGSAM weil es ordentlich müde und schwindelig macht. Ganz abgesehen davon schafft das bei schnellem Aufdosieren auch E`lytstörungen wie Hyponatriämien (davon hatten wir in letzter Zeit einige...).

Wenn wir bei Entzügen was antikonvulsiv geben dann gerne Distraneurin....Benzos bei Bedarf (aber nur bei prolongierten Anfällen oder Serien oder wenn man aus anderen Gründen sedieren MUSS - sind ja oft nicht so kooperativ die Patienten :-))
Ich denke nicht dass ein Aufdosieren mit CBZ hier sinnvoll ist, da es sich ja nicht um eine eigentliche Epilepsie handelt (nur provozierte Anfälle) ...

Aber egal
:-meinung
Schöner Fall trotzdem :-)

Gruß,
lala
(die inzwischen kaum noch ein Krampfi schocken kann...)