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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Abrechnung Psychosomatische Grundversorgung



amazonja0701
11.06.2021, 13:08
Hi zusammen, eine spezielle Frage an alle niedergelassenen/angestellten Ärzte, die gelegentlich die EBM 35100/35110 abrechnen:

Ein Kollege und ich haben unterschiedliche Erfahrungen im WB Kurs gemacht, was die Diagnosen zur 35100 angeht. Ich habe es so verstanden, dass man hierfür IMMER eine F-Diagnose angeben muss. Beispiel: Der Mann, der gerade mit Home Office, Kindern, Job überfordert ist, nicht schlafen kann und Kopfschmerzen hat und daher eine Auszeit braucht, bekommt eine F43.0 (akute Belastungsreaktion).

Mein Kollege wiederum sagt, es würde auch eine R + Z Diagnose gehen, also Kopfschmerzen R54 + Arztkontakt Z71 incl. natürlich der entsprechenden Dokumentation über die psychosomatische Genese.

Im Internet findet man dazu leider nur von der KV Bremen eine einheitliche Aussage, dass letzteres wohl zulässig ist.

Hat jemand eine konkrete Aussage darüber? Am besten natürlich von der KV Bayern? Wie rechnet ihr das ab?

Hintergrund: man will ja nicht jedem gleich eine F-Diagnose verpassen, wenn es nicht sein muss...

MissGarfield83
11.06.2021, 13:33
Hast du mal bei deiner KV (schriftlich) nachgefragt? Ich glaube da bekommst du valide Aussagen wie deine Ortsansässige KV das haben will ...

Evil
11.06.2021, 13:46
Wenn Du keine F-Diagnose geben willst, würde ich nicht die Psychosomatik abrechnen, sondern das problemorientierte Gespräch 03230.

Entweder da ist psychosomatischer Bedarf, und dann sind F-Diagnose und Grundversorgung indiziert, oder eben nicht.

rafiki
11.06.2021, 17:45
Beispiel: Der Mann, der gerade mit Home Office, Kindern, Job überfordert ist, nicht schlafen kann und Kopfschmerzen hat und daher eine Auszeit braucht, bekommt eine F43.0 (akute Belastungsreaktion).


Die beschriebene Konstellation ist auf gar keinen Fall eine akute Belastungsreaktion! Eine solche ist eine Traumafolgestörung, siehe z. B. hier: https://www.degpt.de/informationen/fuer-betroffene/trauma-und-traumafolgen/posttraumatische-beschwerden/akute-belastungsreaktion/
Leider wird diese Diagnose immer wieder fälschlich angewendet.

Harvey
12.06.2021, 17:21
Bremen ist eine besondere Ausnahme, wurde vom dortigen Chef des Hausärzteverbandes durchgekämpft, dass keine gesicherte F-Diagnose bei der 35100 sein muss - gilt ja der Abklärung.
In Hessen leider sind die brandmarkenden F-Diagnosen, die so manche späteren Versicherungswünsche von Patienten kaputt machen, weiterhin Pflicht. Wie Miss Garfield sagt: eigene KV fragen oder spätestens bei den Abrechnungskorrekturen herausfinden... oder wie Evil sagt 03230...
Bei jungen Menschen, die bisher keinen Psychiater/Psychotherapeuten gesehen haben und ggf eben „nur“ eine vorübergehende Überlastung, würde ich die F-Diagnosen erstmal versuchen zu vermeiden - falls sich was ändert, kann man ja immer noch adaptieren

med_in_1
12.06.2021, 20:11
Bei der 35100 kann man ja nach durchgeführtem Gespräch auch zu der Überzeugung kommen, dass bspw. eine akute Belastungsreaktion ausgeschlossen ist, sodass man die F43.0 A kodiert und dann die 35100 ansetzen kann.

Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Durchführung der Psychotherapie regelt unter §27 die "Indikationen zur Anwendung" = die "F" Diagnose sollte sich dort wiederfinden.

Allerdings würde ich hier wirklich bei der zuständigen KV nachfragen, die die psy. Grundversorgung bspw. in Sachsen auch budgetiert ist etc.

ehem-user-02-08-2021-1033
12.06.2021, 20:50
Die beschriebene Konstellation ist auf gar keinen Fall eine akute Belastungsreaktion! Eine solche ist eine Traumafolgestörung, siehe z. B. hier: https://www.degpt.de/informationen/fuer-betroffene/trauma-und-traumafolgen/posttraumatische-beschwerden/akute-belastungsreaktion/
Leider wird diese Diagnose immer wieder fälschlich angewendet.

Spannend, was codiert man dann? :)

arwen_
13.06.2021, 11:25
Spannend, was codiert man dann? :)
Meines Wissens Anpassungsstörung.
Finde das auch ganz ganz schwierig (Stichwort „gewaltfreies Kodieren“) und befürchte bzw weiß (zB auch aus Einsicht in meine eigenen Unterlagen mit Diagnosen und Abrechnungsziffern, die man leider erst Monate bis Jahre später von der KK bekommen kann) dass da ganz schön viel Schmu diagnostiziert und abgerechnet wird, sogar unter Kollegen… ganz viele abrechnungsberechtigte Ärzte machen sich leider null Gedanken dazu…

Thomas24
13.06.2021, 11:27
Was darf man sich als Fachfremder unter dem Stichwort "gewaltfreies Kodieren" vorstellen?

roxolana
13.06.2021, 11:58
In Berlin hat man bei der Impfkampagne gesehen, wie verbreitet schlampiges Kodieren eigentlich ist. Da haben etliche gesunde Menschen aufgrund von KV-Abrechnungsdaten eine Einladung zur Prio-2-Impfung erhalten, die gar nicht wussten, was die zugrundeliegende Diagnose eigentlich sein soll. Kann man eigentlich bei der KV Einsicht in seine Abrechnungsdiagnosen erhalten?

vanilleeis
13.06.2021, 12:07
In Berlin hat man bei der Impfkampagne gesehen, wie verbreitet schlampiges Kodieren eigentlich ist. Da haben etliche gesunde Menschen aufgrund von KV-Abrechnungsdaten eine Einladung zur Prio-2-Impfung erhalten, die gar nicht wussten, was die zugrundeliegende Diagnose eigentlich sein soll. Kann man eigentlich bei der KV Einsicht in seine Abrechnungsdiagnosen erhalten?

Ja, unter Patientenquittung bei den meisten KV sehr einfach anforderbar

arwen_
13.06.2021, 22:30
Ja, unter Patientenquittung bei den meisten KV sehr einfach anforderbar
Bei der Krankenkasse (KK) anzufordern, nicht bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV)

vanilleeis
13.06.2021, 22:56
Meinte KV im Sinne von Krankenversicherung, aber ist natürlich missverständlich. Danke