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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : NEF: Nachforderung zur Analgesie / Sturz



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SkYSkYSkY
09.08.2021, 16:03
Hallo,

ich habe mal wieder ein aktuelles Fallbeispiel, welches ich gerne zur Diskussion stellen würde.

Ihr werdet Nachts um 3 Uhr nachgefordert. Auf dem Melder steht "Nachforderung Analgesie/ Sturz". Nach etwa 10 Minuten Anfahrt steht ihr vor einem Hochhaus. Die Wohnung befindet sich im 5. Stock und ist mit einem sehr langsamen Fahrstuhl zu erreichen.

Nach Betreten der Wohnung findet ihr im sehr engen Schlafzimmer eine 82-jährige Patientin. Diese ist deutlich adipös und liegt bäuchlings etwas nach rechts verdreht vor dem Bett auf dem Boden. Die Notfallsanitäter berichten, dass die Patientin entweder im Flur, oder im Schlafzimmer gestürzt sei. Sie hätten schon versucht einen Zugang zu legen, dies sei bei deutlicher Adipositas aber leider frustran gewesen.

Die Patientin ist wach und ansprechbar und gibt an, bereits seit etwa 1 Stunde dort zu liegen. Sie gibt Schmerzen im rechten Oberschenkel an. Euch fällt eine Fehlstellung des rechten Beines im Oberschenkelbereich, sowie ein großes Hämatom mittig des Oberschenkels auf. Außerdem bemerkt ihr ein Monokelhämatom rechts. Die Patientin nimmt Blutdruckmedikamente und Eliquis. Aufgrund der Schmerzen ist eine Umlagerung so nicht möglich. Die initiale SpO2 unter 2l Sauerstoff via Nasenbrille (durch die NFS angelegt) beträgt 85%, RR 90/45 mmHg, HF 101/min., die Patientin zeigt eine angestrengte Atmung mit leichter Tachypnoe.

So, jetzt ihr :-)

Matzexc1
09.08.2021, 21:09
Hallo,
toll das mal wieder ein Fall kommt.

Mein Vorgehen:
1) Welche Optionen der Schmerztherapie haben wir an Bord des NEF? Entweder Versuch eines neuen Zuganges oder nasale Gabe von Fentanyl
2) Nach Wirkeintritt umlagern, vorher ausreichend Platz schaffen
3) spätestens nach umlagern Zugang etablieren

Dooly
09.08.2021, 22:12
Cool, will auch wieder mitmachen. Find das gut, was vorgeschlagen wurde. Um ABC in den Griff zu bekommen muss man sie wohl umlagern, also Schmerzen zuerst, solange sie bei Bewusstsein ist.
Kann man sie danach transportieren durch den Aufzug?

SkYSkYSkY
09.08.2021, 23:09
Hallo,
Mein Vorgehen:
1) Welche Optionen der Schmerztherapie haben wir an Bord des NEF? Entweder Versuch eines neuen Zuganges oder nasale Gabe von Fentanyl
2) Nach Wirkeintritt umlagern, vorher ausreichend Platz schaffen
3) spätestens nach umlagern Zugang etablieren

Du hast alle Möglichkeiten, die du möchtest. Ich habe auch über die nasale Gabe via MAD nachgedacht, mich dann aber aufgrund der nicht ganz optimalen Vitalparameter für den erneuten Versuch eines i.v.-Zugangs entschieden. Dieser konnte dann am linken Handrücken in Form eines 20G-Zugangs etabliert werden. Daraufhin habe ich 7,5 mg Piritramid fraktioniert verabreicht. Die Patientin war damit zwar nicht schmerzfrei, aber ausreichend analgesiert. Im Anschluss erfolgte die Umlagerung auf die Vakuummatratze. Direkt nach Umlagerung entwickelt die Patientin eine Schnappatmung. Beim Versuch den Puls an der A. carotis zu tasten, bemerken wir ein deutliches "Knistern" unter der Haut. Weiterhin fällt jetzt ein asymmetrischer Thorax auf. Rechts ist der Thorax deutlich hervorstehend und es sind keine Atemgeräusche auskultierbar, links hört man ein vesikuläres Atemgeräusch.


Cool, will auch wieder mitmachen. Find das gut, was vorgeschlagen wurde. Um ABC in den Griff zu bekommen muss man sie wohl umlagern, also Schmerzen zuerst, solange sie bei Bewusstsein ist.
Kann man sie danach transportieren durch den Aufzug?

Der Transport durch den Aufzug ist natürlich möglich. Allerdings ist uns die akute Verschlechterung dazwischen gekommen. Bedenkt zudem bei den nächsten Schritten, dass bei allen Utensilien die benötigt werden und die nicht im normalen Gepäck vorhanden sind, ein Gang zum Auto erforderlich ist. Dieser dauert aufgrund der Wohnsituation zwischen 5 und 10 Minuten pro Gang (Fahrstuhl etc.).

Matzexc1
10.08.2021, 09:24
Zusammengefasst:

Sturz mit SHT( schliesse ich aus dem Monokelhämatom), klassische proximale Femurfraktur und Spannungspneumothorax durch Rippenfraktur.

Halsvenen wahrscheinlich nicht sichtbar aufgrund der Adipositas, da der Thoraxdrain noch im Auto liegt würde ich nun in monaldi Position mindestens eine großlumige PVk zur Entlastung einbringen.

Chriman
10.08.2021, 09:51
Danke für den Fall.
Klingt erstmal nach viel Arbeit in ungünstigem Setting.

Ist die Patientin denn progredient schockig?
Falls nicht: bevor ich der Dame den Reifen platt stechen würde, würde versuchen die Hypoxie mit O2 Maske und Reservoir (higflow) zu adressieren, die Hypotension muss auch angegangen werden -> da muss noch ein zweiter Zugang gern 18G aufwärts rein, auch mit Blick auf die zu befürchtende Intubation/ Reanimation.

Ansonsten: Wer ist denn noch in der Wohnung, irgendjemand muss ja den RTW reingelassen haben? HAt diese Person noch was beizutragen ( Anamnese, Vorerkrankungen...)
Einer der RTW Besatzung muss auf jeden Fall runter und fehlendes Material holen (Trage, Absaugung, mögl. O2)
Ich würde über Tragehilfe ( Feuerwehr, weiterer RTW... je nach lokalen Möglichkeiten)

SkYSkYSkY
10.08.2021, 13:21
Sturz mit SHT( schliesse ich aus dem Monokelhämatom), klassische proximale Femurfraktur und Spannungspneumothorax durch Rippenfraktur.

Halsvenen wahrscheinlich nicht sichtbar aufgrund der Adipositas, da der Thoraxdrain noch im Auto liegt würde ich nun in monaldi Position mindestens eine großlumige PVk zur Entlastung einbringen.

Genau, ob der Pneu eine Spannungskomponente hat, können wir ja nur vermuten. Ich bin in dieser Situation aber auch davon ausgegangen. Korrekt, die Thoraxdrainage befindet sich im chirurgischen Koffer auf dem NEF.



Klingt erstmal nach viel Arbeit in ungünstigem Setting.

Ist die Patientin denn progredient schockig?
Falls nicht: bevor ich der Dame den Reifen platt stechen würde, würde versuchen die Hypoxie mit O2 Maske und Reservoir (higflow) zu adressieren, die Hypotension muss auch angegangen werden -> da muss noch ein zweiter Zugang gern 18G aufwärts rein, auch mit Blick auf die zu befürchtende Intubation/ Reanimation.

Ansonsten: Wer ist denn noch in der Wohnung, irgendjemand muss ja den RTW reingelassen haben? HAt diese Person noch was beizutragen ( Anamnese, Vorerkrankungen...)
Einer der RTW Besatzung muss auf jeden Fall runter und fehlendes Material holen (Trage, Absaugung, mögl. O2)
Ich würde über Tragehilfe ( Feuerwehr, weiterer RTW... je nach lokalen Möglichkeiten)

Vielleicht noch kurz zur Info, was für Material bereits in der Wohnung vorhanden war: Wir hatten außer dem Monitor/Defi noch unseren Medikamentenkoffer, BtM, eine Absaugung und unser Beatmungsgerät primär dabei.

Wir wollten direkt nach der Umlagerung eine Sauerstoffmaske mit Reservoir anbringen, diese war aber offenbar von der RTW-Besatzung leider nicht aufgefüllt worden und somit nicht verfügbar.

Die Patientin entwickelte dann auch unmittelbar nach der Umlagerung eine insuffiziente Schnappatmung. Ein Puls konnte an der Carotis und Femoralis nicht sicher getastet werden, die letzte gemessene SpO2 betrug 65%. Es wird eine CPR begonnen, die erste Rhythmusanalyse zeigte eine Asystolie. Über den liegenden i.v.-Zugang wird sofort 1 mg Adrenalin verabreicht. Die Beatmung geht über Beutel-Maske mit Guedel-Tubus recht gut.

In der Wohnung befindet sich noch der Sohn. Dieser gibt jetzt an, dass die Patientin auf dem Weg zur Toilette im Flur gestürzt sei. Er habe versucht sie wieder ins Bett zu tragen. Hierbei sei sie mit dem Kopf auf ein Bettgitter gestürzt und habe sich das Monokelhämatom zugezogen. Er gibt uns den Medikamentenplan (Metoprolol, Eliquis, L-Thyroxin).

Zur notfallmäßigen Entlastung des Pneumothorax unter laufender CPR haben wir eine 16G-Flexüle in Monaldiposition eingebracht, leider ohne Effekt. Ich war mir nicht sicher, ob diese bei der Adipositas nicht einfach zu kurz war.

Wir schicken einen Kollegen also zum Auto, die Thoraxdekompressionsnadel und den chirurgischen Koffer mit Thoraxdrainage holen.

Was machen wir in der Zwischenzeit?

Bille11
10.08.2021, 14:08
Wie sahen denn die Pupillen primär und im Verlauf aus..?

FirebirdUSA
10.08.2021, 15:23
... unter Annahme von zusätzlichem Volumenmangel Druckinfusion und weiter CPR bis 3. Mann wieder da, zur Vorbereitung Intubation nach Thoraxdrainage

Dooly
11.08.2021, 17:12
Beim Versuch den Puls an der A. carotis zu tasten, bemerken wir ein deutliches "Knistern" unter der Haut.Kann mir jemand sagen was das ist? Hängt das mit dem Pneu zusammen?

Matzexc1
11.08.2021, 18:51
Kann mir jemand sagen was das ist? Hängt das mit dem Pneu zusammen?

Ja, es handelt sich um ein Hautemphysem das durch den Pneumothorax verursacht wird..

Dooly
11.08.2021, 20:38
Danke! Ew. Es gab im Chirurgietertial ein paar Patient:innen mit Pneu, hab aber nie die Carotis getastet. Vielleicht bekomm ich jetzt in den letzten Wochen Innere noch die Chance.

Bille11
11.08.2021, 20:53
Es geht weniger um die Carotis als das Emphysem, das sich supraclavial bis jugulär ausbilden kann.. und ein sicheres Zeichen eines Pneumothorax darstellt.

Die Pupillen, bitte… ;-)

Dooly
11.08.2021, 21:02
Okay, krass ich hab dank euch auch bei Amboss nachgelesen und da steht das sogar drin. Hätte geschworen noch nie davon gehört zu haben. :/ Ich hab nie überhaupt in der Region getastet. Nur mal gehört, Drainage gezogen, Bilder geguckt und so.

FirebirdUSA
12.08.2021, 07:55
Danke! Ew. Es gab im Chirurgietertial ein paar Patient:innen mit Pneu, hab aber nie die Carotis getastet. Vielleicht bekomm ich jetzt in den letzten Wochen Innere noch die Chance.

Die Chance ist vermutlich gering, bei den üblichen Pneus auf Station.

H&M
12.08.2021, 09:06
Minithorakotomie rechts in Bülau-Position während der Kollege den Traumarucksack holt? 10-20 min sind ja schon nen Weilchen und so hätten wir immerhin den Spannungspneu als reversible Ursache behandelt. Nen intracerebrales Geschehen bei Sturz unter NOAK steht sicher auch noch im Raum.

SkYSkYSkY
12.08.2021, 12:36
Wie sahen denn die Pupillen primär und im Verlauf aus..?

Die Pupillen waren primär und sind bis jetzt mittelweit, isokor und lichtreagibel.


... unter Annahme von zusätzlichem Volumenmangel Druckinfusion und weiter CPR bis 3. Mann wieder da, zur Vorbereitung Intubation nach Thoraxdrainage

Okay, die Druckinfusion läuft, damit ist erstmal wieder eine Person gebunden. In welcher Reihenfolge machen wir den Rest? Die Patientin befindet sich unter laufender CPR. Wir beatmen 30:2 mit Beutel und Maske. Könnten wir die Intubation nicht schnell in der Zwischenzeit machen, in welcher die Thoraxdrainage geholt wird? Das Material ist vor Ort vorhanden und ob ich den Pneu jetzt mit der Maske oder dem Tubus "füttere" ist doch eigentlich egal, oder? Die Zeiteinsparung dadurch bis zur Anlage der Drainage würde ich mal mit 5 Minuten schätzen.


Minithorakotomie rechts in Bülau-Position während der Kollege den Traumarucksack holt? 10-20 min sind ja schon nen Weilchen und so hätten wir immerhin den Spannungspneu als reversible Ursache behandelt. Nen intracerebrales Geschehen bei Sturz unter NOAK steht sicher auch noch im Raum.

Ohne Traumarucksack haben wir dazu kein Material, also z.B. auch kein Skalpell und noch mehr improvisieren wollte ich da jetzt nicht.

Matzexc1
12.08.2021, 13:53
Ich würde jetzt der ITN den Vorzug geben und dann die Drainage legen, ich sehe es auch das eigentlich egal ist ob wir den Pneu per maske oder Tubus füttern.

Einwände?

Personal haben wir 4, das heisst 2 reanimieren, einer macht die Freiheitstatue und einer holt die Thoraxdrainage.

Dooly
12.08.2021, 18:27
Einziger Einwand ist, dass die Frage für mich wie eine Falle klingt. XD

Bille11
12.08.2021, 19:41
Maske füttern kostet nichts an Zeit, bindet aber 1 Person an die Maske.
Intubieren kostet 3-4 Min Zeit, lässt dann aber Maskenmann frei hampeln.

Der Sohn und die Familie sind auch super als Freiheitsstatue zu gebrauchen.