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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erstes Jahr als Assistent Überfordert Jobwechsel



kkn333
07.09.2021, 12:40
Ich bin seit Beginn des Jahres als Assistenzärztin tätig. Mein Examen habe ich 2018 gemacht und habe dann mein zweites Kind bekommen.

Um Februar habe ich in der Anästhesie angefangen, da ich kein Fach mehr habe für das ich brenne und dachte, dass Anästhesie in jedem Fall ne super Basis ist. Ich war in einem kleinen Haus, hatte ne tolle Einarbeitung (der Pferdezucht war, dass ich jedoch im Dienst auch für die intensive verantwortlich wäre, was ich ziemlich krass fand ohne dortige Einarbeitung) jedenfalls wurde mir nach zwei Monaten eine für mich als Mutter sehr verlockende Stelle in einer Ambulanz angeboten, die ich annahm weil die Arbeitszeiten einfach unschlagbar sind.

Jetzt bin ich dort seit vier Monaten und habe nicht das Gefühl, dass ich dort weiter komme. Jede Entscheidung muss mit den Oberärzten abgesprochen sein, die jedoch auch nicht immer verfügbar sind. Zusätzlich soll ich noch mehr Aufgaben übernehmen, obwohl ich jetzt schon überfordert bin. Und immer der Blick zur Uhr, ob ich es schaffe meine Kinder rechtzeitig abzuholen.

Mir wurde jetzt die Möglichkeit aufgezeigt in eine hausärtzliche Praxis zu gehen und dort unter Aufsicht zu arbeiten. Das klingt verlockend, andererseits habe ich dann wieder nur akut Patienten, bei denen jetzt etwas entschieden werden muss. Und das ohne große Erfahrung. Ich habe Angst, dass es ohne die klinische Erfahrung wieder nur zu überfordert führt.

Andererseits überlege ich in die Kinderklinik zu gehen, da ich von der geregelten Einarbeitung gehört habe, die mich sehr anspricht. Natürlich sind dort zur Zeit keine Stellen frei.


Ich bin ratlos und überfordert, und ich bereue es sehr Ärztin geworden zu sein. Die Verantwortung macht mich wirklich fertig. Ich habe regelmäßig Kopf und Bauchschmerzen und nachts grübele ich stundenlang ob ich die Patienten richtig beraten habe.
Ist das nur die normale überforderung am Anfang des Berufes, oder bin ich einfach nicht geeignet?

Nefazodon
07.09.2021, 13:38
Hallo kkn333,

die Anfangszeit als Assistenzarzt ist glaube ich für jeden hart. Das Studium bereitet nicht wirklich darauf vor.
Was Du meiner Meinung nach brauchst ist eine Stelle mit solider Einarbeitung....einfach mal 3 Monate nur Station.
Ambulanz als Berufsanfänger mit nur wenigen Monaten Erfahrung halte ich nicht für geeignet.

An deiner Stelle würde ich auf deiner jetzigen Stelle besprechen, ob sie dich nicht für ein paar Monate aus der Ambulanz rausnehmen oder aber mit einem erfahrenen Kollegen doppeln können, damit Du mehr Erfahrung sammeln kannst.
Ich persönlich würde das vor einem erneuten Wechsel des Hauses vorziehen. Vielleicht lässt sich ja offen mit den Oberärzten besprechen, dass es dir noch an Erfahrung und Sicherheit fehlt.

Falls man dort darauf eingeht: bestünde eventuell die Möglichkeit, dass Du kurzzeitig bei den Kindern entlastet wirst (Vater der Kinder/Großeltern?)? Dann hättest Du zumindest bei der Einarbeitung nicht ständig den Stress auf die Uhr gucken zu müssen und könntest erstmal "reinkommen". Erfahrungsgemäß lässt sich der Alltag auf der Arbeit besser timen, wenn man etwas mehr Erfahrung hat und weniger auf Einarbeitung angewiesen ist.

Sonst könntest Du natürlich noch überlegen, erstmal in einer Rehaklinik anzufangen....dort fallen garantiert weniger ungeplante Sachen an, als in einer Notaufnahme....

Kopf hoch! Nach der ersten Zeit wird es besser. Beiß dich durch!

med_in_1
07.09.2021, 13:55
Ich möchte mich dem Rat meines Vorredners anschließen: Jede Stelle, die du neu antritts wird stets zunächst stressig sein. Bis man alle Abläufe verinnertlicht hat, dauert es naturgemäß etwas. Das strukturierte und oft pragmantische Handeln entwickelt sich dann aber auch rasch. Sodass ich auch denke würde: Nicht die Segel streichen, nicht erwarten, dass man nach kurzer Zeit alles kann und können muss. In meiner Klinikzeit hab ich das von den jungen Kollegen auch nicht erwartet und immer gesagt: Fragen sammeln, aufschreiben und ich komme sowieso zu festen Zeiten - bei Sachen die sofort sein müssen: anrufen - gehe ich nicht ran, rufe ich dich zurück.

Bzgl. der Familie: Mein volles! Mitgefühl, dieser Druck ist imens - gerade in der Medizin pünktlich gehen zu müssen, setzt dich noch mehr unter Druck - genau wie mein Vorredner meinte: Umfeld aktivieren, dass zumindest dieser Druck von dir genommen wird. Das fachliche Interesse kommt wieder, wenn du in ein paar Monaten fester im Job stehst - es ist nicht schlimm, wenn es gerade mal nicht da ist - halte durch!

Feuerblick
07.09.2021, 14:17
Was ich nicht so recht verstehe: In der Anästhesie ist das Wasser doch meistens relativ warm, sprich: Man wird doch eigentlich lange gut eingearbeitet und macht auch nicht sofort Dienste.
Warum ist das in diesem Haus nicht so?
Und warum steckt man einen Newbie in die Ambulanz? Welche Ambulanz überhaupt? Welche zusätzlichen Aufgaben sollst du denn übernehmen, die dich so überfordern?
Es ist in jeder Ambulanz so, dass gerade Anfänger fast ohne Erfahrung in Fach und Beruf jede Entscheidung mit den Oberärzten besprechen müssen. Sinnvollerweise. Was hattest du erwartet?
Und natürlich sind Oberärzte nicht immer gleich greifbar. Davon muss man sich aber doch nicht stressen lassen…
Einerseits bist du überfordert, andererseits willst du als Anfänger offenbar ganz viel alleine entscheiden. Du merkst, dass das nicht passt?

Ich würde mir an deiner Stelle erst einmal klarmachen, was ich wirklich will. Sowohl, was das Fach angeht als auch, was die Tätigkeiten angeht.
Dann kannst du überlegen, wie du weitermachst.
So klingt das alles irgendwie unausgegoren und nicht wirklich strukturiert.

kkn333
07.09.2021, 14:51
Vielen Dank für die Antwort, das hat mir wirklich geholfen. Ich denke auch, dass es besser ist, erst auf Station Erfahrungen zu sammeln. Und es tut gut zu hören, dass es nicht nur für mich hart ist sondern im allgemeinen. Das mit der Reha klingt super, nur ist hier in der näheren Umgebung nichts zu finden🤷🏻*♀️

Ich werde mich weiter durchbeißen .

kkn333
07.09.2021, 14:56
@med_in_1
Das tut gut zu hören, so werde ich es machen. Vielen Dank. Ich hoffe tatsächlich, dass das Interesse wieder kommt, ich war schon als Kind von der Medizin fasziniert. Nur seitdem ich Kinder habe, bin ich immer am Limit. Wenn sie abends um 21.00 Uhr im Bett sind, bin ich auch einfach froh nichts machen zu müssen, deswegen ist die Motivation noch etwas nachzuschauen nicht so groß.

Ich versuche durchzuhalten und hoffe, dass es irgendwann klick macht.

kkn333
07.09.2021, 15:02
@Feuerblick

Das kam falsch rüber, ich möchte gar nicht so viel alleine entscheiden, eher im Gegenteil. Ich wünschte, ich hätte immer nen Ansprechpartner in der Nähe.

Dass ich nicht weiß was ich will, das ist wahr. Ich sehe meine Familie im Vordergrund. Leider aber keine Fachrichtung. Es ist halt schwer auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Ich konnte mir als Studentin aber auch nicht ansatzweise vorstellen, wie einschneidend es ist Kinder zu haben, sonst hätte ich das Studium vielleicht nicht beendet.

Ich werde jetzt in mich gehen und genau überlegen was für mich Sinn macht.

Mr. Pink online
07.09.2021, 15:10
Der Berufsanfang ist schon ohne Kinder kein Zuckerschlecken. Wenn ich die Male zähle, an denen ich Kolleginnen auf Station aufgrund von Überlastung/Überforderung in Tränen ausbrechen sehen habe, bräuchte ich dafür mehr als zwei Hände. Von daher ist deine Gefühlslage absolut nachvollziehbar und alleine bist du damit auch nicht. Das ändert aber leider nichts daran, dass die Weiterbildungszeit eine Phase ist, in der sich schlimme Phasen mit sehr schlimmen Phasen abwechseln. Es mag Fächer geben, wo es ruhiger zu geht und mehr Kompromisse in Sachen Arbeitzzeit gemacht werden können. Vielleicht ist Reha so ein Bereich, das kann ich nicht beurteilen. Innere und Anästhesie sind es aber eher nicht. Du wirst hier bestimmt auch einige Kommentare bekommen, die dir raten "einfach nur die Stelle zu wechseln" oder "einfach nur das Fach wechseln". Die Wahrheit ist aber, dass Weiterbildung in Deutschland zunehmend zur Zumutung wird und auf individuelle Bedürfnisse schon gar nicht Rücksicht genommen wird. Das ist eine Folge von Arbeitsverdichtung und Personalverknappung, Organistationsversagen und zuletzt auch mangelnder Kontrolle durch Gesetzgeber und Ärztekammer. Ändern werden sich die Zustände so schnell nicht, daher bleibt unserer Generation nur die Möglichkeit sich durchzubeißen. Es wird mit der Zeit zwar nicht besser, aber man findet sich damit ab. Was die Vereinbarkeit mit deiner Familie angeht, könnte es vielleicht hilfreich sein eine reduzierte Stelle anzustreben. Vielleicht Anfangs auf einer Station der Inneren Medizin und dann zur ambulanten Weiterbildung in eine Praxis. Natürlich verlängert sich die Weiterbildung dementsprechend, aber du gewinnst an Freiheit. Ein rein klinisches Fach kann ich dir definitiv nicht empfehlen.

escitalopram
11.09.2021, 08:05
Ich würde mir an deiner Stelle erst einmal klarmachen, was ich wirklich will. Sowohl, was das Fach angeht als auch, was die Tätigkeiten angeht.
Dann kannst du überlegen, wie du weitermachst.
So klingt das alles irgendwie unausgegoren und nicht wirklich strukturiert.

Sehe ich auch so. Der Anfang ist meistens schwer. Je nach Fach und Haus sogar furchtbar. Und das auch ohne Kinder! Am Anfang klingt es verlockend, einfach zu kündigen, eine scheinbar bessere Möglichkeit irgendwo wahrzunehmen, die dann im Endeffekt doch nicht so toll ist. Ich würde mir die Sache konsequent 6 Monate, wenn nicht gleich 1 Jahr ansehen. Da hat kann einen viel klareren Blick und kann eine reife Entscheidung treffen. Lass dir. Zeit. Wechseln kannst du immer.

alex1
14.09.2021, 13:58
Es wäre sinnig auch Alternativen anzuschauen.
Wie du schreibst, steht die Familie im Vordergrund und du bist gestresst im Job, weil du nicht weiss, ob du rechtzeitig heim kommst, wo sicherlich auch mehr Arbeit mit den Kindern auf dich wartet. Dann wäre sicherlich ein Beruf mit streng geregelten Arbeitszeiten und Kollegen, die auch für dich mal übernehmen könnten.
Das muss auch nicht in der Klinik sein.