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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Hohe Fluktuationsrate von 10%



SevoFlow
17.09.2021, 09:04
Ich habe eine Stelle in der Anästhesiologie bei einem nicht universitärem Maximalversorger angeboten bekommen.
WB Befugnisse für alles sind vorhanden. Nur für eine Art von Eingriffen müsste man ein paar Wochen wo anders hospitieren oder ein halbes Jahr hinnrotieren.
Es gibt dort ca. 70-80 Assistenten.
Bei der Hospitation wirkte eine Kollegin recht zufrieden, ein anderer "nicht unzufrieden ".
Was mich ein wenig abschreckt:
Der CA meinte er hätte unter den Assistenten eine jährliche Fluktuations-Quote von 10 % ...
Auf die ITS rotiert man wohl 18-24 Monate hin (das würde mir zusagen ) , arbeitet dort aber (Immer) im Zwei - Schicht- System und macht somit immer 12 Std Dienste.
Großes Haus → Ich würde sicherlich vieles sehen usw.
Aber irgendwie wirkt das alles ein wenig abschreckend.
Habe das Gefühl, das könnte etwas Fließband und Knochenmühle sein.
Wie schätzt Ihr das ein ?
LG

Endoplasmatisches Reticulum
17.09.2021, 09:18
5 Jahre Weiterbildung = 20 % erwartete Fluktuation im Jahr

Vermutlich wollte er damit prahlen, dass keiner weg will? Erscheint mir langfristig unrealistisch. Die 10 % wären höchstens plausibel, wenn die Hälfte der 70 "Assistenzärzte" Fachärzte wären ...


(Zum Vergleich: Eine meiner früheren Abteilungen hatte einen Assistentendurchlauf von etwa 10/Jahr, bei einer Assistentenzahl von 6.)

Kandra
17.09.2021, 09:34
Mich würde das Zweischicht-System abschrecken. Mit 12h-Diensten hast du einfach überhaupt keine Freizeit mehr. Mehr wie essen und schlafen (oder andersrum nach ND) ist nicht drin. Wir haben so ein System am Wochenende und an Feiertagen und ich fand das immer schrecklich. Im Studium habe ich das auf einer ITS mal eine Woche mitgemacht (die hatten immer 7 Tage Dienst und 7 Tage frei oder so), die 7 Tage frei wären es mir nicht wert, dafür 7 andere Tage am Stück kein Leben zu haben.

nie
17.09.2021, 11:10
Ich schließe mich Kandra an. Dieses 12-Stunden-System für 18-24 Monate würde ich nicht machen wollen. Ich arbeite aktuell einer ITS und wir haben am Wochenende 12-Stunden-Dienste. Und vor allem die Tagdienste sind mit Abstand die anstrengendsten und stressigsten Dienste, die ich jemals gemacht habe. Und ich habe schon einige Dienstmodelle in verschiedenen Abteilungen durch. Als Ausgleich bekommt man quasi 0 Freizeit und das mindestens 18 Monate. Mir ist es schon zu viel, das als 4-6 Wochen zu machen.

davo
17.09.2021, 11:13
10% Fluktuation ist wie vom ER dargelegt sehr wenig.

SevoFlow
17.09.2021, 12:23
Danke Euch allen schon mal !
Ja, die 1,5-2 Jahre in diesem 12Std Modell empfinde ich auch als recht abschreckend ...
Das mit der Fluktuationsrate wundert mich ehrlich gesagt.
Von meinem subjektiven Gefühl her, waren die 10% schon recht viel. Da fehlt mir aber definitiv die Erfahrung.

bobo99
17.09.2021, 15:45
Wenn die 10% wirklich stimmen ist es sehr wenig. Die natürliche Fluktuationsrate liegt wie ein Vorposter geschrieben hat bei ca. 20% (je nach FA). Dann kommen noch die Leute dazu, denen es zwar in der Abteilung gefällt aber aus nicht-beruflichen Gründen wechseln. Eine Fluktuationsrate unter 20% heißt de facto, dass ein guter Teil der frischen Fachärzte weiterhin in der Abteilung arbeitet, was erstmal ein gutes Zeichen ist.

Abteilungen mit unzumutbaren Arbeitsbedingungen haben gut und gerne eine Fluktuation von 50% aufwärts pro Jahr.

Kackbratze
17.09.2021, 17:35
50% pro Quartal.

kartoffelbrei
17.09.2021, 21:26
Bei 18-24 Monaten ITS wirst du auch eventuell Probleme bekommen, deine OP-Zahlen für den Facharzt in der restlichen Zeit zusammen zu bekommen, so dass sich die Facharztprüfung nach hinten verschieben könnte.
Ansonsten schließe ich mich meinen Vorrednern an, dass ein 2-Schicht-System einfach fürchterlich ist.

anignu
17.09.2021, 23:31
Bei 18-24 Monaten ITS wirst du auch eventuell Probleme bekommen, deine OP-Zahlen für den Facharzt in der restlichen Zeit zusammen zu bekommen
Doch nicht in der Anästhesie! Die Meisten die ich kennt hatten viele Zahlen schon deutlich vor Ende der Weiterbildungszeit zusammen.

Ich hab auf der Intensiv in drei Schichten gearbeitet und es war nicht wirklich toll:
- Spätdienst war das Sinnloseste was es gibt
- man bekam als Nachtdienst eine Übergabe vom Spätdienst der die Patienten meist auch nur so halb eben aus der Übergabe kannte. Die eigentliche Arbeit lief im Frühdienst. Der Nachtdienst hatte also den Job mit weniger Informationen dafür allein die Patienten durch die Nacht zu bringen
- gelernt hat man eigentlich am Meisten im Frühdienst. Da war auch entsprechen Personal für Teaching oder Diskussionen da. Spät- und Nachtdienst war nur abarbeiten von irgendwelchen Sachen...

Fazit: mir wäre damals ein 12h-Schicht-Modell lieber gewesen.

Und 10% sind eigentlich nicht zu glauben. Viel zu wenig. 10 % haben Verwaltungsangestellte in unbefristeten Jobs ohne Ambitionen. Da wechselt von 10 Leuten halt jedes Jahr einer aus privaten Gründen.

kartoffelbrei
18.09.2021, 06:32
Doch, das kann auch in der Anästhesie so sein, wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann. Je nach Haus und Organisation können Kindernanästhesie, fiberoptische Intubationen und Regionalverfahren Nadelöhre sein, von denen man mit Glück mal ab und an vereinzelt was machen kann. Wenn ich dafür nur drei Jahre Zeit habe, kann das sehr knapp werden. Zusätzlich kann es v.a. in großen Häusern, wo man eher große Eingriffe hat, auch mit den absoluten Narkosezahlen knapp werden. Wenn am Tag maximal 2 große Tumor-OPs in einem Saal laufen, wird es evtl. eng mit den 1800 (?) Narkosen.

Ob 2- oder 3-Schicht angenehmer ist, hängt sicher stark von der jeweiligen Station und dem dortigen Arbeitsaufkommen ab. Wenn ich nur Feuerlöscher bin, die ganze Zeit von A nach B hetze und 5 Aufnahmen pro Tag kommen, bin ich nach 8 Stunden gar. Dann wird es auch mit der guten Übergabe irgendwann schwierig... ;-)
Bei guter personeller Besetzung, die ein strukturiertes Arbeiten ermöglicht, kann zumindest am Wochenende 12- Schicht okay sein. Dauerhaft ist es trotzdem ein Leben für die Arbeit: um 7 Uhr da sein, um 19.45 Uhr raus (FALLS man pünktlich raus kommt) + Pendelstrecke - nein danke.

Bonnerin
18.09.2021, 06:48
Kann ich unterschreiben. Mein ehemaliger Arbeitgeber hat auch 18-24 Monate ICU verlangt, und wenn man Notarzt fahren wollte, war man zusätzlich 8-10 weitere Monate komplett aus dem OP raus.
Da hat es dann bei vielen bei einigen der "kritischeren" Zahlen (Thorax, Kinder, FOI, Sectio) gehapert. Und auch bei der Gesamtsumme. Würde ich nicht unterschätzen, das Risiko. Vor allem, wenn die Klinik das vielleicht vorher extra so plant, damit die Leute es gar nicht schaffen, in 60 Monaten die Zahlen zu haben und als Alt-Assistent länger günstig zur Verfügung stehen.

12h-Schichtsystem hatten wir am WE, das war schon heftig, aber man hatte subjektiv halt deutlich mehr frei als im 8h-Schichtsystem. Ist aber eh alles fies mit dem Schichtdienst auf ICU.

Aeonflux
18.09.2021, 19:57
Ich habe 20 Monate Intensiv mit 12h Modell gearbeitet und ich fand es prima. Bei uns waren es immer 4 Tage Tagschicht, 4 Tage frei, 4 Tage Nachtschicht, 4 Tage frei. Gefühlt hatte ich noch nie so viel Zeit. Und man spart sich einiges an Arbeitsweg. Und man wirklich bessere Übergaben, weil weniger Informationsverlust.

Jukka666
19.09.2021, 09:11
Auch wenn es ein bisschen off-topic ist, ich denke das ist insgesamt Geschmackssache.

Ich selbst habe sowohl im 12h (realiter mind. 13h)-System auf Intensiv gearbeitet und im 3-Schicht-System. Ich persönliche hasse Schichtarbeit generell und ganz besonders 12h-Systeme:
- man sollte wissen, ob man der Typ Mensch ist, der nach dem ersten Nachtdienst schlafen KANN wenn er schlafen MUSS! D.h. wenn man nach der ersten Nacht in der Früh nach Hause kommt und am Abend in die zweite Nacht gehen muss. Tagsüber schlafen war für mich nie drin, d.h. ich lag immer mit offenen Augen im Bett und wenn mal ein kurzer Schlaf kam, klingelte immer der Paketbote oder irgendwas anderes.
- Ist die Abteilung dann auch noch hoffnungslos unterbesetzt, kann man Gift darauf nehmen, dass in den "freien" Tagen angerufen wird, ob man nicht doch einspringen oder eine fünfte oder achte Nacht hintereinander (sic!) "ausnahmsweise" gemacht werden kann.

Tricks wie die Woche am Montag immer neu beginnen zu lassen, damit dann wieder neue 4 Tage am Stück gemacht werden können, obwohl man zuvor Donnerstag bis Sonntag Tagdienst hatte, will ich unkommentiert lassen.

Im 3-Schichtsystem hat man gefühlt weniger frei, aber dafür ist das Frei qualitativ hochwertiger. Man kann mal ausschlafen bevor man zum Spätdienst/Zwischendienst kommt und man hat mehr Dienstmodelle, die einspringen können oder in die man wechseln kann, falls jemand krank wird.

Meine persönliche Meinung: wenn man nicht der Typ für Intensivstationen und Schichtsystem ist (rein chronobiologisch), wird es immer die Hölle bleiben... :-)

@TE:
Lass dich nicht abschrecken von dem Spektrum und der "Knochenmühle"! Ich war auch in so einer Mühle (Uniklinik), hinterher und retrospektiv tut die wirklich gut und - meine persönliche Meinung - formt dich zum "besseren" Arzt. D.h. man sieht Dinge, tut Dinge, die man anderswo nicht sieht. man gewinnt Ruhe und Abgebrühtheit, die andere oft nicht erlangen. Im Gespräch mit vielen (super-)Kollegen, die ganz hervorragend sind, aber nie in so einer Mühle waren, merkt man schon Unterschiede.

Eine gewisse Zeit des Hardcore-Malochens bis zum FA ist schon okay und gut.
Fluktuation von 10% finde ich ziemlich gut, gefühlt hatten wir damals jedes Jahr 50 neue Kollegen. Große Häuser dienen immer etwas der WB und dem Absprung - Karriere/Familie/Schnauze voll, muss nicht an der Abteilung an sich liegen.