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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Als Facharzt nach Kanada



Sealwolf
24.10.2021, 10:40
Guten Morgen liebe Foristen!

Wir (Familie mit 2 Kindern..) spielen mit dem Gedanken, einige Zeit (3 Jahre) ins Ausland zu gehen, bevor die Kinder (5+7) in die weiterführende Schule kommen. Wir interessieren uns besonders für Kanada.

Ich bin FA (Allgemeinmedizin und Neurologie..). Wir haben versucht, einiges zu dem Thema anzulesen, es bleiben aber Fragen (z.B. ob der FA dort anerkannt wird..)

Gibt es rund um dieses Thema Erfahrungen o. Tipps? Ist sowas überhaupt sinnvoll durchführbar? Gibt es dort Nachfrage nach den og. FÄ?

Danke und schönen Sonntag noch!
S.

jijichu
24.10.2021, 11:18
Schau mal nach Beiträgen von THwak, der war einige Zeit in Kanada (British Columbia, wenn ich mich recht erinnere)

Feuerblick
24.10.2021, 11:20
Eine Bekannte von mir lebt in British Columbia und hat mir gerade die Tage darüber berichtet, dass man auf Facharzttermine bei denen bis zu zwei Jahre warten muss - es sei denn, man hat etwas wirklich Gravierendes. Da geht man dann zum Heilpraktiker. Der Ärztemangel liegt aber offenbar eher daran, dass Ärzte da besch**** bezahlt werden. Von der Anerkennung von Studium und Facharzt mal abgesehen, was wohl auch nicht so einfach geht. In Ontario sei die Bezahlung etwas besser, aber auch da sei es mit Facharztterminen schwierig.
Ich gehe davon aus, dass der Facharzt dort auch nicht einfach so akzeptiert wird (meinte sie zumindest). Da sind drei Jahre vermutlich etwas kurz für den ganzen Aufwand. :-nix
Sie selbst ist keine Ärztin, hat aber auch einen akademischen Beruf, der in Kanada nur mit zusätzlichen Prüfungen anerkannt würde.
In ihrem Bereich ist die Arbeitseinstellung der Kanadier wohl auch gewöhnungsbedürftig (ungenau, komm ich heut nicht, komm ich morgen... vielleicht). Sie hat schon mehrfach den Job gewechselt und auch ihr Mann hatte bereits mehrere Jobs.
Nicht falsch verstehen: Sie lebt seit bald 10 Jahren dort, ist eingebürgert und fühlt sich an sich wohl. Aber es gibt wohl so einiges an Nachteilen und Problemen.

THawk
25.10.2021, 09:14
Die Bezahlung der Ärzte ist in Kanada (nach Abschluss des fellowships) deutlich höher als in Deutschland. Das Gesundheitssystem ist generell anders aufgebaut und Vergleiche zu D schwierig, eine Verknappung der Ressourcen im Ggs. zu Deutschland liegt aber schon vor. Große Herausforderung für das Land ist die Weite mit der sehr ausgedünnten Bevölkerung in den nördlichen Gebieten. Das kann man sich schon merken - je weiter oben, umso einfacher ist es, Stellen zu finden. Die großen Zentren (Toronto, Edmonton, Calgary, Vancouver) sind recht kompetitiv.

Ich bin von 2015-2017 nach meinem deutschen FA (Kinder- und Jugendmedizin) in Ontario gewesen und habe dort ein Fellowship gemacht (offiziell Clinical fellowship, aber mehr research als normal). Ich habe von Neuro und erst recht von Allgemeinmedizin dort wenig Ahnung. Du wirst als deutscher FA dort keine unrestricted licence bekommen, die dir eine 'klassische' Niederlassung ermöglichen würde - das wäre aber auch aufgrund der System-Unterschiede für deine 3 Jahre eine krasse Herausforderung.
Was viel besser gehen wird, ist ein Fellowship (also der deutschen Subspezialisierung entsprechend). Da hast du eine fellowship licence und bist an einem fellowship program angebunden. Diese sind an den großen Universitäten zu finden, du bist aber halt wieder in der Weiterbildung. Du wirst Gehalt einbüßen (ich hatte im ersten Jahr 65T CAN$ + calls), wirst viel evaluiert, musst Vorträge halten, Dienste abdecken. Du bekommst eine sehr strukturierte Ausbildung mit dem Schwerpunkt wissenschaftlich/theoretischen Wissens, wirst ein kleines wissenschaftliches Projekt haben und durch die Zentralisierung eine hohe Exposition gegenüber Krankheitsbildern haben. Die kanadischen Ärzte profilieren sich weniger durch ihre praktische Fähigkeiten, sondern durch Wissen etc. (musst dir mal die CanMED-Roles anschauen).

Für die unrestricted licence müsstest du die kanadische residency wiederholen - dafür einen Platz zu bekommen ist sehr schwer (die meisten erfolgreichen internationalen Bewerber haben davor schon ein fellowship in Kanada gemacht, entsprechende Empfehlungsschreiben, teils einen PhD erworben). Ob es als Allgemeinmediziner für entsprechende unterversorgte Bereiche im Norden andere Regeln gibt, weiß ich allerdings nicht. Aber Achtung: Der GP in Kanada sieht auch Kinder (Pediatricians werden nur auf deine Überweisung hin Kinder annehmen).

Bei Fragen kannst du mir gerne schreiben.

Generell war meine Zeit in Kanada super schön, ich habe fachlich und persönlich davon profitiert. Die Arbeitsbedingungen waren zeitweise anstrengend, der Umgang mit den Kanadiern sehr nett, es ist insgesamt ein sehr höfliches, multikulturelles Volk, das allerdings auf dem Land schon ganz schön konservativ / rechts sein kann.

Viel Erfolg! Lars

Sealwolf
09.11.2021, 12:32
Danke für die Antworten! Das klingt für mich leider nicht so gut. Ehrlich gesagt hab ich mich mittlerweile schon ein wenig an eine "ruhigere" Arbeitsweise in der Praxis gewöhnt. Nochmal einen FA machen möchte ich nicht, bin froh das ich mit dem "schrubben" durch bin. Dann schauen wir uns eben eher im europäischen Ausland um; meine Frau votiert für Spanien. Vielen Dank trotzdem und frohes Schaffen!

grinchmeister
15.09.2022, 13:03
Hallo Lars, Thomas mein Name.
Überlege für ein Fellowship nach Toronto zu gehen und wollte fragen ob du den Test vom Royal College of Physicians and Surgeons of Canada machen musstest bzw was noch alles notwendig war um dich anzumelden.

Danke und liebe Grüße

THawk
16.09.2022, 12:30
Welchen Test meinst du? Ich hatte den deutschen FA, habe den anerkennen lassen und bekam die Fellowship Lizenz. Klingt hier etwas reibungsloser als es war, im Endeffekt waren das aber die Schritte.
Toronto ist cool, hab dort einen Monat elective gemacht. Allerdings eine teure Stadt.


Hallo Lars, Thomas mein Name.
Überlege für ein Fellowship nach Toronto zu gehen und wollte fragen ob du den Test vom Royal College of Physicians and Surgeons of Canada machen musstest bzw was noch alles notwendig war um dich anzumelden.

Danke und liebe Grüße

davo
16.09.2022, 16:49
Er meint wohl die kanadische FA-Prüfung, also das Royal College exam. Wenn man an einer Uniklinik arbeitet, kann man sich die sparen (da Mitarbeiter von Unikliniken in allen mir bekannten Provinzen sehr niederschwellig die Zulassung als Arzt bekommen), aber sonst bisher meist nicht.

Kathleen.F
28.09.2023, 14:44
Hallo THawk … ich hätte ein paar Fragen zu dem Thema Kanada außerhalb des Forums. Bin aber Neuling hier ☺️. Wie kann ich dich “persönlich erreichen”?! LG

Feuerblick
28.09.2023, 15:08
Vielleicht versuchst du es mal per PN?

grinchmeister
21.04.2024, 19:57
Er meint wohl die kanadische FA-Prüfung, also das Royal College exam. Wenn man an einer Uniklinik arbeitet, kann man sich die sparen (da Mitarbeiter von Unikliniken in allen mir bekannten Provinzen sehr niederschwellig die Zulassung als Arzt bekommen), aber sonst bisher meist nicht.

Hallo davo,

Lange nicht mehr hier gewesen, aber selbiges Thema beschäftigt mich bzw. meine Freundin gerade. Ich habe erfreulicherweise das fellowship (paediatric cardiology) in Toronto ab Jänner 2025 ergattert und meine Freundin (ebenfalls Kinderärztin/Endo-Schwerpunkt) würde gerne mit kommen. Die Frist fürs Endo-Fellowship bewerben hat sie verpasst (auch weil wir lange nicht wussten wohins für mich geht) und nun versuchen wir einen "normalen" Job als KInderärztin für sie dort zu finden. Weißt du zufällig ob sie den LMCC machen muss wenn sie von einer Uni-Klinik kommt? Bzw ob ein Fellowship für sie die einzige Option wäre ohne einen Medizinstudium-umfassenden Test zu machen, dort zu arbeiten? Den USLME Step 1 hätte sie sogar (wobei der auch letztes Jahr abgelaufen ist)

Vielen Dank für jegliche Infos

davo
24.04.2024, 14:16
Es hat sich jetzt in den letzten zwei Jahren viel geändert. In ein paar Provinzen ist es für ausländische Kandidaten deutlich weniger schwer geworden. (Natürlich eher dort, wo der Andrang gering ist.)

Aber die Details kenn ich leider nicht, hab mich da jetzt in den letzten 1,5-2 Jahren nicht wirklich informiert.

Einfach so als Kinderärztin zu arbeiten wird wahrscheinlich extrem schwer. Die Frage ist nicht, ob man von einer Uniklinik kommt, sondern ob man an eine Uniklinik will. Kanadische Unikliniken haben viel mehr Freiheiten, welche Ärzte sie anstellen wollen, als wenn man irgendwo (an einem normalen Krankenhaus oder im niedergelassenen Bereich) "normal" als Arzt arbeiten will. In den meisten Provinzen ist es so, dass, wenn eine Uniklinik sagt, sie will Arzt XY anstellen, Berufszulassung und Arbeitsgenehmigung nur noch eine Formsache sind - weil man sagt, wenn jemand so gut ist, dass ihn eine Uniklinik anstellen will, dann muss er medizinisch top sein, dann ist er wichtig genug fürs Land dass er unkompliziert eine Arbeitsgenehmigung bekommen sollte. Bei normalen Arztjobs hingegen sind die Hürden viel höher, und die Anerkennung der Facharztweiterbildung oft sehr schwer bis unmöglich. Die LMCC-Hürden sind deutlich niedriger geworden, aber die Hürde der Anerkennung der Facharztweiterbildung bleibt oft bestehen. Wahrscheinlich wird auch das Thema Arbeitsgenehmigung außerhalb der Unikliniken zum Problem werden.

Aber nachdem das alles Provinzsache ist, und sich eben sehr dynamisch entwickelt, empfehle ich dir (bzw. ihr), sich einfach mal auf der CPSO-Website zu informieren, wie derzeit in Ontario die rechtlichen Rahmenbedingungen sind.