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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : AD(H)S als Arzt



ehem-user-23-12-2021-1346
19.12.2021, 16:14
Ich habe vor längerer Zeit die Diagnose ADS erhalten. Im Studium konnte ich die Auswirkungen dieser Störung noch gut kompensieren. Bekomme auch Ritalin. Jedoch ist das Hauptproblem die Vergesslichkeit und ich grüble sehr viel.
Kennt ihr Ärzte mit ähnlicher Problematik, die trotzdem in der Patientenversorgung arbeiten? Laut meinem Arzt sind viele erwachsene Akademiker betroffen.

Die Vergesslichkeit im Examen und Job zu kompensieren erscheint mir sehr schwierig, zumal das Vergessen schlimme Konsequenzen haben kann. Hier mal ein nicht barrierefreier Bericht eines betroffenen Arztes, dessen Verträge regelmässig nicht verlängert wurden

https://www.zeit.de/2013/52/erwachsener-arzt-adhs?page=2#comments

Ich weiss nicht wie häufig sowas vorkommt

mbs
19.12.2021, 22:16
Jegliche Form von psychologischen Varianten ist in Arztberufen problematisch, das gilt nicht nur für ADHS, sondern auch Diagnosen wie Asperger-Syndrom etc.
Das als Erkrankung zu bezeichnen ist ja umstritten - nicht neurotypisch veranlagt ist nicht automatisch pathologisch.
Man kann vielleicht nicht alles gleich gut machen, hat aber trotzdem gewisse Talente die vorteilhaft sein können, und das in fast jedem Job.
Problem ist eher, dass Arztsein in einer Klinik Parallelen zu einer Tätigkeit beim Militär aufweist. Morgens in Uniform strammstehen, gehorchen, funktionieren, Anordnungen nicht hinterfragen, sprich sich in stramme, unverrückbare Hierarchien einordnen. In manchen Fachgebieten und Kliniken mag das mehr, in anderen weniger ausgeprägt sein, aber es handelt sich jedenfalls um keinen freien oder kreativen Beruf - um es sehr vorsichtig auszudrücken.

_calendula_
19.12.2021, 22:36
Ich würde eher sagen, in manchen Kliniken mag das so sein, in anderen zum Glück nicht. Es gibt zum Glück auch Ecken in denen Selbst-Denken gefragt ist.
Aber ich war nie beim Militär.

Frei und kreativ ist man wohl nur als Influencer, der sich ein Management-Team leisten kann und nicht merkt wie sehr er sich schon längst an diverse Marken verkauft hat.

Bandwurm
19.12.2021, 22:44
Wie immer: Es kommt darauf an, leichte Konzentrationsstörungen kannst du mit Routine locker ausgleichen. Die meistens Erwachsenen haben eher das Problem der Reizüberflutung und Affektregulation: d.h. Nach der Arbeit kommst du vielleicht total genervt nach Hause und wie es dir nach ein oder zwei Jahren emotionalen Überforderung geht, kannst du dir selber überlegen. Also guck, wie alle anderen jungen Ärzte auch, dass du in einem Bereich anfängst, bei dem dir Routinen beigebracht werden und wenn du merkst, dass du überfordert bist, such dir ne passendere Stelle. Ich kenne einige gut kompensierte Erwachsene mit ADHS, auch im medizinischen Bereich. Wenn du das Abitur und das Medizinstudium geschafft hast, wirst du die nächsten Hürden auch schaffen.

ehem-user-23-12-2021-1346
19.12.2021, 22:55
Ich fange auch nicht an mit Vorgesetzten zu diskutieren. Da bin ich eher der Typ Opportunist, aber nur weil ich weiss, dass die am längeren Hebel sitzen und ich schnell Facharzt werden will. Affektregulation war früher schon ein Thema, damit komme ich aber durch Sport gut klar. Abteilungen mit militärischem Ton muss ich mir nicht antun, bin sehr flexibel und weiss was ich will und noch besser, was ich nicht will. Kenne auch meine Grenzen. Es geht mir eher darum, nichts wichtiges zu vergessen. Vor kurzem habe ich einen Bericht in der Ärztezeitung gelesen, dass psychische Probleme sehr häufig bei Ärzten vorkommen:

https://www.aerzteblatt.de/archiv/211268/Aerztegesundheit-Hohe-psychische-Belastungen

Da müsste ich ja in guter Gesellschaft sein, obwohl ADS ja keine Erkrankung ist, aber ein Handicap. Natürlich spreche ich das nicht am Arbeitsplatz an. Im Studium hatte ich keine Probleme. Ich bin aber für gewisse Fachrichtungen ungeeignet. Erträgliche Arbeitsbedingungen sind mir schon wichtig. Den Abschluss will ich auch schaffen. Man merkt mir die Störung nicht wirklich an. Es sind auch keine großen Gedächtnisstörungen, sonst hätte ich nie das Studium so durchziehen können, denke ich

Nulllinie
19.12.2021, 23:03
Mein Tipp: Einfach mal ausprobieren und machen. Erst dann wirst du es wirklich wissen. Sich zermürbende Szenarien im Kopf auszumalen hilft da wenig. Doubt kills more dreams than failure ever will.
Ich selbst bin mit einer milden Dysmelie berufstätig und hätte ich jedes Mal nur das getan, was mir andere zutrauen... herrje sag ich da nur ;)
Also Kopf hoch.

cartablanca
19.12.2021, 23:45
Jegliche Form von psychologischen Varianten ist in Arztberufen problematisch, das gilt nicht nur für ADHS, sondern auch Diagnosen wie Asperger-Syndrom etc.
Das als Erkrankung zu bezeichnen ist ja umstritten - nicht neurotypisch veranlagt ist nicht automatisch pathologisch.
Man kann vielleicht nicht alles gleich gut machen, hat aber trotzdem gewisse Talente die vorteilhaft sein können, und das in fast jedem Job.
Problem ist eher, dass Arztsein in einer Klinik Parallelen zu einer Tätigkeit beim Militär aufweist. Morgens in Uniform strammstehen, gehorchen, funktionieren, Anordnungen nicht hinterfragen, sprich sich in stramme, unverrückbare Hierarchien einordnen. In manchen Fachgebieten und Kliniken mag das mehr, in anderen weniger ausgeprägt sein, aber es handelt sich jedenfalls um keinen freien oder kreativen Beruf - um es sehr vorsichtig auszudrücken.

Es wäre auch langweilig, wenn alle Menschen auf der Welt der Norm entsprechen würden. Ich glaube man sollte sich daher nicht zu sehr selbst fertig machen. Der Unterschied zum Militär besteht darin, dass die Soldaten keine 24 Stunden am Stück arbeiten.

ehem-user-23-12-2021-1346
20.12.2021, 00:28
Tinnitus habe ich auch noch. Chronisch. Damit komme ich zwar gut zurecht, aber es sollte nicht stärker werden. Und beruflicher Stress lässt sich ja nicht vermeiden. Fast nirgendwo