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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wer hatte auch mit 28+ das Studium begonnen? Was waren/ sind eure Erfahrungen?



lea94m
01.01.2022, 11:32
Liebe Community,

ich werde im März 28 Jahre alt und denke an ein Zweitstudium Medizin. Ob ich überhaubt einen Platz bekomme, sei mal dahingestellt, aber beworben habe ich mich schon mal. Ich bin damit für ein Studium ja schon recht alt und entsprechnd habe ich viele Zweifel bzw. Unsicherheiten diesbezüglich. Deshalb hat mir ein Freund geraten, hier einfach mal nachzufragen:

- Gibt es hierjemanden, der/die auch das Studium mit 28 erst begonnen hat?
- Was waren eure Erfahrungen?
- Wie geht es euch heute?
- Würdet ihr es nochmal machen, trotz des großen Altersunterschiedes? Die meisten arbeiten in meinem Alter ja schon
voll...
- Wie ging es euch mit der Familienplanung, falls Kinder überhaupt unter den Umständen infrage kamen?

Durch ein Praktikum glaube ich zumindest im Ansatz eine realistische Vorstellung von dem Beruf bekommen zu haben. Trotzdem fällt es mir schwer, meine Situation einzuschätzen.

Deshlab wäre ich für eure Erfahrungen sehr dankbar und vielen Dank im Voraus!!!

Lizard
01.01.2022, 11:43
- Gibt es hierjemanden, der/die auch das Studium mit 28 erst begonnen hat?
Ich

- Was waren eure Erfahrungen?
Wenn man es geregelt bekommt von einem regelmässigen Gehalt wieder auf Studentenniveau runterzugehen und in einer WG o.ä. zu wohnen und man es finanziell packt. Do it.

- Wie geht es euch heute?
Gut ;) Studium durchgezogen, FA durchgezogen. Bald OA.

- Würdet ihr es nochmal machen, trotz des großen Altersunterschiedes? Die meisten arbeiten in meinem Alter ja schon
Ja würde ich. Der Unterschied war für mich nie ein echtes Problem. Und man ist meist nicht alleine im Semester.

Überleg dir was du willst. Ist dir Familie wichtig ? Geht schon nebenher, aber birgt zusätzlich eigene Herausforderungen finanzieller und organisatorischer Art.
Bist du bereit 6 Jahre Studium + 5-6 Jahre FA-Weiterbildung auf dich zu nehmen ?

Leucovorin
01.01.2022, 14:12
Also grundsätzlich ist das nix neues. In meiner Zeit gabs viele Leute mit "Wartezeit", die angefangen haben. Keine Ahnung ob es dieses "Kriterium" immer noch bei Hochschulstart/ZVS gibt.
Es gibt auch Leute, die mit 35 oder Anfang 40 nochmal anfangen. Selten auch Ende 40. Übrigens auch in den USA kein unbekanntes Phänomen, obwohl man dort ja deutlich mehr Finanzen springen lassen muss als hier und die FA Ausbildung (je nach Fach) nochmal härter (von den Arbeitsbedingugen) ist.

Ich habe selbst zwei Kollegen gehabt, die nach einem Studium in Biologie und Physik jetzt mit Mitte 30 und bzw. Anfang 40 ihre FA Ausbildung machen und gut durchgekommen sind und hochwahrscheinlich auch die FA Ausbildung beenden werden.

Im Studium selbst trifft man insgesamt eine heterogeneres Publikum. Bei uns haben viele Kommilitonen (ältere wie jüngere) damals nach 6 Monaten oder einem Jahr gesagt: Nee das ist nix für mich. Und es haben tatsächlich auch zwei ältere Leute es nicht durch die Zwischenprüfung geschafft (eine Minderheit insgesamt) und konnten das Studium zumindest nicht an meiner Uni dann fortsetzen. Schade um die Zeit. Weiß leider nicht, was aus ihnen geworden ist. Sie hatten schon Kinder+Ausbildung.
Insgesamt gab's an der Uni eh mehr kuriose Sachen für einen längeren Zeitraum (z.B. jahrelang in den klinischen Semestern wegen fehlender Klausuren/keine Zulassung zum Hammerexamen/Durchgefallen bei der klinischen Prüfung durch die Hochschulprofessoren). Im Job werden die Leute bei fehlender Leistung aussortiert "von oben". Möglicherweise lag das auch daran, dass in diesen Zeiten man in der Klinik im alten Studiengang (Regelstudiengang) beliebig oft wiederholen konnte in den klinischen Semestern. Das wurde dann auf 6x im neuen Reformstudiengang begrenzt und dann waren zunächst mal Gespräche mit dem Dekan oder einer vom Dekan beauftragten Person vorgesehen um zu schauen, "wo denn das Problem liege".

Nilani
02.01.2022, 19:37
Ich hab mit 31 angefangen und es ging ganz gut. Man merkt halt schon, dass man keine 20 ist, ich durfte leider auch 1 Jahr Biochemie dranhängen. Ich war nicht die älteste, der war Mitte 40 (bei Abschluss 52 glaube ich), viele waren Mitte/Ende 20 (Wartezeit). Ich hab allerdings auch mit Wartezeitlern eine Lerngruppe gehabt, man hatte halt doch schon paar Erfahrungen und ist anders rangegangen.

Familie haben inzwischen die meisten von ihnen. Während des Studiums war es eigentlich ganz gut (da sind auch die jüngeren häufiger schwanger geworden), viele meiner jetztigen Kollegen/damals Kommilitonen sind inzwischen Eltern, wobei die Frauen dabei wohl häufiger zurückstecken. Ich selbst hab keine Kinder, von daher kann ich nicht viel dazu sagen. Während der FA-Ausbildung wird es jedenfalls schwieriger mit den Diensten und häufigen Wochenenden, aber andere bekommen es ja auch hin. Achja, der 52jährige hat häufiger seine Tochter mit in die Vorlesung gebracht, war kein Problem.

In der FA-Ausbildung mit Ende 30/Anfang 40 merkt man auch seine Grenzen. Ich hab 3 Jahre Ortho/Unfall gemacht, bin dann auf Reha-Medizin umgeschwenkt, weil mich eh immer die eher konservative Schiene interessiert hat. Jetzt hab ich meine Nische gefunden und stehe (ok, im 7. Weiterbildungsjahr, wo Reha nur 5 braucht, aber ok) kurz vorm Facharzt. Gab aber eher Probleme wegen Wechsel (von 3 Jahren Chirurgie werden halt nur 1 Jahr + 6 Monate Anästhesie vom Common Trunk anerkannt) und mit fehlender WEiterbildungsermächtigung in der 1. Reha-Klinik, die sich leider etwas hingezogen hat. Bin aber froh, nicht mehr in der Akutklinik arbeiten zu müssen.

Es ist immer noch ein toller Job, dafür dass ich mit 13 wusste, dass ich es machen wollte und mit 31 endlich angefangen habe, bereue ich es natürlich nicht. ICh bereue, dass ich es nicht eher durchgezogen habe. Ich hänge 15 Jahre hinterher, die meisten in meinem Alter sind inzwischen in der Chefarzt-Etage angekommen (ok, ist nicht mein Ziel). Heute würde ich tatsächlich eher was anderes machen, weil es so viel mehr Möglichkeiten gibt und ich so viel Zeugs hab, was mich nebenher noch interessiert. Aber das ist halt heute .... vor 20 Jahren sah das alles noch anders aus. Medizin hat schon was, immerhin kann ich mir den Luxus leisten, die Stunden etwas runterzufahren und die Sache etwas gelassener anzugehen.

lea94m
02.01.2022, 21:39
Ganz herzlichen Dank für eure Erfahrungen! Diese helfen mir sehr, weil unterschiedliche Perspektiven doch immer einen besseren Eindruck erlauben:). Ich habe eben auch vor Augen, dass ich nicht jünger werde und im Grunde dann ja erst mit 35 wenn alles gut ginge ins Berufsleben starten würde. Trotzdem machen die Beiträge auch Mut, es auf jeden Fall gründlich zu durchdenken und das Vorhaben nicht alleine wegen des Alters auszuschließen. Vielen Dank dafür!

LudwigSchraub
05.05.2022, 17:38
Mit 33 angefangen, vorher Rettungsassistent und BWL-Studium, jetzt im PJ. Nie bereut, obwohl es manchmal echt hart war, v.a. die Vorklinik, aber wenn Du es machen willst, es dein Traum ist, zieh es durch. 35 ist doch heutzutage keine Alter mehr. Bedenke, dass Du mindestens noch 30 Jahre arbeiten gehen darfst.

Jul4ik
05.05.2022, 20:10
Ich hab mit 25 angefangen (vorher Optiker Ausbildung und anschließender Arbeit) bin jetzt im PJ und 30. Ich hatte ehrlicherweise meine Schwierigkeiten in der Vorklinik mit den Naturwissenschaften, da ich nur schulisches Wissen bis zu 10ten Klasse vorweisen konnte (studiere über die beruflich Qualifizierten Quote), aber habe es mit bissl aufn Arsch hocken und Zähne zambeißen trotzdem geschafft. 😅 Die Klinik viel mir dann deutlich einfacher. Ich hatte einige im Semester die in meinem Alter waren, mit denen ich auch hauptsächlich „abhing“, aber auch mit den jüngeren Komillitonen gabs/gibts Kontakt.
Ich denke auch 35 ist heutzutage kein Alter… bedenke du musst wahrscheinlich bis min. 65 arbeiten 🙈 Also wenn du wirklich Bock drauf hast und dir vorstellen kannst an die 7 Jahre Student zu sein, dann los 💪🏻

Edit: achja die Familienplanung hab ich solange beiseite gestellt. Mein Plan ist es 1-2 Jahre Weiterbildung zu machen und dann, wenn alles passt, an Kinder zu denken :)

davo
06.05.2022, 05:19
Ich sehe das genau wie Lizard. Alles kein Problem. Es muss einfach nur die Finanzierung stehen.

Wenn man natürlich dazu neigt, sich ständig mit anderen zu vergleichen, ständig zu jammern, oh Gott, warum ist der schon Oberarzt, der ist ja jünger als ich, oder, oh Gott, warum bauen die schon Haus, die sind ja jünger als ich, dann wird es anstrengend. Aber wenn man in der Lage ist, rational zu begreifen, worauf man sich einlässt, und fähig ist, mit den Konsequenzen zu leben, ist das alles überhaupt kein Problem.

Das Studium selbst ist nicht so das große Problem - wenn man die nötige Zeit investiert, ist es echt nicht besonders schwer.

Und soziale Kontakte zu Kommilitonen zu knüpfen, egal ob diese jünger oder gleich alt sind, ist gerade im Medizinstudium super einfach.

Ich würde es auf jeden Fall nochmal machen.

lea94m
08.05.2022, 12:27
Vielen Dank für eure Einschätzung! Ich habe es jetzt auf jeden Fall nochmal versucht und hoffe, dass es mit dem Platz klappt:). Ich habe ja wirklich noch einige Jahre Arbeitsleben vor mir und halte es auch zu früh und euere Erfahrungen haben mich ermutigt, es zumindest zu versuchen und mich zu bewerben. Vielen Dank dafür und viele Grüße!:)