PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Chancen an der Uniklinik



Seiten : [1] 2

Nico112010
07.01.2022, 13:59
Hallo,

ich würde gerne später an der Uniklinik (v.a. Chirurgie) arbeiten, da mich Forschung begeistert. Deshalb werde ich in Famulaturen und PJ schon in Wunschfächern Erfahrungen sammeln.
Was mich aber verunsichert, ist der Stellenwert der Doktorarbeit. Angenommen ich schließe aus großer Begeisterung eine Doktorarbeit in einem vorklinischen Fach wie Physiologie sehr gut ab. Meine Wunschstelle an der Uniklinik hat jedoch einen ganz anderen Forschungsschwerpunkt mit anderen Methoden (zB Immunhistochemie statt patch-clamp).
Habe ich dann trotzdem verbesserte Chancen, diese Stelle zu bekommen, da ich gezeigt habe, dass ich publizieren und Projekte durchziehen kann?

nie
07.01.2022, 14:45
Arbeite an der Uniklinik. Hab keine Doktorarbeit geschrieben (nichtmal angefangen) und weiß nur grob, was eigentlich der Forschungsschwerpunkt meiner Klinik ist. Was die da für Methoden anwenden? Keine Ahnung. Wurde trotzdem eingestellt. Und arbeite seit mehr als 2 Jahren da…


Die Doktorarbeit hat nicht ansatzweise so viele Relevanz, wie du denkst. Mach was du willst, sei froh wenn es ein machbares Projekt ist und sie zu, dass du es zügig zuende bringen kannst. Was nachher drinsteht, ist eher zweitrangig.

Nico112010
07.01.2022, 15:11
Und wie sieht es aus, wenn man Oberarzt werden will, spielen da Publikationen in dem jeweiligen Gebiet der Uniklinik eine große Rolle für die Aufstiegschancen? Viele Chefärzte sind ja Professoren..

nie
07.01.2022, 15:41
Je mehr Karriere man in der Uni machen will desto mehr Forschung wird in aller Regel erwartet. Wobei das auch einfach immer auf Fach und Abteilung ankommt. Das lässt sich pauschal nicht sagen. Aber man wird sich keine Karriere verbauen weil das Thema der Doktorarbeit, die man irgendwann im Studium geschrieben hat, nicht zu dem passt was später in der eigenen Abteilung geforscht wird.

Nico112010
07.01.2022, 15:57
Ah okay danke!
Aber du würdest schon behaupten, dass es besser ist, eine experimentelle Doktorarbeit in irgendeinem Fach richtig wissenschaftlich durchgeführt zu haben, als gar keine? Denn ansonsten bliebe ja nur noch die intrinsische Motivation übrig

Melina93
07.01.2022, 17:45
Ich hatte eine experimentelle Doktorarbeit begonnen und wegen miesester Betreuung nicht zu Ende gebracht. Vielleicht nicht super optimal wenn man Karriere an einer bestimmten Uniklinik machen will.
Aber je länger ich in den Job bin, desto mehr erkenne ich das 'intrindische Motivation' Gutes hat, aber oft nicht zu dem führt, was man denkt.
Ich würde an deiner Stelle vor allem darauf achten, dass du die Doktorarbeit realistisch in einem guten zeitlichen Rahmen abschliessen kannst.
Mein jetziger Chef bspw schaut auch nur darauf, dass alle eine Diss haben, weil er das einfach toll findet. Das Thema ist ihm tatsächlich nicht so wichtig. Mich hat er aber trotzdem eingestellt. Ich müsste halt nur promovieren wenn ich dort bleiben wollen würde.

Nico112010
07.01.2022, 18:43
Der Punkt ist, dass mich Neurophysiologie so sehr begeistert, dass ich das Projekt zumindest von meiner Seite aus nie vernachlässigen würde. Wenn ein Dr. med. in Neurophysiologie mir genauso viel Ansehen bei manchen Chefs an Unikliniken verschafft wie rein klinische (experimentelle) Promotionen, dann würde ich sofort starten.

_calendula_
07.01.2022, 18:52
Das Thema der Doktorarbeit ist für diesen Zweck weitestgehend egal.

][truba][
07.01.2022, 19:40
Kleiner Tipp fürs Leben. Mach lieber das, was du wirklich interessant und gut findest und nicht was du denkst, was irgendwann, irgendwer mal gut finden könnte oder weil etwas mehr "Ansehen" bringt.

Wenn du das Projekt super findest und die Betreuung gut ist, mach es.

Endoplasmatisches Reticulum
07.01.2022, 19:53
Es gibt universitäre Abteilungen mit angeschlossenem Laborkomplex und 10 Forschungsgruppen samt eigener naturwissenschaftlicher Laborleiter, die erwarten, dass man für ein Jahr oder länger ins Labor rotiert. Und es gibt Abteilungen, deren Forschung sich darauf beschränkt, den Pathologen Biopsate zu schicken, dafür auf deren Papern mit zu zeichnen und vielleicht alle Jubeljahre mal ne Feierabendstudie selbst zu produzieren.

Sofern es um hochkompetitive Fächer wie PCH oder Derma ginge, könnte eine Dissertation in dem Fach tatsächlich entscheidende Vorteile bringen. Aber nicht wegen spezieller durch die Promotion erworbener Kenntnisse, sondern unter dem Aspekt des Netzwerkens. Das ist aber eine Risikoabwägung und kann auch nach Hinten los gehen, falls sich das Promotionsprojekt als Rohrkrepierer entpuppt.

Eine fertige Disse ist selten ein Nachteil. Eine experimentelle Disse ist selten ein Nachteil. Alles andere ist sehr vom Kontext abhängig. Und nicht vergessen: Eine mit Magna abgeschlossene statistische Arbeit ist besser als eine hochambitionierte aber abgebrochene Laborarbeit, für die der Prof im Halbsuff mal unverbindlich ein Summa versprochen hatte.

Abschließend würde ich mich von dem Gedanken verabschieden, "Ansehen" für irgendetwas in der Medizin zu bekommen. Das gilt für den späteren Berufsalltag allgemein, insbesondere aber für Bewerbungen. Die Angebots- und Nachfragekurve treffen sich im Schnittpunkt. Genau so wenig erhält man Ansehen fürs Erfüllen der Marktanforderungen, wie man mit Nachsicht fürs Nichterfüllen rechnen darf. Der Grenznutzen einer Dissertation wird bei steigendem Aufwand immer geringer, dessen sollte man sich bewusst sein.

milz
08.01.2022, 08:26
Hauptsache sie wird fertig. Alles andere ist zweitranging.

freak1
08.01.2022, 12:17
Jap. Keinen Menschen interessiert ob die Arbeit rite der summa war. Wenn du eine wissenschaftliche Karriere anstrebst ist alles nach der Promotion von Interesse (Publikationen, Thema der Habil, Drittmittel etc).

Leucovorin
08.01.2022, 13:01
Dem kann ich nur zustimmen.

Es gibt solche und solche Unikliniken. Manche haben eine extrem geringe bis garkeinen Forschungsoutput.

Hier wurde öfters mal gefragt, ob es schwierig ist eine Stelle an der Uniklinik zu bekommen. Klare Antwort: NEIN.
Die brauchen auch Leute für "normale" Routinearbeit. Nicht alle können auf Kongresse am Wochenende fahren und freigestellt sein für Forschung.
Grundsätzlich übernehmen Ärzte deutlich mehr Verwaltungsarbeit und Routinetätigkeiten in einer Uniklinik als im MVZs. Nicht unbedingt sinnvoll, aber so ist es. Dafür brauch man dann Personal. Man bewirbt sich einfach so oder kriegt durch Promotion/Famulatur/PJ (wo man sich dann bereits als guter Mitarbeiter etabliert) einen Fuss in die Tür.
Vorsicht wenn eine Uniklinik mehrmals jährlich Stellenanzeigen raushaut. Das kann ein Warnsignal sein: Viel Personalwechsel, niemand bleibt länger, sie finden nicht über die Kanäle PJ/Famulatur/Promotion Leute.

Allerdings macht man eine Promotion an der Uniklinik (Angestellter bei der Universität) in der Regel und hat dafür 6 Jahre Zeit (befristetes Arbeitsverhältnis). Danach sind weitere Befristigungen ohne Promotion nicht möglich laut Wissenschaftszeitgesetz als Angesteller bei der Universität. Ärzte ohne Promotion stellt man in der Regel an der Uniklinik nicht unbefristet ein. Nach der Promotion kann man dann noch 9 Jahre in Befristigung an der Uniklinik (Angestellter bei der Universität) bleiben und dann muss der Chef spätestens entscheiden, ob er dir einen unbefristeten Vertrag geben lässt von der Universität. Kliniken streben ein Verhältnis 40%/60% Unbefristet-Befristet an. Oder 50%/50%.
Insgesamt wundert es mich immer wieder, dass Univ-Prof. soviel Macht hier bekommen bei Personalentscheidungen (besser wäre ein Gremium beispielsweise). Aber das ist ein anderes Thema.

Zu der Promotion:
Hier ist die Betreuung das A & O. Wurde uns bereits im Studium so oft eingebläut. Es gab und gibt soviele Abbrecher bei Promotionen. Unsere Fakultät hat zwar versucht gegenzusteuern mit Betreuungsvereinbarungen und Ersatzbetreuern, aber auch das hat keine größeren Veränderungen gebracht. Möglicherweise wurden die tiefschwarzen Schafe dadurch abgeschreckt.
Hör dich einfach um: Wo schließen viele Leute ihre Promotion ab? Wo ist die Betreuung gut? Was machen die Leute für einen Eindruck auf dich? Das geht alles über Flurfunk/Mund-zu-Mund Propaganda.

Nico112010
08.01.2022, 14:52
Danke erstmal für die vielen Antworten!

Naja, wenn die Art, Methodik und Qualität der Promotion so egal ist, kann ich mir ja gleich eine statistische Doktorarbeit suchen, mir gar keine Urlaubssemester nehmen, und habe dann dieselben Bewerbungs- und Karrierechancen an der Uniklinik, als wenn ich ne aufwendige Laborarbeit mit 2 Urlaubssemstern anfertige. Klar macht mir letzteres richtig Spaß, aber ist ja am Ende anscheinend sowieso vergessen..

Leucovorin
08.01.2022, 15:13
Wenn du später ganz sicher in der Berufslaufbahn auch experimentell forschen/arbeiten wirst, dann hättest du schon ein gewisses Grundwissen. Sonst ist in der Regel, wie gesagt, die statistische Arbeit einfacher abzuschließen. Ich hatte auch Kollegen, die mit einer experimentellen Arbeit zufrieden waren. A&O ist die Betreuung. Wenn sich keiner kümmert und niemand dir antwortet auf Emails/Anrufe, Treffen nicht funktionieren, keine Rückmeldungen auf durchgeführte Arbeiten, ist es Arbeit für die Katz.

Schokoflocke
30.01.2022, 20:29
Ich habe selbst eine recht aufwändige humanexperimentelle Diss in der Physiologie gemacht und fange jetzt an der Uni in der Gyn an. Im Bewerbungsgespräch wurde meine Diss mit Kongressbeiträgen positiv kommentiert - auch wenn sie mit Gyn wirklich so gar nichts zu tun hat. Es lohnt sich schon, wissenschaftlich gearbeitet zu haben, wenn man weiter Forschung machen will. Fach ist nebensächlich. In umkämpften Fächern wie Derma, Päd oder Uro ist es teilweise einfacher, an Stellen zu kommen, wenn man dort promoviert hat. Chirurgie/Gyn/Innere suchen eigentlich immer Ärzt*Innen.

Me1ster
07.02.2022, 16:09
Wie siehts es derzeit in der Urologie an Unikliniken aus? (in unbeliebteren ostdeutschen Städten) Ohne Pj in der Urologie

GP1001
08.02.2022, 07:32
Wie siehts es derzeit in der Urologie an Unikliniken aus? (in unbeliebteren ostdeutschen Städten) Ohne Pj in der Urologie

Keine Ahnung woher das Gerücht kommt in der Urologie gäbe es wenig Stellen oder Urologie wäre besonders beliebt.
Eine Google Suche und Kimeta spuckt direkt 2x Unikliniken aus. Auch in "beliebteren" Städten. Auch an normalen Häusern gibt's Stellen. Ich könnte mir das Fach beispielsweise überhaupt nicht vorstellen.

Manchmal wurde hier gegen die Uniklinik gewettert. Zu Unrecht so ganz pauschal, es kommt immer auf die Leute vor Ort an. Die sind mal Top mal Flop. Grundsätzlich ist es ein Vorteil für die Weiterbildung an, dass man ein weites Spektrum dort sieht.

Me1ster
08.02.2022, 07:51
Ich war nur verunsichert, weil meiner Einschätzung nach die Urologie ein durchschnittlich bis beliebtes Fach ist.

hebdo
08.02.2022, 08:28
Urologie ist schon ein attraktives Fach, von Operationen mit hohen Schwierigkeitsgrad, roboterassistiert bis hin zu kleinen netten Eingriffen, gute Niederlassungsmöglichkeit. Aber die Arbeitsbelastung kann auch schon sehr hoch sein.

Auf Weiterbildungsebene findet man auch in den im Allgemeinen als beliebt geltende Fächer wie Pädietrie, Dermatologie und Radiologie immer stellen - gerade wenn man örtlich flexibel ist.