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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zweitstudium Medizin nach BWL mit Ende 30?



turtless
12.01.2022, 00:07
Hallo zusammen,

kurz zu meinem Hintergrund: ich bin bereits 37 Jahre alt und habe bereits ein Erststudium der BWL abgeschlossen. Seitdem habe ich einige Jahre im Rechnungswesen gearbeitet und bin nun in einer kleinen Sinnkrise. Bereits nach meinem Abitur hatte ich mich für das Medizinstudium beworben, hätte aber mit meinem Abischnitt (2,4) über 8 Jahre auf einen Platz warten müssen. Da mir diese Wartezeit als 19 Jähriger noch sehr sehr lang vorkam, habe ich mich damals kurzsichtigerweise für ein BWL Studium eingeschrieben und dieses Studium halbherzig nach ziemlich langer Studienzeit (aber noch mit guter Note) zu Ende gebracht.

Obwohl ich nun schon seit einiger Zeit im kaufmännischen Bereich arbeite, konnte ich mich nie wirklich für die Tätigkeit begeistern, da mir die intrinsische Motivation hier eindeutig fehlt. Im Gegensatz dazu kann ich mir eine Tätigkeit im medizinischen Bereich sehr gut vorstellen, da ich einerseits den starken Wunsch habe, Menschen zu helfen und andererseits bereits einen Zivildienst im Krankenhaus (allerdings nicht in der Pflege selbst) geleistet habe und den Arztberuf an sich sehr sinnstiftend finde. Außerdem war meine Mutter ihr ganzes Leben lang Krankenschwester und so habe ich viel über die positiven (und negativen) Seiten des Krankenhauslebens mitbekommen. Dennoch bin ich mir nach langer Bedenkzeit sehr sicher, dass ich mich nun gern in Richtung Medizin umorientieren möchte, bin mir allerdings bewusst, dass es sehr unwahrscheinlich ist, noch einen Platz im Inland zu erhalten. Allerdings bin ich bereits verheiratet und habe zwei Kinder und würde daher nur ungern das Land verlassen, da meine Frau hier eine sehr gute Stelle hat.

Haltet ihr mein Vorhaben, trotz meines hohen Alters und meiner familiären Situation nochmal Medizin zu studieren, für wahnsinnig? Gibt es irgendeine Möglichkeit, mit einer plausiblen Begründung noch einen Zweitstudienplatz in Deutschland zu erhalten?

Und gibt es evtl. seriöse und kompetente Beratungen, die einem weiterhelfen können?

Kandra
12.01.2022, 07:51
Zweitstudium meiner Meinung nach keine Chance, ausser du arbeitest zufällig im Medizincontrolling.
Wie ist deine finanzielle Situation? Ist es möglich, mindestens 6 Jahre nur wenig bis garkein Geld zu verdienen? Bist du örtlich flexibel? Sprich könntest du auch an eine Uni am anderen Ende von Deutschland gehen, wenn du dort einen Platz bekommen würdest?
Du fängst mit 37 an zu studieren, bist dann mindestens 43 wenn du fertig bist. Dann kommt die Assistenzarztzeit mit Nachtdiensten und 24-Stunden-Diensten für weitere 5 Jahre. Willst du dir das wirklich antun?
Was ist denn mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit im sozialen/medizinischen Bereich? Rettungssani, Wasserwacht o.ä.?

Feuerblick
12.01.2022, 09:31
Nun, deinen Beschreibungen nach dürftest du sowieso keinen Studienplatz erhalten. Ins Ausland möchtest du nicht. Insofern sind deine Überlegungen eigentlich damit schon beendet.

Du wärest fast 50 bis du einen Facharzt hast. Bis dahin müsstest du mindestens sechs Jahre studieren plus mindestens fünf Jahre Facharztausbildung machen. Mit Diensten, Bürokratie, Überstunden, Knochenjob. Mit Chefs, die möglicherweise jünger sind als du und verhaltensoriginell mit ihren Untergebenen umgehen.
Kurz: Ja, ich halte es für absolut wahn- und vor allem unsinnig - zumal deine Motive (sinnstiftend, Menschen helfen) genau die sind, weswegen viele anfangen zu studieren, um dann zu merken, dass der Job ein Knochenjob ist, man viel Bürokratie hat und bei vielen Tätigkeiten „sinnstiftend“ nicht der Fall ist und dann total enttäuscht hinzuschmeißen.
Such dir lieber einen Job in deinem Bereich, der dir mehr Spaß macht und schau dich um, ob du ehrenamtlich im medizinischen Bereich arbeiten kannst.

Aloya
12.01.2022, 15:45
Wenn das finanzielle keine große Rolle spielt, wäre eine Pflegeausbildung + eventuell begleitendes Pflegestudium die bessere Wahl für dich. Dauert nicht so lange, kannst dort Menschen helfen und sinnvoll ist der Job auch. Und wenn du dann später keine Lust mehr auf Schichtdienst hast könntest du den Exit Richtung Pflegemanagement machen, hierbei hilft dir dann vermutlich dein BWL-Studium sogar noch.

turtless
15.01.2022, 22:48
Zweitstudium meiner Meinung nach keine Chance, ausser du arbeitest zufällig im Medizincontrolling.
Wie ist deine finanzielle Situation? Ist es möglich, mindestens 6 Jahre nur wenig bis garkein Geld zu verdienen? Bist du örtlich flexibel? Sprich könntest du auch an eine Uni am anderen Ende von Deutschland gehen, wenn du dort einen Platz bekommen würdest?
Du fängst mit 37 an zu studieren, bist dann mindestens 43 wenn du fertig bist. Dann kommt die Assistenzarztzeit mit Nachtdiensten und 24-Stunden-Diensten für weitere 5 Jahre. Willst du dir das wirklich antun?
Was ist denn mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit im sozialen/medizinischen Bereich? Rettungssani, Wasserwacht o.ä.?

Vielen Dank für deine Antwort.

Meine Frau hat einen guten Job und wäre bereit, mich über die gesamte Studiendauer finanziell zu unterstützen. Ich wäre auch grundsätzlich örtlich flexibel (deutschlandweit).

Da ich sehr an den eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten interessiert bin, kämen für mich alternative Berufe in dem Bereich (ehrenamtliche Tätigkeiten oder Pflegeberufe) eher weniger in Frage.

Meinst du, dass man tatsächlich eine Chance hätte, wenn man im Medizincontrolling arbeitet? Ich habe jetzt mehrfach gehört, dass selbst Bewerber mit einem Erststudium in Biologie oder Pharmazie häufig abgewiesen wurden. Habe die Befürchtung, dass man als BWLer da nicht unbedingt die besseren Chancen hat...

turtless
15.01.2022, 22:49
Zweitstudium meiner Meinung nach keine Chance, ausser du arbeitest zufällig im Medizincontrolling.
Wie ist deine finanzielle Situation? Ist es möglich, mindestens 6 Jahre nur wenig bis garkein Geld zu verdienen? Bist du örtlich flexibel? Sprich könntest du auch an eine Uni am anderen Ende von Deutschland gehen, wenn du dort einen Platz bekommen würdest?
Du fängst mit 37 an zu studieren, bist dann mindestens 43 wenn du fertig bist. Dann kommt die Assistenzarztzeit mit Nachtdiensten und 24-Stunden-Diensten für weitere 5 Jahre. Willst du dir das wirklich antun?
Was ist denn mit einer ehrenamtlichen Tätigkeit im sozialen/medizinischen Bereich? Rettungssani, Wasserwacht o.ä.?

Das Ausland (zumindest Österreich) ziehe ich für den Notfall schon in Betracht, würde aber eine Option in Deutschland bevorzugen. Aber ich bin mir natürlich bewusst, dass ich nicht in einer Position bin, Ansprüche zu stellen. Ich wäre einfach nur dankbar für JEDEN Studienplatz und wäre auch bestimmt der letzte, der in diesem unwahrscheinlichen Falle nein sagen würde :)

Auch mit jüngeren Vorgesetzten hätte ich grundsätzlich kein Problem.

Kandra
16.01.2022, 07:27
Vielen Dank für deine Antwort.

Meine Frau hat einen guten Job und wäre bereit, mich über die gesamte Studiendauer finanziell zu unterstützen. Ich wäre auch grundsätzlich örtlich flexibel (deutschlandweit).

Da ich sehr an den eigentlichen ärztlichen Tätigkeiten interessiert bin, kämen für mich alternative Berufe in dem Bereich (ehrenamtliche Tätigkeiten oder Pflegeberufe) eher weniger in Frage.

Meinst du, dass man tatsächlich eine Chance hätte, wenn man im Medizincontrolling arbeitet? Ich habe jetzt mehrfach gehört, dass selbst Bewerber mit einem Erststudium in Biologie oder Pharmazie häufig abgewiesen wurden. Habe die Befürchtung, dass man als BWLer da nicht unbedingt die besseren Chancen hat...

Was sind denn für dich „ärztliche“ Tätigkeiten? Mein Alltag besteht zu 90% aus Papierkram, Telefonieren und Besprechen. Und ja, klinisches Fach! Direkt am Patienten ist man als Arzt in aller Regel nur noch an einem Bruchteil des Arbeitstages. Chirurgen und Anästhesisten vllt mal ausgenommen.

Wäre es ok für dich, deine Kinder nur noch am Wochenende, wenn überhaupt zu sehen? Wie fänden das deine Kinder und deine Frau, die dann de fakto 6 Jahre alleinerziehend ist?

Medizincontrolling wäre zumindest ein Berührungspunkt für berufliche Gründe. Aber große Chancen hast du da vermutlich auch nicht.

Shairon
16.01.2022, 16:22
Angesichts des Lebenslaufs würde ich dir raten, dich einfach mal überall zu bewerben und im sehr unwahrscheinlichen Fall einer Zusage kannst du dir dann immer noch Gedanken machen, ob du den Platz wirklich annehmen willst. Bringt ja nichts, sich jetzt im Voraus viel Gedanken zu machen, wenn es eh nie zu einer Zusage kommt.

morgoth
17.01.2022, 09:14
Überleg dir mal, was du unter deinem ersten Motivationsfaktor ("Menschen helfen") verstehst.
Ja, als Arzt hilfst du Menschen, aber in den ersten 10 Jahren Studium+Facharztarztausbildung fast nie dadurch, dass du durch geschickte Handgriffe operierst, schlaue Überlegungen anstellst und Kolibridiagnosen findest, komplexe medikamentöse Interaktionen aufdröselst, das eigentliche Problem des Patienten in wiederholten längeren Gesprächen aufdeckst, ... (alle diese Dinge kannst du am Anfang deiner ärztlichen Karriere eh nicht), sondern dadurch dass du nachts um 3 Uhr angerufen wirst, um eine Kanüle zu legen (oder Paracetamol 500 mg bei Bedarf zu verordnen) oder spätnachmittags für 4 deiner Patienten die vorläufigen Entlassungsberichte+Medikation zu schreiben.
Lies ein wenig quer, was andere Berufsanfänger so schreiben, und schau dann, ob das zu deiner Definition passt.
Ich bin zufällig selbst 37 und könnte mir echt nicht vorstellen, jetzt ein mehrjähriges Studium zu beginnen, um dann Nachtdienste zu schieben.

Arrhythmie
18.01.2022, 07:21
Ich habe beides gemacht, Int. Management studiert, gearbeitet und dann Medizin als Zweitstudium (mit 27 angefangen damals). In Regelstudienzeit inkl. Kind bekommen und Diss fertig machen durchgezogen. Ich bin mittlerweile Ärztin. Diesen Hetzlauf kann ich nicht unbedingt empfehlen, aber ich wollte es damals so. (Also Kind, Dr. Titel... Alles auf einmal, ohne die geringste Pause oder Zeit für mich und andere Dinge)


Ob ich es nochmal machen würde? Das Studium an sich: Hm. Ja eigentlich schon irgendwie, aber ich kann es auch nicht uneingeschränkt empfehlen. Und so durch-stressen würd ich es auch definitiv nicht mehr. Ich bin zwar im Nachhinein froh alles geschafft zu haben, aber da stand viel Arbeit hinter, Blut Schweiß und Tränen sozusagen. Aber wenn Du erst mit 27 anfängst hast Du halt kaum eine andere Wahl.

Wenn Du was Näheres dazu wissen willst kannst Du mir eine PN schicken.