PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Fragen zu dem Motivationsschreiben



Aegagrus
02.02.2022, 11:47
Hallo,

ich bin neulich mit dem Studium fertig geworden und beschäftige mich jetzt mit der Bewerbung. Nun möchte ich mit der Bewerbung in der Radiologie probieren.

Ich wollte nämlich fragen, falls jemand von euch in einer ähnlichen Situation gewesen ist, was könnte man in dem Motivationsschreiben schreiben, wenn man eine Stelle in einem Fach möchte, jedoch keine Erfahrung direkt damit in seinem Lebenslauf zeigen kann?

docdean
03.02.2022, 11:21
Warum willst du dich denn ausgerechnet in der Radiologie bewerben? Irgendeinen Grund musst du bei der Überlegung ja gehabt haben?

Du hast vielleicht noch nicht gearbeitet, aber du hast sechs Jahre vorklinische und klinische Grundlagen in alle Richtungen gelernt, hast mindestens ein PJ und wahrscheinlich auch ein paar klinische Praktika gemacht, vielleicht Wahlfächer oder eine wissenschaftliche Arbeit - was hat dir gefallen, was willst du langfristig machen?

Aegagrus
04.02.2022, 16:17
Wegen mehrerer Punkte:
- konservatives Fach
- angenehme und attraktive Arbeitsmodelle
- wenig Kontakt zu lästigen Patienten
- kein Therapiekram (zumindest nicht, wenn man in der Diagnostik tätig ist)
- gut bezahlt, auch in meiner osteuropäischen Heimat, so dass ich nach dem Facharzt auch da arbeiten und leben könnte

Feuerblick
04.02.2022, 16:27
Gut, davon solltest du besser nichts im Bewerbungsschreiben erwähnen. :-)) Eher sowas wie „Interesse am Fach“ etc.

Locutus001
06.02.2022, 13:33
Na ja, kommt darauf an wie man es formuliert.
Authentisch ist Trumpf finde ich.

Ist jetzt ja nicht so, dass die anderen Radiologen das Fach gewählt haben, weil sie so große Fans des Patientenkontaktes sind.

Die Möglichkeit strukturiert zu arbeiten könnte man da doch als Euphemismus nutzen ;-)
Die Möglichkeit sich in Richtung Neuro- oder Kinder-Radiologie sowie Interventionelle Radiologie weiterzuentwickeln ist sicherlich auch etwas, was Erwähnung finden kann (insbes., wenn man sich tatsächlich zu einer dieser Sachen hingezogen fühlt).

Ansonsten natürlich schauen, was die Kliniken wo man sich bewirbt so machen und darauf eingehen schadet nicht.

Aber ja, Feuerblick hat natürlich Recht: Die fachlich interessanten Dinge sollten im Fordergrund stehen für die Motivation, nicht die fachlich unabhängigen. (Zumal man ein gutes Gehalt oder gute Life-Work-Balance auch in anderen Fächern finden kann,... Problem ist, dass Life-Work-Balance immer so nach "keine Lust zu Arbeiten" klingen kann).

Und letzten Endes die persönliche Motivation, warum ausgerechnet Radiologie. Welche Kontaktpunkte hatte man zu dem Fach und vielleicht welche Aspekte interessieren einen da besonders bzw. haben einen besonders interessiert bei den bisherigen Kontaktpunkten. Gibt Leute die haben schon einiges an Erfahrung mit Sonographie z.B. durch Unikurse etc. oder Röntgen. Oder natürlich Mammographie etc. können interessante Kontaktpunkte gewesen sein.
(War bei mir z.B. so, auch wenn es nicht Radiologie geworden ist).

Endoplasmatisches Reticulum
06.02.2022, 14:03
Ich habe meine Zweifel, dass viele Bewerbungsanschreiben überhaupt großartig gelesen werden. Bei den meisten Vorstellungsgesprächen war ich schon froh, wenn dem Chef die letzten 1-2 Stationen im Lebenslauf bekannt waren. Das heißt natürlich nicht, dass man Blödsinn schreiben soll. Aber zumindest für eine Einladung scheint mir die Relevanz geringer zu sein, als man intuitiv annehmen würde.

Im Gespräch sollte man natürlich ein wenig wissen, was man antwortet. Bewerbungen bei Fächern, mit denen man keinerlei bisherigen Berührungspunkt hatte, können vor dem Hintergrund schon etwas tricky sein. Ich habe das auch mal gemacht und fand die Gespräche zwar nett, aber gefühlt hatte das doch schon oft etwas von einem formalen Initiationsritus. Man muss im Wesentlichen quacksalbern und es weiß eigentlich auch jeder Anwesende, dass es Quacksalberei ist, weil mehr als "ich stelle mir das Fach halt toll vor" nicht wirklich plausibel vermittelbar ist.

Locutus001
06.02.2022, 18:34
Kommt halt echt auf den Chef drauf an.
Gibt schon auch einige, die sich das durchlesen.

Und da kann man sowohl durch einen überladenen Lebenslauf/Interessen auf die Nase fliegen, als auch durch zu unpersönlich.

Keiner will allen Laberrhabarber wissen, aber so 1-2 prägnante Sachen aus dem Leben, dürfen schon drin sein.
Eine Chefärztin, ging dann auf mein Hobby ein, das hätten ihre Kinder wohl auch gemacht und so kam man wirklich sehr nett ins Gespräch.
Der andere Chef fand es toll, dass ich einen sehr guten Käsekuchen backen kann (ja, das steht in meinem Bewerbungsschreiben unter Sonstiges ;-) ).

Letzten Endes kommt es wirklich sehr drauf an. In den meisten Fällen wird irgendein Arzt gesucht, der Deutsch kann. Ob der Lebenslauf dann auf einer Rolle Küchenpapier daherkommt oder als top designtes PDF, spielt dann keine Rolle mehr.

Bei anderen Jobs, bilden sich die Chefs schon gerne eine Meinung und wägen ab, ob jemand überhaupt eingeladen wird. Nicht jedes Fach/Klinikum/MVZ/etc. hat ja die gleiche Dringlichkeit, wenn sie suchen (oder vielleicht auch nur eine Initiativbewerbung akzeptieren).

Da finde ich persönlich, kann man lieber die Mühe in seinen Lebenslauf/Motivationsschreiben/Design investieren, eine persönliche Note reinpacken und authentisch bleiben. Wenn es eh keine Rolle spielt, hat man nichts verloren. Wenn der Chef da doch Wert drauf legt oder sich das durchliest, dann sticht man immerhin hervor (denn sicherlich gibt es viele, die da weniger Wert drauf legen).

Und ganz ehrlich, ich würde auch lieber jemanden zum Vorstellungsgespräch einladen, der einen sehr guten Käsekuchen backen kann!
Aussortieren kann man dann immer noch.

Ich denke daher, dass man es zwar nicht überbewerten sollte, aber es dennoch wünschenswert ist es ordentlich zu gestalten.
Und jemand der "gute Word- und Excel-Kenntnisse" hat, dann aber ein komplett schlecht gestaltetes Bewerbungsschreiben einreicht... das ist im besten Fall peinlich ;-)

GP1001
06.02.2022, 20:10
Wie wär sowas:

>>Sehr geehrte Frau/Herr Prof. Dr. XX,

hiermit möchte ich mich als Arzt in Weiterbildung in Ihrer Abteilung bewerben. Ich habe bereits früh im Studium mein Interesse an Radiologie im Rahmen einer Famulatur entdeckt. Meine Kenntnisse konnte ich im Praktischen Jahr im Wahlfach Radiologie vertiefen. Am Fach Radiologie schätze ich das interdisziplinäre Arbeiten, den technischen Aspekt des Fachs sowie die Möglichkeit minimal-invasiv tätig zu sein. >>

Falls vorhanden: Hiwi-Tätigkeit in der Radiologie erwähnen, Promotion in der Radiologie (oder woanders), falls Bewerbung-Uniklinik: Bereitschaft Forschungsprojekte zu unterstützten...

Feuerblick
06.02.2022, 20:19
Tolle Idee… der TE schrieb aber, dass er keine Erfahrungen im Fach nachzuweisen hat.

Endoplasmatisches Reticulum
06.02.2022, 20:42
Wie begründet man denn eine Bewerbung in einem Fach, in dem man keine Vorerfahrungen hat ...

- ohne es als Blindschuss auf Grund von Unzufriedenheit mit dem bisherigen Fach zu implizieren
- ohne es als Fallschirm zu besserer Work-Life-Balance zu beschreiben, Chefsprech: "0 Bock auf Arbeit"
- ohne offensichtliche Strohhalmargumente
- ohne zu lügen

Ich finde das tatsächlich gar nicht so trivial. Und in meiner Erfahrung haken Chefs da schon gerne nach. Bei meinen bisherigen Hospitationen und Vorstellungsgesprächen war von ... bis echt alles vertreten, in vielerlei Hinsicht. Aber die Frage nach den Vorerfahrungen mit dem Fach ist wohl eine der wenigen echten Konstanten gewesen. Und das vom Chefarzt, der meist maximal risikoavers ist, bis runter zum AiW, der möglichst schnell weniger Dienste machen will.

Feuerblick
06.02.2022, 20:53
„Ohne zu lügen“ ist eher relativ. Ein Bewerbungsschreiben ist nichts weiter als Werbung. Marketing. Für dich selbst. Da jetzt auf 100% Ehrlichkeit zu setzen, ist nicht immer sinnvoll.
Man sollte sich nur eine Geschichte überlegen, die so nah an der Realität ist, dass man bei Rückfragen nicht ins Schleudern kommt. Und nein, das ist wirklich nicht trivial. Besonders für Berufsanfänger. Kommt man aus einem anderen Fach, kann man ja immer noch etwas zurechtfaseln von „Habe in meinem Arbeitsalltag das Interesse an radiologischer Diagnostik… blabla“. :-nix

Bonnerin
06.02.2022, 21:05
Eventuell:

"Im Rahmen meines Chirurgie-Tertials wurde mein Interesse an der Radiologie geweckt. Die wöchentlichen Fallvorstellungen haben mir so gut gefallen, dass ich in freien Momenten gerne meine radiologischen Kenntnisse durch Begutachtung von Röntgen/CT/MRT-Aufnahmen der mir zugeteilten Patient:innen vertieft habe. Der Bereich Extremitäten/Thorax/whatever hat mir dabei besonders gut gefallen. Ich würde nun gerne mein Wissen durch eine Facharztausbildung vertiefen..."

docdean
08.02.2022, 07:42
Mit der Radiologie kommt man ja in fast jeder anderen Fachrichtung in Berührung. Als PJler in der Unfallchirurgie hatte man vielleicht Spaß daran, die Frakturen anhand zweier Fotos einzuschätzen. Im Innere-Tertial kann man seinen subjektiven klinischen Eindruck mit dem Thorax-Röntgen abgleichen oder auch mal selber den Schallkopf in die Hand nehmen. Und im Brainstorming in den Demos erlebt man den Radiologen als Experten, der einem bei der Diagnostik manchmal mit dem entscheidenden Hinweis auf die Sprünge hilft. Wer im klinischen Teil seiner Ausbildung also am meisten Spaß bei der Diagnosefindung hatte und sich nicht so sehr für die Therapie interessiert, kann an der Radiologie Spaß haben. Außerdem arbeitet man quasi ab dem ersten Tag selbstbestimmt und eigenverantwortlich, kann sich Sachen selber beibringen statt darauf angewiesen zu sein, dass man z.B. vom Oberarzt mit in den OP genommen wird.

Man muss natürlich beachten, dass man dann auch den ganzen Tag Befundung machen muss und einem das nicht langweilig werden darf.