PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Scheinselbstständig als Freiberufler?



Aeonflux
16.02.2022, 16:26
Ich bin derzeit bei der Anmeldung zur FA Prüfung und in meiner Praxis noch als Sicherstellungsassistentin, allerdings befristet. Ich habe meine Stunden reduziert, um Lernen zu können (habe auch Kinder) und wollte das fehlende Gehalt mit 2 freiberuflichen Nebentätigkeiten auffüllen. Da allerdings im September gleichzeitig Schul-und KiGa Start ansteht, hatte ich überlegt, die Angestelltentätigkeit auslaufen zu lassen (wenn ich bis dahin keinen Prüfungstermin habe, was scheinbar derzeit leider sein kann) und nur noch Poolarzt /Videoarzt zu sein. Jetzt habe ich hier irgendwo gelesen (finde es nicht mehr 😬), dass man dann als scheinselbstständig Probleme kriegt? Wer weiß was?

hebdo
16.02.2022, 17:37
Sehr sehr schwieriges Thema. Eine verlässliche Aussage kann man nur nach einer genauen individuellen Analyse der Situatation und Tätigkeit treffen.

Es gibt viele Stolpersteine. Steuerecht und Sozial(-versicherungs)recht sind zu unterscheiden. Ersteres ist weniger problematisch. Der zweite Bereich führt über ein Statusfeststellungsverfahren bei der DRV - und das kann bis zu 2 Jahre dauern.

Wenn du mit Poolarzt die Tätigkeit in einer KV-Bereitschaftsdienstzentrale meinst, bist du sowieso in einem (noch) tolerierten Graubereich.
Bei der anderen Tätigkeit kommt es auf Details an.

Im Endeffet musst du auf alle Einnahmen Einkommenssteuer und Sozialabgaben abführen. Falls du in der gesetzlichen KV bist, musst du dich natürlich für den Zeitraum der "Selbstständigkeit" selbst krankenversichern - es gibt einige wenige Ausnahmen, die höchstwahrscheinlich nicht auf dich zutreffen. Du meldest dich bei deiner KV und der Beitrag wird anhand deines geschätzten, zu erwartenden Einkommen festgesetzt.
Je nach individueller Risikowahrnehmung kommt noch eine Unfallversicherung dazu.

Wenn du auf diese Art nur über einen kleineren Zeitraum arbeiten möchtest, würde ich mich erstmal nur bei der KV melden. Beiträge zum Versorgunsgwerk und Einkommenssteuer werden dann am Ende mit der Steuererklärung bzw. deinen Angaben für das Versorgungswerk nachgezahlt. Es kann also sein, dass du eine Steuernachzahlung tätigen und dann im nächsten Jahr alle 3 Monate eine Vorrauszahlung leisten musst.
Dass die DRV dich als scheinselbstständig einstuft und von deinem Auftraggeber SV-Beiträge zurückfordert ist bei einem kurzen Zeitraum nicht allzu hoch - aber möglich. Schlimmstenfalls ist der Auftraggeber wegen Steuerhinterziehung und du wegen Beihilfe anklagbar.

Ist jetzt grob zusammengefasst. Kritik und Korrekturen gerne willkommen.

Aeonflux
16.02.2022, 18:13
Lieben Dank schon mal. Mit KV meinst du die Krankenkasse und nicht die Kassenärztliche Vereinigung, oder?
Die andere Tätigkeit achtet sehr darauf, dass man es nicht übertreibt und sind sehr dahinter, dass man nicht scheinselbstständig ist, dürfen einen aber laut deren Aussage auch nicht dazu beraten. Ich war bisher immer nur angestellt und möchte alles richtig machen, allerdings ist es gar nicht so einfach..

Thomas24
16.02.2022, 18:49
Dass die DRV dich als scheinselbstständig einstuft und von deinem Auftraggeber SV-Beiträge zurückfordert ist bei einem kurzen Zeitraum nicht allzu hoch - aber möglich. Schlimmstenfalls ist der Auftraggeber wegen Steuerhinterziehung und du wegen Beihilfe anklagbar.

Soweit alles richtig, aber hier IMHO liegt hier eine kleine Ungenauigkeit vor. Der Abgabepflichtige ist eigentlich Aeonflux und nicht der AG (denn als Selbständige hat Aeonflux ja formell gar keinen Arbeitgeber, der für die Abführung von Sozialabgaben zuständig wäre ;-)).

Das bedeutet konkret: die Pflicht zur Nachzahlung von Sozialabgaben betrifft primär Aeonflux und die DRV würde erstmal von Ihm/Ihr die Beiträge nachgezahlt haben wollen. Aeonflux wiederum kann seinerseits versuchen in einem zweiten Schritt den "Arbeitgeber" in Haftung zu nehmen.

Zumindest wurde es meines Wissens in den Fällen so gehandhabt, in denen beispielsweise ein Arbeitgeber versäumt hat für einen angestellten Arzt die Sozialabgaben zu zahlen. Die Sozialversicherungen wenden sich *zuerst* an den Angestellten (!!!), den formell die Zahlungspflicht trifft- und nicht an den Arbeitgeber zwecks Nachzahlung.

Aeonflux
16.02.2022, 19:18
Doofe Frage, was sind denn die Sozialabgaben? Wenn ich mich bei der Krankenkasse selbstständig melde und den Höchstbetrag von 880 Euro zahle, hab ich doch Kranken-und Pflegeversicherung abgedeckt? Und wenn ich bei der BÄV alles angebe, habe ich die Rentenversicherung, oder? Und wenn ich beim Finanzamt die Steuererklärung mache, ist die Steuer bezahlt. Also wenn ich alles selber bezahle, wo ist denn dann das Problem?

hebdo
16.02.2022, 19:48
Das stimmt. Da du aber als (Schein-)Selbständiger keinen Befreiungsantrag stellst, kann die DRV zusätzlich Rentenbeiträge einfordern -irgendwann einmal.

Also ich bin/war seit Anfang des Jahres in einer ähnlichen Situation. Ich hätte für die GKV den Mindestbetrag gezahlt und von den Erträgen einen entsprechenden Anteil für Steuer und Versorgungswerk auf ein extra Konto geparkt. Schlussendlich habe ich doch noch ein passende Anstellung in Teilzeit gefunden, selbständige Tätigkeit sind bei mir hauptsächlich Notarztdienste. KV-Dienste wäre auch eine Alternative.

anignu
16.02.2022, 22:40
Und was lernen wir bisher daraus: es macht Sinn wenn man zunächst mal irgendeine Anstellung hat und dann ggf. noch "Nebenverdienste" auch wenn diese den Grundverdienst deutlich übersteigen. Oder hab ich da jetzt was missverstanden?

Aeonflux
16.02.2022, 23:25
Naja, am allerbesten ist es, wenn du angestellt mehr verdienst, weil du dann von der Krankenkasse als abhängig beschäftigt eingestuft wirst und die Krankenkasse vom AG mitgezahlt wird.

PsychoFan
16.02.2022, 23:33
Aeonclux, Du hast recht: Selbst Sozialabgaben zahlen ist überhaupt kein Problem, es reicht, eine Einzugsermächtigung zu erteilen oder einen Dauerauftrag einzurichten. Wer 4 Klassen Grundschule einigermaßen erfolgreich abgeschlossen hat, wird es schon schaffen.

Einziges Problem ist die Scheinselbständigkeit.

Aeonflux
17.02.2022, 05:48
Aeonclux, Du hast recht: Selbst Sozialabgaben zahlen ist überhaupt kein Problem, es reicht, eine Einzugsermächtigung zu erteilen oder einen Dauerauftrag einzurichten. Wer 4 Klassen Grundschule einigermaßen erfolgreich abgeschlossen hat, wird es schon schaffen.

Einziges Problem ist die Scheinselbständigkeit.

Ja, deswegen frage ich ja. Was unterscheidet die echte Selbstständigkeit von der Scheinselbstständigkeit?
Und ja, ich habe 4 Klassen Grundschule abgeschlossen. Was meinst du damit? Findest du meine Frage doof oder naiv und wenn ja, warum?

Thomas24
17.02.2022, 06:22
Ja, deswegen frage ich ja. Was unterscheidet die echte Selbstständigkeit von der Scheinselbstständigkeit?
Und ja, ich habe 4 Klassen Grundschule abgeschlossen. Was meinst du damit? Findest du meine Frage doof oder naiv und wenn ja, warum?

Die Rechtsprechung hat da ja Kriterien aufgestellt, um die zwei voneinander abzugrenzen. Zb. Einbindung in die internen organisatorischen Abläufe, Weisungsgebundenheit usw.
Lässt sich leicht googeln

hebdo
17.02.2022, 07:34
Es gibt viele Seiten, die die Abgrenzung erklären:

https://www.haufe.de/personal/entgelt/scheinselbststaendigkeit-wieder-auf-dem-vormarsch/unterschiede-zwischen-selbststaendigkeit-und-beschaeftigung_78_132814.html

Ein Schlupfloch zum Beispiel ist, dass man selbst eine Arbeitsvermittlung gründet, den Partner als Gedchäftsführer einsetzt und sich selbst anstellt und verleiht. Dabei dann natürlich die SV-Beiträge abführen.

FirebirdUSA
17.02.2022, 20:30
Soweit alles richtig, aber hier IMHO liegt hier eine kleine Ungenauigkeit vor. Der Abgabepflichtige ist eigentlich Aeonflux und nicht der AG (denn als Selbständige hat Aeonflux ja formell gar keinen Arbeitgeber, der für die Abführung von Sozialabgaben zuständig wäre ;-)).

Das bedeutet konkret: die Pflicht zur Nachzahlung von Sozialabgaben betrifft primär Aeonflux und die DRV würde erstmal von Ihm/Ihr die Beiträge nachgezahlt haben wollen. Aeonflux wiederum kann seinerseits versuchen in einem zweiten Schritt den "Arbeitgeber" in Haftung zu nehmen.

Zumindest wurde es meines Wissens in den Fällen so gehandhabt, in denen beispielsweise ein Arbeitgeber versäumt hat für einen angestellten Arzt die Sozialabgaben zu zahlen. Die Sozialversicherungen wenden sich *zuerst* an den Angestellten (!!!), den formell die Zahlungspflicht trifft- und nicht an den Arbeitgeber zwecks Nachzahlung.

Und wie hat die DRV davon erfahren? Ich kenne nur Betriebsprüfungen und der Abgabepglichtige ist in dem Fall der Anstellende, kenne es also genau anders herum...

Brutus
17.02.2022, 20:38
^^ Genau! DRV prüft, entscheidet auf Scheinselbstständigkeit und der Auftraggeber ist in der Pflicht, zu zahlen.