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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Berufsanfänger - Zeit zwischen zwei Stellen überbrücken



Oberschlundganglion
23.02.2022, 15:13
Hallo zusammen,
ich bräuchte einmal kollektiven Rat:

Ich habe zum 1. Januar meine erste Stelle angenommen. Es war leider eine Bewerbung aus der Not heraus, da ich örtlich gebunden bin (Kind) und die Stellenlage in meinem Wunschfach nicht unbedingt rosig ist.
Nun stelle ich aber immer mehr fest, dass mir die Stelle überhaupt nicht taugt. Die Arbeitsbelastung ist pervers (4-6 unbezahlte Überstunden pro Tag, jedes zweite Wochenende zwei Tage unbezahlten Visitendienst), das Klima ist unter aller Sau und mündliche Zusagen wurden nicht eingehalten (ich zahle immer noch 12 Euro pro Tag Parkgebühr, weil gerade kein Mitarbeiterparkplatz frei ist...) Von Kollegen weiß ich, dass es keine Anlaufschwierigkeiten sind - es ist dort so schlimm und wird nicht besser.
Kurzum werde ich alsbald meine Probezeitkündigung einreichen und das Weite suchen.
Die für mich gute Nachricht ist: Meine eigentliche Wunschstelle in einem anderen Klinikum wird verfügbar, ich habe auch schon einen unterschriftsreifen Arbeitsvertrag vorliegen - Problem: Dort komme ich definitiv erst am 1. Oktober rein.
Jetzt brauche ich irgendetwas um die Zeit bis dahin finanziell zu überbrücken. Bis dahin im alten Job weiterarbeiten kommt überhaupt nicht in Frage, da ich mich bereits jetzt schon jeden Tag zur Arbeit quälen muss, körperlich erschöpft bin und vor allem meine Familie überhaupt nicht mehr sehe. Und sobald der Arbeitgeber mitbekommt, dass ich woanders unterschrieben habe, fliege ich so oder so.

Pflaume
23.02.2022, 15:34
Du schreibst noch nicht mal, welche Fachrichtung. Scheint dir also egal zu sein.

Wenn du die andere Stelle eh schon sicher hast, such bei der Arbeitsagentur oder online Stellenbörsen (stepstone etc.) nach einer Stelle in deiner Gegend mit berechenbaren Arbeitszeiten. So gut wie jedes Gesundheitsamt stellt zur Zeit ein, außerdem gibt es Blutspendedienste (DRK, Haema, DSL Pharma, ....), wo man auch mal ein halbes Jahr überbrücken kann. Am besten natürlich eine Stelle mit einer Weiterbildungsermächtigung, die dir für deinen weiteren Lebensplan nützt bzw. wenigstens für eine andere Fachrichtung (Transfusionsmedizin?), falls sich auch an deiner neuen Stelle die Arbeitsbedingungen nicht mit deinen Lebensvorstellungen vereinbaren lassen.

Wenn du es schaffst, bis zum 31.3. durchzuhalten, kannst du immerhin 3 Monate Weiterbildung bescheinigt bekommen. Nach der neuen Weiterbildungsordnung werden meines Wissens ja auch 3-Monats-Zeiträume anerkannt. Wobei ich persönlich wetten würde, dass eine Klinik, in der es so drunter und drüber geht, wahrscheinlich noch gar keine Weiterbildungsermächtigung nach der neuen Weiterbildungsordnung beantragt hat... achte auf jeden Fall, dass im Weiterbildungszeugnis jeder unterschreibt, der für die Weiterbildungsermächtigung mitverantwortlich sein könnte. Bringe, am besten bevor du kündigst, in Erfahrung, wer die Weiterbildungsermächtigung zusammen beantragt hat (sind oft mehrere Leute zusammen). Selbst wenn keine aktuelle Weiterbildung vorliegt, lass dir Weiterbildung entsprechend der Befugnisse nach der alten WBO bescheinigen. Denk auch ans elektronische Logbuch. Jeder Monat Weiterbildungszeit ist kostbar.

Oberschlundganglion
23.02.2022, 16:07
Es geht um Kinder- und Jugendmedizin, das ist mir schon wichtig. Wollte ich eigentlich ganz am Anfang schreiben, hab's aber wohl irgendwie wieder rausgelöscht...
Mein Bundesland ist Bayern, hier gilt die neue Regel mit Dreimonatsabschnitten meines Wissens nach nur im Bereich der Allgemeinmedizin, Fremdjahre müssen sogar alle zwölf Monate am Stück abgeleistet werden.
Im öffentlichen Gesundheitsdienst habe ich tatsächlich schon nachgefragt (wollte ich eigentlich auch schreiben...) Das Gesundheitsamt nimmt keine kompletten Berufsanfänger und die Impfzentren werden gerade massiv heruntergefahren, da gibt's auch keine Stellen. Blutspendedienst wäre eine Idee, allerdings habe ich davon überhaupt keine Ahnung...

Pflaume
23.02.2022, 16:42
Im Blutspendedienst gehts nur um eine grobe Aufklärung und darum, "Notfälle" zu behandeln... die sich aber bei der Blutspende ja definitionsgemäß darauf beschränken, dass jemand mal vasovagal zusammenklappt, schließlich können im wesentlichen nur gesunde Menschen Blutspenden. Schau mal bei Haema, die haben gerade irgendwo in Bayern was ausgeschrieben. Im übrigen www.aerzte-markt.de
Oder so eine Mutter-Kind-Klinik, falls es so etwas in deiner Gegend gibt. Die haben manchmal sogar Weiterbildungs-Ermächtigung, und da hat man als Arzt im Grunde auch nur mit dem Üblichen zu tun und außerdem einen Facharzt, den man anrufen oder dazuholen kann, wenn man sich unsicher ist. Rumtelefonieren kann da auch was bringen.

GOMER
23.02.2022, 18:02
Nichts worauf man sich verlassen kann, aber manchmal werden Stellen unerwartet früher frei. Mir wurde zum Beispiel mal ein Start "Im Frühjahr" angeboten. So lange wollte ich nicht warten. Ein paar Wochen später hat der Chef dann wieder angerufen: "Wir haben jetzt schon etwas am 1. Januar..."

Lakemond
24.02.2022, 19:50
Jeden Tag 4-6 Überstunden und WE-Visiten umsonst? Ganz ehrlich, hast du dort vorher nicht hospitiert? Wieso machen die Kollegen dann mit?

Zilia
24.02.2022, 23:09
Ich rate von einer Tätigkeit im (privatwirtschaftlich geführten) Blut-/Plasma-Spende-Zentrum "zur Überbrückung" eher ab. Entweder man will Facharzt für Transfusionsmedizin werden oder dort für immer arbeiten unabhängig von irgendeinem Facharzterwerb (etliche Center haben gar keine WB). Ich kann nur von einem Unternehmen reden, vielleicht (hoffentlich) ist es woanders besser.
Trotz an sich strenger Regelungen zur Spenderzulassung ist es keinesfalls so, dass nur ganz gesunde Spender zugelassen werden. Es ist Fließbandarbeit ohne Abwechslung (die Spender sind meist nett; in ärmeren Wohngegenden ist der finanzielle Druck höher, so oft wie möglich i. R. der maximal erlaubten Spenden zu spenden), Essen und Trinken im Arztzimmer waren nicht erlaubt. Man erzählt immer dasselbe.
Ich musste mich während eines ernsteren Notfalls vor der nichtärztlichen Leitung rechtfertigen, warum ich das nicht im winzigen Untersuchungsraum behandle und so viel Aufsehen erregen würde, ich solle doch endlich weiter Spender am Computer freigeben. Ansonsten sind mehrere, meist ambulant behandelbare Kollapse pro Schicht normal.
Bei bestimmten Werbeaktionen, die man sich natürlich als Arzt nicht ausdenkt, werden die Spender durch irgendwelche Boni animiert, möglichst 2x/Woche zu spenden (Plasmaspende). Das bekommt aber nicht jedem. Natürlich fallen dadurch Hb und die Eiweißwerte, was entweder zu Sperrzeiten oder empfohlenen freiwilligen Pausen führt ("Aber ich muss doch 2x spenden, sonst kriege ich den Bonus nicht"). Es sind zu ärztlicherseits zu 99% Frauen dort tätig - Zickenkrieg at its best, muss ich leider sagen. Ich wurde schon angefeindet, weil ich eine allgemein bekannte medizinische Abkürzung in einer Spenderdoku verwendet hatte und eine Kollegin nichts damit anzufangen wusste ("Was ist GCS?").
Rigide Zeitüberwachung via Software.
Ich habe es da nur ein paar Monate ausgehalten; dachte, eine Teilzeitstelle dort sei in einer bestimmten Lebenssituation gut für mich - nein! Bei allem Altruismus und der unbestreitbaren Wichtigkeit der Blutersatzprodukte - nie wieder.

rafiki
25.02.2022, 06:45
Danke für den wertvollen Einblick! Wäre interessant, was jeder so von der real existierenden Medizinwelt erzählen kann, ich hätte einiges zu bieten, was wohl kaum glaubhaft wäre, wenn nicht selbst erlebt.
Aber warum sprichst du von "Altruismus"? Es war einfach ein Job, hoffentlich einigermaßen vergütet?

_calendula_
25.02.2022, 14:46
"Altruismus" klingt für mich nach einem nicht entsprechend vergüteten Job. Man hängt sich halt für "den guten Zweck" oder aus Loyalität dem AG gegenüber mehr rein. Und ab einer gewissen Grenze zieht das schöne Argument dann für einen selbst auch nicht mehr, so gerne man es auch so sehen würde?

rafiki
25.02.2022, 15:02
Es hätte für mich nichts mit Altruismus zu tun, sich unter Wert einem Geschäftsmacher mit schlechten Arbeitsbedingungen zu verkaufen. Das wäre schlicht Dummheit, bemäntelt von envoguer (oder woker), aber selbstdestruktiver Hypermoral.

Moorhühnchen
25.02.2022, 15:42
Ich rate von einer Tätigkeit im (privatwirtschaftlich geführten) Blut-/Plasma-Spende-Zentrum "zur Überbrückung" eher ab. Entweder man will Facharzt für Transfusionsmedizin werden oder dort für immer arbeiten unabhängig von irgendeinem Facharzterwerb (etliche Center haben gar keine WB). Ich kann nur von einem Unternehmen reden, vielleicht (hoffentlich) ist es woanders besser.
Trotz an sich strenger Regelungen zur Spenderzulassung ist es keinesfalls so, dass nur ganz gesunde Spender zugelassen werden. Es ist Fließbandarbeit ohne Abwechslung (die Spender sind meist nett; in ärmeren Wohngegenden ist der finanzielle Druck höher, so oft wie möglich i. R. der maximal erlaubten Spenden zu spenden), Essen und Trinken im Arztzimmer waren nicht erlaubt. Man erzählt immer dasselbe.
Ich musste mich während eines ernsteren Notfalls vor der nichtärztlichen Leitung rechtfertigen, warum ich das nicht im winzigen Untersuchungsraum behandle und so viel Aufsehen erregen würde, ich solle doch endlich weiter Spender am Computer freigeben. Ansonsten sind mehrere, meist ambulant behandelbare Kollapse pro Schicht normal.
Bei bestimmten Werbeaktionen, die man sich natürlich als Arzt nicht ausdenkt, werden die Spender durch irgendwelche Boni animiert, möglichst 2x/Woche zu spenden (Plasmaspende). Das bekommt aber nicht jedem. Natürlich fallen dadurch Hb und die Eiweißwerte, was entweder zu Sperrzeiten oder empfohlenen freiwilligen Pausen führt ("Aber ich muss doch 2x spenden, sonst kriege ich den Bonus nicht"). Es sind zu ärztlicherseits zu 99% Frauen dort tätig - Zickenkrieg at its best, muss ich leider sagen. Ich wurde schon angefeindet, weil ich eine allgemein bekannte medizinische Abkürzung in einer Spenderdoku verwendet hatte und eine Kollegin nichts damit anzufangen wusste ("Was ist GCS?").
Rigide Zeitüberwachung via Software.
Ich habe es da nur ein paar Monate ausgehalten; dachte, eine Teilzeitstelle dort sei in einer bestimmten Lebenssituation gut für mich - nein! Bei allem Altruismus und der unbestreitbaren Wichtigkeit der Blutersatzprodukte - nie wieder.
Oh! Ohne jetzt zu wissen wo Du gearbeitet hast.... einer meiner Kollegen, langjähriger Anästhesist, hat sich im Oktober auch von uns verabschiedet, um die Leitung eines Plasmaspendezentrums übernehmen. Ich hatte zuletzt im Januar mit ihm Kontakt, da hatte er die Stelle schon seit einiger Zeit wieder geschmissen, obwohl ihm großzügige Zusagen gemacht wurden inklusive Aufbau eines neuen Spendezentrums im Norden Deutschlands und Umzug dorthin. Er hat durch die Blume ähnliches berichtet, er musste sich gegenüber einem Anfang 30jährigen BWLer in medizinischen Sachbelangen rechtfertigen.
Als er mir noch vor Stellenantritt davon vorgeschwärmt hatte, hörte sich das auch ganz anders an!! :-((

Zilia
25.02.2022, 17:56
Mit Altruismus meine ich nicht, dass ich „für umme” irgendwo arbeite aus Idealismus. Es ist eher so, dass ich natürlich um die Bedeutung von Plasma- und Blutspenden weiß, ich möchte wieder in den Saal zurück als Assistenzärztin. Die Stelle war zur Ueberbrueckung gedacht, als ich mich körperlich nicht fit genug für die Klinik fühlte. Ein paar freie Tage die Woche klangen auch nicht schlecht bei etwas über einer halben Stelle. Es gab ein Einstiegsgehalt wie bei Assistenzärzten in der Klinik, bei mir dann etwas über die Hälfte wegen etwas über 50 %. Arbeitszeit. reichte für mich allein zum Leben, aber mehr auch nicht.

GOMER
25.02.2022, 19:12
Würde Giftnotruf als kurzfristige Stelle in Frage kommen?

GP1001
27.02.2022, 10:14
Ich hatte auch mal so ne Zeit zur Überbrückung. Habe dann einfach Innere 6 Monate gemacht, hat wie erwartet nicht gepasst, aber ich konnte einiges lernen. Der Klinik fehlte einfach nur Personal, nach Hintergründen wurde nicht gefragt. Heutzutage sind sogar 3 Monatsabschnitte möglich.