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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ziel: Mikrobio / Hygiene. Wie Motivation im Studium behalten?



neuhier
02.04.2022, 20:17
Hallo zusammen,

mir ist leider kein besserer Titel eingefallen, daher erkläre ich kurz worum es geht:

Ich bin aktuell im 1. Semester Humanmedizin. Gründe dafür sind vor allem ein intrinsisches Interesse an der Naturwissenschaft, mit dem Wunsch Forschung. Ich habe lange mit der Entscheidung gerungen und aufgrund von persönlichen Traumata, die in der Patientenversorgung durchaus zum Problem werden könnten habe ich mir gesagt, ich versuche es unter der Bedingung in einen patientenfernen Bereich zu gehen. Aktuell stelle ich mir den Facharzt für Mikrobio oder Hygiene vor. Wahrscheinlich würde ich eine reine NaWi studieren, wenn ich nicht so risikoavers wäre bezüglich Arbeitsbedingungen etc....

Meine Frage an die Mikrobiologen bzw. Hygieniker unter euch: 1) Wie habt ihr euch durch das Studium motiviert? Ich muss ehrlich sagen, dass es mir schwer fällt mich für Anatomie oder Ähnliches zu begeistern, wissend, dass ich zu 95% nicht im kurativen Bereich arbeiten möchte. 2) Wie relevant ist das klinische Wissen für den FA Mikrobio? Hat man einen starken Bezug zu den Pathologien oder muss ich mir das eher losgelöst vorstellen? Aktuell versuche ich eine Hospitation bzw. ein Praktikum zu bekommen, was sich aber bei dem vollen Stundenplan gar nicht so leicht darstellt...

Ich freue mich auf eure Meinungen!

davo
03.04.2022, 15:38
Ich bin weder Mikrobiologe noch Hygieniker, aber würde das Medizinstudium ganz grundsätzlich anders angehen:

Lass dich überraschen! Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass du nach dem Studium ohnehin ein anderes Fach als ursprünglich geplant machen wirst. Sei also offen für jedes Fach.

Und selbst wenn du am Ende doch in einem der von dir derzeit favorisierten Fächer arbeiten wirst: Du wirst kein guter Hygieniker werden können, wenn du vom klinischen Alltag keine Ahnung hast, genau wie du kein guter Mikrobiologe werden wirst können, wenn du die Krankheitsbilder nicht kennst.

Außerdem bietet dir das Medizinstudium die tolle Möglichkeit, ohne großen Stress oder Druck viel Wissen in völlig unterschiedlichen Bereichen erwerben zu können. Nimm also einfach so viel wie möglich mit. Betrachte es als Gelegenheit, als Chance - später im Berufsleben wirst du nie wieder die Gelegenheit zum so vielfältigen und ungezwungenen Wissenserwerb haben.

P.S.: Kurze Hospitationen (z.B. drei Tage lang) sind definitiv sinnvoll - würd ich aber am besten in der vorlesungsfreien Zeit machen.

neuhier
04.04.2022, 13:34
Sorry, ich weiß nicht, wie man einen Post korrekt löscht... S.u.

neuhier
04.04.2022, 13:35
Hallo davo,

danke erstmal für die Antwort :).

Deine Antwort ist nicht das, womit ich gerechnet habe, aber ein sehr interessanter Ansatz. Ich würde mich als ziemlich "verkopften" Menschen beschreiben, deswegen fällt mir solch eine Denkweise nicht gerade leicht. Wahrscheinlich hast du recht, aber mein Interesse ist eben nicht so das klassische "Arzt-Sein", sondern eher der Fokus wirklich auf die NaWis. Und manchmal mache ich mir Sorgen, dass ich mich für den klinischen Teil nicht genug begeistern kann und dann würde ich lieber früher als später die Reißleine ziehe... Hoffe, das klingt jetzt nicht doof, aber man hat ja viele Faktoren, die man einbeziehen muss (Alter, Job, Finanzen...). Bin leider keine 18 mehr :).

Das mit der Hospitation werde ich definitiv weiter verfolgen und deine Worte nochmal sacken lassen. Wie bist du zu deiner Fachrichtung gekommen, wenn ich fragen darf?

Feuerblick
04.04.2022, 14:53
Ich verstehe ehrlich gesagt deine Studienwahl nicht. Du willst Medizin studieren, weil du Angst hast NaWis zu studieren. Eigentlich liegt dein Fokus auf Naturwissenschaften. Da wirst du im Medizinstudium enttäuscht werden. Da liegt der Focus auf den für die Medizin wichtigsten naturwissenschaftlichen Fakten… das wars.
Du willst eigentlich nicht Arzt werden, interessierst dich nicht für Anatomie und auch nicht für irgendwelche Pathologien und den klinischen Teil des Studiums.
Sei mir nicht böse, aber an deiner Stelle würde ich das mit dem Medizinstudium nochmal überdenken. Es klingt nach zeitnahem Frust.

davo
04.04.2022, 15:04
Und manchmal mache ich mir Sorgen, dass ich mich für den klinischen Teil nicht genug begeistern kann und dann würde ich lieber früher als später die Reißleine ziehe... Hoffe, das klingt jetzt nicht doof, aber man hat ja viele Faktoren, die man einbeziehen muss (Alter, Job, Finanzen...). Bin leider keine 18 mehr :).

Das mit der Hospitation werde ich definitiv weiter verfolgen und deine Worte nochmal sacken lassen. Wie bist du zu deiner Fachrichtung gekommen, wenn ich fragen darf?

Noch vor weniger als einem halben Jahr hast du dich bzgl. FA Psychiatrie erkundigt. So eindeutig dürfte deine naturwissenschaftlich-mikrobiologische Zielsetzung also nicht sein.

Und dein Thread vom Dezember lässt vermuten, dass für dich eigentlich noch alles offen ist, und du bisher kaum eine Vorstellung von deinem zukünftigen Fach hast.

Im Studium wirst du allerfrühestens in den Famulaturen einen realistischen Eindruck davon bekommen, wie die Tätigkeit als Arzt ist. Wahrscheinlich wird dir das erst nach ein paar Monaten im Beruf wirklich bewusst werden. Anhand der im Studium gesammelten Eindrücke zu entscheiden, ob man das Medizinstudium weiterverfolgt oder nicht, ist also keine besonders gute Idee.

Die Finanzierung muss einfach sichergestellt sein, sonst ist das Medizinstudium sehr anstrengend und sehr risikoreich.

Und um zu verstehen, was man als Arzt so den ganzen Tag lang tut, ist es am sinnvollsten, ein paar kurze Hospitationen zu machen. Ich hab in der Vorklinik einige gemacht, und dann noch einige mehr im klinischen Studienabschnitt. Es ist dann auch sinnvoll, nicht heimzugehen, wenn der Arzt sagt, "ich muss jetzt noch einiges an Papierkram erledigen", sondern sich auch das sorgfältig anzuschauen. Sonst bekommt man ein verzerrtes (bzw. sehr partielles) Bild vom Arbeitsalltag.

Kleine Einschränkung: Um klinische Fächer zu verstehen, braucht man halt auch Vorwissen. Das gilt insbesondere für die Innere Medizin, aber eigentlich auch für alle anderen Fächer. Um zu verstehen, welche vielen Überlegungen und Abwägungen im Kopf des Behandlungsteams automatisiert ablaufen, braucht man erst mal ein solides Grundlagenwissen. Die Innere Medizin wirkt deshalb am Anfang oft recht langweilig, aber sobald man mal die Grundlagen dessen versteht, was da überhaupt vor sich geht, wird sie gleich interessanter. Dasselbe gilt aber wie gesagt auch für alle anderen Fächer: wen man operiert und wen nicht, wie man den jeweiligen Patienten operiert, usw., beruht ja auch stets auf vielen impliziten und expliziten Überlegungen und Abwägungen.

Meines Erachtens ist eigentlich für fast jeden ein geeignetes Fach dabei. Es gibt genug patientenferne Fächer für Kopfmenschen, Nerds oder Geeks. Lass dich einfach im Studium überraschen was du wie findest, und sei offen für Neues.

Ich selbst hatte vor dem Studium ein paar potenzielle Fächer ins Auge gefasst, die ebenfalls sehr unterschiedlich waren, was auch bei mir ein Resultat der Tatsache war, dass ich vom Arbeitsalltag wenig Ahnung hatte. Immerhin waren/sind meine zwei damaligen Top-Favoriten auch heute noch weiterhin meine Top-Favoriten :-)) Wegweisend für die Entscheidung waren bei mir, neben den vielen kurzen Hospitationen, die ich im Rückblick zur frühzeitigen Orientierung recht hilfreich fand, v.a. die Famulaturen und das PJ.

neuhier
06.04.2022, 09:47
Hallo davo,

wieder ein anregender Post, aber ich finde den Austausch gut - danke für die Antwort.

Ja, in der Tat wäre Psychiatrie eigentlich mein absoluter Wunsch. Ohne darauf im Detail einzugehen habe ich eingesehen, dass es für mich nicht der richtige Weg ist.

Daneben haben mich witzigerweise von Anfang an eher "Randfächer" interessiert - wieso das so ist kann ich ehrlich gesagt gar nicht sagen. Aber mir gefällt die Vorstellung eben mit naturwissenschaftlichen Inhalten zu arbeiten, dabei aber nicht direkt am Patienten zu sein, habe aber noch nicht das Gefühl 100 %ig zu wissen, wie das in der Realität dann abläuft. Daher umso besser: Eine Hospitation hat jetzt geklappt; ich bin total gespannt wie der Praxisalltag aussieht und werde (höflich) alle mit meinen Fragen löchern :). Kann dann ja gerne Feedback geben, was vielleicht auch für Andere hilfreich ist.