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kkn333
15.04.2022, 22:45
Hallo, ich habe das Forum bereits durchforstet, aber ein paar Fragen sind leider offen geblieben, deswegen dieser Post.

Zu allererst die Wichtigste: wer weiß wie es ist, wenn man die Förderung für die Weiterbildung allgemeinmedizin von der KV Westfalen-Lippe erhält, und dann im Verlauf merkt, dass es doch nichts für einen ist? Ich habe mir heute den Antrag angesehen, und da soll man bereits angeben, wie und wann die weitere Ausbildung geplant ist, da wurde es mir doch bang. Ich kann leider nicht in die Glaskugel gucken, ob es mir so gefallen wird, dass ich es auf jeden Fall durchziehe. Die Motivation ist auf jeden Fall da, in den Praktika im Studium und in den Hospitationen konnte ich mir die Arbeit in der Praxis sehr gut vorstellen, aber ne Garantie ist es natürlich nicht.

Zweite Frage: Wer hat mit wenig oder keiner klinischen Erfahrung die Weiterbildung in der Allgemeinmedizinpraxis begonnen? Ist es realistisch? Ich konnte mit meinem potentiellen neuen Arbeitgeber verhandeln, dass ich zunächst mit einer Ärztin mitlaufe, und dann nach und nach eigene Patienten kriege. Das macht in meinen Kopf Sinn, ist das realistisch? Habe nur ein Jahr Klinikerfahrung in Teilzeit, und vor dem Innere Teil der Ausbildung habe ich mehr als Respekt.

Gerne euren Senf und gute Tipps dazu ;)

anignu
15.04.2022, 23:49
Zu Frage zwei wird dir ungefähr jeder antworten dass es mehr Sinn macht zunächst in einer Klinik Erfahrung zu sammeln und dann in eine Praxis zu gehen. Das Problem dabei ist nur dass dies ggf. mit privaten oder Familien-Plänen kollidiert.
Insofern, was willst du hören? Eine Bestätigung dass dies eine gute Idee ist? Weißt du doch selbst dass es das nicht unbedingt ist. Dass man solche Sachen manchmal trotzdem machen muss aus bestimmten Gründen ist auch so. Ist halt ein Kompromiss. So wie vieles im Leben ein Kompromiss sein wird. Alleine schon das eine Jahr Klinikerfahrung in Teilzeit. Das hast du ja auch nicht gemacht weil du karrieremäßig durchstarten wolltest in Richtung Uni-Chefarzt.

Ich würde dir daher bissl mehr Erfahrung in der Klinik empfehlen, du wirst dein Leben aber nach deinen Bedürfnissen/Wünschen und nicht nach einem anonymen Schreiberling in einem Forum ausrichten. Damit kann ich leben ;-)

mbs
16.04.2022, 00:17
Wenn du wissen willst, was passiert wenn man eine Förderung bekommt und dann doch abspringt denke ich, dass es das Sicherste ist das mit der zuständigen Ärztekammer zu klären, am besten schreibst du ihnen eine Email, dann hast du eine schriftliche Antwort auf die du dich im Fall der Fälle berufen kannst.

War noch nie in einer Praxis angestellt, aber im Wesentlichen dürfte es sich auf Sprechstundentätigkeiten reduzieren. Viel Vorsorge, viel Basisversorgung, Ein-und Überweisungen schreiben, Krankschreibungen und Rezepte ausstellen. Blutzucker-und Blutdruck einstellen. Entscheiden ob jemand mit den Symptomen mit denen er kommt in die Klinik muss, oder ob man erstmal versuchen kann selbst zu behandeln. Rückenschmerzen, Hypertonie, Diabetes, Juckreiz, Husten/Schnupfen, psychische Erkrankungen gehören sicher zu den häufigen Krankheitsbildern. Je nachdem ob das in der Praxis in der du bist angeboten wird kommen auch Hausbesuche dazu. Und viel Abrechnungskram, administrative Dinge, da kommt man wohl auch als angestellter Arzt nicht ganz drumrum.

Noch ein Hinweis: In manchen Kliniken und Abteilungen haben angehende Hausärzte "Sonderkonditionen". Sprich nur Ambulanztätigkeit ohne Dienste. Vielleicht lohnt es sich, wenn du dich in der näheren Umgebung diesbezüglich erkundigst. Für Innere Medizin gibt es auch Rehakliniken die eine WB-Ermächtigung haben.

Wünsche dir auf jeden Fall alles Gute.

Haffi
16.04.2022, 05:58
Zweite Frage: Wer hat mit wenig oder keiner klinischen Erfahrung die Weiterbildung in der Allgemeinmedizinpraxis begonnen? Ist es realistisch?

Ich bin nach etwas mehr als einem Jahr in der Klinik (ich war nicht in der Inneren) und bevor ich die Mediziner-Sache vor lauter Frust komplett an den Nagel hänge in die Praxis geflüchtet um der Sache noch eine letzte Chance zu geben und es war eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Hatte anfangs die gleichen Bedenken wie du, ist aber vollkommen realistisch. Hervorragende Ausbildung, 4:1 Betreuung (ich bin der eine) und finanziell wesentlich attraktiver als die Klinik trotz fehlender Dienste und auch so viel weniger realer Arbeitsstunden. Fachlich gefühlt in der ersten Woche mehr gelernt als in über einem Jahr Klinik ohne jegliche Lehre, Anleitung, Feedback oder Supervision.

Dass es jetzt der Idealweg ist, will ich nicht behaupten. Wird dir auch keiner beantworten können, da jeder nur seinen eigenen Weg kennt. Sehr gut machbar ist es jedoch allemal

Markian
16.04.2022, 07:56
Ich kann mir nicht vorstellen, dass man ohne eine adäquate Zeit in der Inneren gut vorbereitet ist auf die Praxistätigkeit. Ich hab jetzt mehr als ein Jahr hinter mir und da ist noch so viel Luft nach oben. Da fehlen noch so viele Funktionsabteilungen wie z.B. Sono. Die ZNA und die Intensivstation fehlen. Man hat auch eine Verantwortung gegenüber den Patienten und da sollte man einen schwerkranken Patienten einfach auch erkennen können. Außerdem muss man auch Verstehen können wie das in der Klinik abläuft, wenn du den Patienten jetzt dort hinschickst. Deshalb finde ich gehört einfach eine ausreichende Zeit in einer AkutKlinik dazu. Dass die Arbeitsbedingungen scheiße sind keine Frage. Ich bin oft an die Grenze meiner Kräfte gekommen und komme das auch immer noch, aber ich merke auch wie sich mein Horizont immer erweitert. Du musst eh ein Jahr Innere machen. Zieh das durch und geh dann in die Praxis.

][truba][
16.04.2022, 08:01
Du kannst auch einfach alles in die Notaufnahme schicken...

nie
16.04.2022, 09:01
Und auf die Einweisung schreiben „V.a. Pankreatitis DD Cholezystitis DD Appendizitis DD Ileus“….

Feuerblick
16.04.2022, 09:02
Man erarbeitet sich damit auch schnell und nachhaltig den Ruf eines „Arztes für leicht erkennbare Krankheiten“. Notaufnahmen kennen ja ihre Pappenheimer… :-))

Absolute Arrhythmie
16.04.2022, 09:29
Und auf die Einweisung schreiben „V.a. Pankreatitis DD Cholezystitis DD Appendizitis DD Ileus“….
Oder auch drauf schreiben "V.a. STEMI" und den Patienten zu Fuß in die Notaufnahme schicken...

Haffi
16.04.2022, 11:41
[truba][;2231631']Du kannst auch einfach alles in die Notaufnahme schicken...

Im Gegensatz zur Situation in den meisten Kliniken ist in der Praxis dann ja doch ein Ausbilder im Nachbarraum verfügbar, der nochmal mit draufgucken kann :)

Es gibt im Übrigen diverse Quereinsteiger aus der Anästhesie, Chirurgie usw., die die Innere ihr ganzes Leben lang nicht mehr sehen werden.

Feuerblick
16.04.2022, 11:47
Nun ja, gerade Anästhesisten haben ja durchaus Berührungspunkte mit der Inneren. Gerade auch, wenn sie vielleicht als Notarzt draußen unterwegs waren. Das Argument zieht nun auch nicht so recht.

Haffi
16.04.2022, 11:59
Nun ja, gerade Anästhesisten haben ja durchaus Berührungspunkte mit der Inneren. Gerade auch, wenn sie vielleicht als Notarzt draußen unterwegs waren. Das Argument zieht nun auch nicht so recht.

Total. Nicht zu vergessen die unzähligen KollegInnen, die die letzten Jahre im OP verbracht haben und jetzt dank großzügiger Förderung in die Allgemeinmedizin wechseln. Die punkten besonders mit ihren Sonoskills und anderen internistischen Fertigkeiten.

Also lass dich nicht verrückt machen liebe/r Threadersteller/in. Realistisch ist es allemal und wenn du dich auf Kongressen und in den JADE-Gruppen umschaust, wirst du sehen, dass du bei Weitem nicht der/die einzige bist und die allermeisten extrem gut zurecht kommen.

davo
16.04.2022, 12:10
Möglich ist es, aber sinnvoll ist es nicht.

hebdo
16.04.2022, 14:18
Total. Nicht zu vergessen die unzähligen KollegInnen, die die letzten Jahre im OP verbracht haben und jetzt dank großzügiger Förderung in die Allgemeinmedizin wechseln. Die punkten besonders mit ihren Sonoskills und anderen internistischen Fertigkeiten.

Also lass dich nicht verrückt machen liebe/r Threadersteller/in. Realistisch ist es allemal und wenn du dich auf Kongressen und in den JADE-Gruppen umschaust, wirst du sehen, dass du bei Weitem nicht der/die einzige bist und die allermeisten extrem gut zurecht kommen.

Schwachsinn. Es geht sehr viel darum Patienten einzuschätzen. Das Fachwissen bekommt man bestimmt drauf. Aber Fachärzte aus der Anästhesie und auch Chirurgie haben meilenweit Vorsprung im Umgang mit Patienten. Gerade die internistischen Polytraumata sicher durch eine OP zu bringen ist eine Leistung.

Es tut mir wirklich leid wegen den miserablen Arbeitsbedingungen. Wenn einem auch nichts beigebracht wird, lernt man in der Klinikzeit viel. Die Flucht in die Praxis ist Vermeidungsverhalten. Ich arbeite gerade in einer Notaufnahme und die Pappenheimer kennt man nach einer Woche.

Das Argument, dass man sich früher als praktischer Arzt einfach nach dem Studium niederlassen konnte, zählt heute auch nicht mehr. Die Medizin hat sich total verändert.

Auch wenn es hart ist, zieh die Klinikzeit durch.

Feuerblick
16.04.2022, 14:38
Weil „Sonoskills und andere internistische Fertigkeiten“ für die Allgemeinmedizin essentiell wären im Vergleich zu allen anderen Dingen, die man in der Praxis vielleicht (!) lernen kann. Es sei denn, der Weiterbildende hat eine ähnlich ausführliche Ausprägung genossen.
Wichtig ist doch, Spreu vom Weizen zu trennen. Nicht irgendwelche Theorie sondern das ganz praktische Erkennen, ob das Gegenüber ernsthaft krank ist oder nicht.
Möglich ist es sicher, ohne jegliche Erfahrung in der Klinik Allgemeinmedizin zu machen - sinnvoll ist es nicht.

Haffi
16.04.2022, 21:17
Also wie gesagt: Schau dich einfach mal im JADE-Netzwerk um oder höre dich bei ehemaligen Kommilitonen um. Da wirst du haufenweise Leute finden, die zumindest einen Teil ihrer Praxiszeit der Klinikzeit vorangestellt haben. Die Karrieregestaltung in der Allgemeinmedizin ist heute zum Glück super flexibel und viele Wege führen nach Rom.

DrSkywalker
17.04.2022, 11:17
Wir stellen keine Kollegen ein die nicht mindestens 18 Monate Innere haben. Wer dafür nicht den arsch in der Hose hat geht auch in der Praxis vielleicht den einfachsten Weg. Das schlechteste was man machen kann ist erst Praxis und dann innere Zeit in der Reha oder Psychosomatik machen.

Speranza100
17.04.2022, 11:48
Ich kann auch nur sagen, dass ich täglich in der Praxis merke, dass mir etwas "fehlt" weil ich nur kurz in der AKut Inneren gearbeitet habe. Es ging persönlich nicht anders, dafür habe ich eine lange akutneurologische Ausbildung hinter mir, die mir wiederum viel Sicherheit in der Einschätzung von Wesensveränderungen gibt ;-) FInde den Punkt auch wichtig, dass man weiß, wie der HAse in der Notaufnahme läuft, so kann man die Patienten auch etwas darauf vorbereiten, wenn man sie Akut einweist, zb dass sie ziemlich sicher nicht willkommen sind, dass sie ZEITNAH dort hingehen und nicht erst um 17 oder 22 oder 4 Uhr und dass es oftmals keine schöne Erfahrung wird... Andersherum sind meine Kollegen total unsicher bei neurologischen DIngen, das kann ich wiederum oft nicht so nachvollziehen.

Es täte aus meiner Sicht aber allen Kollegen auch gut, zu wissen wie der Hase in der Praxis läuft, wenn man wieder mal einen dummen Spruch bekommt nach einer Einweisung. Ich überlege mir jede Akuteinweisung sehr genau, für manche schäme ich mich selber und höre schon aus der Ferne das Stöhnen, aber manches geht es anders nicht zu "lösen".... trotzdem binich jedes Mal in gewisser Weise erleichtert wenn ich mitbekomme, dass die klinische Einschätzung richtig war. Und man nicht umsonst geschickt hat. Der Blick über den Tellerrand der hat niemandem geschadet bisher.
Dieses Bauchgefühl - klinische Erfahrung - habe ich in den zahlreichen Notaufnahme Diensten gelernt, allerdings Neurologie, wo ich persönlich aber schon gut unterscheiden gelernt habe, ob der Patient kritisch ist oder nicht.
Sehe es übrigens genauso, dass der Support in der Akutinneren doch durchaus besser ist, als in einer Reha , wo du ggf kein Röntgen und kein Labor hast und da beatmete Trachealkanülierte PAtienten an der Beatmung liegen... die nachts dann von jmd mit Altenpflegeausbildung versorgt werden. (keine Wertung..)

Btw: Im übrigen verweigern doch so einige Patienten dass man den RTW ruft und möchten Fußläufig in die Notaufnahme gehen. Selbstverständlich auf eigene Verantwortung.

Edit: ich finde man merkt aber auch, wenn Kollegen ausschliesslich in der Inneren und nur an einem Haus ihre stationäre Zeit absolviert haben.

Absolute Arrhythmie
17.04.2022, 12:04
Btw: Im übrigen verweigern doch so einige Patienten dass man den RTW ruft und möchten Fußläufig in die Notaufnahme gehen. Selbstverständlich auf eigene Verantwortung

Auch wenn es Off topic ist: dann sollte man sich bei V.a. STEMI aber die Mühe machen kurz zum Telefon zu greifen und den Patienten in der NA des Ziel-KH "anzukündigen"... Ich hab als Dienstärztin fast selbst nen Herzinfarkt bekommen als ich das mal auf dem Einweisungsschein gelesen hab - nachdem der Patient schon zwei Stunden Wartezeit hatte, weil die Triage-Pflege sich diese Zettel nicht anguckt...

Speranza100
17.04.2022, 12:34
Auch wenn es Off topic ist: dann sollte man sich bei V.a. STEMI aber die Mühe machen kurz zum Telefon zu greifen und den Patienten in der NA des Ziel-KH "anzukündigen"... Ich hab als Dienstärztin fast selbst nen Herzinfarkt bekommen als ich das mal auf dem Einweisungsschein gelesen hab - nachdem der Patient schon zwei Stunden Wartezeit hatte, weil die Triage-Pflege sich diese Zettel nicht anguckt...

Absolut ja. Wollte nicht ins Off Topic führen... ;) bin ganz deiner Meinung.