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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Assistenzarzt trotz Schwerbehinderung



BlueberryDragon
18.04.2022, 13:20
Liebe Community,

ich sehe mich aktuell mit einem immer größer werdenden Problem konfrontiert.
Habe eine Erkrankung, durch die (und durch die begleitenden Medikamente) ich zunehmend mit Fatigue, Gedächtnisproblem, körperlichen Beschwerden, etc. zu tun habe. Habe dadurch auch eine attestierten Grad der Behinderung.
In der Vorklinik hielt sich das auch noch in Grenzen, aber in der Klinik merke ich immer mehr, dass ich ohne die Corona-Pandemie und die ganzen Online-Veranstaltungen wohl kaum die Semester in normalem Turnus geschafft hätte.

Ich denke, durch die Klinik werde ich noch irgendwie durchkommen. Aber ich habe keine Ahnung, wie ich später mal als Assistenzarzt arbeiten soll.

Daher meine Frage:
- welche Facharzrichtungen wären evtl. nicht ganz so belastend, was stehende Tätigkeiten, Maß an Verantwortung,… anbelangt?
- In welchen Ländern wird man als Arzt mit Behinderung eher unterstützt?

Ich weiß, das ist eine doofe Frage für einen Medizinstudenten, aber ich will meinen Patienten/ Kollegen nicht schaden, weiß aber auch, dass ich das Arbeitspensum eines Internisten/… nicht bewerkstelligen können werde.
Ich bin aktuell im Studium schon nicht mehr wirklich auf dem besten Wissensstand…


Meine Interessen:
- Psychiatrie
- Labormedizin
- Geriatrie
- Innere
- Immunologie

Ich würde mich über ein paar Tipps von euch freuen :).

Matzexc1
18.04.2022, 15:05
Hallo,

so ziemlich jedes Fach braucht eine gewisse Zeit mit Patientenbetreuung und entsprechender Verantwortung.
Wir reden über Minimum 1 Jahr in einem patientennahen Bereich, am ehesten würde ich zu einer sehr gemütlichen Rehaklinik raten.

Nachdem was du schreibst weiss ich nicht ob du mit dem normalen Krankenhausbetrieb klarkommen würdest, in allen Innere Fächern sehe ich das Überstunden und viel Arbeit die Regel sind( ich gehöre zur Anästhesie).
Von deinen genannten am ehesten Labormedizin, Mikrobiologie vielleicht auch noch. Beides würde auch zu deinem immunologischen Interesse passen.

Ich würde mich an deiner Stelle auch mit Optionen außerhalb des üblichen Arztberufs beschäftigen, ich kenne mich nur leider hier zu wenig aus um dir einen Tipp zu geben.

Nulllinie
18.04.2022, 17:02
Zuallererst würde ich dir raten Kontakt zur Schwerbehindertenvertretung an der Uni und zur Sozialberatung aufzusuchen. Prinzipiell ist eine Schwerbehinderung kein Grund für eine Nicht-Anstellungen. Viel eher wird dein Leistungsvermögen im Vordergrund stehen.

Was den Fachbereich angeht: Kämen den auch andere Bereiche in Frage, z.B. Betriebsmedizin in Teilzeit? Oder könntest du dir eine Beschäftigung außerhalb der klassischen ärztlichen Tätigkeit vorstellen? Lehrtätigkeiten, usw.?

Was die Länder angeht: Naja, dass lässt sich mit etwas Studium der Sozialstaats-Struktur schnell herausfinden. Du wirst es z.B. in Deutschland vergleichsweise noch besser treffen als in der Schweiz.

Aber da nur du selbst weißt, worin in Zukunft eher deine Stärken und Schwächen liegen werden, kann dir das Forum sicher deutlich weniger weiterhelfen als eine gut strukturierte Beratung vor Ort ;)

ehem-user-20-04-2022-0939
18.04.2022, 17:39
Müdigkeit und Konzentrationsprobleme sind bei Ärzten häufig. Das würde ich nicht als Hindernis ansehen. Was die Behinderung betrifft würde ich auch zur Schwerbehindertenvertretung raten

Nulllinie
18.04.2022, 17:44
Müdigkeit und Konzentrationsprobleme sind bei Ärzten häufig. Das würde ich nicht als Hindernis ansehen.

Das stimmt, aber in diesem Fall scheint´s ja on top zu kommen...

ProximaCentauri
20.04.2022, 20:45
Ich habe selbst eine chronische Erkrankung:
- Erst einmal mit deinem Behandlungsteam alles optimieren etc. Fatigue und so weiter sind ja manchmal auch Krankheitsabhängig und müssen nicht immer in gleichem Ausmass vorhanden sein.
- Teilzeitarbeit: bei uns ist die Absolvierung der gesamten Weiterbildungszeit in 50% möglich. Dauert dann halt länger, aber das ist unter Umständen ja eine gute Möglichkeit?
- Versuchen, herauszufinden, welche Anpassungen du wirklich brauchst: ich habe mir z.B. eine Putzhilfe zugelegt, damit ich zu Hause weniger Belastung habe. Zudem eben Teilzeitarbeit. Auf der Arbeit selbst versuche ich, möglichst viel zu sitzen (d.h. bei allen Patientengesprächen etc.), das habe ich in schlimmen Phasen auch mal auf der Visite gemacht, mit Stuhl mit Rollen mit (auf dem Flur). Ich habe auch immer profitiert, wenn ich z.B. Bürokram von zu Hause vom Sofa aus machen konnte, einfach weil ich wesentlich leistungsfähiger bin, wenn sich mein Körper in Fatiguephasen gut ausruhen kann - dann kann ich mit dem Kopf immer noch arbeiten.

- Fachrichtungswahl: mach' Praktika in verschiedenen Bereichen, damit du herausfinden kannst, was du wie und unter welchen Umständen eben machen kannst. Innere ist für mich z.B. kein Problem, weil die Art des Denkens mir gut liegt. Ich habe aber eine Konzentrationsspanne von gefühlt 2 Minuten, d.h. alles chirurgische, Patho o.ä., wäre vermutlich nichts für mich. In Patientengesprächen habe ich aber wesentlich weniger Mühe, mich zu konzentrieren. Im Endeffekt ist halt eine möglichst detaillierte Analyse, was dir wo Schwierigkeiten bereitet wichtig. Dann kann man sich um so besser einfinden.
Z.B. habe ich nun länger Notfallmedizin gemacht, und während alle darüber ziemlich besorgt waren, ging es eigentlich gut - ich kann gut Schicht arbeiten, weil ich durch die Fatigue dann auch keine Probleme habe einzuschlafen, egal zu welcher Tages- oder Nachtzeit. Zudem entspricht es mir häufig mehr, später aufzustehen, weil ich mit Morgensteifigkeit von je nach dem einigen Stunden zu kämpfen habe. D.h. das war eine deutliche Erleichterung. Zudem war das Schichtsystem super mit fester Übergabe, dadurch kam es zu kaum Überstunden, und Teilzeitarbeit wäre z.B. problemlos möglich gewesen. Auch haben mir eigentlich die kurzen Zeiten bei den Patienten gut getan - hingehen, Gespräch (im Sitzen), kurz Untersuchen (im Stehen), dann zurück an den PC. Interventionen eh im Sitzen. Durch die vielen Wechsel war bei mir die Konzentrationsfähigkeit auch kein grosses Problem.

DieF?chsin
21.04.2022, 18:11
Eine Studienkollegin von mir mit Schwerbehinderung macht Strahlentherapie :).
Das kann man tatsächlich sehr gut vereinbaren, da sie viel am Computer arbeiten kann und sogar teilweise Telearbeit möglich ist.
In ihrer Abteilung werden kaum Überstunden gemacht und es geht ziemlich geregelt zu.
Ansonsten würde ich dir auch raten Praktika in die Richtung Betriebsmedizin, MiBi, Labormedizin zu machen und im gesamten Bildgebungsbereich. Auch Radio ist gut möglich. Da sollte z.B auch Arbeit im Rollstuhl möglich sein.
Ich würde darauf achten, dass du die Stelle in Teilzeit machen kannst und ggf keine Dienste machen musst.
Ich kenne auch Orthopäden im Rollstuhl, die in Rehakliniken tätig sind. Viel Erfolg auf deinem Weg!

DieF?chsin
21.04.2022, 18:13
Das PJ kannst du auch in Teilzeit (ich meine 50% oder 75%) machen :).

Nulllinie
21.04.2022, 19:37
Wäre schön, wenn alle Häuser / Arbeitgeber so unvoreingenommen wären und zusammen mit einem die Rahmenbedingungen gestalten. Finde die Posts von euch machen da definitiv Hoffnung :-top

Wobei es sicher nochmal ein Unterschied ist, ob einen der Arbeitgeber bereits schon kennt oder man sich frisch bewirbt...

Dooly
24.04.2022, 11:20
Das PJ kannst du auch in Teilzeit (ich meine 50% oder 75%) machen :).
PJ in Teilzeit im Sinne von halbe Tage arbeiten ist meiner Meinung nach der größte Scam und Zeitverschwendung! Ich und alle, die ich kenne, habe in keinem Tertial 100% gearbeitet noch war ich überhaupt 100% anwesend. Das ist viel mehr die Regel als die Ausnahme und bei entsprechender Planung ist es sehr gut möglich mit halber Belastbarkeit formal ein Vollzeit PJ zu machen ohne Einschränkungen bzgl. Kompetenzerwerb.
Teilzeit PJ ist höchstens nützlich für Leute, die beispielsweise 2 feste Tage in der Woche PJ frei brauchen. Aber das dann eben 2 Jahre lang.
Bei 75% muss man einplanen, dass man zwischen PJ Ende und M3 noch Leerlauf hat, weil M3 immer mit den normalen Kohorten im Nov/Dez oder Mai/Juni stattfindet.

Nulllinie
24.04.2022, 11:44
Da gehört zur richtigen Planung aber auch sich die richtigen Häuser zu suchen. Hatte auch zwei PJ-Tertiale mit PJ-Diensten und eins, in dem man sich Vorträge anhören musste, wenn man pünktlich gehen wollte ...
Daher Augen auf bei der PJ-Stellen-Wahl :/

Dooly
24.04.2022, 11:57
Ja man muss planen, dennoch scheint mir, dass das einfacher ist, als man so denkt, bevor man was mit dem PJ zu tun hatte. Alle meine Freund:innen oder PJ Bekannte hatten solche Low effort Tertiale. Das sind auch gar keine illegalen Absprachen, sondern „offene Geheimnisse“. Um ehrlich zu sein hab ich mein Innere Tertial genau nach dem Kriterium ausgesucht, wo ich zeitlich flexibel bin. Ich musste auch in Innere und Chirurgie Dienste machen, die kamen aber nie on top sondern wurden immer zu der „Vollzeit“ eingerechnet oder extra bezahlt. Da, wo ich Innere gemacht hab, hat man in den chirurgischen Fächern sogar doppelte Zeit als FZA bekommen, da sich die PJs sonst verweigert haben.

FuchsiBuchsi
24.04.2022, 19:36
PJ in Teilzeit im Sinne von halbe Tage arbeiten ist meiner Meinung nach der größte Scam und Zeitverschwendung!

Ja, ich hatte auch überlegt wegen meinem Job und bin zu genau der Erkenntnis gekommen.

Beispielsweise schickt bei uns die Uniklinik (!) die Anästhesie-PJler schon mittags nach Hause. Die dürfen gemütlich Mittagessen und dann abzwitschern. Wer braucht da noch Teilzeit? Es erschien mir schlicht dumm, hier zwei Jahre zu vergeuden, wenn es doch so billante Möglichkeiten gibt.

Ich hab bis auf mein Wunschtertial ausschließlich nach den besten Rahmenbedingungen ausgesucht.