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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : HNO von der operativen Perspektive



Bipol12
20.04.2022, 18:37
Hallo liebe Kollegen,
aktuell geht bei mir auch langsam das Studium zu Ende und so langsam sehe ich mich nach einer passenden Fachrichtung um. Aktuell stecke ich zwischen Unfall/Ortho und HNO fest. Ich hab mir immer eingebildet, dass ich umbedingt in ein operatived Fach gehen möchte, weil ich einfach schon immer operieren lernen wollte. Jetzt mal eine ziemlich verallgemeinerte Frage: Kann man sagen, dass man in der HNO vergleichsweise "schlechter" operieren lernt, weil einfach weniger zum Operieren da ist?

P.S: Wenn es jemand besser, bitte darum mich zu korrigieren :-)

juke5489
20.04.2022, 20:46
das kommt doch erheblich auf die hno-abteilung drauf an.
klar gibt es die kleinen klitschen, in denen n bisschen nase und ohr operiert wird und gut ists.
aber dann gibt es auch diverse größere abteilungen, bei denen komplexe tumorchirurgie mit aufwendigen interdisziplinären rekonstruktionen, große weichteilchirurgie des gesichts, ggf. traumatologie des gesichtsschädels, schädelbasischirurgie, rekonstruktive mikrochirurgie durchgeführt wird. in solchen häusern gibt es dann entsprechend auch 'viel' zu operieren.
ob die weiterbildungsassistenten da direkt drangeführt werden hängt halt von der ausbildungsmentalität des hauses ab, aber hno kann je nach haus ein sehr komplexes, vielseitiges operatives fach sein.

Miss_H
20.04.2022, 22:14
@juke: bist du in der HNO tätig? Bisschen Ohr? Was meinste du damit? Parazentesen und Paukendrainagen? Ansonsten gibt es ziemlich viele komplexe Operationen am Ohr. Eigentlich gibt es auch keine kleinen Klitschen. HNO-Abteilungen sind relativ selten und dadurch tatsächlich eher größer.
HNO ist im stationären Bereich tatsächlich hauptsächlich operativ. Die konservative Therapie läuft zum großen Teil im ambulanten Bereich. Die operativen Eingriffe sind nur selten Knocheneingriffe. Es ist einfach die Frage was du gerne machen willst. Du bist am Ende des Studiums. Kannst du dein Wahlfach fürs PJ noch wählen? Dann würde ich auf jeden Fall HNO machen, ansonsten kann es schwierig mit einer Stelle sein. Was sind deine langfristigen Ziele?

Bipol12
21.04.2022, 08:48
Also ich hätte schon Bock auf Operieren und halt auch mal in ner größeren Abteilung zu Arbeiten. Ich hab halt nur etwas Probleme einzuschätzen ob ich die gleiche Lust halt auch noch in 20 Jahren oder so habe. Uns wird immer gesagt, dass wir bedenken sollten, was wir in 20 Jahre gerne machen würden und ob wir Bock hätten Dienste zu schieben. Fällt mir persönlich etwas schwer besonders auch weil sich ja die Medizin so schnell auch verändert.
Ich bin am Ende meines Studiums und war auch auf ner HNO-Abteilung. Ich fands da jetzt auch nicht schlecht, aber so richtig umgehauen hat es mich da am Ende auch nicht. Ich muss auch sagen, dass das Team dort etwas speziell war.

hebdo
21.04.2022, 09:28
Ich finde, dass die kleineren chirurgischen Fächer auch immer eine Überlegung wert sind. Es gibt sehr anspruchsvolle Operationen und später die Möglichkeit rein konservativ zu arbeiten.

Bei HNO besteht zusätzlich die Möglichkeit sich in Richtung plastische Chirurgie zu spezialisieren. Ob jeder die große Tumor- oder Hypophysenchirurgie bis zur Rente machen will, kristallisiert sich im Laufe der Zeit schon raus

Miss_H
21.04.2022, 12:16
Ehrlich gesagt würde ich nicht auf den Informationen aus einem anonymen Forum meine Lebensplanung aufbauen. Hypophyseneingriffe in der HNO? Die HNO macht den Zugang, aber ich kenne keine HNOler die intrakraniell arbeiten. Wohingegen ich es kenne, dass die HNOler auch die komplette Lappenplastik selbst machen (Radialis-, Pectoralis- oder Parascapularlappen). Manchmal werden die Mittelgesichtsfrakturen von der HNO gemacht, wenn es eine MKG gibt, dann eher von denen. Genau wie es in den Diensten unterschiedlich je nach verfügbarer Abteilung ist. Manchmal machen die Plastiker die Wunden im Gesicht oder die HNO, die MKG oder die Chirurgie. Genau so wie es dann Überschneidungen bei Patienten mit Schwindel gibt (Neurologie, Innere oder HNO). Oder eben Kinder durch die HNO oder durch die Pädiater betreut werden.
Ich würde mir an deiner Stelle nochmal die HNO im PJ anschauen und zwar in einem Haus in dem du dir vorstellen kannst auch abzufangen. Dann würde ich auch nochmal verschiedene Praxen hospitieren, für so ca. 2 Tage pro Praxis. Da siehst du die unterschiedliche Arbeitsweise von verschiedenen Ärzten sowie das ambulante Spektrum (das unterscheidet sich nämlich sehr vom klinischen Spektrum).
Und wenn du dann merkst, dass dir HNO nicht gefällt, dann kannst du mit Unfall/Ortho starten. Ein Wechsel von dort ist auch noch möglich.
Und ambulant operieren wird die Zukunft der HNO sein. Das kann man auch in der Praxis oder mit Belegbetten machen. Allerdings muss man dafür auch der Typ sein.

][truba][
21.04.2022, 18:06
Ich wollte auch mal HNO machen und habe dort auch famuliert.
Für mich war es ein ziemlich tolles Fach und wäre ich nicht in der Uro gelandet, hätte ich sicher HNO gemacht.
Ich denke nicht, dass man "schlechter" operieren lernt als in der Unfallchirurgie. Man lernt einfach "anders" zu operieren. Die Techniken der HNO sind ja viel feiner und selbst in diesem kleinen Fach kann man sich, wie schon erwähnt, spezialisieren. Möchte man lieber mehr offen/mehr endoskopisch, mehr plastisch etc. pp. machen.

Aber Miss H hat schon recht, selber angucken und dann einfach ausprobieren. Man wird bei beiden nicht dümmer.

juke5489
21.04.2022, 18:07
@juke: bist du in der HNO tätig? Bisschen Ohr? Was meinste du damit? Parazentesen und Paukendrainagen? Ansonsten gibt es ziemlich viele komplexe Operationen am Ohr. Eigentlich gibt es auch keine kleinen Klitschen. HNO-Abteilungen sind relativ selten und dadurch tatsächlich eher größer.


nö, bin selber in der plastischen chirurgie, hab hier in der klinik aber viele berührungspunkte mit der hno, weil wir die freien lappenplastiken und die komplexen rekonstruktionen für die kollegen machen (primär ALTs zur pharynxreko oder zur enoralen defektdeckung, freies jejunum bei bedarf, freie fibula/beckenkamm wenn gemeinsam mit mkg auch knöchern defektreko nötig ist), wenn sie es benötigen und bekomm über bekannte, die in der hno sind auch viel mit.

ich weiß, dass es auch viel komplexe ohreingriffe gibt, aber ich hab tatsächlich mehrere kleine abteilungen mitbekommen, die eben primär nasen/nebenhöhlenchirurgie, mandel-ops und 'ein bisschen ohr', sprich das, was du angesprochen hast, gemacht haben. wo außer dem chef quasi niemand die mittelohrchirurgie beherrscht hat und komplexere sachen kaum angeboten wurden.

deswegen eben augen auf bei den hospitationen. op-zahlen kann man in der weißen liste recherchieren, da bekommt man einen groben überblick, was in der abteilung geleistet wird.
ich persönlich empfinde die hno auch als super spannendes fach mit großer breite, das jedoch nur dann etwas für mich wäre, wenn das haus, in dem ich arbeite auch wirklich das ganze spektrum bearbeitet und man die chance hat auch an alles schritt für schritt herangeführt zu werden.

Miss_H
21.04.2022, 19:45
deswegen eben augen auf bei den hospitationen. op-zahlen kann man in der weißen liste recherchieren, da bekommt man einen groben überblick, was in der abteilung geleistet wird.

Das auf jeden Fall. Du kannst aber auch einfach nach dem OP Plan fragen. Wie viele Säale darf die Abteilung pro Tag belegen? Und wie voll ist der Plan? Welche OPs stehen da so drauf? Bei uns in der Abteilung haben eigentlich alle Assistenten ein kleines Heftchen in der Tasche. Dort kommt der Patientenaufkleber sowie die OP rein. Frag einfach wie lange die Leute da sind und wie viele OPs sie in der Zeit gemacht haben. Oder schau auf dem OP Plan wie häufig die Assistenten einteilt waren.

Bipol12
22.04.2022, 19:02
Mal vielen Dank für eure zahlreichen Antworten :-)
@ ][truba][ Uro steht auch noch auf meiner Liste. Mein Problem so, ist einfach, dass mich viel interessiert.

@Miss_H du hast natürlich auch recht. Ich such hier eigentlich nur nach unterschiedlichen Perspektiven. Ich freu mich auch immer wenn andere Leute mir ihre eigenen Meinunen mitteilen.

Was mich eigentlich an Unfall/Ortho begeistert, ist dass man anatomisch relativ an viele Orten operiern kann und man eigentlich n gutes Outcome hat sowie viele Innovationen auf dem Gebiet. Was mich leider etwas abfuckt sind die Dienste da. :-???
Halt n Leben lang solche Dienste schieben muss man halt auch können...

juke5489
22.04.2022, 19:55
Was mich eigentlich an Unfall/Ortho begeistert, ist dass man anatomisch relativ an viele Orten operiern kann und man eigentlich n gutes Outcome hat sowie viele Innovationen auf dem Gebiet. Was mich leider etwas abfuckt sind die Dienste da. :-???
Halt n Leben lang solche Dienste schieben muss man halt auch können...

während uch natürlich klassischerweise ein hohes potential für anstrengende dienste liefert, kann dir das in jedem anderen fach je nach größe des hauses auch passieren.
an einem maximalversorger werden auch in uro/hno/gyn/pch/gch/etc sowie den nicht-chirurgischen alternativen anstrengende dienste anfallen.
und während anstrengende dienste oftmals nichts sind, was man sein leben lang machen möchte, finde ich persönlich, dass sie extrem lehrreich sein können. mich persönlich haben die dienste gerade operativ sehr stark vorangebracht.
ob ich das ewig weiter so durchziehen möchte in der intensität? keine ahnung, aber die entscheidung kann ich ja jederzeit für mich treffen und meine jobsituation entsprechend anpassen.

anignu
22.04.2022, 21:29
Was mich eigentlich an Unfall/Ortho begeistert, ist dass man anatomisch relativ an viele Orten operiern kann und man eigentlich n gutes Outcome hat sowie viele Innovationen auf dem Gebiet. Was mich leider etwas abfuckt sind die Dienste da. :-???
Halt n Leben lang solche Dienste schieben muss man halt auch können...
Echt? Was gibt es denn dort noch für Innovationen? Also ernsthaft jetz? In dem 1963er Buch von Müller/Allgöwer/Willenegger sind die unfallchirurgischen Hauptprinzipien beschrieben, irgendwann hat man dann noch winkelstabile Schrauben entwickelt und nun, ganz neu, optional winkelstabile Schrauben die meines Wissens fast nirgends eingesetzt werden (Tibiaplateau glaub ich war das). Und sonst? Macht jeder Hersteller wieder eine noch anatomischere Platte und ein noch neueres Zielgerät. Aber das sind doch keine Innovationen! Das ist wie bei den iPhone-Jüngern wenn sie jedes Jahr begeistert von den massiven Innovationen von iPhone 87 auf iPhone 88 reden. Und alle Außenstehenden schütteln nur den Kopf ;-)

Bipol12
23.04.2022, 07:57
Haha gutes Argument. Vielleicht nicht so wie in der Gefäßchirurgie wo man nen Hybdrid-OP hat. Aber Operationsroboter gibts mittlerweile auch bei O/U. Auch bezüglich Endoprothetik und Knorpeltransplantaten wird aktuell aber noch viel geforscht. Aber vielleicht ist es am Ende wirklich so n bisschen wie bei den iPhone-Jüngern.

detysnow
23.04.2022, 14:25
Habe zwar nur den Blick von der anderen Seite des Tuchs, aber ich denke auch, dass es sehr auf sie Abteilung an kommt. Bei uns betreiben die HNOler jeden Tag 6 OP-Säle mit eher überplantem Programm. Die bilden schon gute Operateure aus. Allerdings lernen dabei nicht alle die spezielleren Eingriffe von Cochlea Implant bis Fern-Lappen. Bei manchen bleibt es auch eher bei den TEs und ATs.. Weiß allerdings nicht genau, ob das dann vom Interesse des Assistenten oder der Gunst des Chefs abhängt. Wahrscheinlich beides ein wenig..

Miss_H
23.04.2022, 14:34
Wenn du jetzt noch sagst, dass du in NRW arbeitest, dann glaube ich die Klinik zu erraten nur durch die Anzahl der OP Säle ;-) 6 Säle sind nicht zwingend notwendig für eine gute Ausbildung, aber spricht schon für ein großes operatives Spektrum.

detysnow
23.04.2022, 18:46
Wenn du jetzt noch sagst, dass du in NRW arbeitest, dann glaube ich die Klinik zu erraten nur durch die Anzahl der OP Säle ;-) 6 Säle sind nicht zwingend notwendig für eine gute Ausbildung, aber spricht schon für ein großes operatives Spektrum.

Ne, arbeite an einer bayrischen Uniklinik. ;-) Zwingend notwendig sicher nicht, aber wenn einen gerade das operative reizt, würde ich dennoch in eine große Abteilung gehen. Eben wegen dem Spektrum. Was man da alles gemacht oder zumindest gesehen hat, nimmt einem keiner.

Miss_H
23.04.2022, 20:07
Es kommt ganz darauf an wohin die Reise gehen soll. An einer Uniklinik ist meist viel Konkurrenz. Selbst operativ darf man vielleicht nicht so viel machen. Bei uns steht man ab Tag 1 (okay es war Tag 3) im OP. Man darf sehr viel unter Anleitung machen (später dann auch alleine (OA schaut sich das Ergebnis nochmal an bzw. hilft wenn man nicht weiter kommt)). Wenn man es anstrebt OA zu werden, dann wird man da auch nochmal gepusht. Aber ich weiß, dass es bei uns auch eine besondere Situation ist, die man sonst wohl nicht so häufig findet.