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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ausfallmanagement Vordergrunddienste



lup81
08.05.2022, 20:00
Hallo zusammen,

ich habe mal eine allgemeine Frage zur Besetzung/ Nachbesetzung von Vordergrunddiensten. Ich selbst arbeite in einer internistischen Abteilung eines mittelgroßen Krankenhauses, was stark in die Notfallversorgung einer Großstadt eingebunden ist.

Die aktuelle Lage ist wahrscheinlich ähnlich katastrophal wie in anderen Kliniken der Republik. Aktuell wandert Corona über alle Stationen und fast über die Hälfte der Pflegekräfte und Ärzte befindet sich in Quarantäne oder ist krank geschrieben. Die Kombi aus Personalmangel und somit nicht vorhandenen Betten bricht einem regelmäßig das Genick im Dienst. Nachts telefoniert man teils > 20 Kliniken ab um einen Patienten verlegen zu können. Patienten verbleiben teils regelmäßig über Tage in der Notaufnahme.

Dieser Sinkflug unserer Abteilung wirkt sich natürlich auch auf die Krankheitsquote aus. Wir haben fast regelmäßig Ausfälle von Assistenten, welche dann vom kümmerlichen Rest nachbesetzt werden sollen. Bis jetzt haben wir das immer noch in "letzter Minute" geschafft irgendwie. Es ist aber fast schon sicher, dass irgendwann der Tag X vor der Tür steht an dem keiner mehr bereit ist die Lücke zu füllen.

Die Frage an die Community von mir ist also, ob jemand diesen Fall schon einmal konkret erlebt hat. Wie lief das ganze ab? Ich frage also konkret nach Erfahrungsberichten.

Habe mit dem Betriebsrat/Mitarbeitervertretung gesprochen. Die geben einem natürlich so einen Standeaddruck, dass niemand zum Dienst verpflichtet werden kann. Klingt erstmal toll. Honorarkräfte dürfen laut Vorstand nicht eingestellt werden. Es sollte ein "individuelles Ausfallmanagement" in der Abteilung besprochen werden, was angesichts der Personaldecke lachhaft klingt.

Natürlich machen die Oberärzte Druck und man lernt die Kollegen auf eine ganz andere Art kennen. Da heißt es dann, dass man Menschenleben gefährdet, .....etc. Man kann natürlich nicht einfach eine mittelgroße Innere vom Netz nehmen.

Muss im äussersten Notfall der Oberarzt den Dienst in der Ambulanz schrubben???

Bin gespannt von euren Stories/Erfahrungsberichten zu hören.

Feuerblick
08.05.2022, 20:03
Ja, im äußersten Notfall muss sogar der Chefarzt den Dienst übernehmen. Nun weißt du auch, warum die Druck machen. Spricht aber auch nicht für Kollegialität, dass sie das nicht wenigstens mal anbieten, finde ich.

Autolyse
08.05.2022, 20:13
Ja, im äußersten Notfall muss sogar der Chefarzt den Dienst übernehmen. Nun weißt du auch, warum die Druck machen. Spricht aber auch nicht für Kollegialität, dass sie das nicht wenigstens mal anbieten, finde ich.
Eben. EIn Oberarzt hat auch keinen Anspruch darauf, dass es einen Vordergrund gibt. (https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/10-azr-9-13/)

Endoplasmatisches Reticulum
08.05.2022, 20:54
Der leitende Oberarzt hat echt bis in die letzte Instanz geklagt, dass er keinen Vordergrund machen will!?
Alter Schwede ...


Die Anordnung des Bereitschaftsdienstes ihm gegenüber führe zu einem fehleranfälligen System und berge die Gefahr der Überarbeitung in sich. Er müsse sich selbst vertreten, eine geordnete fachärztliche Übergabe sei nicht möglich und ihm sei eine Flut von Einzelaufgaben zugewiesen, die ggf. parallel erledigt werden müssten.
No shit, Sherlock! Und ich dachte immer, die Assis stellen sich einfach nur an.

docdean
08.05.2022, 21:05
Im Prinzip ist die Sache ganz einfach: Dir als Assistenzdödel kann das alles völlig egal sein. Du bist in der Klinik das kleinste Rädchen, du bist austauschbar und man würde nicht davor zurückschrecken, dich zu verheizen, solange du die Klinik damit ein paar Wochen länger am Laufen hälst. Opfere dich nicht auf für deine Klinik, achte vor allem auf dich selbst. Nimm nicht zu viel Rücksicht auf deine Kollegen, sie würden es auch nicht für dich tun. Und wenn ihr für einander einspringt, obwohl euch das kaputt macht, hilft das nicht euch, sondern nur der Klinik, die damit eine nachhaltige Lösung noch etwas weiter nach hinten schieben kann.

Die Verantwortung für das Tagesgeschäft tragen in erster Linie die Oberärzte, dafür werden die bezahlt, und am Ende der Chefarzt. Wenn in der Assistenzarztebene was schiefgeht, müssen die sich eine Lösung überlegen. Das werden sie aber erst, wenn sie dazu gezwungen sind, bis dahin werden sie versuchen, es auf die Kleinen abzuwälzen. Lasst euch das nicht gefallen. Schon gar nicht, wenn die Arbeitsbedingungen eh beschissen sind. Assistenzarztstellen in der Inneren gibts wie Sand am Meer. Eskaliert es ruhig, nur so ändert sich was.

lup81
08.05.2022, 21:15
Im Prinzip ist die Sache ganz einfach: Dir als Assistenzdödel kann das alles völlig egal sein. Du bist in der Klinik das kleinste Rädchen, du bist austauschbar und man würde nicht davor zurückschrecken, dich zu verheizen, solange du die Klinik damit ein paar Wochen länger am Laufen hälst. Opfere dich nicht auf für deine Klinik, achte vor allem auf dich selbst. Nimm nicht zu viel Rücksicht auf deine Kollegen, sie würden es auch nicht für dich tun. Und wenn ihr für einander einspringt, obwohl euch das kaputt macht, hilft das nicht euch, sondern nur der Klinik, die damit eine nachhaltige Lösung noch etwas weiter nach hinten schieben kann.

Die Verantwortung für das Tagesgeschäft tragen in erster Linie die Oberärzte, dafür werden die bezahlt, und am Ende der Chefarzt. Wenn in der Assistenzarztebene was schiefgeht, müssen die sich eine Lösung überlegen. Das werden sie aber erst, wenn sie dazu gezwungen sind, bis dahin werden sie versuchen, es auf die Kleinen abzuwälzen. Lasst euch das nicht gefallen. Schon gar nicht, wenn die Arbeitsbedingungen eh beschissen sind. Assistenzarztstellen in der Inneren gibts wie Sand am Meer. Eskaliert es ruhig, nur so ändert sich was.

Ist auch meine Einstellung, da ich mittlerweile nur noch angepi..t bin von dem Laden. Weiterbildung gibts eh nicht mehr. Die Frage war halt ob die einem rechtlich einen Strick drehen können. Ist immer gut zu wissen was passiert, wenn mal wirklich alle Sicherheitsmechanismen ausfallen.

Bonnerin
08.05.2022, 22:51
Ist auch meine Einstellung, da ich mittlerweile nur noch angepi..t bin von dem Laden. Weiterbildung gibts eh nicht mehr. Die Frage war halt ob die einem rechtlich einen Strick drehen können. Ist immer gut zu wissen was passiert, wenn mal wirklich alle Sicherheitsmechanismen ausfallen.

Dann hast du halt ne ziemlich üble Migräne, die vermutlich durch den Stress getriggert wurde und konntest den Dienst nicht übernehmen.

Im Zweifelsfall muss halt ne "mittelgroße Innere" auch von der Versorgung genommen werden. Gab ja auch schon Fälle, wo Maximalversorger runtergenommen worden sind. Gehen tut das alles, auch wenns den Deppen aus der Verwaltung, die im homeoffice chillen nicht schmeckt.

Lakemond
09.05.2022, 07:16
Als "Honorararzt" lebe ich von solchen Fällen. Nicht alle Ärzte sind dumm und springen immer an. Viele würde es aber sogar ohne irgendeinen Bonus machen. Einfach nur traurig...

vanilleeis
09.05.2022, 07:58
Rechtlich kann man dir nichts. Konkret erlebt: Ja, mehrfach. Dann muss der Hintergrund den Vordergrund machen (NB: seit dem letzten "Einspringen" des lOA haben wir plötzlich 3 Honorarärzte :-wand)

Endoplasmatisches Reticulum
09.05.2022, 08:55
(NB: seit dem letzten "Einspringen" des lOA haben wir plötzlich 3 Honorarärzte :-wand)
Aus dem Hintergrund in den Vordergrund habe ichs nie erlebt. Aber einmal waren wir so mies besetzt, dass ein Oberarzt vormittags die ZNA besetzen sollte. Der hat nach 30 Minuten dermaßen am Rad gedreht, weil er von zwei gleichzeitig angekündigten Patienten so dermaßen überfordert war, dass er den Stationsarzt zu sich in die ZNA geordet hat zum aushelfen. Als der Stationsarzt einwarf, dass dann aber die Station komplett unbesetzt ist den ganzen Vormittag, kam als oberäztliche Antwort: "Nicht reden, herkommen." Gab einen schönen Arbeitsrückstau bis spät in die Nacht, der dann vom Dienst ausgebadet werden durfte. Und einen Pep-Talk vom Chefarzt, wie toll ja unser "Teamwork" sei, samt einer expliziten doppelten Danksagung an den Oberarzt, dass er in der ZNA eingsprungen ist und den Betrieb so rund gehalten hat.

Haematopoesie
09.05.2022, 10:18
In USA zentrierten Foren kommt bei sowas oft der Hinweis, dass die Management-Riege fürstlich für das "managen" bezahlt werden würde und man daher nicht verantwortlich sei, selbst einen Ersatz für den eigenen Dienst zu finden.... Wie sieht das in Deutschland aus? Hört sich ja *eigentlich* ziemlich logisch an.

kartoffelbrei
09.05.2022, 10:47
Du meinst, wenn man selbst krank ist? Da würde ich im Leben nicht auf die Idee kommen, selbst einen Ersatz zu organisieren...

Haematopoesie
09.05.2022, 20:55
Genau! Also ich habe es bisher so mitbekommen, dass dann untereinander (Stationsärzte) WhatsApp/Telefonate geführt werden. Wär natürlich besser, wenn das nicht der Regelfall ist.

PsychoFan
11.05.2022, 05:33
Wegen Stress und Mobbing krankschreiben lassen.

Leg bitte 2 Wochen Pause ein. Nach einer Woche bitte überlegen, ob Du zurück willst. Z.B. eine SWOT Analyse machen.