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Newbiee
17.06.2022, 13:50
Hallo Leute!
Es gibt einen Fall bei uns in der Klinik, der echt anspruchsvoll ist und lich sehr interessiert.

30 jähriger junger Mann, 1.60 m groß, wog immer nicht sehr viel bis vor zwei Jahren. Dann plötzliche Gewichtszunahme ( von 50 auf 73 Kilo). Ohne Änderung der Essgewohnheiten. Nun, seit mehreren Monaten, stetiger Gewichtsverlust ( mittlerweile bei 51 Kilo), Appetitlosigkeit ( nicht immer vorhanden). Ansonsten keine Symptomatik.

Befunde: Blutwerte o.B. LDH: 161, keine Anämie. Keine Hyperthyreose.
CT Thorax und Abdomen nativ: keine Auffälligkeiten.
ÖGD: ohne Befund. In der histologie kein Nachweis eines helicobacters. Im atemtest allerdings schon.

Sonographie Abdomen: o.B.

Kein Abusus.

Ideen? Patient kann doch nicht stetig abnehmen, oder?

Grüße

Kackbratze
17.06.2022, 13:56
Das hier ist ein Forum für Medizinstudenten und Ärzte zum Austausch, allerdings nicht zu medizinischen Beratung. Eine solche Fallbesprechung sollte in der Klinik mit den behandelnden Ärzten erfolgen.

Newbiee
17.06.2022, 13:59
Ich weiß doch.
Bin doch selbst Student und natürlich besprechen wir den Fall in der Klinik, allerdings wird momentan nicht viel an Diagnostik gemacht, da man nicht mehr machen kann.. deshalb meine frage hier.

Relaxometrie
17.06.2022, 14:57
Dann plötzliche Gewichtszunahme ( von 50 auf 73 Kilo). Ohne Änderung der Essgewohnheiten.
Das "ohne Änderung der Essgewohnheiten" müsste mal mit Zeit und Ruhe abgeklärt werden. Woher sollen denn die kcal kommen, die die Gewichtssteigerung bewirkt haben, wenn es angeblich keine Veränderung der Essgewohnheiten gab?




Befunde: Blutwerte o.B.
Diese Aussage hat leider gar keinen Informationsgehalt, da unbekannt ist, welche Laborwerte ingesamt erhoben wurden.

Newbiee
17.06.2022, 15:13
Es wurden folgende Werte untersucht: Differenzialblutbild, Retensionsparameter, Immunfixationselektrophorese, LDH,Cortisol, Elektrolyte, CK, CK MB. Alles o.B.

Bille11
17.06.2022, 18:38
TRH? .

Newbiee
17.06.2022, 19:33
TSH, ft3 und ft4 auch ohne Befund.

FirebirdUSA
17.06.2022, 19:35
Warum CT Abdomen ohne KM? Finde ich Körperverletzung in dem Alter...

Relaxometrie
17.06.2022, 19:48
Ja, CT Thorax+Abdomen finde ich auch mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Wahrscheinlich wollte man mal wieder "alles ausschließen", ohne erstmal differentialdiagnostisch denken zu müssen.
Was hat der Hausarzt bisher unternommen? Wäre interessant zu wissen, um Doppeldiagnostik zu vermeiden.

Bille11
17.06.2022, 20:03
TSH, ft3 und ft4 auch ohne Befund.

Und TRH? ACTH, GnRH..?

Es geht mir nicht um die Schilddrüse sondern um Hypophyse und Hypothalamus. Nebennierenrinde.

Aber das habt ihr ja sicher alles ausgeschlossen.

Was meinst Du mit Retensionparameter?

Newbiee
17.06.2022, 20:31
CT nativ, weil der Patient eine Kontrastmittelallergie hat. MRT konnte wegen einer primärprophylaktischen ICD Implantation ( QT Syndrom) nicht durchgeführt werden.

ACTH wurde vor einigen Jahren bestimmt, als er zugenommen hatte. Da war alles ok. Cortisol im Serum lag bei 9,0 ug ( Referenz 6-21). Allerdings um 11 Uhr morgens bestimmt.

CT wollte man machen, um einen Tumor auszuschließen.

Gibt's sonst noch Ideen?

Mit Rententionsparametern meinte ich Kreatinin, Harnsäure, Harnstoff.

Relaxometrie
17.06.2022, 20:55
MRT konnte wegen einer primärprophylaktischen ICD Implantation ( QT Syndrom) nicht durchgeführt werden.
Das stimmt so nicht. (Kein Vorwurf an Dich.)
Meines Wissens nach besteht eine sehr gute Chance dafür, dass der ICD MRT-fähig ist. Muss natürlich mit einem Kardiologen, der ggfs. in Bereitschaft beim MRT dabei ist, und mit dem Radiologen besprochen werden. Aber einfach zu sagen "hat einen ICD ---> MRT geht nicht" ist halt die einfache Variante, die im hektischen klinischen Alltag manchmal gewählt wird.




primärprophylaktischen ICD Implantation ( QT Syndrom)
Meinst Du "long-QT-Syndrom"?"


Was hat er noch für Vorerkrankungen? Was für Medikamente nimmt er regelmäßig?
Ist der Patient psychiatrisch abgeklärt worden? Ich mag damit auf dem Holzweg sein; aber wie ich oben schon geschrieben habe: das gehört meiner Meinung nach abgeklärt.

Newbiee
17.06.2022, 21:04
Ja, er ist psychiatrisch abgeklärt worden.
Genau, LQTS.
Er nimmt außer einem Betablocker ( Nebivolol) nichts ein.

Man hat probeweise Hydrocortison verabreicht, um zu schauen, ob sich die Beschwerden bessern, bei niedrig normalem Cortisol. Patient hat den Eindruck das Befinden wäre etwas besser, aber am Gewicht hat sich nichts geändert.

Einen Tumor als konsumieren Ursache kann man doch nun aber gänzlich ausschließen, oder?

Wenn er noch weiter an Gewicht verliert, fehlen die Optionen.

Newbiee
17.06.2022, 21:07
Im übrigen wurden auch relevante Infektionserkankungen wie HIV ausgeschlossen. CRP war auch im Normbereich.

Relaxometrie
17.06.2022, 22:29
Bei nicht enden wollendem Gewichtsverlust unklarer Ursache denke ich schnell an Morbus Whipple. Damit habe ich zwar noch nie richtig gelegen :-)) aber diese Erkrankung wurde uns von einem Pathologie-Prof so eindrücklich geschildert, dass ich es nicht vergessen kann.

Die psychiatrische Komponente spielt beim hier vorgestellten Patienten halt irgendwie rein, weil es erst zu einer angeblich unklaren Gewichtszu-, jetzt zu einer unklaren Gewichtsabnahme gekommen ist. Münchhausen?

Absolute Arrhythmie
18.06.2022, 10:46
CT Thorax und Abdomen waren ohne KM, damit kann ich herzlich wenig ausschließen... Gastro war ja o.B. @ Relaxo, ich denke mal dass in der Histo ein Whipple gesehen worden wäre.
Gab's ne Kolo? Familienanamnese für maligne Erkrankungen?
Auslandsanamnese?

Newbiee
18.06.2022, 15:36
Aber auch ohne KM kann man doch mit dem CT maligne Prozesse ausschliesen, oder zumindest unwahrscheinlich machen, oder nicht?
Koloskopie wurde nicht durchgeführt.
Whipple ist mit einer Biopsie aus dem Duodenum ausgeschlossen.

Auslandsanamnese.. Im Ausland war er nicht. Allerdings ist er homosexuell. Eventuell Syphillis? Wurde noch nicht abgeklärt. HIV war negativ.

Bei einer malignen Erkrankung, die einen solch starken Gewichtsverlust hervorruft, wären doch atcg sicherlich Laborparameter verändert.. ich denke da so an ne erhöhte LDH, Thrombozytose etc.

Noch irgendwelche Ideen?

davo
18.06.2022, 16:38
Das wirklich Auffällige ist IMHO nicht die starke Gewichtsabnahme per se, sondern die starke Gewichtszunahme gefolgt von einer starken Gewichtsabnahme.

Da sollte man schon mal weiter detailliert Anamnese betreiben. In welchem Zeitraum, retrospektive Anamnese bzgl. Sport, Ernährung, Stimmung, Medikamente (kann ja z.B. sein, dass er während der starken Gewichtszunahme Medikamente eingenommen hat), Drogen (könnte sowohl die starke Gewichtszunahme als auch die starke Gewichtsabnahme erklären), usw.

Und auch erheben, ob und wenn ja, wie er bei den beiden Events (starke Gewichtszunahme, starke Gewichtsabnahme) ärztliche Hilfe aufgesucht hat. Ob das er selbst initiiert hat, ob das wer anderer initiiert hat, mit welchen Beschwerden bzw. mit welchem Anliegen sich der Pat. jeweils vorgestellt hat, usw.

Und natürlich Familienanamnese. Somatisch und psychiatrisch.

Newbiee
18.06.2022, 16:47
So! Ich habe mir jetzt nochmal die gesamten Akten angeschaut und bin auf ein paar Entscheidende Punkte gestoßen.

Das von hier durchgeführte psychiatrische Gespräch und die Untersuchungen waren im Hinblick auf aktuelle psychiatrische Erkrankungen unauffällig. Er hatte aber wohl vor einigen Jahren eine depressive Episode und nahm Venlafaxin 75 mg. Dieses wurde vor ca. 1 Jahr komplett abgesetzt.

Außerdem nahm er zu diesem Zeitpunkt Metoprolol in einer erhöhten Dosierung. Dieses wurde auch auf Nebivolol 2,5 mg reduziert. Sonstige Anmamese war völlig unauffällig. Seine Familie war hier und zeigte außerdem Bilder von ganz früher und dem Beginn der Geeichtszunahme. Deutlich zu sehen. Lebensgewohnheiten haben sich nicht geändert.

Aber erklärt dies den deutlichen Gewichtsverlust und die sporadisch auftretende Appetitlosigkeit?

Noch Ideen? Alles auf die Psyche zu schieben.. ich finde, dann macht man es sich zu leicht, oder nicht?

davo
18.06.2022, 17:13
Naja, dann hast du ja schon mal einen guten Grund für eine ausführliche Anamnese.

Venlafaxin kann zu Gewichtsabnahme führen (selten, v.a. kurzfristig, v.a. bei Verordnung aus anderen Gründen als Depression), kann zu Gewichtszunahme führen (häufig, v.a. langfristig, v.a. bei Verordnung wegen Depression).

Und bei bipolaren Patienten, die man ja oft erst sehr spät erkennt, hat es ein hohes Switch-Risiko.

Das alleine rechtfertigt also schon mal eine detaillierte retrospektive Anamnese. Es genügt nicht, einfach zu sagen, dass er jetzt gerade keine psychischen Probleme hat. Sondern man muss eben detailliert im Rückblick erheben, von wann bis wann er Venlafaxin eingenommen hat, wann die Stimmung wie war, wann das Gewicht wie war, usw. usf. Dasselbe eben auch für Sport, Ernährung, Drogen, Schlaf, Appetit, usw. Sodass man am Ende eine Zeitachse hat, die einem ganz genau die zeitliche Abfolge all dieser Dinge zeigt.

Und am besten zusätzlich auch noch eine Außenanamnese, v.a. wenn es eh schon Kontakt zu den Angehörigen gab.

Gerade der Punkt mit der Appetitlosigkeit würde mich auch sehr dazu verleiten, mir das psychiatrische Konsil nochmal durchzulesen und da vielleicht nochmal näher nachzufragen.

Da ist IMHO noch einiges an Anamnese zu erheben, bevor man nach noch mehr Untersuchungen ruft.

Vielleicht hast du ja Glück, und man lässt euch das machen.