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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Weiterbildung Endokrinologie - internistisch oder gynäkologisch?



Pollito
19.06.2022, 11:47
Hallo in die Runde,

ich bin Student, kurz vorm Abschluss, und ich bin schon seit gefühlt einer Ewigkeit am Überlegen, welche FA-Weiterbildung ich nach dem Studium anvisieren soll.

Ich möchte gerne etwas endokrinologisches machen, jedoch fällt mir die Entscheidung der "Basis-Ausbildung" schwer. Ich könnte mir durchaus sowohl den internistischen Weg (zum FA für Innere und Endo) als auch den gynäkologischen Weg (FA für Gynäkologie/Geburtshilfe mit SP gyn. Endokrinologie/Reproduktionsmedizin) vorstellen.

Unsere Dozenten aus der Endokrinologie haben uns immer abgeraten, diesen Weg einzuschlagen, weil dies in ein paar Jahren ein "totes Fach" sein wird. Aber ist das wirklich so? Ich hatte bisher eher den Eindruck, dass gute Endokrinologen sehr rar sind und sie händeringend gesucht werden.

Im Gegensatz dazu bietet die Gynäkologie ja ebenfalls den SP gynäkologische Endokrinologie an. Wäre dies eine bessere Alternative? Schade ist, dass alle anderen endokrinologischen Themen dort nicht behandelt werden. Und die gynäkologische Endokrinologie kommt in der internistischen Endokrinologie viel zu kurz.....

Wie sieht die derzeitige Stellensituation für beide Fächer aus? Würde man für die beiden Fächer trotzdem eine gute Stelle finden? Welcher FA würde sich eher lohnen und ist eher mit dem Familienleben vereinbar?

Viele Grüße

anignu
19.06.2022, 12:35
Hallo, für mich ist das gefühlt wie "ich will was chirurgisches machen und kann mich nicht zwischen Viszeral und Unfall entscheiden". Es sind einfach vollkommen verschiedene Fächer mit vollkommen verschiedenen Schwerpunkten.
Die internistische Endokrinologie beschäftigt sich mit Diabetes, Schilddrüse, Nebenschilddrüse etc., die Gynäkologische vor allem mit der Reproduktionsmedizin. Es sind einfach unterschiedliche Fächer.

Ja, gute Endokrinologen sind rar und werden händeringend gesucht. Genauso wie in anderen Teilbereichen der Inneren Medizin (z.B. Rheumatologie und Angiologie). Das Problem aus meiner Sicht ist, dass es immer weniger Weiterbildungsstellen in diesem Bereichen gibt, diejenigen die dann Facharzt sind lassen sich nieder und bilden nicht weiter aus usw. Und so sterben die Fächer gefühlt halt aus. Wenn du selbst aber den Facharzt in der Tasche hast kann dir das egal sein. Dann bist du ja selbst der Spezialist der gefragt ist.

Zum Thema Familienleben kann man eigentlich nur sagen: sowohl in der Inneren als auch in der Gyn ist es in der Assistenzarztzeit so dass man einiges an Diensten hat. So richtig Spaß macht das mit Familie damit nicht. In der Niederlassung ist man bzgl. der Arbeitszeitgestaltungsmöglichkeiten freier...

cartablanca
19.06.2022, 13:29
Definitiv Gyn. Ja die Endos sind rar, aber das ist so gewollt. Du könntest höchstens eine Privatpraxis aufmachen.
Mit Gyn kannst du auch Reproduktionsmedizin machen und wenn du Spaß am Operieren entwickelst auch hier einsteigen. Es gibt kaum ein Fach dass so vielseitig und lukrativ ist wie Gyn. Ich würde dir auf jeden Fall Gyn empfehlen.
Für Endo musst du mit Innere anfangen und Innere ist von den Arbeitszeiten das schlimmste Fach. Selbst mit vielen Jahren Erfahrung kommt man ohne Überstunden nicht raus. Mal ganz abgesehen davon gibts kaum Stellen in der Endo.

roxolana
19.06.2022, 14:10
Das eine ist zu 90% Diabetes und das andere ist zu 100% Reproduktionsmedizin. Völlig unterschiedliche Patienten, völlig unterschiedliche Fächer. Weiterbildungsstellen für Innere/Endokrinologie und Diabetologie gibt es fast nur an Unikliniken, da kannst du dir die Familienfreundlichkeit ausmalen. Niederlassungsmöglichkeiten für Innere/Endo sind extrem rar gesät - als Gyn kannst du dich wenigstens in einer normalen Gyn-Praxis niederlassen.

Holthusen
19.06.2022, 14:17
Das besondere ist, dass man erst den FA Gyn oder Innere machen muss. Weiterbildungsstellen sind rar, am besten man fängt in einem Haus an, wo es auch Reproduktionsmedizin bzw. Endokrinologie gibt (Eigenständig oder als Department der Gyn. bzw. Inneren).

Gynäkologie ist inzwischen so groß geworden, dass es quasi keinen Chef mehr gibt, der alle Bereiche des Fachs ganz überblickt: Chirurgie/Onkologie, Geburtshilfe und Fortpflanzungsmedizin.
Ich finde das durchaus schwierig in unsere hierarchische Krankenhausstruktur unterzubringen: eine Gynäkologie mit Departments, wobei dann die Departments jmd. untergeordnet sind, der nicht ganz den Überblick über ihr Fach hat. Oder die drei Säulen werden eigenständige Kliniken.

roxolana
19.06.2022, 14:24
Reproduktionsmedizin läuft doch eh fast nur noch ambulant. In Berlin gibt es z.B. keine einzige Klinik mit Weiterbildungsberechtigung für den Schwerpunkt gynäkologische Endokrinologie, nur Praxen.

annekii
19.06.2022, 18:51
Es gibt auch noch pädiatrische Endokrinologie :) Die fehlen anscheinend auch!

anignu
19.06.2022, 19:00
Das eine ist zu 90% Diabetes
Das seh ich nicht so. Einerseits hab ich mein PJ in einer endokrinologischen Abteilung gemacht, da hatten die nicht mal 50% Diabetes, der Rest war anderes und andererseits seh ich was unser Endokrinologe im Haus macht. Wegen Diabetes braucht man den nicht fragen. Das machen auch die anderen Internisten. Aber bei Schilddrüsensachen (incl. Nebenschilddrüse) oder Nebennierensachen auch um Operationen rum wird er zu Rate gezogen...

roxolana
19.06.2022, 20:10
Meine endokrinologische Famulatur war sogar zu 99% Diabetes... Aber sicherlich ist das Spektrum von Klinik zu Klinik etwas unterschiedlich.

Markian
19.06.2022, 22:04
Das eine ist zu 90% Diabetes und das andere ist zu 100% Reproduktionsmedizin. Völlig unterschiedliche Patienten, völlig unterschiedliche Fächer. Weiterbildungsstellen für Innere/Endokrinologie und Diabetologie gibt es fast nur an Unikliniken, da kannst du dir die Familienfreundlichkeit ausmalen. Niederlassungsmöglichkeiten für Innere/Endo sind extrem rar gesät - als Gyn kannst du dich wenigstens in einer normalen Gyn-Praxis niederlassen.

Ganz ehrlich, diese Aussage ist halt einfach nicht wahr. Bei uns an der Uniklinik gibt es auch eine endokrinologische Sprechstunde und die machen sicherlich nicht nur Diabetes. Da gibt es die gesamte Bandbreite von Schilddrüsenerkrankungen bis hin zum Pankreas-NET. Wäre insgesamt eher nicht mein Fall, aber 90% Diabetes ist halt absolut nicht wahr. Ich würde an deiner Stelle eher den Weg über die Innere gehen.

An den TE falls du eine Stelle suchst, dann gerne PN.

Holthusen
19.06.2022, 23:39
Meine endokrinologische Famulatur war sogar zu 99% Diabetes... Aber sicherlich ist das Spektrum von Klinik zu Klinik etwas unterschiedlich.

Hey, in unserer Endokrinologie Vorlesung würde gesagt, dass die ganzen Typ 2 Leute zum Internist bzw Allgemeinmediziner erstmal sollen und wenn der nicht mehr weiter weiß oder Verdacht auf late on Set oder untypisch Verlauf (z.b. Typ 2 und schlank und normale Ernährung) es zum Endokrinologen geht. Für all die 0815 Diabetes Typ 2 Patient gäbe es nicht Endokrinologen....wurde zumindest in der Vorlesung so kolportiert.

Schilddrüse, Sexualhormone, Hypophyse...das ist schon hochspannend. Fand die Vorlesung und das Fach damals total beeindruckend.

Übrigens es gibt einige Uniklinik die noch Weiterbildungen Reproduktionsmedizin anbieten. Da wundert es schon dass die Spitzenmedizin in Berlin mit Charité und Co das angeblich nicht mehr machen soll. Habe jetzt nicht recherchiert.

hebdo
20.06.2022, 05:44
Ob der Workload in der Endokrinologie wirklich höher ist wage ich mal ernsthaft zu bezweifeln. Mit der Annahme in der Gyn ein ruhiges Leben mit einem 9-to-five Tag liegt man definitiv falsch. Wenn du Endokrinologie machen willst, ist Gyn mit Reproduktionsmefizin keine echte Alternative. Reproduktionsmedizin ist ein so kleiner Teilbereich, dass du damit die ersten Jahre keine Berührung haben wirst. Du müsstest dich mal mit einem Reproduktionsmediziner vor allem über die rechtlichen Bedingungen austauschen.