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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Systematisches Mobbing und Psychospiele in meiner Abteilung



SerkanTulum
25.06.2022, 18:46
Hallo an alle

Ich habe bereits vor einiger Zeit eure Meinung gefragt. Ich bin Deutscher, aber bin direkt nach dem Studium in die Schweiz gegangen. Ich arbeite in der Romandie an einer grossen Uniklinik in der Kinderchirurgie. Habe davor 2 Jahre chirurgische Rotationen an einer anderen Uniklinik gemacht.
Ich habe aktuell folgendes Problem. In meiner Abteilung ist es extrem kompetitiv und der Druck ist enorm. Es ist normal, dass wir täglich von 07:00 bis 21:00/22:00 arbeiten und am nächsten Tag wieder mit voller Kraft dabei sind. Wir Assistenten werden ständig gegeneinander ausgespielt. Ich habe beispielsweise in 1 Woche 3 Paper fertiggeschrieben. Dafür habe ich an 3 Tagen weniger als 6 Stunden geschlafen und weil dem einem Oberarzt die Discussion nicht gefallen hat, hat er mir die Projekte weggenommen und einem anderen Assistenten gegeben und meine Arbeit wird einfach publiziert ohne mich.
Solche Sachen sind mein Tagesstandard. Das einzig gute war, dass ich viel operieren kann. Habe in den Jahren Kinderchirurgie den Gossteil der Baucheingriffe geschafft, aber aufgrund des malignen Katalogs in der Schweiz ist der Facharzt sicher noch 5 Jahre entfernt.
Ich habe eigentlich immer eine Unikarriere angestrebt und war immer bereit gewesen alles zu opfern: Familie ,Freunde, Freizeit etc. Selbst meine Gesundheit habe ich geopfert.
Es macht mich fertig, dass ich dieser Willkür ausgesetzt bin und nichts dagegen tun kann. Ich bin jetzt 33 und ohne Facharzttitel und überlege nach Deutschland zurückzukehren. Es ist psychisch und physisch nicht mehr tragbar.
Es ist für mich mittlerweile eine Folter .

Und bitte denkt nicht, dass ich ein Troll oder dergleichen bin. Jeder, der sich mit der Schweiz auskennt, bestätigt die Zustände in der Schweizer Kinderchirurgie und insbesondere in der Romandie. Ich weiss nicht was ich tun soll: Soll ich nach Deutschland und Viszeralchirurgie machen? Soll ich in die Deutschschweiz ? Ich bin an einem Punkt, an dem ich nicht mehr kann und einfach verzweifelt bin.

Hoffe ihr habt Tipps.
LG Serkan

Feuerblick
25.06.2022, 19:14
Nun… in der Schweiz einen anderen Job suchen. In Deutschland einen anderen Job suchen. Ein anderes Fach suchen.
Ganz sicher aber: Gehen!

Warum zum Geier bist du immer noch in diesem Laden? Klingt ja nicht, als wäre das eine Sache weniger Wochen. Meines Wissens ist auch in der Schweiz Sklavenhaltung nicht mehr erlaubt. :-nix

davo
25.06.2022, 19:52
Dass es in einem sehr kleinen chirurgischen Fach an einer Uniklinik sehr anstrengend werden kann, finde ich nicht besonders überraschend. Man hat wenige alternative Arbeitgeber - das wissen die Vorgesetzten. Und die meisten Assistenzärzte sind so beeindruckt von der Chance auf die große Forschungskarriere, dass sie bereit sind, das letzte Bisschen Freizeit zu opfern.

Ob es in deinem Fach in der Deutschschweiz (oder in Deutschland) tatsächlich besser zugeht, kannst du sicher über (ehemalige) Kollegen bzw. Kongresse usw. herausfinden.

Die große Frage ist für mich persönlich halt auch, ob du dir diesen ganzen Wissenschaftskram überhaupt antun willst. In der Schweizer Kinderchirurgie ist der Großteil der Weiterbildungsstellen an Unikliniken - klar. Das ist in der Viszeralchirurgie anders.

Außerdem relevant ist für mich die Frage, in welchem Land du langfristig arbeiten willst.

Sonic the Hedgehog
25.06.2022, 20:16
Ich würde an deiner Stelle deinen Nutzernamen ändern. In Kombination mit den Infos in deinem Post lassen sich theoretisch Rückschlüsse auf deine Person ziehen und man weiß nie wer hier sonst noch mitliest.

SerkanTulum
25.06.2022, 21:06
Danke für eure Antworten. Erstmal zum Thema Identität. Ich habe natürlich mein Alter anders angegeben, auch im ersten Post, und im Real Life einen anderen Namen, damit man nicht auf mich schliessen kann. :)
Also das Problem war schon von Anfang an so, aber es war eben immer mein Traum in einer Uniklinik Karriere zu machen und PD zu werden blabla, das übliche.
Ich habe echt alles getan. In 2 Jahren haben ich 20 Paper veröffentlich und bin auf 8 First Author. Eigentlich habe ich aber jedes einzelne geschrieben und dann kommt ein OA und nimmt dir alles weg.
Ich liebe wirklich die Arbeit und ich liebe Chirurgie. Mein Leitender hat mir direkt gesagt: Denk nicht daran aufzuhören und dich an einer anderen Klinik zu bewerben. Wir sorgen dafür, dass du nirgendwo einen Job findest.

Ich und viele anderen wurden psychisch so runtergemacht. Mir wurde gesagt, dass ich in keiner anderen Klinik einen Job bekomme etc. Ich höre das täglich leider.
Wir haben andere Assistenten, die täglich auf der Arbeit auf dem Klo weinen und depressiv werden.

Ich bin an einem Punkt, wo ich einfach nicht weiss wie es weitergehen soll.

rafiki
25.06.2022, 21:14
Ich bin an einem Punkt, wo ich einfach nicht weiss wie es weitergehen soll.

Echt nicht?

Da muss ja eine Menge Masochismus am Werk sein. Anders ist das nicht erklärbar.

Feuerblick
25.06.2022, 22:19
Ich würde es drauf ankommen lassen. Dann findest du halt keinen Job mehr in der Kinderchirurgie in der Schweiz. Was andere Fächer und Länder angeht, fürchte ich, dass der Leitende irrtümlicherweise von seinem Ego auf seinen Einfluss schließt.
Hör auf dir einreden zu lassen, dass diese Menschen Macht über dich haben. Haben sie nicht. Und ich bin mir sicher, dass du einen anderen Job finden wirst. Falls nicht in der Schweiz, dann halt in Deutschland. Zeig denen, dass du dich von solchen Methoden nicht einschüchtern lässt.
Ein PD, der am Ende (außer Paper-Schreiben) nichts gelernt hat außer Kuschen und Männchen machen, wenn der Chef pfeift, ist sowieso nicht das Papier der Habil-Urkunde wert. Aus solchen PDs werden am Ende nämlich Menschen wie dein Leitender, die nach oben buckeln und nach unten treten, weil sie es nie anders erlebt haben.

SerkanTulum
25.06.2022, 22:29
Ich würde es drauf ankommen lassen. Dann findest du halt keinen Job mehr in der Kinderchirurgie in der Schweiz. Was andere Fächer und Länder angeht, fürchte ich, dass der Leitende irrtümlicherweise von seinem Ego auf seinen Einfluss schließt.
Hör auf dir einreden zu lassen, dass diese Menschen Macht über dich haben. Haben sie nicht. Und ich bin mir sicher, dass du einen anderen Job finden wirst. Falls nicht in der Schweiz, dann halt in Deutschland. Zeig denen, dass du dich von solchen Methoden nicht einschüchtern lässt.
Ein PD, der am Ende (außer Paper-Schreiben) nichts gelernt hat außer Kuschen und Männchen machen, wenn der Chef pfeift, ist sowieso nicht das Papier der Habil-Urkunde wert. Aus solchen PDs werden am Ende nämlich Menschen wie dein Leitender, die nach oben buckeln und nach unten treten, weil sie es nie anders erlebt haben.

Danke für Deine ehrlichen Worte. Ich denke ,dass ich der Kinderchirurgie den Rücken kehren sollte. Ich kenne ausser Herzchirurgie keine malignere Fachrichtung. KiChi ist so schlimm, was ich da erleben musste, ist der Horror. Und in anderen Ländern ist es nicht besser. Ich war erst kürzlich auf Kongress in San Francisco und international ist es alles das selbe.

Es ärgert mich einfach, dass ich die ganzen Jahre wegwerfe, wenn ich in die VCH/ACH wechsel. In der Schweiz kann ich mir jedenfalls alle Kinderbaucheingriffe auch für Erwachsene anrechnen. Aber mir ist es einfach wichtig erstmal zur Arbeit zu gehen, ohne Angst zu haben.
Denkst du denn, dass ich in Deutschland eine gute Stelle für Viszeralchirurgie finde?

Feuerblick
25.06.2022, 22:38
Nun, auch in D wird in der Chirurgie nicht alles Gold sein, was glänzt. Aber dennoch… es wird sicher irgendwo eine gute Stelle geben. Die Auswahl ist groß, wenn du dich nicht auf Unis festlegst.

RussianAngel
25.06.2022, 23:52
Ich würde eventuell noch professionelle psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen...In der Schweiz gibt es von der FMH das Angebot ReMed, um Ärzte genau in solchen schwierigen Situationen zu beraten und zu unterstützen...
https://remed.fmh.ch/

Wie lange arbeitest Du schon? Eventuell kann man echt das beste daraus machen: als Fremdjahr anrechnen, einen Teil Praxis, eventuell noch ein Teil in Deutschland...Gib die Hoffnung nicht auf, Du bist Arzt und wirst es schaffen :-) Mit 20 Papers bist Du doch ziemlich weit vorne lol

][truba][
26.06.2022, 05:46
Hey "Serkan",

erst einmal tut es mir leid unter welchen sklavenähnlichen Umständen du arbeiten musst bzw. auch zu arbeiten bereit bist.
Ich würde folgenden tun. An einem freien Wochenende (falls du sowas hast), würde ich eine Bewerbung schreiben und diese an alle kinderchirurgischen Abteilungen in der Schweiz und Deutschland sowie Österreich (sowie alle anderen Länder deren Sprache du beherrschst) schicken.

Du hast also scheinbar Erfahrungen in Allgemeinchirurgie, bereits Erfahrung in Kinderchirurgie, du hast 20 Paper geschrieben und 8 davon als Erstautor? Also, ich denke deine Chancen stehen mit Sicherheit nicht schlecht irgendwo eine Stelle zu bekommen.

Ja, die Kinderchirurgie ist klein aber ob der Chef in Greifswald oder Dortmund oder Buxtehude wirklich was drauf gibt, was so ein Chef aus der Schweiz "meint" ist fraglich. Die sind sich auch nicht alle so grün untereinander. Und wer es nicht probiert, wird es nicht herausfinden.

Das Angebot der zusätzlichen psychischen Unterstützung in so einer schweren Zeit finde ich ebenso einen guten Vorschlag.

Markian
26.06.2022, 08:46
Ehrlicherweise würde ich versuchen mich krankschreiben zu lassen. Es scheint mir als musst du sofort da raus und nicht erst in 2-3 Monaten. Ich denke in Gesamtschau wirst du da nicht glücklich werden. Was ist denn die Perspektive? 5 Jahre weitere Sklavenarbeit und dann selber zum OA Sklaventreiber werden? Dann bist du Ende 30 und was hast du dann vom Leben gehabt außer Stress, Ärger und Arbeit? Hört sich für mich irgendwie so gar nicht erstrebenswert an.

In meinem PJ an einem Maximalversorger waren die Kinder-Chirurgen eigentlich ganz zu Frieden, zumindest war die Stimmung gut. Die haben mit den Allgemeinchirurgen immer gefrühstückt und da dies und jenes erzählt. Ich glaub so auswegslos ist die Situation nicht. Ein Wechsel nach Deutschland erscheint mir aber sinnvoll. Kann mir schon vorstellen, dass die in der kleinen Schweiz gut connectet sind und dich dann ruinieren wollen. Sonst geht ja deren Druckmittel gegenüber anderen AA kaputt. Aber in Deutschland? Da nimmt man dich mit der Erfahrung mit Kusshand.

milz
26.06.2022, 09:45
Mein Leitender hat mir direkt gesagt: Denk nicht daran aufzuhören und dich an einer anderen Klinik zu bewerben. Wir sorgen dafür, dass du nirgendwo einen Job findest.
Die Herausforderung würde ich annehmen.

freak1
26.06.2022, 10:26
Dafür habe ich an 3 Tagen weniger als 6 Stunden geschlafen und weil dem einem Oberarzt die Discussion nicht gefallen hat, hat er mir die Projekte weggenommen und einem anderen Assistenten gegeben und meine Arbeit wird einfach publiziert ohne mich.

Wenn dir deine weitere wissenschaftliche Karriere egal ist: Beim entsprechenden Journal melden, die nehmen soetwas verdammt ernst, da es nicht weniger als wissenschaftlicher Betrug ist. Zusätzlich hast du als Hauptautor auch Copyright Ansprüche, die die anderen nicht für dich abtreten können, die das Journal aber braucht. Die Sachen werden dann ggf. entsprechend zurückgezogen und der Scientific Guarantor (also vermutlich der verantwortliche OA) darf sich dann erklären.

Kannst für die anderen 12 Paper ja auch noch melden, dass dir da die Erstautorenschaft illegal weggenommen wurde. Die Abteilung ist danach wissenschaftlich tot bzw. für die Journals verbrannt. Und dafür bekommt dann auch der entsprechende OA vom Chef den Arsch aufgerissen. ;-)

Mr. Pink online
26.06.2022, 10:46
Es gibt zwar nichts, was es nicht gibt, aber in Deutschland eine Abteilung mit derartigen Auswüchsen zu finden ist vermutlich schwierig. Vor allem weil in Deutschland der Nachwuchs in vielen operativen Fächern fehlt. In der Schweiz würde ich unter derartigen Bedingungen auf jeden Fall nicht bleiben. Das scheint ja ein systemisches Problem zu sein. Daran wird sich mittelfristig nichts ändern. Wenn du dich in Deutschland bewirbst wird die Meinung deines Chefs in der Schweiz sicher niemanden interessieren.

Holthusen
26.06.2022, 11:11
Und bitte denkt nicht, dass ich ein Troll oder dergleichen bin. Jeder, der sich mit der Schweiz auskennt, bestätigt die Zustände in der Schweizer Kinderchirurgie und insbesondere in der Romandie. Ich weiss nicht was ich tun soll: Soll ich nach Deutschland und Viszeralchirurgie machen? Soll ich in die Deutschschweiz ? Ich bin an einem Punkt, an dem ich nicht mehr kann und einfach verzweifelt bin.

Hoffe ihr habt Tipps.
LG Serkan

Das ist traurig zu hören. Ich hatte immer am Rande mit Kinderchirurgen zu tun und dabei den Eindruck gewonnen: "Das sind die netten Chirurgen im Vergleich zu den anderen".
Ich würds mal woanders versuchen. Auch städtische Häuser nicht ausschließen, egal ob Deutschland oder Schweiz. Es gibt irgendwo ne Reportage über nen Assi in der Kinderchirurgie im bayrischen Fernsehen. Der hatte humanere Arbeitszeiten.
Mal die Stelle wechseln erweitert auch den Horizont. Facharzt zu Ende machen lohnt sich immer. Versuch "im Guten" zu gehen.

freak1
26.06.2022, 11:46
Das ist traurig zu hören. Ich hatte immer am Rande mit Kinderchirurgen zu tun und dabei den Eindruck gewonnen: "Das sind die netten Chirurgen im Vergleich zu den anderen".

Das ist bei unseren Kinderchirurgen definitiv der Fall. Wobei das hier auch auf unsere normalen Unfall-, Viszeral- und Gefäßchirurgen zutrifft. HTC sind etwas speziell und die NC sind natürlich immer eine Welt für sich.