PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Ambulante Weiterbildung, billige Arbeitskräfte?



Seiten : [1] 2 3

Qooky
16.07.2022, 13:10
Hallo!
Wer von Euch hat Erfahrung in der ambulanten Weitbildung, wie läuft die Weiterbildung, was ist das Gehalt, was wird von Euch erwartet?
Ich bin seit mehr als einem Jahr in einer Facharztpraxis und mache von fast Anfang an eigene Sprechstunde. 3-4 Pat. Pro Stunde. Ich bin oft alleine in der Praxis, oder mit einer anderen Angestellten FA, meine Chefin macht sich ziemlich rar, ich bin die einzige Vollzeitangestellte. Ich bekomme für 35h knapp 5800€ brutto. Meine Chefin bezieht die vollen 5000 € Förderung für mich. Von Anfang an habe ich auch alleine Urlaubsvertretung intern und extern gemacht. Was mich nun nervt, ist das für meine Weiterbildung kaum Zeit bleibt. Fragen stellen muss ich mir 3x überlegen, weil ich unter großem Zeitdruck stehe. 1x die Woche darf ich mir während der Arbeitszeit 'medizin to go' ansehen, das ist dann meine Fortbildungszeit. Nun werde ich von der Chefin unter Druck gesetzt ich müsse meinen Takt erhöhen (auf den gleichen oder höheren Takt der Angestellten FÄ) weil sie sich mich sonst nicht mehr leisten könne. Auch Absprachen bzgl. Der Praxisschließungungen und damit verbundenen 'pflichturlaub' laufen nicht, ich muss hinnehmen was beschlossen wird.
Wie sind eure Erfahrungen? Was kostet ein Weiterbildungsassi denn, wenn er voll gefördert wird überhaupt noch? Wie viel bekommt ihr im letzten Jahr der Weiterbildung? Und wird von euch auch erwartet dass ihr die meisten Patienten macht während die Chefs nicht da sind? Ich suche Erfahrungen um eine Verhandlungsgrundlage zu haben, vielen Dank!

DrSkywalker
16.07.2022, 13:27
Man ist Ärztin in Weiterbildung. Kein Facharzt. Dank Förderung kostet du deine Chefin circa 2100 Euro im Monat. Das mit dem "leisten können" deiner Chefin ist unglaubwürdig.

Wir erwarten von unseren Äiws auch, dass eine sinnvolle Sprechstunde eigenständig gehalten wird. Allerdings ist immer ein Facharzt anwesend. Rückfragen sind immer möglich. Zeit- oder Leistungsdruck wird nicht aufgebaut. Sprechzeit bei Vollzeitstelle ca 28 Stunden pro Woche. Meist wollen die Patienten aber eher zum Praxisinhaber, daher ist der Terminplan der Äiws oft nicht voll. Trotzdem sind wir froh sie zu haben und schätzen sie sehr.

Es soll einfach für beide Seiten Sinn und Spaß machen. Es ist ein geben und nehmen. Wir hatten auch schon inkompetente und unmotivierte Äiws, die für den Beruf nicht wirklich gemacht waren, so jemanden mit zu schleppen ist keine Freude. Aktuell haben wir großes Glück.

Qooky
16.07.2022, 15:56
Toll, danke deine Antwort hilft mir schonmal, dann koste ich sie weniger als die MFAs🙂 ich glaube Motivation oder auch das Fachliche sind kein Problem, da werde ich eigentlich sehr positiv geschätzt, es eher so dass ich immer mehr und mehr machen soll... Auch die 28 Sprechstunden bei Vollzeit sind ne wichtige Information, meine 35 Sprechstunden werden immer als 'teilzeitstelle' bezeichnet, und als ein Entgegenkommen mir gegenüber...

Coxy-Baby
16.07.2022, 17:34
Aus Interesse, du hast 35 Stunden reine Sprechstundenzeit, dazu kommt ja dann noch die Zeit für den restlichen Kram (Befunde sichten und werten, Anträge, Gutachten etc.) Wieviele Stunden die Woche stehen denn in deinem Vertrag? 40?

Qooky
16.07.2022, 17:46
Ne, hab's blöd ausgedrückt, 30h Sprechstunde, 5h Papierkram, im Arbeitsvertag steht Vollzeit. Wobei die Sprechstunde regelhaft 0,5-1h länger geht. Ich würde gerne einfach wissen wie das bei anderen so ist, weil ich meine Bedingungen neu verhandeln will. Meine Chefin meint ich hätte das Paradies auf Erden und daher wäre es legitim einen höheren Patiententakt zu verlangen als von der einen oder anderen Fachärztin...

Thomas24
16.07.2022, 18:33
Ne, hab's blöd ausgedrückt, 30h Sprechstunde, 5h Papierkram, im Arbeitsvertag steht Vollzeit. Wobei die Sprechstunde regelhaft 0,5-1h länger geht. Ich würde gerne einfach wissen wie das bei anderen so ist, weil ich meine Bedingungen neu verhandeln will. Meine Chefin meint ich hätte das Paradies auf Erden und daher wäre es legitim einen höheren Patiententakt zu verlangen als von der einen oder anderen Fachärztin...

Naja, wie hoch ist dein durchschnittlicher Fallwert in deinem Fach bewertet? Wie sind deine IGel Einnahmen? Deine P- Patientenquote? Machst du extrabudgetäre Sachen? Rechne mal dein jährliches Bruttogehalt hoch (on Top noch die Arbeitgeberbeiträge für die Sozialversicherung). Werden durch dich noch weitere Kosten verursacht (ist durch dich eine weitere MFA erforderlich? Werden weitere Software Lizenzen etc. benötigt, laufen die Versicherungen über dich oder die Praxis etc?) den Faktor solltest du grob abschätzen. Dagegen stellst du grob deine durch dich generierten Einnahmen (durchschnittliche Scheinzahl x Fallwert x Arbeitstage. Plus Extrabudgetäre Einnahmen wie Gutachten etc., P Patienten/ Igel und Selbstzahler).
Ich glaube nicht, dass sich unterm Strich deine Arbeitgeberin sich so richtig an deiner Arbeitsleistung bereichert- aber dafür bist du ja auch nicht da.

DrSkywalker
16.07.2022, 20:52
Thomas, deine Fragen sind für einen AIW nicht wirklich passend. IGELn, extrabudgetäre Einnahmen, P-Patienten Quote etc kann man mit einem Angestellten Facharzt diskutieren, aber doch nicht mit einem Assistenzarzt, für den man die volle Förderung bekommt.

Endoplasmatisches Reticulum
16.07.2022, 20:52
Ich glaube nicht, dass sich unterm Strich deine Arbeitgeberin sich so richtig an deiner Arbeitsleistung bereichert- aber dafür bist du ja auch nicht da.
Was ist denn der Anreiz, einen AiW in der eigenen Praxis anzustellen, wenn das tatsächlich trotz 5.000 € Förderung im Monat ein Nullsummenspiel sein sollte? Reduzierung der eigenen Arbeitslast bei gleicher Scheinzahl?

Thomas24
16.07.2022, 22:29
Thomas, deine Fragen sind für einen AIW nicht wirklich passend. IGELn, extrabudgetäre Einnahmen, P-Patienten Quote etc kann man mit einem Angestellten Facharzt diskutieren, aber doch nicht mit einem Assistenzarzt, für den man die volle Förderung bekommt.

Andererseits soll ja beim Nachwuchs auch nicht immer gleich der Eindruck aufkommen, dass sich ein AG auf Kosten des AiW massiv bereichert- dem ist ja in den meisten Fällen nicht so.

DrSkywalker
17.07.2022, 04:53
Das stimmt. Manchmal vergessen die Äiws zum einen welche Leistungen in der Vergangenheit nötig waren um überhaupt in der Situation sein zu können jemanden anzustellen. Anderseits wird auch nicht unbedingt gesehen welche Aufgaben und Verantwortung der Praxisinhaber hat, die dem AIW erspart bleiben.

Allerdings gibt es einfach immer wieder Inhaber, die Angestellte einfach nur als billige Arbeitskraft sehen. Und dann gibt's noch Angestellte, die keine Leistung bringen, ständig Forderungen stellen und schlimmstenfalls noch Unruhe stiften. Beides nicht gut.

Qooky
17.07.2022, 05:35
Schonmal vielen Dank für alle Antworten! Okay, ich verstehe nur die Hälfte. Mir ist natürlich vollkommen klar, dass ich mich um einen Haufen Mist nicht kümmern muss, und da bin ich auch sehr froh drum. Aber ich habe schon den Eindruck, dass man sich auf meine Kosten bereichert. Zb wird meine Sprechstunde immer brechend voll gepackt, wenn bei mir noch Termine frei sind, oder jemand wegen COVID absagt, dann wird gleich in die Lücke ein Pat. Von der Chefin reingeschoben, die ist dann oft gar nicht da oder nur für 2h. Auch dass man sich mich nicht leisten kann, obwohl sie sich selbst 12 Wochen Urlaub im Jahr rauslässt ist doch komisch. Auch wenn ich mit Begriffen wie p-patientenquote nix anfangen kann ist doch die Differenz zwischen 5000 Förderung und 5800 Bruttogehalt Grade mal 800€ und klar, dabei bleibt's nicht, sind ja noch Sozialversicherung usw zu zahlen. Ob man wegen mir eine MFA eingestellt hat? Also keine Ahnung, da ich aber die Hauptsprechstunde mache vermutl. ja. Die MFAs beschweren sich übrigens auch ständig, dass sie viel zu knapp geplant sind und es in anderen Praxen wohl nen ganz anderen Verteilungsschlüssel gäbe. Aber mir fehlt halt einfach der Vergleich... Da kann ich einfach nicht mitreden, deshalb hier meine bitte um eure Einschätzung 😆😆

DrSkywalker
17.07.2022, 05:38
Dann kündige dort, deine Chefin macht es sich schon sehr einfach. Du findest sicher was besseres. Mehr teaching, weniger Druck, ein besseres Gefühl...

Endoplasmatisches Reticulum
17.07.2022, 08:42
Man kann es sich immer zurecht rechnen. Rational betrachtet erfolgt die Anstellung einer ÄiW in der eigenen Praxis immer zur Bereicherung. Andernfalls würde die Einstellung nicht erfolgen.

Bloßes Bilanzieren unterschlägt z.B. die Bereicherung in Form von Arbeitsdekompression oder vermehrter Freizeit für den Praxisinhaber. Wenn dieser z.B. durch die angestellte Ärztin mehr Freizeit genießt, entstehen hierdurch - gemessen am Einkommen des Inhabers - hohe Opportunitätskosten. Die muss man fairerweise in der Kalkulation der ÄiW zurechnen, wenn man ihr im Umkehrschluss z.B. eine zusätzliche MFA (die garantiert nicht exklusiv nur der ÄiW zuarbeitet und sonst keinen Mehrwert schafft) gegenrechnet.

Zu sagen, an der ÄiW findet keine Bereicherung statt hat schon etwas arg zynisches. Bzw. es erinnert entfernt an Chefärzte in der Klinik, die meinen, Weiterbildungsassistenten sollten doch eigentlich für ihre Ausbildung zahlen anstatt saftig zu kassieren ...

Anne1970
17.07.2022, 09:42
Die Weiterbildungsermächtigung (und auch die KV-Förderung) ist an Kriterien gebunden, die hier nicht erfüllt zu sein scheinen. Weiterbildung ist an die Anwesenheit des/der Ermächtigten gebunden. Urlaubsvertretung/ Abwesenheit der Chefin geht da schon mal gar nicht. Das klingt für mich danach, das dringend von der zuständigen LÄK überprüfen zu lassen.
Wenn keine WB stattfindet, kann die Zeit genau genommen nicht als WB-Zeit anerkannt werden.
Dann ist da noch eine andere Sache: wenn der/die TE einen Fehler macht (z.B. falsches Medikament/Übersehen des „abwendbar gefährlichen Verlauf“) haftet nicht nur die Chefin sondern auch der Weiterzubildende: Stichwort „Übernahme-Verschulden“.
Man kann m.E. nur raten: weg da und verhindern, dass andere in diese Falle laufen.

denkstdu
17.07.2022, 10:28
Nichts desto trotz finde ich 5800 Euro für einen AiW ambulant wirklich schon sehr gut bezahlt.Wenn ich überlege für wieviel ich vor 8 Jahren ambulant gearbeitet habe, weil die Förderung da noch deutlich niedriger war...

DrSkywalker
17.07.2022, 11:32
Nichts desto trotz finde ich 5800 Euro für einen AiW ambulant wirklich schon sehr gut bezahlt.Wenn ich überlege für wieviel ich vor 8 Jahren ambulant gearbeitet habe, weil die Förderung da noch deutlich niedriger war...
Vorsicht, die jungen Kolleginnen und Kollegen werden dir gleich vorwerfen vom Krieg zu erzählen ;)

Qooky
17.07.2022, 11:34
Also das Gehalt ist schon ok, es sind eher die Bedingungen die mich stören, die fehlende Weiterbildung, der immer größer werdende Druck, die fehlende Kollegialität usw. Aber was ich hier so raushöre, habe ich offensichtlich schon Verhandlungsgrundlage, bzw. Finde anderswo zu ähnlichen Konditionen ein Besseres Umfeld? Darum ging's mir, wollte einordnen ob ich unrealistische Vorstellungen habe was ich erwarten kann. Oder sind meine Ansprüche einfach zu hoch?

Speranza100
17.07.2022, 11:51
Hallo Qooky, ich kenn das Gefühl zu gut was du beschreibst. Schau dich um und guck sehr genau was die neue Praxis bietet, da war ich auch nicht geübt drin, welche Fragen man stellen sollte im ambulanten Rahmen. (Beispiel wie werden die Hausbesuche aufgeteilt, wie viele Tage ist der Arbeitgeber anwesend in der Woche) Ich hatte auch die Hoffnung dass man eben genau WEGEN der Förderung eine andere Form der Weiterbildung bekommt, weil ich diese als Luxus betrachte, Eigenständigkeit und auch zügiges Arbeiten ist nicht mein Problem. Wurde aber aktuell eines Besseren belehrt.
Es gibt (glaube ich...) andere Praxen, es gibt aber auch genug, die so laufen wie deine. Spreche aus Erfahrung und bin zum aktuellen Zeitpunkt auch einfach nur froh wenn meine ambulante Zeit rum ist, auch wenn mir die Arbeit an sich mit den Patienten sehr viel Spaß macht, die hohe Taktung brennt mich aus und das ständige nur zu Zweit Arbeiten auf 3 Kassensitzen. Das ständige Gefühl in der Schuld zu stehen kenne ich, obwohl rational eigentlich alles dagegen spricht. Kennst du JADE? Und gibt es bei dir ggf auch einen regionalen JADE Verbund wo du nach Praxen fragen kannst mit denen gute Erfahrungen gemacht worden sind?
Viele Grüße

Qooky
18.07.2022, 10:03
Vielen Dank speranza, Jade kannte ich nicht, da ich aber nicht in der allgemeinmed. Weiterbildung bin, bringt mir das auch leider nichts. Vermutl. Werde ich mich sorgfältig umschauen und neu orientieren müssen, ich hab einfach wenig Lust mehr auf dieses Dasein als billige Arbeitskraft ohne davon entweder inhaltlich noch finanziell zu profitieren. Aber ich denke jetzt dass ich auch optimistisch sein kann das zu verändern! Vielen Dank allen für eure Meinungen!

Holthusen
18.07.2022, 16:53
Die Weiterbildungsermächtigung (und auch die KV-Förderung) ist an Kriterien gebunden, die hier nicht erfüllt zu sein scheinen. Weiterbildung ist an die Anwesenheit des/der Ermächtigten gebunden. Urlaubsvertretung/ Abwesenheit der Chefin geht da schon mal gar nicht.

Ich bin zwar angestellter Facharzt im MVZ, aber der Chef stellt auch gerne AIW bei uns ein. Gehalt ca . 5000-6000k. Er hat die Weiterbildungsermächtigung natürlich.
Er nimmt die kompletten Schulferien Urlaub (weil er mit 50 nochmals Kinder wollte). Sprich 12 Wochen+ X . X sind dann noch so lange Wochenenden und ein paar Tage länger im Urlaub geblieben. Ist das mit Weiterbildung vereinbar?

Tja MVZ Geschäftsführer müsste man sein...

Und natürlich stellt niemand AIW aus Barmherzigkeit ein. Kein Arbeitgeber macht das. Anscheinend halten manche Forum-Mitglieder das Publikum hier für vollkommen naiv und beeinflussbar.
Klar gibt's da einen Benefit (ungeliebte Arbeiten erledigen, unbeliebt Arbeitszeiten, oder wie hier im Urlaub für Stellung halten, mehr Patienten können behandelt werden...).
Und wenn der AIW nicht in die Einrichtung passt, wird er rausgeworfen. Dafür gibt's die Probezeit und auch danach Mittel und Möglichkeiten.