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pilsatorplatin
14.12.2022, 18:38
Hallo zusammen,
ich brauche eine Grundlage für meine Gehaltsverhandlung als Facharzt an einer Privatklinik für Psychiatrie. Es gibt keinen Tarifvertrag, die Gehälter können komplett frei verhandelt werden.
Ich wollte mich dazu erstmal an einem Tarifvertrag orientieren (z.B. eines privaten Klinikträgers wie Helios / Asklepios).
Nach aktuellem Stand scheinen die Konditionen im Helios-Tarifvertrag am besten zu sein (bezieht sich nur auf die Höhe der Gehälter in den Gehaltsstufen). Allerdings ist ja bei allen Tarifverträgen aktuell mit einer Neuanpassung für 2023 zu rechnen und unter Umständen auch deutlichen Erhöhung aufgrund der hohen Inflation.
Ich will mir jetzt kein Eigentor schießen, wenn ich eine Orientierung am Tarifvertrag xy fordere und noch gar nicht weiß, wie der Anfang nächsten Jahres aussehen wird.
Ich kann auch nicht gut Einschätzen um wieviel % die jeweiligen Entgeldtabellen steigen werden.
Gibt es dazu schon Einschätzungen? Wann kann man denn damit rechnen, dass die neuen Tarifverträge für 2023 veröffentlicht werden?
Vielen Dank

davo
14.12.2022, 18:46
Du kannst (und solltest) ja einfach sagen, dass die weiteren Gehaltserhöhungen analog zur Gehaltsentwicklung des jeweiligen Tarifvertrags verlaufen sollen.

Nefazodon
14.12.2022, 18:51
Du kannst (und solltest) ja einfach sagen, dass die weiteren Gehaltserhöhungen analog zur Gehaltsentwicklung des jeweiligen Tarifvertrags verlaufen sollen.

Ich hatte es so verstanden, dass der TE genau das vorhat:


Ich will mir jetzt kein Eigentor schießen, wenn ich eine Orientierung am Tarifvertrag xy fordere und noch gar nicht weiß, wie der Anfang nächsten Jahres aussehen wird.

Die Frage ist aber, welcher Vertrag da in Zukunft am besten ist um sich dran anzulehnen...ich finde, das ist eine gute Frage.

AT könnte man vielleicht noch ganz andere Sachen raushandeln, je nachdem, wie groß die Personalnot ist...
Ich kann nur von einer Freundin berichten, die nach dem Facharzt in eine Praxis gegangen ist (allerdings anderes Fach, kein FA für Psychiatrie). Erster Vertrag noch (volles) Facharztgehalt bei reduzierter Stundenzahl. Zweite Stelle nach einem Jahr Erfahrung volles Oberarztgehalt bei reduzierter Stundenzahl.

Also...da kann schon einiges drin sein, und man sollte den eigenen Wert nicht unterschätzen.

Vielleicht können da User wie rafiki oder morgoth noch mehr zu sagen....

rafiki
14.12.2022, 18:53
Je nach Erfahrung und Zusatzqualifikationen kann man ca. 10-50% über die jeweilige Tarifeinordnung gehen. Oft wird ein Teil des Gehaltes variabel gehalten, je nach Leistung, Zielvereinbarung, Unternehmensentwicklung.

Züschata
15.12.2022, 11:21
Ich kenne tatsächlich einen Kollegen, der direkt nach dem FA leitender Oberarzt in einer privaten psychosomatischen Rehaklinik wurde. Fachlich und menschlich überhaupt nicht vorstellbar, aber die Not scheint womöglich groß zu sein. Lohnt sich das grundsätzlich, in solchen Kliniken zu arbeiten?

@rafiki: Was wären denn deiner Meinung nach wertvolle Erfahrungen bzw. Zusatzqualifikationen, die sich in einer Höhervergütung übersetzen? Man kann ja doch recht viel machen, und so eine Privatklinik möchte sich sicher auch offiziell etwas auf die Fahne schreiben können. Bei vielen Zusatzqualifikationen hat man jedoch das Gefühl, dass die Anforderungen total den Rahmen sprengen, z.B. zertifizierter DBT-Trainer zu werden oder das ein oder andere Traumacurriculum zu absolvieren. Was würdest du vielleicht auch konkret empfehlen, das man als fortgeschrittener Assistent oder FA sinnvollerweise verfolgen könnte?

rafiki
15.12.2022, 12:49
I
@rafiki: Was wären denn deiner Meinung nach wertvolle Erfahrungen bzw. Zusatzqualifikationen, die sich in einer Höhervergütung übersetzen? Man kann ja doch recht viel machen, und so eine Privatklinik möchte sich sicher auch offiziell etwas auf die Fahne schreiben können. Bei vielen Zusatzqualifikationen hat man jedoch das Gefühl, dass die Anforderungen total den Rahmen sprengen, z.B. zertifizierter DBT-Trainer zu werden oder das ein oder andere Traumacurriculum zu absolvieren. Was würdest du vielleicht auch konkret empfehlen, das man als fortgeschrittener Assistent oder FA sinnvollerweise verfolgen könnte?

Erfahrung bedeutet schlicht und einfach Berufserfahrung, möglichst breit aufgestellt, d. h. öffentliche und private Medizin, stationäre, teilstationäre und ambulante Medizin, möglichst viel davon in verantwortlicher/leitender Position.
Beispiele für Zusatzqualifikationen: Doppelfacharzt jeglicher Art, mehrere abgeschlossene Psychotherapieverfahren zusätzlich zum Grundverfahren, z. B. Traumatherapie, Hypnotherapie, Logotherapie. Außerdem Weiterbildungen in Ernährungsmedizin, Schlafmedizin, Sportmedizin, Naturheilverfahren. Eine wirtschaftswissenschaftliche Qualifikation ist auch nicht schlecht.
Das sind natürlich enorme Investitionen und es braucht viel Zeit zum Erlernen. Das heißt also, dass man nicht sofort ab Facharzt sehr große Summen verlangen kann. Wenn man zu früh in solche Bereiche geht, dann ist die Gefahr, Schaden anzurichten, groß; ebenso auch, schnell "entsorgt" zu werden, wenn man es nicht packt. Von solchen Unternehmen, die einen Frischfacharzt zur Leitung machen wollen, sollte man tunlichst die Finger lassen.
Selbstbewusst auftreten und fordern gegenüber Geschäftsführern kann man eben erst wirklich, wenn man richtig was zu bieten hat.
Vorsicht vor: "das ein oder andere Traumacurriculum". Eine qualifizierte Traumaweiterbildung, anerkannt von der DeGPT ist sehr umfangreich und aufwendig. Mit ein paar EMDR-Kursen kann man Pat. nicht adäquat behandeln.
Als fortgeschrittener Assistent habe ich mich damals erstmal umgeschaut, was es alles so gibt (z. B. auf einem der großen PT-Kongresse, z. B. Lindau) und nebenher ein Aufbaustudium begonnen. Ansonsten ist man ja als Assistenzarzt ganz gut beschäftigt. Ab FA hat man gute Möglichkeiten: Sich dort anstellen lassen, wo man seine Fortbildungen gut ausleben kann, örtlich und geistig flexibel bleiben. Und das Wichtigste: immer für gute Supervision und Selbsterfahrung sorgen, das beginnt erst richtig ab Facharzt.

Nefazodon
15.12.2022, 13:17
@rafiki: Du hast natürlich Recht, dass es für eine gute Ausbildung und zur guten Behandlung der Patienten nicht ausreicht "mal den einen oder anderen Kurs" zu belegen.

Dennoch glaube ich, dass man in Verhandlungen nicht unbedingt tief stapeln muss nur weil man noch keine 10+ Jahre Arbeitserfahrung nach dem FA hat.

Ich finde auch, dass es unheimlich demotivierend sein kann, zu hören, dass es so lange dauern kann, bis man etwas richtig kann.
Und ich frage mich, ob es wirklich so sein muss, oder ob es zum Teil nur deine persönlichen Ansprüche sind (die dir natürlich zustehen-keine Wertung).

Du solltest aber auch bedenken: Gerade in den sprechenden Fächern gibt es eine massive Versorgungslücke. Die Leute finden einfach keinen Psychiater, zeitnah, obwohl sie einen bräuchten. Das nehme ich hier zumindest so wahr.
Dann ist es immer noch besser, jemand hat ein paar Kurse belegt, als gar keine, auch wenn es dann vielleicht zu einem voll zertifizierten Therapeuten (für Traumatherapie oder was auch immer) noch fehlt.
Meine Meinung

pilsatorplatin
15.12.2022, 13:21
Vielen Dank für eure Antworten!
rafiki du machst mir einen sehr engagierten Eindruck und scheinst bereit zu sein viel Input für deine berufliche Qualifikation zu leisten (keine Wertung, nur meine Feststellung aufgrund deines Beitrages).
Aus meiner Erfahrung ist die Stellensituation im Bereich Psychiatrie/Psychosomatik so angespannt (zumindest regional) , dass die ganzen genannten Qualifikationen gar nicht nötig sind, um eine gute Verhandlungsposition zu haben. Ich sage nicht, dass das gut ist, aber es ist aus meiner Erfahrung einfach die Realität. Wenn man also einen FA hat und im persönlichen Kontakt nicht völlig Banane rüberkommt und die deutsche Sprache gut beherrscht, habe ich den Eindruck, dass man sich vor Oberarztstellen schon kaum retten kann, auch wenn man das nicht Mal unbedingt anstrebt (Stichwort: mehr Erfahrung sammeln).
Ob das jetzt inhaltlich sinnvoll ist, sei mal dahingestellt. Sicher kann man noch mehr rausschlagen, wenn man über die genannten Zusatzkompetenzen verfügt, aber für eine OA Stelle (auch mit übertariflicher Bezahlung) brauchts das meiner Einschätzung nach aktuell nicht.

pilsatorplatin
15.12.2022, 13:28
Btw. bevor wir hier völlig abdriften, falls noch jemand Antworten auf meine Fragen aus dem Eröffnungspost bzgl. wann ist mit den neuen Tarifverträgen zu rechnen und welchen würdet ihr als Grundlage für die Verhandlung wählen? hat: gerne her damit :).

Züschata
15.12.2022, 13:38
@rafiki: War ungelenk formuliert. Ich habe tatsächlich explizit an dieses Curriculum gedacht. Das kann man aber eben nicht nebenher machen, sondern braucht eigentlich einen Zugang zu vielen Traumapatienten. Ich stelle mir vor, dass man damit aber einen riesigen Teil seiner beruflichen Ressourcen darauf verengt, wodurch es für mich schon kaum machbar (und sinnvoll) erscheint. Wie bei der DBT Ausbildung hat es für mich auch einen leicht kommerziell-bindenden Duft.

Ich würde mich was das Tiefstapeln anbelangt auch den beiden anderen anschließen wollen, wenngleich ich natürlich (noch) nicht die Erfahrung einer Verhandlung machen konnte. Gefühlt gibt es kaum noch psychiatrische WBAs. In unserer Klinik halten wir uns mit Neurologen über Wasser. Angestellte Fachärzte gibt es bis auf in der Ambulanz keine. Ob das so sein soll? Oberarztstellen werden hingegen schnell besetzt. Attraktiv finde ich das jedoch nicht. Warum sollte ich als frischer FA, der nicht als Oberarzt arbeitet, aufgrund der Mangellange nicht mindestens mal die höchste FA Stufe (also nach 12 Jahren) fordern können?

rafiki
15.12.2022, 13:59
Vielen Dank für eure Antworten!
Aus meiner Erfahrung ist die Stellensituation im Bereich Psychiatrie/Psychosomatik so angespannt (zumindest regional) , dass die ganzen genannten Qualifikationen gar nicht nötig sind, um eine gute Verhandlungsposition zu haben. Ich sage nicht, dass das gut ist, aber es ist aus meiner Erfahrung einfach die Realität. Wenn man also einen FA hat und im persönlichen Kontakt nicht völlig Banane rüberkommt und die deutsche Sprache gut beherrscht, habe ich den Eindruck, dass man sich vor Oberarztstellen schon kaum retten kann, auch wenn man das nicht Mal unbedingt anstrebt (Stichwort: mehr Erfahrung sammeln).


Das ist selbstverständlich richtig, allerdings bedeutet das dann erstmal Tarifgehalt bzw. etwas darüber. Wir sprachen hier aber über Privatmedizin, wo man Gehälter erzielen kann, die weit darüber liegen.
Zum anderen ist es natürlich nicht verboten, sich trotz der massenhaften Angebote an OA-Stellen beruflich zu qualifizieren, schlicht aus Interesse, war bei mir jedenfalls so.

@Züschata: Bzgl. Traumapatienten: Davon gibt es sehr viele, egal ob ambulant, stationär, psychiatrisch oder psychosomatisch. Sie werden oftmals noch übersehen, fehl- und unterdiagnostiziert und entsprechend mangelhaft behandelt. Da bräuchte es viel mehr Expertise in wirklich "sprechender Medizin", die ja Psychiater kaum erlernen. Was nützen viele auf den Markt geworfene Fachärzte, die schnell Karriere machen können, aber wenig von der Materie verstehen. Das ist eine Scheinlösung der Unterversorgung und nicht gerade hilfreich in Beziehung zu den mittlerweile grundständig universitär ausgebildeten Psychotherapeuten (was genauso Unsinn ist) oder mit den vielen wenig qualifizierten Psychotherapeuten anderer Provenienz, sei es fachfremde Mediziner, Heilpraktiker oder sonstwer.

Traumatherapie würde ich nie als einzige Spezialiisierung machen, u. a. weil das ungesund wäre, sich der eigene Blick verengt und Kapazitäten für andere Bereiche fehlen würden. Aber ohne zumindest traumatherapeutisches Wissen, kommt man in vielen Bereichen nicht sehr weit. Berufsgenossenschaften haben einen Grund, warum sie das so gut honorieren.

Lakemond
16.12.2022, 10:58
Was verstehts du unter "Privatklinik"?

rafiki
16.12.2022, 11:13
Was verstehts du unter "Privatklinik"?

Das sind meist kleinere Unternehmen mit nur wenigen Kliniken, ausschließlich für Privatversicherte und Selbstzahler, im geringen Maße übernehmen auch Kassen die Kosten, zumindest die TKK.

Lakemond
16.12.2022, 14:45
So verstehe ich es auch. Aber warum soll man sich dann an einem Tarifvertrag von Helios orientieren?

PsychoFan
17.12.2022, 09:46
So verstehe ich es auch. Aber warum soll man sich dann an einem Tarifvertrag von Helios orientieren?

Aus demselben Grund, weshalb viele Sklaven nach Abschaffung der Sklaverei bei ihren ursprünglichen Besitzern blieben.

Unter deutschen Ärzt*innen scheint die Sklavenmentalität weit verbreitet zu sein. Die Angst vor Veränderung ist in dieser Gesellschaft enorm.

Muß man, denke ich, akzeptieren.

Thomas24
17.12.2022, 12:05
Aus demselben Grund, weshalb viele Sklaven nach Abschaffung der Sklaverei bei ihren ursprünglichen Besitzern blieben.

Unter deutschen Ärzt*innen scheint die Sklavenmentalität weit verbreitet zu sein. Die Angst vor Veränderung ist in dieser Gesellschaft enorm.

Muß man, denke ich, akzeptieren.

Ist das dieses "wertschätzendes akzeptieren" von dem man so viel hört :-oopss

Colourful
18.12.2022, 08:28
Ja, Helios. Ich habe gestern wieder so tolle Dinge darüber gehört. Eine Freundin hat da gekündigt und wir haben wieder gedacht, wie gut unser Arbeitgeber noch eigentlich ist, auch, wenn wir auch dauernd meckern.

PsychoFan
18.12.2022, 11:54
Ist das dieses "wertschätzendes akzeptieren" von dem man so viel hört :-oopss

Akzeptieren ja. Wertschätzung -> keine Wertschätzung für Lohndumping.

Seit dem 3. Weiterbildungsjahr werde ich außertariflich bezahlt. Ich lasse mich nicht durch Marburger Bund etc. veräppeln. Ich akzeptiere zwar, daß es in dieser Gesellschaft Menschen gibt, die damit ihr tägliches Brot verdienen, anderen Menschen Mist als Gold zu verkaufen. Aber wertschätzen tue ich sie nicht.

pilsatorplatin
18.12.2022, 15:17
Aus demselben Grund, weshalb viele Sklaven nach Abschaffung der Sklaverei bei ihren ursprünglichen Besitzern blieben.

Unter deutschen Ärzt*innen scheint die Sklavenmentalität weit verbreitet zu sein. Die Angst vor Veränderung ist in dieser Gesellschaft enorm.

Muß man, denke ich, akzeptieren.

Ich finde den Bezug zur Sklaverei weder witzig, noch hilfreich irgendein Argument zu verdeutlichen.

Helios steht halt als ein Beispiel für einen Tarifvertrag des größten privaten Klinikträgers in Deutschland. Noch dazu scheint es der mit den höchsten Gehaltsstufen zu sein. Und orientieren bedeutet ja nicht 1:1 das gleiche zu fordern, sondern z.B. Helios + xx%.

Kaas
19.12.2022, 22:47
Seit dem 3. Weiterbildungsjahr werde ich außertariflich bezahlt. Ich lasse mich nicht durch Marburger Bund etc. veräppeln.

Hier im Forum wird ja immer wieder suggeriert, dass man eigentlich selbst Schuld ist, wenn man für ein Tarifgehalt arbeitet als Arzt. Die Möglichkeit, ein übertarifliches Gehalt für sich durchzusetzen, hängt aber primär mit zwei Dingen zusammen, nämlich a) der Bewerbersituation und vor allem b) wieviel monetärer Schaden für den Arbeitgeber entsteht, wenn eine Stelle nicht besetzt wird. Ich arbeite in der Psychiatrie in einer beliebten deutschen Metropole mit Uniklinik. Hier gibt es niemanden auf Assistenzarztlevel, weder in irgendeiner Klinik noch in den Praxen, der ein übertarifliches Gehalt aushandeln könnte. Selbst auf Facharztniveau ist das kaum möglich. In der brandenburgischen Pampa arbeitet ein Kumpel von mir 3 Tage die Woche in der Psychiatrie für 5000 netto/Monat ohne Dienste. Kommt halt immer auf die Umstände an.