PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Facharzt-Weiterbildung Innere vs. Innere mit Schwerpunkt



Seiten : [1] 2

medimass
26.01.2023, 21:35
Hallo, weiß hier jemand, inwiefern es möglich ist, nach Absolvieren eines FA für Innere mit Schwerpunkt (z.B. Innere Med und Kardiologie, 6 Jahre) einen "Allgemein-Internisten", der ja sonst 5 Jahre dauert, zu machen? Verlängert sich dann die Weiterbildung nur um 2 Jahre? Ist das überhaupt möglich?

Welche Hürden kann es ansonsten geben, wenn man zunächst einen FA Innere mit Schwerpunkt beginnt und später aber doch als Hausarzt tätig sein will?

Bonnerin
26.01.2023, 21:49
Wenn du später als Hausarzt tätig sein willst, warum denn überhaupt mehr als 1-2 Jahre Innere? Da wäre doch Allgemeinmedizin viel passender...

medimass
26.01.2023, 22:05
Ich weiß noch nicht, ob ich das später will, möchte mir nur mit Beginn einer Weiterbildungsstelle mit Schwerpunkt nicht gleich verbauen, das später ggf. doch noch in Erwägung zu ziehen. Wobei ich mir bei dem Schwerpunkt ziemlich sicher bin, aber man weiß ja nie.

Pflaume
26.01.2023, 22:14
Der allgemeine FA Innere hat ausgedient. Der ist inzwischen vollkommener Quatsch. Fachärztliche Niederlassungen für Internisten gibts quasi nicht mehr. Man weiß nie, was die Zukunft bringt. Aber der FA Innere ist aktuell einfach nichts wert.

Ziel Hausarzt werden: Sich 1 bis 2 Jahre Innere geben und dann dem Moloch Lebewohl sagen, Vielleicht noch ein bißchen Psychosomatik, Chirurgie oder Geriatrie, dann ab in die Praxis als Allgemeinmediziner, nicht als Internist. Alles andere steht vom Aufwand her in keinem sinnvollen Verhältnis zum Ertrag.

Ziel Facharzt mit Schwerpunkt werden: In meinen Augen derzeit auch nicht mehr sinnvoll, aber das muß jeder entscheiden. Man muß sich bewußt sein, dass die FA-Weiterbildung Innere durch die Pandemie und die Verkürzung der Pflichtzeiten Innere für die Allgemeinmedizin wahnsinnig gelitten hat. In den internistischen Abteilungen ist der Anteil der WBA Allgemeinmedizin stark gestiegen - weil sich Innere eben nicht mehr lohnt. Die paar Leute, die man, weil sie trotz allem einen internistischen Facharzt machen wollen, noch in der Klinik halten kann, setzt man noch mehr als früher ein, um die Stationen organisiert zu halten, vor allem die Intensivstation. Wer in der FA-Ausbildung Innere (egal ob mit oder ohne Schwerpunkt) ist, wird die gesamte Weiterbildungszeit garantiert nicht komplett von Intensiv runterkommen, sondern in dem Bereich verheizt werden, mindestens als Einspringer. Ausnahmen gibt es nur, wenn man mit den richtigen Leuten schläft oder aus anderen Gründen beim Chef einen Stein im Brett hat.

Ich kann gar nicht in Worten ausdrücken, wie sehr ich davon abraten würde, den allgemeinen Internisten zu machen. Entweder Internist mit Schwerpunkt, dann für 6-8 Jahre das eigene Leben komplett abschreiben, zum Chef immer nett sein, radikal und skrupellos alles daran setzen, weitergebildet zu werden, und hoffen, dass es sich am Ende gelohnt hat und man nach 10 Jahren statt im burnout irgendwo in einer gutlaufenden Praxis sitzt mit viel Geld und entspannter Arbeit. Oder schauen, dass man 1 Jahr Innere irgendwo absolviert und in die Hausarzt-Medizin abhaut. Alles andere ist in meinen Augen komplett bescheuert. Facharzt Innere war vor 10 Jahren schon hart. Aber wenn ich mir anschaue, was heute in den internistischen Abteilungen der Kliniken, zu denen ich noch Kontakte habe, abgeht, packt mich das kalte Grauen. Da hängen Leute seit 4 Jahren auf der Intensiv rum mit dem Versprechen, dass sie danach aber ganz bestimmt irgendwann in die Funktion dürfen. Selbst die Chefs sagen ganz offen, dass sie eigentlich nur hoffen, dass genügend im Ausland ausgebildete Ärzte kommen, die weniger schnell kündigen. Man muß sich bewußt sein: Sämtliche Kliniken kriegen ihre Intensivstationen nicht mehr besetzt. Das führt dazu, dass man - neben Anästhesisten - die paar Leute, die noch FA innere machen wollen, auf der Intensiv verheizt. So lange, bis sie eben irgendwann gehen.

Falls du tatsächlich zu der Entscheidung kommst, den Internisten ohne Schwerpunkt machen zu wollen, so wirst du keine Probleme haben, aus der Schwerpunkt-Weiterbildung genügend Sachen zusammen zu haben, um den allgemeinen Internisten zu machen. Nach drei Jahren siehst du ja, wie der Hase läuft (hoffentlich). Bis dahin wird einem ja sowieso alles für alles anerkannt, was noch irgendwie mit Innere zu tun hat. Aber ich würde es ganz generell nicht machen.

Ich habe in den letzten Jahren etliche Leute erlebt, die FA Innere in welcher Form auch immer machen wollten und dann nach vier bis fünf Jahren Selbstkasteiung doch noch hingeworfen und sich umentschieden haben statt den FA fertig zu machen. Und ich habe auch genug Leute erlebt, die sogar noch einen Schwerpunkt gemacht haben und sich dann doch als Hausarzt niedergelassen haben. Weil sie auf absehbare Zeit sowieso keinen Facharzt-Sitz in ihrem Schwerpunkt bekommen werden.

Trendafil
26.01.2023, 23:03
Spannende Sicht von Pflaume. Hier in Österreich ist es nicht ganz so dramatisch, aber auch nicht gut.
An lehrreiche Rotationen oder gar Funktion kommt man hier als Internist nur ran, wenn man sich wie auch immer etabliert hat und Vorgesetzte hat, die einen gern in der Abteilung hätten.
Nadelöhr ist hier eher die ZNA. An eine Intensivrotation kommt man sogar relativ schwer ran. ZNA "darf" man hingegen auch als blutiger Anfänger ohne Ahnung von irgendwas.

Aber zum Thema: ich würde auch vom allgemeininternisten abraten. es ist eine weiterbildung die im endeffekt künstlich in die länge gezogen wird um die Assistenten in unliebsame Abteilungen abzuturfen um dort den personalmangel auszugleichen. die wahrscheinlichkeit schneller (oder überhaupt) in die funktion zu kommen ist ungemein höher wenn man sich bereits im schwerpunktfach befindet.
unsere allgemeininternisten hocken alle nase lang in der ZNA oder akutaufnahme. in einen funktionsbereich - außer mal ne ERCP spritzen oder was im Herzkatheterlabor anreichen - ist noch keiner rotiert.
unsere schwerpunktinternisten werden aber nach der grundausbildung schon richtung funktion ausgebildet.

insgesamt ist innere aber leider sehr verkommen in sachen ausbildung und work life balance. daher, wenn du ein fach mit niederlassung anstrebst, würde ich tatsächlich eher zur allgemeinmedizin tendieren

nappy
27.01.2023, 06:29
Ich teile Pflaumes Ansicht zu 100% - war für mich auch der Grund nach ein paar Jahren mit dem Ziel Facharzt für Innere umzusatteln auf …… Allgemeinmedizin.

Die KV ist zwar auch nicht der der Traumarbeitgeber als Perspektive aber immerhin schläfst du nachts im eigenen Bett

Mr. Pink online
27.01.2023, 11:09
Eine etwas einseitige Sichtweise finde ich.
Für diejenigen, die eine Karriere in der Klinik anstreben, kann es sehr wohl ein Vorteil sein den "normalen" Internisten zu machen und darauf dann die Spezialisierung. Den Internisten kriegt man nämlich ziemlich zuverlässig nach 60 Monaten und ist dann direkt in der höheren Tarif-Gruppe und sammelt bereits wieder Zeit für die nächste Höherstufung. Den "Facharzt für Innere Medizin und XY" kann man frühestens nach 72 Monaten machen und das klappt in der Regel eh nicht. Realistisch sind eher 7-8 Jahre, auch wenn die Abteilung sich bemüht. Und viel weniger Intensivzeit feiert man erfahrungsgemäß auch nicht ab.

Außerdem erkennen doch die meisten Ärztekammern pauschal Zeiten an für die zweite Weiterbildung. Also in der Regel kommt man insgesamt auch nur auf 5+3 Jahre.

medimass
27.01.2023, 11:15
Danke für eure interessanten Beiträge. Meine Frage zielt v.a. eher darauf ab, ob man als fertiger Internist mit Spezialisierung (6 Jahre) noch x Jahre dranhängen kann, um am Ende doch den allgemeinen Internisten zu ergänzen. Normalerweise macht man das ja andersherum (5 Jahre Internist + 3 Jahre Spezialisierung). Ich wollte aber mit einem spezialisierten Internisten anfangen und wissen, ob man am Ende den allgemeinen Internisten noch ergänzen kann, falls man das möchte. Dass ich die Weiterbildung in der Inneren machen will, steht schon fest. Die Niederlassung als Hausarzt ist noch nicht wirklich geplant, es wäre aber natürlich gut, später die Möglichkeit zu haben (was als spezialisierter Internist ohne allgemeinen Internisten ja nicht geht).

medimass
27.01.2023, 11:18
Ob das Sinn ergibt oder man so lange in der Facharztausbildung sein will ist wieder was anderes - will aktuell nur wissen, welche Wege ich mir verbauen könnte, wenn ich mit einem spezialisierten Internisten und nicht mit einem allgemeinen Internisten beginne.

Nefazodon
27.01.2023, 12:14
@medimass: Aber warum solltest Du noch den allgemeinen Internisten machen wollen, wenn Du schon den Internisten mit Spezialisierung hättest?
Wenn es nur um die Möglichkeit der hausärztlichen Niederlassung geht, würde man als Internist mit Spezialisierung doch immer den Weg des Quereinstiegs nutzen, oder?

@Mr. Pink online


Außerdem erkennen doch die meisten Ärztekammern pauschal Zeiten an für die zweite Weiterbildung. Also in der Regel kommt man insgesamt auch nur auf 5+3 Jahre.

Ist es nach der neuen WBO definitiv noch so, dass Zeiten aus anderen Weiterbildungen anerkannt werden können (egal ob Facharzt oder Zusatzbezeichnungen)?

Ich hatte es so verstanden, dass es in der neuen WBO keine "versenkbaren" Zeiten mehr gibt???

Mr. Pink online
27.01.2023, 12:29
Was Zusatzbezeichnungen angeht weiß ich es nicht aber wenn man bspw. nach dem FA Innere Medizin noch den Facharzt Innere Medizin und Gastroenterologie machen will, dann können bis zu 3 Jahre der vorherigen Weiterbildung anerkannt werden. Das liegt natürlich immer in letzter Instanz bei den Ärztekammern, aber da habe ich bislang nie bei Kollegen Probleme mitbekommen.

Nefazodon
27.01.2023, 12:38
Ja, bisher....aber ist das nach der neuen WBO wirklich auch noch so?

Wäre ja auch für andere Fächerkombinationen interessant zu wissen....

(z.b für Neurologen/Psychiater, die bisher für den zweiten Facharzt auch nur 3 extra Jahre brauchten, da Zeiten angerechnet wurden)

abcd
27.01.2023, 12:41
Außerdem erkennen doch die meisten Ärztekammern pauschal Zeiten an für die zweite Weiterbildung. Also in der Regel kommt man insgesamt auch nur auf 5+3 Jahre.

Hier müsste man sich das genauer ansehen, da die neue WBO die "versenkbaren Zeiten" abgeschafft hat. Dafür seien wohl manche Weiterbildungszeiten von Schwerpunkten/Zusätzen reduziert worden.

(Hätte ich wohl den Faden erst zu Ende lesen sollen ;-), hatte direkt nach Lesen des Beitrags geantwortet)

abcd
27.01.2023, 12:58
@Nefazodon
bzgl. zweitem Facharzt ist das in der WBO (BaWü) recht schwammig formuliert (kann und im Einzelfall):
(10)
Wird eine weitere Facharztbezeichnung erworben, kann sich die festgelegte Weiterbildungszeit im Einzelfall
verkürzen, wenn abzuleistende Weiterbildungszeiten bereits im Rahmen einer anderen erworbenen
fachärztlichen Weiterbildungsbezeichnung absolviert worden sind. Die noch abzuleistende
Weiterbildungszeit darf höchstens um die Hälfte der Mindestdauer der jeweiligen Facharztweiterbildung
reduziert werden.

medimass
27.01.2023, 13:01
@medimass: Aber warum solltest Du noch den allgemeinen Internisten machen wollen, wenn Du schon den Internisten mit Spezialisierung hättest?
Wenn es nur um die Möglichkeit der hausärztlichen Niederlassung geht, würde man als Internist mit Spezialisierung doch immer den Weg des Quereinstiegs nutzen, oder?

Was genau meinst du mit Quereinstieg?

Coxy-Baby
27.01.2023, 13:50
Nach dem Facharzt Quereinstieg Allgemeinmedizin (dauert 2 Jahre, die dann halt beim Weiterbildner in der Niederlassung, wird gefördert).

Mr. Pink online
27.01.2023, 15:40
Klingt für beide Seiten nach einem guten Deal. Vor allem für den Allgemeinmediziner, der einen Weiterbildungsassistenten in seiner Praxis beschäftigt, der schon fertiger Internist ist...

hebdo
27.01.2023, 17:01
Sehr dystopische Sichtweise von Pflaume. Zustimmen kann ich hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Sinnlos sehe ich den Allgemeininternisten nicht. Ich befinde mich aktuell nach dem Fachinternisten mit Spezialisierung in der WB zum Allgemeininternisten. Man benötigt für den zweiten FA genau die Hälfte der Weiterbildungszeit - exakt 30 Monate von denen man die Hälfte auch ambulant ableisten kann (15 Monate). Da ich öfter nach Stellen schaue, sehe ich bei OA-Stellen in kleinen Häusern die Anforderung TTE, TEE und Endoskopie. Es macht prinzipiell schon Sinn den Allgemeininternisten zu machen, wenn man daran denkt in der Klinik zu bleiben.

Im ambulanten Bereich bringt der Allgemeininternist wenig, man hält sich die Option Allgemeinmedizin offen. Wenn von vornherein der Hausärztliche Bereich angestrebt wird, halte ich den FA Allgemeinmedizin mit breiten und neigungsorientierten Rotationen für besser geeignet. Eine solide internistische Ausbildung von 24 Monaten sehe ich als sehr wichtig.

Ich weiß schon, dass ich mit letzter Aussage auf viel Gegenwind stoßen werde. Aber die meisten Kollegen die ich kenne, machen den Internisten zu Ende und lernen auch das was sie möchten. Ein Zuckerschlecken ist das sicher nicht. Aber immer nur den leichtesten Weg zu gehen ist sicher auch nicht richtig.

JAK1
27.01.2023, 21:20
Du siehst den Allgemeininternisten nicht sinnlos, aber im ambulanten Bereich bringt er wenig? Das ist doch ein Widerspruch. Ich würde sagen im Krankenhaussetting bringt er noch weniger, da man dann eh noch eine Spezalisierung macht. Wirkliche Sinnhaftigkeit ist da nur gegeben, wenn man vorher nicht weiß welche Spezalisierung man machen möchte.

hebdo
28.01.2023, 07:27
Im ambulanten Bereich kann man sich als Internist quasi nur in der hausärztlichen Versorgung betätigen. Theoretisch denkbar ist aber durch Nachweis von entsprechenden Kenntnisse die Abrechnung genehmigungspflichtiger Leistungen bei der KV zu beantragen. So könnte man theoretisch als Internist auch Endoskopie, Dialyse, Echos etc. abrechnen. Aber dieser Weg ist unsicher. . Als Internist nur mit Spezialisierung kann man sich nur in seinem Fachgebiet niederlassen.

Der Internist ohne Schwerpunkt macht meiner Meinung nach nur Sinn, wenn man sich eine Niederlassung nicht vorstellen kann und eine Klinikkarriere anstrebt. Man hält sich aber den hausärztlichen Bereich als Exit-Strategie offen.

Meiner Meinung sollte man schon nach 3 Jahren internistischer Weiterbildung wissen, welche Fachrichtung man interessant findet. Und natürlich kann man noch 2 Jahre weiterbummeln um eine Entscheidung zu treffen.