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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Umgang mit säumigen Schuldnern



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Teevee
22.02.2023, 08:44
Hallo zusammen,

Ich habe jetzt zum ersten Mal seit Beginn meiner Notarzttätigkeit den Fall, dass ein „Kunde“ nach der Zahlungserinnerung immer noch nicht überwiesen hat.

Wie ist euer Umgang und eure Erfahrungen mit diesen Situationen so? Hättet ihr einen guten Tipp für eine Mustervorlage eines schärfer formulierten Mahnschreibens? Hat jemand vielleicht schon Erfahrungen mit dem gerichtlichen Mahnverfahren gemacht, wie viel das kostet und wie umständlich das ist?

Und eine weitere Frage, die sich mir da auch stellt: darf man als Notarzt (wenn nichts hilft) ein Inkasso-Unternehmen beauftragen? Eigentlich steht dem ja die ärztliche Schweigepflicht entgegen. In Arztpraxen unterschreiben Neupatienten eine Einverständniserklärung für die Datenweitergabe an Zahlungsdienstleister o.ä. Als Notarzt Kann man solche Formalitäten ja zu Beginn einer Behandlung nicht klären.

Hat vielleicht jemand schon mal probiert, persönlich noch mal zu der entsprechenden Adresse zu fahren und den Patienten in persona auf die offene Forderung hinzuweisen? Ich könnte mir vorstellen, dass das noch mal mehr Effekt hat, als ein gesichtsloses Schreiben.

Vielleicht hätten hier ja auch Leute, die nicht im Notarztdienst sondern in Praxen tätig sind, gute Tipps für diese Situationen :)

Vielen Dank für euer Feedback und eure Erfahrungen :)

Nefazodon
22.02.2023, 08:59
Hat vielleicht jemand schon mal probiert, persönlich noch mal zu der entsprechenden Adresse zu fahren und den Patienten in persona auf die offene Forderung hinzuweisen? Ich könnte mir vorstellen, dass das noch mal mehr Effekt hat, als ein gesichtsloses Schreiben.


Das erscheint mir arg übergriffig und ich würde davon abraten.

Um was für eine Forderung geht es denn da überhaupt? Was rechnest Du denn direkt mit dem Patienten ab?
Und: wie hoch genau ist diese Forderung? Lohnt sich da ein zusätzlicher Aufwand?

morgoth
22.02.2023, 09:08
Da würde ich mich auf jeden Fall vorher fachmännisch schlau machen.
Notarzttätigkeiten und dann später irgendwelche Direktabrechnungen/Inkasso finde ich ja (als Laie auf dem Gebiet) ungewöhnlich, eben weil hier die üblichen Abläufe/Behandlungsvereinbarungen wie in einer Praxis o.ä. oft nicht zutreffen.
Ansonsten s. Fragen im Vorpost.

Und bloss nicht zu irgendwelchen Leuten privat hinfahren und an Rechnungen erinnern!

Teevee
22.02.2023, 09:08
Weshalb genau würdest du davon abraten? Aus persönlichem Empfinden oder könnte es andere Nachteile hben? Es ist an sich nicht mehr oder weniger daneben, als eine Rechnung nicht zu begleichen.
Wenn es nach dem Verschicken von Briefen die günstigere und weniger aufwendigere Option verglichen mit einem Mahnverfahren ist, wäre das doch einen Versuch wert.

Auf die Frage, was direkt mit den Patienten abgerechnet wird:
Ich bin in Bayern tätig. Privatpatienten und vorläufige Todesbescheinigungen (letztere halt an die Angehörigen) werden direkt mit dem Patienten nach GOÄ abgerechnet und Ihnen eine Rechnung gestellt. Im Grunde so wie als Privatpatient in einer Praxis.

Wie hoch die Rechnungssumme ist, spielt mMn zunächst keine Rolle. Da muss man als „Selbstständiger“ für sich abwägen, ob sich ein Mehraufwand für die entsprechende Summe lohnt. Aber grundsätzlich sehe ich das so, dass ich das beruflich mache, es Teil meines Einkommens ist und ich mit Recht die mir zustehe Summe einfordern darf. Es käme auch niemand auf die Idee, den Heizungsnotdienst oder einen Kfz-Sachverständigen oder sonst wen zu beauftragen und dann die Summe nicht zu bezahlen..

Autolyse
22.02.2023, 09:39
[...]
Wie hoch die Rechnungssumme ist, spielt mMn zunächst keine Rolle. Da muss man als „Selbstständiger“ für sich abwägen, ob sich ein Mehraufwand für die entsprechende Summe lohnt. Aber grundsätzlich sehe ich das so, dass ich das beruflich mache, es Teil meines Einkommens ist und ich mit Recht die mir zustehe Summe einfordern darf. Es käme auch niemand auf die Idee, den Heizungsnotdienst oder einen Kfz-Sachverständigen oder sonst wen zu beauftragen und dann die Summe nicht zu bezahlen..
Die kämpfen genauso mit Zahlungsverzug. Leistungsdatum in der initialen Rechnung festgelegt? Dann ist ja sowieso schon Verzug eingetreten. Ansonsten steht der gerichtliche Mahnbescheid der Mahnung gleich. Das gerichtliche Mahnverfahren ist automatisiert und erfordert das korrekte Ausfüllen der Vordrucke, dass man am Besten einer Rechtsanwaltskanzlei überlässt. Inkassobuden, nun ja...

DrSkywalker
22.02.2023, 09:42
Wenn deine Forderung berechtigt ist und du wegen 150 (?) Euro + - den Aufwand auf dich nehmen willst, dann ist das hier der Weg: https://www.online-mahnantrag.de/

Thomas24
22.02.2023, 09:52
Auf welchem Weg hast du deine Rechnung übermittelt? Wir hatten schon einige Male das Problem, dass der Brief mit der Rechnung von der Post so spät beim Patienten ankam, dass das Zahlungsziel schon überschritten war. Die Zuverlässigkeit der Briefzustellung ist hier in meiner Region ein echtes Problem geworden, auch schon vor den Warnstreiks.

Teevee
22.02.2023, 09:54
Wenn deine Forderung berechtigt ist und du wegen 150 (?) Euro + - den Aufwand auf dich nehmen willst, dann ist das hier der Weg: https://www.online-mahnantrag.de/
Danke für den Tipp!

@Autolyse: Mag sein, dass der gerichtliche Mahnbescheid der selbst verfassten Mahnung offiziell gleichkommt. Nur hat so ein gerichtliches Schreiben vielleicht mehr Wirkung, da vielleicht der Eindruck entsteht, dass der gerichtliche Weg eingeschlagen wird bzw. eine höhere Eskalationsstufe bevorsteht

Teevee
22.02.2023, 09:55
Auf welchem Weg hast du deine Rechnung übermittelt? Wir hatten schon einige Male das Problem, dass der Brief mit der Rechnung von der Post so spät beim Patienten ankam, dass das Zahlungsziel schon überschritten war. Die Zuverlässigkeit der Briefzustellung ist hier in meiner Region ein echtes Problem geworden, auch schon vor den Warnstreiks.

Ich mache das immer so:
-erste Rechnung normal per Post
-zweite dann per Einwurfeinschreiben
-Zahlungserinnerung per persönlichem Einschreiben

Autolyse
22.02.2023, 11:44
@Autolyse: Mag sein, dass der gerichtliche Mahnbescheid der selbst verfassten Mahnung offiziell gleichkommt. Nur hat so ein gerichtliches Schreiben vielleicht mehr Wirkung, da vielleicht der Eindruck entsteht, dass der gerichtliche Weg eingeschlagen wird bzw. eine höhere Eskalationsstufe bevorsteht
Ich empfehle die Lektüre von §286 BGB zum Schuldnerverzug und §692 ZPO um die bestehende Fehlvorstellung über die Rechtswirkung eines Mahnbescheids zu beseitigen. Ein Blick ins Gesetz hilft gelegentlich bei der Rechtsfindung.

Teevee
22.02.2023, 12:32
Ich empfehle die Lektüre von §286 BGB zum Schuldnerverzug und §692 ZPO um die bestehende Fehlvorstellung über die Rechtswirkung eines Mahnbescheids zu beseitigen. Ein Blick ins Gesetz hilft gelegentlich bei der Rechtsfindung.

Danke, das ersetzt aber nicht die persönlichen Erfahrungen, die vielleicht andere Notärzte damit gemacht haben..

Tipps und praktische Erfahrungswerte, wie andere letztendlich zu ihrem Honorar gekommen sind haben mMn mehr praktischen Nutzen, als die trockenen Paragraphen als Laie durchzukauen

Teevee
22.02.2023, 12:35
Und bloss nicht zu irgendwelchen Leuten privat hinfahren und an Rechnungen erinnern!

Weshalb würdest du davon abraten? Eine persönliche Überreichung einer Rechnung oder eines Schriftstücks ist grundsätzlich nicht verwerflich oder gibt es da einen Aspekt, denn ich vielleicht übersehe?

Coxy-Baby
22.02.2023, 12:52
Naja persönlich vorbeifahren und persönliche Übergabe hat ja schon fast etwas von versuchter Nötigung....ich würde es lassen, man weiss auch nie auf wen man trifft und ob es eskaliert....

Autolyse
22.02.2023, 13:02
Danke, das ersetzt aber nicht die persönlichen Erfahrungen, die vielleicht andere Notärzte damit gemacht haben..

Tipps und praktische Erfahrungswerte, wie andere letztendlich zu ihrem Honorar gekommen sind haben mMn mehr praktischen Nutzen, als die trockenen Paragraphen als Laie durchzukauen
Ein sauberes Debitorenmanagement aufbauen und dazu gehört auch sich über die rechtlichen Konsequenzen der einzelnen Schritten wenigstens ansatzweise im Klaren zu sein.

Jukka666
22.02.2023, 16:37
Danke, das ersetzt aber nicht die persönlichen Erfahrungen, die vielleicht andere Notärzte damit gemacht haben..

Tipps und praktische Erfahrungswerte, wie andere letztendlich zu ihrem Honorar gekommen sind haben mMn mehr praktischen Nutzen, als die trockenen Paragraphen als Laie durchzukauen

Ich kenne wie alle anderen das Problem (auch Bayern).

Letzten Endes mahne ich mit einer identischen Rechnung und einer Zahlungserinnerung nach ca. 4-6 Wochen.

Ich mag aus diesen Gründen keine PV, mir sind GKV-Patienten lieber.
Danach mahne ich mit Mahngebühren (moderat bis 1-5 Euro) erneut.
Und das wars dann.

Ich würde niemals persönlichen Kontakt suchen, ausser eventuell Emails. Ist mir zu peinlich/doof und gefährlich. Wie würde ich mich fühlen, wenn so ein Popel-Arzt vor meiner Tür stünde, an den ich mich evtl. gar nicht erinnere, weil ich benebelt vom Fentanyl mit oder Herzinfarkt vor 2 Monaten ins Krankenhaus kam und in der Zwischenzeit 45 andere Ärzte gesehen habe...?

Ich habe ca. 2-3 offene Rechnungen, die nie bezahlt wurden. Ich verbuche das unter "Pech gehabt" und danke für die 25 Euro Ruhepauschale.
Würde es einen größeren Teil meiner Einnahmen ausmachen, dann würde ich wahrscheinlich ein Inkassobüro beauftragen.

Ein Patient hat mich mal erbost angerufen nach der Mahnung, weil er angeblich die erste Rechnung nie erhalten hat. Mag sogar sein, da ich ein Abrechnungsprogramm mit Briefversand nutze. Da keine Mahngebühren verlangt wurden, hätte ich einfach bezahlt und mir das echauffierte Gespräch gespart, aber nun gut.

Eine andere (wohlhabende, sehr betagte) Patientin hat auch mal Wochen auf sich warten lassen, weil sie mit ihrer Versicherung gestritten hat und einen ganz bestimmten Wortlaut in der Rechnung haben wollte. Seufz.

Berücksichtige auch, dass Patienten evtl. operiert werden, wochenlang auf Reha gehen etc. Die kommen heim und arbeiten stapelweise Rechnungen ab. Manchmal sterben Privatpatienten sogar, dann kannste dein Geld meist eh vergessen. Ich habe ein halbes Dutzend Rechnungen in Nachlassverfahren gehabt, mehrere sind nach Jahren noch offen - habe ich gedanklich abgeschrieben. Gerade Leichenschauen oder Reanimationen.

Teevee
22.02.2023, 17:40
@Jukka666
Wie handhabst du das eigentlich mit den Rechnungen für Todesbescheinigungen?

Ich wollte nicht vor Ort nicht die Namen und Adressen der Angehörigen erfragen (manchmal sind die auch nicht anwesend).

Ich habe die bisher deshalb immer einfach an die Anschrift des Verstorbenen geschickt und darauf spekuliert, dass dessen Post/Wohnung in der Zeit danach schon irgendwann durchgeschaut werden. Adressiert war das Schreiben dann immer „An die Angehörigen von…“

Bisher hat das immer gut geklappt, aber ein gewisses Risiko für einen „Schuss ins Leere“ besteht da natürlich immer..

FirebirdUSA
22.02.2023, 18:55
Finde das spannend, RD ist doch eine öffentliche Tätigkeit wie kommt es dass überhaupt eine Leistungspflicht des Versicherten besteht. Er kann ja gar nicht einwilligen und wenn er die Übernahme der Kosten sogar explitzit ablehnt würdest du ihn nicht behandeln? Und was ist nei nicht versicherten Personen?

Zum Topic, wenn überhaupt gerichtliches Mahnverfahren.

Teevee
22.02.2023, 20:06
Finde das spannend, RD ist doch eine öffentliche Tätigkeit wie kommt es dass überhaupt eine Leistungspflicht des Versicherten besteht. Er kann ja gar nicht einwilligen und wenn er die Übernahme der Kosten sogar explitzit ablehnt würdest du ihn nicht behandeln? Und was ist nei nicht versicherten Personen?

Zum Topic, wenn überhaupt gerichtliches Mahnverfahren.

Naja, genauso öffentlich wie eben kommunale Krankenhäuser oder Universitätskliniken auch. Medizinische Behandlung gibt es im Gesundheitssektor nirgends umsonst, ob Klinik, Praxis, hausärztlicher Notdienst oder Rettungsdienst. Und wenn es für den Patienten umsonst ist (zB auf Veranstaltungen oder was), gibt es halt einen anderen Träger, der das stemmt.

Wie der Rettungsdienst das macht, weiß ich nicht, aber aus ärztlicher Sicht kenne ich es nunmal in Bayern so: über die KVB gibt es eine symbolische Grundpauschale. Für GKV-Pat gibts eine Einsatzpauschale. Wie die KVB das dann mit den Versicherungen abrechnet ist deren Sache. Für Selbstzahler gilt das selbe wie bei jeder Arztpraxis oder Klinik: Mit Inanspruchnahme (in dem Fall dem Notruf) der Leistung kommt ein Behandlungsvertrag zustande. Der Arzt schuldet die Behandlung, der Patient die Bezahlung. Für Personen, die nicht einwilligungsfähig, bewusstlos o.ä. sind, gilt das entsprechend. Im Krankenhaus wird man ja auch behandelt, wenn man bewusstseinsgetrübt eingeliefert wird. Die Rechnung hat man im Nachgang nichtsdestotrotz zu zahlen.

Und den Fall, dass jemand den Rettungsdienst ruft und direkt bei Ankunft am Einsatzort ankündigt, nicht zahlen zu wollen, hatte ich noch nie.. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das jemand macht (zumindest der nicht auf welche Art auch immer kognitiv beeinträchtigt ist).
Und hypothetisch: auch wenn, die Leistung hat dann bereits begonnen: die GOÄ 50,75 und E sind bereits erbracht.


Und danke für den Hinweis. Mit dem gerichtlichen Mahnverfahren muss man dann halt entscheiden, ob die 30-40€ „Vorkasse“ sich lohnen bzw wie weit man dann gehen will :-?

Grombühlerin
22.02.2023, 22:40
Im Rettungsdienst hast du halt (anders als in der Praxis) manchmal das Problem, dass der Patient (der vielleicht gar nicht versichert ist oder eine hohe Selbstbeteiligung hat), nicht selbst den Notarzt gerufen hat.

Ich schreibe eine Mahnung, dann gebe ich auf, läuft für mich auch unter 'Pech gehabt '. Zum Glück ist das aber selten.

Autolyse
22.02.2023, 22:50
[...]
Und danke für den Hinweis. Mit dem gerichtlichen Mahnverfahren muss man dann halt entscheiden, ob die 30-40€ „Vorkasse“ sich lohnen bzw wie weit man dann gehen will :-?
Wenn du es rein wirtschaftlich betrachten willst, dann musst du bei wiederholten Mahnungen schon die Kosten für deine Arbeitszeit und Auslagen einrechnen. Wenn es, durch kalendarische Bestimmung des Leistungsdatums, schon zum Schuldnerverzug gekommen ist, dann sind das auch umzulegende Kosten. Bei beispielsweise notleidendem Nachlass trägst du die natürlich trotzdem selbst, aber das muss man durchrechnen, ob das kosteneffektiver ist als die Variante mit drölfzig Mahnungen. Und einen Mahnbescheid kann man nicht ignorieren ohne das er vollstreckbar würde.