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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Geht Forschung von Extern?



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zopiclonus
25.04.2023, 07:26
Liebe Kolleginnen und Kollegen

Ich würde gerne mal eure Einschätzungen hierzu hören. Ich bin WBA so ca 3. Jahr an einer Nicht-Uni. Ich habe immer gerne geforscht (hauptsächlich im Rahmen der Diss aber auch bei daran angrenzenden Projekten), was auch ganz gut lief. Das war an der Schnittstelle Neurowissenschaften/Psych. Ich bin WBA für FA Psych. Ich würde auch sagen, ich habe mir in diesem Rahmen und durch Fortbildungen usw. gewisse Kentnisse (v.a. Auswertung / Statistik mit diversen Programmen und Erstellen von Skripten) zugelegt und ehrlicherweise vermisse ich, das hin und wieder zu machen.
Selbstverständlich ist meine aktuelle Aufgabe das Erlernen der praktischen FA-Kompetenzen in der Psych i.S. der Patientenbehandlung und Psychotherapie. Deshalb sehe ich meine o.g. Idee als Ergänzung dessen, in dessen Rahmen ich dann prüfen würde, in welchem Rahmen bei voller Erfüllung meiner Haupttätigkeit so etwas noch on top möglich wäre.
Familiär und dadurch örtlich bedingt kann ich aktuell nicht an einer Uniklinik arbeiten, deshalb die Frage: Meint ihr es ist möglich, auf irgendeine Weise extern (von mir aus mit unregelmäßiger persönlicher Anwesenheit im Rahmen der Freizeit) an einer Uni zu forschen - ohne Gehalt und mit dem "Fernziel", zumindest Material für eine evtl. Habil zu sammeln?
Ich kenne die Situation um Habil-Verfahren an meiner alten Uni, an der ich gearbeitet habe und dort auch einen gewissen Konkurrenzdruck bzw. Nadelöhr - da wäre ich als externer natürlich raus. Deshalb geht es mir auch gar nicht darum, eine schnelle steile Uni-Karriere zu machen, eher wie gesagt, um in einer Nische irgendwo teilhaben zu können. Immerhin wäre ich dann eine "günstige Arbeitskraft".

Dooly
25.04.2023, 10:44
Das übergeordnete Institut von der Sektion, wo ich mein Fremdjahr gemacht habe, hat externe Forschende für die Habil. Die haben ne Mini-Stelle an der Uni als wiss. Mitarbeitende/Lehrbeauftragte und arbeiten an der Uni ausschließlich in der Forschung und Lehre und klinisch woanders. Die Stundenteile sind so gering, dass die Zeit nicht als WB-Zeit angerechnet wird.

davo
25.04.2023, 15:22
Kann teilweise schon funktionieren. In der Psychiatrie sicher leichter als in anderen Fächern. Als von Anfang an Externer ist es aber sicher deutlich schwerer als wenn man vorher mal tatsächlich vor Ort war, und dann weggewechselt ist.

Die Frage ist halt auch, wie sinnvoll so eine Habil dann ist. Man lernt so sicher deutlich weniger als mit einer normalen Habil, und die Qualität ist dann sicher deutlich niedriger. Insofern ist das dann halt eher eine Habil fürs Türschild - ohne dass man dann wirklich realistische Chancen auf eine Berufung hat.

Die wesentliche Frage ist also meines Erachtens, wo du beruflich überhaupt hin willst.

Autolyse
25.04.2023, 16:42
Kann teilweise schon funktionieren. In der Psychiatrie sicher leichter als in anderen Fächern. Als von Anfang an Externer ist es aber sicher deutlich schwerer als wenn man vorher mal tatsächlich vor Ort war, und dann weggewechselt ist.

Die Frage ist halt auch, wie sinnvoll so eine Habil dann ist. Man lernt so sicher deutlich weniger als mit einer normalen Habil, und die Qualität ist dann sicher deutlich niedriger. Insofern ist das dann halt eher eine Habil fürs Türschild - ohne dass man dann wirklich realistische Chancen auf eine Berufung hat.

Die wesentliche Frage ist also meines Erachtens, wo du beruflich überhaupt hin willst.
Sind die meisten Habilitationen nicht fürs Türschild. Die Berufungsperspektive ist für die meisten doch a priori mau.

davo
25.04.2023, 17:08
In der Psychiatrie gibt es genug Unikliniken, an denen Oberärzte ohne Professur, aber mit Habil, selten sind. Und an denen Oberärzte ohne Habil der Normalfall sind. Da dürften die Chancen also nicht so schlecht stehen. Vorausgesetzt es steht hinter der Habil auch eine halbwegs brauchbare Forschungsleistung.

Autolyse
25.04.2023, 17:26
In der Psychiatrie gibt es genug Unikliniken, an denen Oberärzte ohne Professur, aber mit Habil, selten sind. Und an denen Oberärzte ohne Habil der Normalfall sind. Da dürften die Chancen also nicht so schlecht stehen. Vorausgesetzt es steht hinter der Habil auch eine halbwegs brauchbare Forschungsleistung.
Was ist denn in der Psychiatrie eine halbwegs brauchbare Forschungsleistung? Habilordnungen sind doch bekanntermaßen auch ziemlich variabel was Anzahl und "Wertigkeit" (in JIF-Punkten angeht) und ohne Drittmittel geht doch auch nichts und gerade, wenn der eigene Bereich derzeit nicht sexy ist, dass man was großes (DFG/BMBF/VW-Stiftung etc.) bekommt, ist man doch ohnehin abgemeldet.

Endoplasmatisches Reticulum
25.04.2023, 18:33
Ich bin der Meinung, dass Forschung "nebenbei" nichts bringt. Ist doch auch der klassische Trugschluss vieler verhinderter Fast-PD-Chefärzte an irgendwelchen Kreisklitschen: Dass man jetzt mal eben anfängt, ein bisschen hier und da was mit klinischer Forschung zu machen, und dann frisch gebacken die Paper aus dem Ofen. Funktioniert halt in der Realität nicht und bringt selten mehr als unnötig gequältes Personal und am Ende massiv verschleuderter Zeit.

Wenn man irgendwo anfängt, viel forscht und dann runterfährt, aber bereits Strukturen, Connections, Tentakel in Arbeitsgruppen, ggf. eifrige Post-Docs etc. an der Angel hat, dann könnte ich mir das eventuell auch vorstellen. Aber jetzt zu ner fremden Uni gehen, einen 3-Stunden-Vertrag unterschreiben und damit irgendwas in Richtung PD reißen? Glaube ich erst, wenn ich es sehe.

ProximaCentauri
25.04.2023, 18:42
Da hängt einfach alles sehr von den Verbindungen ab. Ich habe mittlerweile auch einfach einmal 3 Monate fix 100% Forschung gemacht, und den ganzen Rest eigentlich in der Freizeit. Papers für eine Habil habe ich damit nun eigentlich wohl zusammen. Hing aber einfach an den Connections, und ich habe viel v.A. Systematic Reviews, Metaanalysen und so mitgemacht, wo man die Arbeit halt gut vom Sofa aus machen kann.

davo
25.04.2023, 18:58
Aber das war ja genau mein Punkt - mit so einer Habil ist es dann schwer, berufen zu werden.

Deshalb ist die wichtigste Frage meines Erachtens, dass sich der Threadersteller gut überlegen sollte, was eigentlich sein mittel- und langfristiges Karriereziel ist.

ProximaCentauri
25.04.2023, 20:55
Aber das war ja genau mein Punkt - mit so einer Habil ist es dann schwer, berufen zu werden.

Deshalb ist die wichtigste Frage meines Erachtens, dass sich der Threadersteller gut überlegen sollte, was eigentlich sein mittel- und langfristiges Karriereziel ist.

Ja, klar. Ich will auch nicht unbedingt berufen werden, ich forsche einfach gern. Dann ist das tiptop.

Autolyse
25.04.2023, 21:10
Ja, klar. Ich will auch nicht unbedingt berufen werden, ich forsche einfach gern. Dann ist das tiptop.
Ja, sind schon Originalarbeiten, aber so richtig Forschung ist Evidenzsynthese nun nicht. Der schlechte Ruf der Gattung kommt auch nicht von ungefähr, wenn man sich anschaut, was für einen Rotz man da reviewen "darf".

Dooly
25.04.2023, 21:41
Das ist teilweise echt krass, was manche einreichen.

Autolyse
25.04.2023, 22:12
Das ist teilweise echt krass, was manche einreichen.
Wobei ich das auch von den Herausgebern einfach nur unverschämt finde. Auf der einen Seite sich beklagen, dass man keine Reviewer findet und dann den letzten Scheiß ins Review geben.

Mittlerweile könnte man fast eine Melange der absoluten Highlights zusammenstellen:
Wir haben in PubMed gesucht.
Hochselektive Suchstrategie nur mit AND-Operatoren.
Einer von uns hat gesucht und ausgewertet.
Arbiträre Auswahl von Sprachen und Jahresbegrenzungen.
Wir haben uns an PRISMA orientiert.
Iota² <50%, deswegen fixed-effects.
Zusammenwerfen randomisierter und nicht randomisierter Studien.
Und meine ganz speziellen Freunde, die ihre Meta-Analyse mit Fisher-Test und t-Test machen.

ProximaCentauri
27.04.2023, 20:54
Es ist ja sehr spannend, was ihr da aus meinen Zeilen alles herauslest.
Dass es ohne Zweifel diverse fragwürdige Studien gibt, ist natürlich so. Die gibts aber auch bei Originalarbeiten, und daran krankt natürlich - unter Anderem - auch das ganze Forschungssystem.

Autolyse
27.04.2023, 21:01
Es ist ja sehr spannend, was ihr da aus meinen Zeilen alles herauslest.
Dass es ohne Zweifel diverse fragwürdige Studien gibt, ist natürlich so. Die gibts aber auch bei Originalarbeiten, und daran krankt natürlich - unter Anderem - auch das ganze Forschungssystem.
Wie du, bei aufmerksamem Lesen, hättest bemerken können, war das eine allgemeine Feststellung. Wenn du dich angesprochen fühlst, dann sagt das aber auch viel aus.

DrArzt
27.04.2023, 22:41
Wie du, bei aufmerksamem Lesen, hättest bemerken können, war das eine allgemeine Feststellung. Wenn du dich angesprochen fühlst, dann sagt das aber auch viel aus.

Warum so böse?
Selbst gefrustet, weils nicht geklappt hat?

Autolyse
28.04.2023, 08:04
Warum so böse?
Selbst gefrustet, weils nicht geklappt hat?
Du weißt schon wie man dazu kommt sowas reviewen zu müssen? Das ist keine Lotterie, bei der man zufällig ausgewählt wird.

Evidence based
28.04.2023, 12:24
Du weißt schon wie man dazu kommt sowas reviewen zu müssen? Das ist keine Lotterie, bei der man zufällig ausgewählt wird.

Zumindest geht das Reviewen bei so offensichtlichen Mängeln dann schnell. Aber ja, es ist ein massives Problem, dass die Generierung der höchsten Evidenzstufe mit Füßen getreten und von Leuten ohne hinreichende methodische Kenntnisse auf Schmalspur durchgeführt wird.

cardiodexter1
01.05.2023, 13:39
Danke für die Einschätzungen


Das übergeordnete Institut von der Sektion, wo ich mein Fremdjahr gemacht habe, hat externe Forschende für die Habil. Die haben ne Mini-Stelle an der Uni als wiss. Mitarbeitende/Lehrbeauftragte und arbeiten an der Uni ausschließlich in der Forschung und Lehre und klinisch woanders. Die Stundenteile sind so gering, dass die Zeit nicht als WB-Zeit angerechnet wird.


Kann teilweise schon funktionieren. In der Psychiatrie sicher leichter als in anderen Fächern. Als von Anfang an Externer ist es aber sicher deutlich schwerer als wenn man vorher mal tatsächlich vor Ort war, und dann weggewechselt ist.

Die Frage ist halt auch, wie sinnvoll so eine Habil dann ist. Man lernt so sicher deutlich weniger als mit einer normalen Habil, und die Qualität ist dann sicher deutlich niedriger. Insofern ist das dann halt eher eine Habil fürs Türschild - ohne dass man dann wirklich realistische Chancen auf eine Berufung hat.



Nachvollziehbar, dass man als von Anfang an Externer da schlechtere Karten hat. Ich werde mal schauen, was ich über meine frühere Verbindungen an der Uni (ausgehend von der Promotion) eventuell noch für Kontakte habe, vielleicht geht da was (da kennt man mich zumindest und wollte mir damals auch eine Post-Doc-Stelle anbieten)




Die wesentliche Frage ist also meines Erachtens, wo du beruflich überhaupt hin willst.


Das ist die Frage, in der Tat. Mein naive Herangehensweise an die Frage war, welchen objektiven Nutzen kann man aus einem Forschungsinteresse nach der Promotion rausholen kann, ohne dass man einfach nur mehr arbeitet und neben dem klinischen eben auch noch ohne Perspektive Zeit und Mühe investiert. Da erschien mir die Habil zumindest als perspektivischer weiterer Schritt. Aber ja, diese Frage muss ich auf jeden Fall klären, sollte es nach meinem oben genannten Kontaktversuch zu etwas Brauchbarem kommen

GOMER
05.05.2023, 11:48
Ich schliesse mich hier mal an, Mods gerne verschieben, wenn nicht passend.

Hat jemand konkrete Erfahrungen mit einer Habilitation als Externer? Ohne davor an der entsprechenden Uni gearbeitet zu haben?

Wenn man die Habilitationsordnungen der einzelnen medizinischen Fakultäten durchliest gibt es ja recht drastische Unterschiede was die Anforderung an Erstautorenschaften angeht. Von 5 bis 10 ist da alles dabei.

Wenn man sich also an die jeweils geforderte Zahl annähert, mit Forschung die man komplett unabhängig von einer Deutschen Uni durchgeführt hat, wie geht man das Projekt Habilitation dann an? Ist das möglich, auch wenn man nicht mit einem deutschen Lehrkrankenhaus assoziiert ist?