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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Stirbt die Geriatrie aus?



Frisko
13.05.2023, 17:46
Moin Leute!
Vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber in unserem Haus fühlt es sich so an.
Und was uns killt, bzw. killen wird ist gar nicht der Ärztemangel an sich, sondern die neue Weiterbildungsordnung für Allgemeinmedizin.

Meine Kollegen und ich, alle im fortgeschrittenen AiW Status, konnten nach alter WBO die zwei Jahre Innere Medizin in der Geriatrie machen. Klingt anfangs nicht spannend, war für die Allgemeinmedizin aber tatsächlich ein richtig gutes Fach aufgrund der interdisziplinären Bandbreite.
Da mir das Fach auch Spaß macht, bin ich jetzt in mein altes Haus zurückgekehrt, um zum einen den FA zu machen und ggf. Zusatzbezeichung Geriatrie mit OA-Aussicht.
Jetzt ist es aber so: wir bekommen keine AiWs mehr. Nada. Wir hatten auch vorher schon viel Fluktuation aber aktuell ist es nicht mehr witzig.

Nach der neuen WBO kann die Innere Medizin nur noch über eine Akut-Geriatrie abgeleistet werden. Und diese Befugnis hat der Chef nicht. Und wir haben mehr und mehr das Gefühl, dass er nicht begreift, was das für uns in sechs bis zwölf Monaten heißt. Wer macht denn ernsthaft nochmal 3, 6, 12 oder 18 Monate BASIS INNERE, wenn er sowieso nochmal 12 Monate in die Innere muss?

Dabei ist unser Dienstalltag relativ lässig. Keine Nachtdienste, normale Schichten am Wochenende (ca. 3 Dienste im Monat als zweiter Hausdienst) mit FZA in der Folgewoche oder nach Wunsch, nette, junge Oberärzte. Mein Eindruck ist: könnten wir Innere weiterbilden, wäre das eine echte Alternative für Anfänger*innen. Aber so?

Kann jemand aus anderen Kliniken für Geriatrie berichten? Wir ist die Personalsituation bei euch? Und, für den Fall, dass der Chef sich tatsächlich tot stellt: was können wir denn noch anbieten? Momentan steht die komplette Dienstfreiheit im Raum.

Danke schon mal für eure Ideen!

Haffi
14.05.2023, 00:32
Verstehe das Problem nicht ganz. Das scheint doch ein sehr hausspezifisches Problem zu sein. Bei uns waren alle geriatrischen Assistenten organisatorisch der Inneren zugeordnet.

Zum Titel an sich: Inwieweit die Geriatrie als interdisziplinäres, nicht-interventionelles Fach in Zeiten von KI überleben wird, wird sich zeigen.

Frisko
14.05.2023, 08:10
Letztlich würde es so ablaufen: wenn mein Chef die Akut-Geri WB Erlaubnis bekommt, dann müssten wir Assistenten für die ZNA stellen. Prinzipiell besteht dafür sogar Bereitschaft, bei lediglich 12 geforderten Monaten für die WB Allgemeinmedizin bekommen wir darüber aber keine Kräfte mehr auf die Station. Die sind dann 6 Monate in der ZNA und 6 Monate bei uns. Wenn überhaupt.

Wir sind tatsächlich nur im Rahmen der Dienste am Wochenende mit den Internisten zusammen organisiert und decken als zweiter Hausdienst die Geriatrie und aktuell zwei internistische Stationen ab. Und zumindest in den anderen geriatrischen Krankenhäusern, die ich bisher kennengelernt habe, war es ähnlich organisiert.

War der CA der Inneren dann gleichzeitig CA der Geriatrie? Oder sind die AiWs dann einfach planmäßig in die Geriatrie rotiert?

Dragonheart
14.05.2023, 10:05
Ich sehe das auch als reine formale Organisation.

Bei uns ihm Haus war es wie folgt geregelt:
Offiziell 3 Abteilungen (Gastro-Enterologie, Kardiologie und Geratrie), alle drei Chefs (bzw. Teilweise die jeweiligen Oberärzte) mit entsprechender WB-Ermächtigung (allg. Innere, Gastro, Kardio/Notfall, Geriatrie und Palliativmedizin). Wir Assistenten waren alle als "WB-Innere" angestellt und in einem gemeinsamen Assistenten-Pool. Aus diesem heraus sind wir in die Ambulanz, auf die Innere Normalstation, Intensivstation und (hauptsächlich) Geristation rotiert (bzw. hingegangen / geschickt worden). Und natürlich auch entsprechend die Dienste besetzt.
Am Ende standen alle drei Abteilungen mit den jeweiligen WB-Befugnissen im Zeugniss. Da ich nicht der erste und auch nicht der letzte Assistent da war gehe ich davon aus, dass es am Ende dann so anerkannt wird.

Frisko
14.05.2023, 10:13
Ich "befürchte", dass es bei uns auch auf dieses System hinauslaufen wird.
Wir haben als OÄ tatsächlich keine Internisten mehr. Die bleiben in der Regel ein Jahr und werden dann woanders Leitender OA oder CA. Und bei uns können dann die Oberärzte keinen Innere Hintergrund machen, da alle Allgemeinmediziner oder Neurologen. Wir haben seit einem Jahr OA Stelle für Internist*innen ausgeschrieben, wir haben nicht eine Bewerbung erhalten.

nie
14.05.2023, 18:10
Irgendwie blicke ich da noch nicht so ganz durch… du arbeitest in einer Geriatrie, die aber irgendwie keine Akut-Geriatrie ist. Aber was ist sie denn? Geriatrische Reha? Und deine Chef, also der Chef der Geriatrie, hat gar keine geriatrische Weiterbildungsberechtigung. Hat er denn überhaupt eine Weiterbildungsberechtigung? Wenn ja, welche? Innere, Neuro, Allgemeinmedizin? Geriatrie ist ja nach wie vor kein eigenständiger Facharzt. Wie lange kann man denn als AiW überhaupt aktuell bei euch arbeiten? Und was für Leute sucht ihr denn? Internisten, die die Zusatzbezeichnung anstreben? Angehende Allgemeinmediziner? Berufsanfänger für die internistische Basisausbildung? Wen wollt ihr ansprechen, wer ist die Zielgruppe?


Unabhängig davon ist die Tatsache, dass man keine Leute findet, kein spezielles Geriatrieproblem: ich arbeite in der Innere, Großes Haus, große Stadt und für Innere tatsächlich ganz solide Bedingungen. Es ist zwar nicht alles toll aber bei dem Irrsinn, den ich hier manchmal von anderen Usern lese, gehts uns tatsächlich ganz gut. Dennoch habe wir mehrere offene Stellen sowohl für Assistenzärzte als auch bei den Oberärzten. Bewerbungen gibt es nur im niedrigen einstelligen Bereich und von zweifelhafter Qualität. Wenn ich mir so anschauen, wer und wie viele in anderen (internistischen) Kliniken so arbeitet, kann man davon ausgehen, dass denen die Bewerber auch nicht gerade die Bude einrennen. Die Kliniken haben halt in den letzten Jahren sehr viel dafür getan, ein möglichst unattraktiver Arbeitgeber zu sein und irgendwann kommt die Quittung.

Frisko
15.05.2023, 08:15
Der Chef der Geriatrie hat die Weiterbildungsbrechtigung für 24 Monate Basis Innere Medizin. Und natürlich die Berechtigung für die 18 Monate Geriatrie. Er hat nicht die Berechtigung für Akut Innere nach neuer Weiterbildungsordnung.

Nach alter Weiterbildungsordnung konnten Allgemeinmediziner die 24 Monate Innere bei uns machen und sind danach in die Praxis gewechselt. Das waren bis zum letzten Jahr so sieben bis acht AiWs.
Zudem haben dann einige bei uns angefangen und sind dann nach mehreren Monaten in die Innere gewechselt.

Die neue WBO erfordert nur noch 12 Monate Innere und zwar akute Versorgung. Und diese Ermächtigung hat der Chef nicht. Und wird sie wahrscheinlich auch nicht erhalten, weil die Internisten hier im Hause sich querstellen. Dafür müsste die Geriatrie entweder an die ZNA angegliedert werden oder andere Abkommen mit der Medizinischen Klinik schließen.

Das heißt: AiW für Allgemeinmedizin muss nochmal in die Innere. Wir wären dann "Wahlfach". Kann man sich zwar für bis zu 18 Monate anrechnen lassen, aber wer macht denn nach Innere Hardmodus nochmal Innere light, wenn er auch in die Derma/Päd/Gyn/Ortho/UCH/usw rotieren könnte?

Wir haben bis letztes Jahr regelmäßig Bewerbungen bekommen. Unter den aktuellen Umständen sind wir noch unattraktiver geworden. Und der Chef scheint die Problematik nicht zu erkennen. Zumindest aus einer oberflächlichen Recherche der Stellenangebote der anderen Kliniken für Geriatrie scheinen die alle das gleiche Problem zu haben: "Wir suchen dringend, bieten aber nur die Basis Innere an".

Dooly
15.05.2023, 18:13
Ah, nun verstehe ich, wieso die Geri an meiner Uni mit der Eignung hinsichtlich WB Ziel Allgemeinmedizin in der Stellenausschreibung wirbt. In der Geri meiner Uniklinik ist die Personalsituation katastrophal. Man wird direkt alleine gelassen, macht früh viele Dienste und ist dabei der Depp vom Dienst, da dort die Geri als einzige Disziplin Dienst für die gesamte Außenklinik inkl. Fremdfächer macht. (Witzig ist, wie die besondere interdisziplinäre Zusammenarbeit auch in der Dauerstellenauaschreibung hervorgehoben wird XD) Dort fängt sowieso kaum jemand an und wenn doch, hauen sie in wenigen Wochen wieder ab. Das besteht eine Kombination schlechter Voraussetzungen. Schlechte Arbeitsbedingungen, wenig präsenter oder sogar unbeliebter Arbeitsbereich und dazu ist die Klinik auch noch in ner C-Stadt und rekrutiert ihre Besatzung sowieso gefühlt vollständig nur aus den eigenen Studierenden. Wenn jetzt darüber hinaus nicht mal ne WBB vorliegen würde, könnte man’s hier ziemlich sicher auch vergessen. Für mich waren fürs Fremdjahr Lifestyle Kriterien recht wichtig. Die Arbeitsbedingungen, die du beschreibst, klingen wirklich toll und würden mich anmachen. Handelt es sich dann aber auch um ne Stadt in der Pampa oder in Bayern, eine Uniklinik oder ein kirchliches Haus, wären das fürs Fremdjahr bereits K.o.-Kriterien für mich. S-Tier bleibt die WBB.
Mittelfristig sollte man meiner Meinung nach im Studierendenkreis angeln. Wenn möglich immer schön präsent an die Uni. Wenn da die Verbindung fehlt, dann mit Essen, Unterkunft, Bezahlung zur Famu locken, Summer und Winter Schools etc.

Frisko
16.05.2023, 13:56
Die Stadt wurde mehrmals zur hässlichsten Stadt Deutschlands gewählt. :-D
Wobei man schon gut in und aus wirklich schönen Städten pendeln kann.

Wir haben es heute nochmal sehr deutlich angesprochen.

Weiterbildungsbefugnis für die 12 Monate nach neuer WBO sind wohl außer Reichweite. Dafür müsste 24/7 eine Aufnahmebereitschaft aus der Notaufnahme ermöglicht werden. Das kriegen wir personell nicht hin.

Unser Vorschlag ist jetzt, die AiWs der Inneren Medizin in den ersten 6-12 Monaten in die Geriatrie rotieren zu lassen. Bessere Einarbeitung, weniger Dienste, Bekanntschaften im Hause bestehen dann schon, Fortbildungen der Inneren werden weiter besucht. Danach dann planmäßige Rotation in die Innere. Weiß aber auch nicht, ob die internistischen AiWs da so drauf abfahren. Geriatrie ist halt echt lame in der Außenwirkung.

Dooly
19.05.2023, 16:29
Oh, da hattet ihr ne gute Idee. Wenn’s nur lame in der Außenwirkung ist, aber eigentlich ne gute Arbeit, dann ist das sicher ein tolles Konzept um an Leute zu kommen und vielleicht auch zu begeistern. Ich hoffe, es klappt für euch, wenn ihr größtenteils nur Leute zum Berufseinstieg für paar Monate habt.