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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : BG-Fall oder nicht?



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Relaxometrie
16.05.2023, 18:59
Da in unserer Praxis unterschiedliche Meinungen zu dem Fall herrschen, frage ich hier mal nach. Dabei finde ich die Antwort eindeutig und dazu gibt es eigentlich auch keine "Meinung". Aber mal sehen, was Ihr antwortet.

Wenn sich ein Koch bei der Arbeit mit einem Messer in den Finger schneidet: BG-Fall, oder nicht?

Feuerblick
16.05.2023, 19:05
Warum sollte es keiner sein?
Ein BG-Fall liegt doch vor, wenn der Versicherte während der versicherten Tätigkeit ein Unfall mit gesundheitlicher Schädigung erleidet. Ein Unfall ist ein zeitlich begrenztes Ereignis, das von außen auf den Körper einwirkt.
Das ist meiner Ansicht nach beim Schneiden mit einem Messer während der Versicherten Tätigkeit als Koch gegeben. Anders wäre es, wenn er sich zu Hause schneiden würde.
Oder übersehe ich irgendwas?

Zumindest waren die Fremdkörperverletzungen des Auges beim Flexen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit IMMER BG-Fälle. Ist ja auch nix anderes.

Relaxometrie
16.05.2023, 19:07
Ja, so sehe ich das auch.
Z.B.:
Messerverletzung des Kochs bei der direkten Arbeit ---> BG-Fall.
Messerverletzung, wenn der Koch in der Pause sein Brot schneidet und sich dabei verletzt ---> kein BG-Fall.

Feuerblick
16.05.2023, 19:12
Genau.

Schubbe
16.05.2023, 20:57
Was wäre denn bitte ein BG Fall, wenn nicht das?

Relaxometrie
17.05.2023, 16:23
Ja, genau das ist auch meine Ansicht.

davo
18.05.2023, 11:31
Mit welcher Argumentation sind die anderen denn anderer Ansicht?

Relaxometrie
18.05.2023, 14:13
Die Argumentation war, dass der Koch sich zu Hause beim Kochen ja auch mit dem Messer schneiden könnte.
Ich ahne, woher diese Argumentation kommt, finde sie hier aber falsch.

Wenn jemand bei der Arbeit einen Herzinfarkt bekommt, ist es ja kein Arbeitsunfall, weil diese Person den Herzinfarkt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch fern der Arbeit bekommen hätte. Wenn diese Person sich aber während des Herzinfarktes berufsbedingt auf einer Leiter befindet, stürzt, sich verletzt, gelten die Verletzungen wohl als Arbeitunfall, weil diese Person zu Hause zwar auch den Herzinfarkt bekommen hätte, sich aber nicht so verletzt hätte, weil sie höchstwahrscheinlich nicht gerade auf einer Leiter gestanden hätte (hatte ich im Rahmen der Recherche so gelesen; keine Ahnung, ob das so korrekt ist).
Oder ein Bandscheibenvorfall bei Pflegepersonal. Da hängt es wohl vom degenerativen Vorschaden der Wirbelsäule ab, ob es als Arbeitsunfall anerkannt wird, und ist vermutlich oft nur schwer als Arbeitsunfall zu beweisen.
Diese Fälle finde ich alle sehr logisch.
Aber bei einem Koch, der sich bei der Arbeit eine Messerschnittverletzung zufügt, finde ich es unlogisch zu sagen, dass das auch in der Freizeit hätte passieren können und ein Arbeitsunfall somit abgelehnt wird.

davo
18.05.2023, 15:17
Finde ich auch komplett unlogisch. Nach dieser Argumentation wäre ja praktisch nichts ein Arbeitsunfall :-))

Relaxometrie
18.05.2023, 15:43
Finde ich auch komplett unlogisch. Nach dieser Argumentation wäre ja praktisch nichts ein Arbeitsunfall :-))
Genau. Mit dieser Argumentation wäre jeder Arbeitsunfall und jede Berufskrankheit wegzudiskutieren.

Anne1970
18.05.2023, 16:10
Es ist eindeutig ein BG -Fall.

Feuerblick
18.05.2023, 16:22
Natürlich kann sich auch ein Koch im Privatleben mal mit einem Messer schneiden. DANN ist es kein Arbeitsunfall. Aber wenn er bei einer Tätigkeit, die unstrittig zu seinem Job gehört, verletzt wird dann ist es halt ein BG-Fall. Auch wenn man keine Lust drauf hat.

vanilleeis
19.05.2023, 11:36
Mit der Begründung wäre jede Wegeunfall kein BG-Fall, was er aber nunmal unzweideutig ist, wenn es sich um den direkten Weg von/zur Arbeit handelt

Lava
19.05.2023, 16:32
Natürlich ist das ein Arbeitsunfall (sagt die Unfallchirurgin).

Relaxometrie
19.05.2023, 20:41
Danke Lava:-)
Ich habe mich inzwischen auf der Seite der BG-Nahrungsmittel belesen und habe bemerkt, dass man die Begriffe "Arbeitsunfall" und "BG-Fall" wohl auseinanderhalten sollte. Denn man muss ja nicht jeden Arbeitsunfall der BG melden. Obwohl das alles nicht so 100% eindeutig zu sein scheint. U.a. stand da, dass man einen Arbeits-/ Wegeunfall auf jeden Fall melden muss, wenn eine mehr als dreitägige AU folgt. Heißt das also, dass man Miniverletzungen auch als nicht-D-Arzt behandeln darf? Oder würdet Ihr als Hausärzte vorsichtshalber tatsächlich jeden Fall, der bei Euch aufschlägt, zum D-Arzt schicken?

Das alles ändert natürlich nichts an der Tatsache, dass die Begründung meines Kollegen, warum die Messerschnittverletzung des Kochs kein BG-Fall sein soll, falsch ist.

Heerestorte
20.05.2023, 08:19
Genau. So ist es auch bei uns in der Klinik/ZINA. Sofern ein Arbeitsunfall unter 3 Tage AU mündet, darf das jeder Arzt/Ärztin. Alles darüber, dann wurden wir aus der UCH gerufen und haben den Patienten D-ärztlich behandelt und angebunden.

Lava
20.05.2023, 21:04
Naja, nur ein D-Arzt kann ja einen D-Bericht schreiben. Aber der D-Arzt kann dann eine allgemeine Heilbehandlung draus machen. Da kann der Hausarzt dann bis zu 14 Tage tätig sein.

Relaxometrie
20.05.2023, 21:30
Interessant, Lava.
Da fällt mir direkt ein nächster Fall ein, den wir in der Praxis hatten und der vom "ich habe keine Ahnung von BG-Fällen und auch keine Lust, es zu verstehen"-Kollegen mal wieder dämlich gelöst wurde.
Eine Frau hatte einen Wegeunfall mit dem Auto, im Rahmen dessen ihr ein anderes Auto hinten aufgefahren ist. Typisches Schleudertrauma. War auch beim D-Arzt, der sie ein paar Tage lang AU geschrieben hat. Auf einem Formular (habe es blöderweise nicht mehr genau in Erinnerung....vielleicht war es ein Formular, welches einen D-Fall zur allgemeinen Heilbehandlung runterstuft?), welches sie mitgebracht hat, als sie von uns noch ein paar Tage AU geschrieben werden wollte, stand, dass das durch den Hausarzt möglich sei. Und genau das hat oben beschriebener Kollege vehement abgelehnt und hat die Frau wieder zum D-Arzt geschickt.
Echt ey.....mal schickt er die Leute zum D-Arzt, obwohl es nicht erforderlich ist. Mal macht er keinen BG-Fall draus, obwohl es nötig wäre.

Heerestorte
20.05.2023, 21:42
Das ist der F1000. Da kann man ankreuzen "allgemeine/ besondere Heilbehandlung" etc und Weiterbehandlung durch "XYZ" und da hat der D Arzt vermutlich euch eingetragen. Also ja, dein Kollege macht Unfug :-))


Naja, nur ein D-Arzt kann ja einen D-Bericht schreiben. Aber der D-Arzt kann dann eine allgemeine Heilbehandlung draus machen. Da kann der Hausarzt dann bis zu 14 Tage tätig sein.

Bei uns war das wie gesagt in der zina so geregelt (ob das legal ist kp), dass quasi erst der chir. Dienst (D Arzt quasi) dann bei einem BG Fall gerufen wird, wenn die AU über drei Tage dauert. Drunter haben sonst die diensthabenden ZINA Ärzte einfach den DAB ausgefüllt bzw so wurde es von unserem D Arzt in einer Arbeitsanweisung dem ZINA Personal erlaubt.

cls
16.07.2023, 12:23
Interessantes Thema. Wer haftet eigentlich, wenn ein BG-Fall nicht über die BG läuft, ein D-Arzt also nicht drübergeschaut hat?

Wenn der Koch also ne Woche krankgeschrieben ist, oder Folgebehandlungen entstehen mit ggf. längerer Auszeit und hohen Kosten? Wenn das zunächst über die Krankenkasse läuft und es sich im Nachhinein rausstellt, dass es doch ein BG-Fall war? Wendet sich die Krankenkasse an den Behandler? An die zuständige BG? Was wenn diese sich querstellt? Wer "badet" den Mist dann aus? Muss der Patient, der wahrheitsgemäß alles angibt, da irgendwas befürchten? Schließlich kann man vom durchschnittlichen Bürger kaum erwarten, zu wissen, was ein BG-Fall ist, welche Konsequenzen sich daraus ergeben etc. Wenn der Arzt sagt, es sei kein Arbeitsunfall, dann muss man dem ja als (ahnungsloser) Patient normalerweise vertrauen.

Interessant wäre halt, ob der Arzt, der das initial entscheidet, dafür haftet, falls eine Fehlentscheidung vorliegt. Falls ja, kann ich mir kaum vorstellen, wie unachtsam hier gehandelt wurde. Getreu dem Motto "ist mir eh egal, mir kann nichts passieren, muss halt der Patient ausbaden".