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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Medizin-Studium aus dem Kopf schlagen…?!



G?rkchen
29.07.2023, 14:55
Moin liebes Forum!

Ich habe mich gerade hier angemeldet und hoffe durch eure Meinungen meinen Blickwinkel noch etwas zu erweitern. Es geht um eine persönliche Entscheidung für/gegen einen Studienplatz. Wird lang, danke fürs Lesen.

Zur Situation: ich bin w, Ende 20, berufstätig. Mit 18/19 habe ich Tiermedizin studiert, abgebrochen. Ich war persönlich, gesundheitlich und finanziell überfordert.

In den inzwischen fast 10 Jahren habe ich versucht mich völlig anderweitig zu orientieren, hat mir alles nicht gefallen. Mein Herzenswunsch Medizin zu studieren ist stabil geblieben (auf eine Art, wo ich mich oft frage, wie verklärt man an etwas hängen kann; inzwischen lieber Menschen als Tiere). Jetzt arbeite ich in der Bestattung, gefällt mir, besonders der Kontakt zu (trauernden) Menschen, Begleitung, Beratung… so habe ich mich für ein Psychologie-Studium beworben und einen Platz bekommen. Allerdings in einer anderen Stadt, den Job müsste ich aufgeben.

Mein Problem ist: ich bin regelrecht blockiert den Studienplatz anzutreten, weil die Stimme in meinem Kopf der Medizin hinterher weint. Wäre es Medizin wäre ich SOFORT gegangen, Psychologie, naja. Den Job dafür aufgeben? Ob ich wirklich damit glücklich werde? Mein Umfeld sagt: ja.

Auch wenn ich heimlich an der Medizin hänge, hätte ich Angst es nochmal zu versuchen, der TMS wäre die erste Hürde - vermutlich aufgrund dieses kleinen Traumas aus meinem Tiermedizinstudium, was ich an die Wand gefahren hatte. Habe es ehrlicherweise einfach jahrelang verdrängt und bin jetzt mit diesem (ausgeträumten) Traum konfrontiert.

Es gibt zwei Hauptargumente gegen das Medizinstudium (die mich damals auch aus der VetMed gehauen haben):

- ich muss mir das Studium vollständig selbst finanzieren
- aufgrund meiner chronischen Erkrankung bin ich nicht voll belastbar. An der Stelle mache ich mir nichts vor, 24h-Dienste, unser Gesundheitssystem - spätestens das würde mich schreddern.

Die Kombination an sich spricht aber nicht generell dagegen nochmal zu studieren, aber vermutlich gegen ein Medizin-Studium. Im Zweifel bin ich eben langsamer (und noch älter ;))

Mein Ziel wäre derzeit in Richtung Pallativ-/Hospiz-/Psychiatrie. Von der Psychologie würde ich mir im Anschluss an das Studium bessere Arbeitsbedingungen erhoffen als als Assistenzarzt und während des Studiums mehr Freiheiten und Zeit zum Arbeiten. Ehrlich gesagt stelle ich mir das recht entspannt vor. Wenn es gesundheitlich nicht geht, könnte ich wahrscheinlich auch immer noch einen Büro-Job finden. Vielleicht habe ich aber auch falsche Vorstellungen.

So und jetzt ihr! Habt ihr Erfahrungswerte für mich? Kann Psychologie eine reelle Alternative zur Medizin sein? Sind die Kontras auch Kontra bei Psychologie, schätze ich das vllt falsch ein, kennt sich wer aus? Soll ich’s mir eingestehen, dass es mit Medizin nichts wird oder sind die Kontras vielleicht gar keine K.O.-Kriterien? Könnte man Medizin auch „reduziert“ studieren?

Freue mich über Antworten.

LG vom Görkchen

rafiki
29.07.2023, 19:36
Mein Ziel wäre derzeit in Richtung Pallativ-/Hospiz-/Psychiatrie.

Die "Palliativpsychiatrie" wird in der Tat immer wichtiger, mehr ist bei vielen Pat. nicht zu machen.



Von der Psychologie würde ich mir im Anschluss an das Studium bessere Arbeitsbedingungen erhoffen als als Assistenzarzt und während des Studiums mehr Freiheiten und Zeit zum Arbeiten. Ehrlich gesagt stelle ich mir das recht entspannt vor.

Ich bin neben der Weiterbildung von Assistenzärzten auch mit der von Psychologen zu Psychotherapeuten beschäftigt und kann bestätigen, wie entspannt sie es haben im Vergleich zu Psychiatrie-Assistenzärzten.



Kann Psychologie eine reelle Alternative zur Medizin sein?

Nein, wenn man sich wirklich für Medizin und entsprechendes Handeln interessiert, ist Psychologie keine Alternative. Ich bin froh, vor Urzeiten aus der Psychologie geflohen zu sein und nun als Psychiater, Psychosomatiker und ärztlicher Psychotherapeut zu arbeiten.

G?rkchen
29.07.2023, 19:52
Na das klingt ja frustriert. So viele hoffnungslose Fälle oder eher unwirksame Therapie-Methoden?

[Nein, wenn man sich wirklich für Medizin und entsprechendes Handeln interessiert, ist Psychologie keine Alternative. Ich bin froh, vor Urzeiten aus der Psychologie geflohen zu sein und nun als Psychiater, Psychosomatiker und ärztlicher Psychotherapeut zu arbeiten.[/QUOTE]

Kannst du näher erläutern warum? Tatsächlich fände ich den Werdegang zur ärztlichen Psychotherapeutin auch ziemlich interessant und sehe ggü. psychologischem Psychotherapeut einige Vorteile. Abgesehen davon, dass man sich im Medizinstudium immer noch für eine andere Fachrichtung entscheiden könnte (die man vllt erst entdeckt :)), habe ich Bedenken, dass mir das Psychologie-Studium zu geisteswissenschaftlich ist, wenn ich tatsächlich den therapeutischen Weg einschlagen möchte. Anatomie, Biochemie sowas wird dort ja nicht gelehrt (?)… aber ob ich wirklich für die klinische Arbeit tauge weis ich nicht.

Nefazodon
29.07.2023, 20:03
Letztlich steckt niemand in deiner Haut und deshalb kann dir auch keiner hier einen spezifischen Rat geben, was für dich richtig ist.

Allerdings: Jetzt hast Du dich also schon für Psychologie beworben und einen Platz....wäre es nicht sinnvoll diesen auch anzunehmen?
Wofür sonst hast Du dich denn dort beworben?
Inwiefern bringt es dich persönlich weiter, diesen Platz jetzt abzulehnen? Dem Wunschtraum Medizinstudium bist Du dadurch jedenfalls keinen einzigen Schritt näher...und die Gefahr ist, dass Du dann in einem oder zwei Jahren an genau der Stelle bist, wo Du jetzt auch schon bist, ohne dass sich was geändert hat.

ist es dein Wunsch nochmal zu studieren oder nicht? Oder ist es einfach die Angst, wirklich etwas zu ändern?

Mein Rat: Geh nochmal in dich, was Du wirklich möchtest. Besprich dich danach mit deiner Familie, die dich sicher besser kennen als irgendwelche Menschen im Internet.
Und dann überleg dir, wenn deine persönlichen Umstände es zulassen, ob Du nicht einfach das Risiko eingehst und das Studium anfängst....


Edit: Eine Sache noch zum Psychologiestudium: Was man so hört, geht es viel um Statistik und Methodenlehre. Die Ausbildung zum/zur Psychotherapeut:in beginnt dann erst im Master.
Also das Psychologiestudium soll anfangs sehr theoretisch und trocken sein....viel mit Patienten/Probanden reden wirst Du am Anfang sicherlich nicht.
Außerdem wichtig zu wissen ist vielleicht, dass der Master in Psychotherapie relativ neu ist, und dass noch niemand so richtig weiß, wohin sich das entwickeln wird (Stichwort Praktika und Bezahlung, Stichwort Stellensituation).
Bin selbst kein Psychologe, das ist nur was ich als Außenstehender gehört hab.
Das nur, damit Du keine falschen Vorstellungen hast.

G?rkchen
30.07.2023, 10:45
Inwiefern bringt es dich persönlich weiter, diesen Platz jetzt abzulehnen? Dem Wunschtraum Medizinstudium bist Du dadurch jedenfalls keinen einzigen Schritt näher...und die Gefahr ist, dass Du dann in einem oder zwei Jahren an genau der Stelle bist, wo Du jetzt auch schon bist, ohne dass sich was geändert hat.

ist es dein Wunsch nochmal zu studieren oder nicht? Oder ist es einfach die Angst, wirklich etwas zu ändern?

Mein Rat: Geh nochmal in dich, was Du wirklich möchtest. Besprich dich danach mit deiner Familie, die dich sicher besser kennen als irgendwelche Menschen im Internet.


Es ist die Angst nochmal zu scheitern. In einer idealen Welt würde ich Medizin wählen. Ich sehe aber keine durchführbare Option das Psychologiestudium „zu testen“ und mich parallel ausreichend auf den TMS vorzubereiten und es zu versuchen. Chancen auf eine Zulassung hätte ich nur mit einem sehr guten TMS.

Familie oder engeres Umfeld, was mich dahingehend noch differenzierter einschätzen könnte, gibt es leider nicht. Beim erweiterten Umfeld ist Psychologie top, aber gegen Medizin wäre auch nichts einzuwenden. Ich bin eine empathische Person, deswegen kann man sich mich als Psychologin vermutlich sehr gut vorstellen.^^ Was nicht heißt, dass ich mir ausschließlich die Problemchen der Welt tagtäglich anhören möchte.

Wenn ich den Studienplatz antrete, dann ziehe ich die Psychologie auch durch. Dementsprechend möchte ich diese Entscheidung auch vertreten können.

davo
30.07.2023, 11:06
Ich arbeite jetzt seit mehreren Jahren in der Akutpsychiatrie und muss dir ganz offen sagen: Das, was die Psychologen oder Psychotherapeuten bei uns machen, hat mit dem, was die Assistenzärzte bei uns machen, nichts zu tun. Das sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Insofern: Nein, Psychologie oder Psychotherapie kann kein Ersatz für Medizin/Psychiatrie sein. Es kann eine Alternative sein, und es bietet sicher deutlich geruhsamere Arbeitsbedingungen, aber Ersatz ist es definitiv keiner. Es sind völlig andere Berufe mit völlig anderen Tätigkeiten und völlig anderem Arbeitsalltag.

Und ja, gerade im Bereich der Persönlichkeitsstörungen sollte die Palliativpsychiatrie eigentlich einen großen Stellenwert haben, hat sie aber meist (noch?) nicht. Es gibt nunmal viele Patienten mit schwersten Persönlichkeitsstörungen, die letztlich therapierefraktär sind. Natürlich ist das eine kleine Minderheit aller Patienten mit Persönlichkeitsstörungen, aber diese kleine Minderheit stellt eine große Belastung für jede Akutpsychiatrie dar. Manche davon sind eigentlich überhaupt nicht therapiefähig, andere spalten ihre negativen Anteile völlig ab, sind therapiefähig, aber kommen trotzdem alle paar Tage/Wochen/Monate auf die Akutpsychiatrie um dort ihre Anspannung und ihre negativen Affekte abzuladen. Ob es im gegenwärtigen System eine realistische palliativpsychiatrische Rolle für Psychologen oder Psychotherapeuten gibt, weiß ich nicht. Und falls ja, dann wahrscheinlich eher für Psychotherapeuten als für Psychologen.

Weil dich das so erstaunt/erschreckt hat: Das ist halt wie in jeder anderen Fachrichtung auch - warum sollte die Psychiatrie als einzige Fachrichtung in der Lage sein, jeden zu heilen? ;-)

Nefazodon
30.07.2023, 12:04
Du musst dir selbst im Klaren sein, was das Ziel ist...willst Du Ärztin sein oder Psychologin`? Muss es die psychologische Psychotherapie sein, oder könntest Du dir auch ein anderes psychologisches Arbeitsfeld, z.B. Arbeits- und Organisationspsychologie, vorstellen?

Dir muss einfach klar sein, dass Du keine Ärztin wirst wenn Du Psychologie studierst....Aber sollte das die ganze Zeit das Ziel gewesen sein, stellt sich die Frage, was dich überhaupt dazu bewogen hat, dich für Psychologie zu bewerben.

Scheitern kann man überall. Aber aus Angst vor dem Scheitern etwas nicht zu versuchen, führt im Zweifel nirgendwo hin.

Edit: Btw: die Fernuni Hagen bietet ein Online-Selfassessment zum Psychologiestudium an....ich weiß nicht, ob es wirklich frei zugänglich ist....aber ggf. solltest Du das mal versuchen, bevor Du eine Entscheidung triffst.
Sonst besteht alternativ vielleicht die Möglichkeit, Kontakt zur Studienberatung deiner Uni in spe aufzunehmen und dort um weitere Informationen zu bitten.

Nefazodon
30.07.2023, 12:11
Gelöscht weil doppelt

G?rkchen
30.07.2023, 12:38
Weil dich das so erstaunt/erschreckt hat: Das ist halt wie in jeder anderen Fachrichtung auch - warum sollte die Psychiatrie als einzige Fachrichtung in der Lage sein, jeden zu heilen? ;-)

Das hat mich nicht erstaunt oder erschreckt, im Gegenteil. Ich kenne die Lücken im System und unzureichende Behandlungsmöglichkeiten, meine Mutter war drogenabhängig. Ich kann nicht abstreiten, dass mein Interesse auch daraus resultiert und dass meine Hoffnung wäre, etwas zu besseren Versorgung beitragen zu können. Aber vielleicht stelle ich auch fest, dass der ganz Psycho-Bereich mir doch gar nicht taugt und dann? Könnte ich mit Medizin noch Orthopädin werden, mit Psychologie bleibe ich halt irgendwo im Psycho-Bereich.

Zur Bewerbung zum Psycholoiestudium habe ich mich entschieden weil es mich interessiert hat. Dieses Mimimi-aber-Medizin ist erst mit der Zulassung aufgekommen, als hätte ich jetzt Torschlusspanik.

Im Grunde ist es klar, dass Medizin das bessere Studium ist. Vielleicht sollte ich mal zum Psychologen gehen und mich beraten lassen, wie ich diese Ängste in den Griff bekomme :-nix

rafiki
30.07.2023, 16:16
So viele hoffnungslose Fälle oder eher unwirksame Therapie-Methoden?

Ersteres. Wenn du mal in eine deutsche Akutpsychiatrie gehst, weisst du, was ich meine. In den letzten 20-30 Jahren hat ein Shift stattgefunden, der in Verbindung mit unsäglichen psychiatriepolitischen Entscheidungen genau dazu geführt hat. Ein Großteil der Klientel, die früher kaum in der Psychiatrie angekommen ist, überflutet sie heute. Die Menschen von damals suchen heute eher Hilfe in der Psychosomatik.




Kannst du näher erläutern warum? Weg einschlagen möchte. Anatomie, Biochemie sowas wird dort ja nicht gelehrt (?)

Natürlich haben Psychologen auch (Neuro)anatomie im Studium, aber darum geht es gar nicht. Die ärztliche Herangehensweise ist grundsätzlich anders, nicht nur, weil wir Menschen anfassen. Als guter Arzt hat man das Gesamte im Blick: somatisch, psychologisch, sozial und das, was darüber hinausgeht. Und Psychologie ist keineswegs besonders geisteswissenschaftlich, es sei denn, damit ist Statistik als mathematisches Fach gemeint. Sehr unschön ist, dass man (klinische) Psychologie mittlerweile mit der Vollapprobation abschließt, die Absolventen dann Assistenten gleichstellt ("PiW") und sie ohne grundlegendes Studium auf die Menschen loslässt. Was das für Pat. bedeutet, die von 23-Jährige sie psychotherapeutisch behandeln, kann ich beobachten: Sie werden nicht ernst genommen - und das wiederum schadet der gesamten Psychomedizin.

Was natürlich auch eine Rolle spielt, vielleicht nicht für jeden, ist, dass man nur als Arzt in höchste klinische Verantwortungspositionen und entsprechende Gehälter kommt.

G?rkchen
30.07.2023, 21:16
Akutpsychiatrie wäre mir zu wild. Ich denke ich bin auch eher jemand, der längerfristig die Menschen begleiten wollen würde.

Die Menschen gesamtheitlich zu betrachten macht wohl nicht nur einen guten Arzt aus, sondern grundsätzlich auch einen guten Therapeuten. Somatisch können diese wiederum nur weiter verweisen. Ich glaube dir gerne, dass es witzlos ist wenn die Behandelnen viel zu jung sind. Ich bin dahingehend froh, eine deutlich ältere Studentin zu sein, egal wie die Wahl ausfällt.

Was sagt ihr denn zu meinen Kontra-Punkten zum Medizinstudium? Haltet ihr es für realistisch das Studium selbst zu finanzieren? In der Tiermedizin gab es kaum Luft zum arbeiten (außer nachts) vom Lernaufwand ganz zu schweigen. Angenommen ich würde einen halbwegs flexiblen Job finden, 4-5h am Tag arbeiten und 3-4h lernen - ist die Stoffmenge schaffbar? Kann man Prüfungen verteilen/schieben/Semester einigermaßen problemlos dranhängen?

rafiki
30.07.2023, 21:53
Angenommen ich würde einen halbwegs flexiblen Job finden, 4-5h am Tag arbeiten und 3-4h lernen - ist die Stoffmenge schaffbar? Kann man Prüfungen verteilen/schieben/Semester einigermaßen problemlos dranhängen?

Dafür müsstest du ein Überflieger sein, vor allem, was die Energie betrifft. So etwas ist v. a. mit zunehmendem Alter kaum über viele Jahre hinweg zu schaffen. Aber auch ein Psychologiestudium ist nicht zu unterschätzen, insbesondere weil man sehr gute Noten haben muss, um in den Master zu kommen, und die Konkurrenz ist enorm.

GENTLEsilence
31.07.2023, 03:08
[Zur Situation: ich bin w, Ende 20, berufstätig. Mit 18/19 habe ich Tiermedizin studiert, abgebrochen. Ich war persönlich, gesundheitlich und finanziell überfordert.][/QUOTE]
Perfekt ! Wenn der Ausbildungsabschnitt nach dem 30 Lj. beginnt bekommst du BAföG, wenn du bereits eine Ausbildungs abgeschlossen hast auch. Es kommt jetzt vielleicht noch darauf an wieviel Semester Tiermedizin du studiert hast. Ich würde mir eine Frist und eine Chance dem TMS einräumen. Psychologie läuft dir ja ersteinmal nicht weg und dir scheint wirklich gefühlt daran etwas zu liegen. Zu alt , kann zwar manchmal anstrengend sein, aber auch manchmal vom Vorteil. Ich gehe mit 36 jetzt in das M2 und obwohl ich zeitweise auch durch Krankheit gebeutelt wurde, lief es seitdem ich Medizin studiere eigentlich ganz gut .Und BAföG bekomme ich auch noch und das obwohl das bereits mein 3. Studienfach ist. Es ist wie bei vielen im Leben, denke ich eine Einstellungssache, ob man etwas schafft oder nicht. Klar, manchmal gehört vielleicht auch ein Quäntchen Glück dazu, aber nur manchmal. :-stud

Cor_magna
31.07.2023, 12:06
Ich arbeite jetzt seit mehreren Jahren in der Akutpsychiatrie und muss dir ganz offen sagen: Das, was die Psychologen oder Psychotherapeuten bei uns machen, hat mit dem, was die Assistenzärzte bei uns machen, nichts zu tun. Das sind zwei völlig unterschiedliche Welten. Insofern: Nein, Psychologie oder Psychotherapie kann kein Ersatz für Medizin/Psychiatrie sein. Es kann eine Alternative sein, und es bietet sicher deutlich geruhsamere Arbeitsbedingungen, aber Ersatz ist es definitiv keiner. Es sind völlig andere Berufe mit völlig anderen Tätigkeiten und völlig anderem Arbeitsalltag.

Macht man als Assistenzarzt in der Psychiatrie keine Psychotherapie?

Oder anders formuliert: Für was sind genau die Psychologen und für was genau die Assistenzärzte zuständig? Klar, Assis, das übliche auf Station: Aufnahmen, Briefe, Entlassungen, Anordungen von Medis etc. Und die Psychologen wahrscheinlich Psychotherapie, psychologische Testungen und sowas oder?

(Habe - leider- nie in dieser Sparte der Medizin gearbeitet ,aber doch viele Patienten die entsprechend behandelt werden deswegen die Fragen).

Zur Ausgangsfrage: Du musst selbst entscheiden, was dir wichtig ist und wieviel du bereit bist dafür zu opfern. Da wird dir jeder Mensch je nach persönlichen Werten andere Antworten geben. Da du sagst du hast in die Richtung mit starken Ängsten zu kämpfen, wäre es aber möglicherweise sinnvoll diese anzugehen egal wie du dich entscheidest.. Das Psychologiestudium anzunehmen scheint aber ein vernünftiger Schritt zu sein, da du ja überhaupt keine Ahnung hast, ob es mit Medizinplatz überhaupt klappen würde. Zur Belastung des Arztberufs: ja es ist stressig, aber man muss gleichzeitig auch erwähnen, dass man mehr aushält als man glaubt. Ich dachte früher auch immer, dass ich Innere NIEMALS aushalten würde, und ging dann das jahr als ich da war doch ganz gut.

rafiki
31.07.2023, 16:55
Macht man als Assistenzarzt in der Psychiatrie keine Psychotherapie?

Nein, nichts, was diese Bezeichnung zu Recht tragen würde (es gibt Definitionen von PT). "Gespräche" sind weit davon entfernt, Psychotherapie zu sein. Aber Gespräche gut führen zu können, ist eine wichtige Voraussetzung, um PT zu lernen.


Für was sind genau die Psychologen und für was genau die Assistenzärzte zuständig?

Ideal: Assis und Psychologen Aufnahmen, Gespräche führen, Entlassbriefe schreiben, Gruppen führen. Assistenten zusätzlich gesamte somatische Versorgung und Pharmakotherapie.
In der Realität: Psychologen führen Gespräche, machen (ungern) Testungen. Assis den gesamten Rest, alle Entlassbriefe, ohne Gespräche, ohne Gruppen. Die Realität ist wegen des Ärztemangels so. Leider wird damit Pat. beigebracht, dass Ärzte nicht für PT zuständig sind (was sie am Ende ja auch kaum können, der FA-Titel ist allermeist Betrug). Ich bemühe mich daher immer, so nah wie möglich an das Ideal heranzukommen und z. B. an die Türschilder nicht Assistenzarzt, sondern Arzt für Psychiatrie (bzw. Psychosomatische Medizin) und Psychotherapie in Weiterbildung schreiben zu lassen. Und natürlich auch den Assis die Grundlagen von PT beizubringen.

davo
01.08.2023, 15:46
@rafiki:

Gut, da hab ich zum Glück andere Erfahrungen gemacht :-))

@Cor_magna:

Der wesentliche Unterschied ist IMHO, dass man als Assistenzarzt mit jedem Patienten arbeiten muss - auch mit dem unkooperativen Drogenabhängigen, auch mit dem wahnhaften Patienten -, und dass man in jeder Situation mit dem Patienten arbeiten muss. Die Psychologen und Psychotherapeuten hingegen halten sich bei schwierigen Patienten oder in schwierigen Phasen, bei Krisensituationen, in der Regel vornehm zurück. Bei der Akutaufnahme um drei Uhr früh oder bei der Krisensituation zu Mitternacht liegt der Psychologe oder der Psychotherapeut zuhause im Bett - diese Momente bekommen sie also gar nie mit, sie haben keine Ahnung von diesen Situationen, weder davon wie sie sind, noch wie man mit ihnen umgeht. Das volle Spektrum und das volle Bild der Erkrankungen und der Patienten erlebt man also nur als Arzt.

Es ist zwar anstrengend aber gleichzeitig auch sehr reizvoll, dass man als Arzt die Patienten auch in diesen Situationen, auch in diesen Zuständen erlebt. Man erlebt eben das volle Bild der Erkrankung - und das volle Bild aller Erkrankungen.

rafiki
01.08.2023, 19:40
Stimmt. Und um Menschen später mal auch psychotherapeutisch zu verstehen, sind solche Erfahrungsgrundlagen in der Assistenzzeit sehr wertvoll. Allerdings halten sich die Psychologen und Psychologischen Psychotherapeuten nicht vornehm zurück. Das klingt, als hätten sie keine Lust zu dieser Arbeit. Fakt ist aber, dass sie dafür in keiner Weise ausgebildet sind, die dafür notwendigen Grundlagen im Studium (allgemeine Medizin) nicht haben und natürlich auf etwas nicht Vorhandenes später auch nicht aufbauen können. Und sie haben auch nicht die hoheitlichen Rechte, was Unterbringungen betrifft. Es gibt durchaus Modelle, in denen Psychologen auch Nachtdienste machen, nur nützt das niemandem, da praktisch immer der Arzt auch mit aufstehen muss, weil der Psychologe das Problem weder umfassend einschätzen noch händeln kann.