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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Rufbereitschaft oder Bereitschaftsdienst



MagicMuffin
25.09.2023, 16:22
Wenn man geplant an einem Freitag Rufbereitschaft hat und heute (also 4 Tage vorher) einem gesagt wird, der Kollege fällt aus und man müsse seinen 24-stündigen Bereitschaftsdienst übernehmen:

A) Wird der Dienstplan dann angepasst und man hat seinen BD übernommen und kriegt ihn auch als BD gezahlt?
B) Ist das nun Arbeit in der Rufbereitschaft und deshalb mit 16 Stunden Arbeitseinsatz im RD zu werten?

Um es zu verkomplizieren, hypothetisch, was wäre wenn es einem weniger als 3 Tage vorher gesagt wird und der Dienstplan offiziell nicht mehr kurzfristig geändert werden kann? Dann müsste es meinem Verständnis nach doch definitiv Option B sein?

Wie seht ihr das?

Nefazodon
25.09.2023, 17:18
Also meiner persönlichen Ansicht nach kann dieser Dienst kein Rufdienst sein.

Voraussetzung für einen Rufdienst ist, dass die zu erwartende, durchschnittliche Inanspruchnahme bei maximal 10% liegt.

Voraussetzung für einen Rufdienst ist ferner, dass Du deinen Aufenthaltsort wählen kannst und "nur" innerhalb einer gewissen Zeit in die Klinik kommen können musst.

Beides im Gegensatz zu Bereitschaftsdienst, wo Du a) in ständiger Bereitschaft sein musst, die Arbeit unverzüglich aufzunehmen und b) in der Regel mehr Arbeit anfällt, als nur 10%.

Ich gehe davon aus, dass diese bedingungen so nicht erfüllt sein können. Deswegen würde ich an deiner Stelle darauf bestehen, dass der Dienst als Bereitschaftsdienst eingetragen, bewertet und bezahlt wird.

Zusätzlich kann man in diesem Fall strukturell argumentieren: Wenn "immer" ein Vordergrundbereitschaftsdienst notwendig war, um die anfallende Arbeit zu erledigen, ist es auch jetzt, trotz kurzfristigen Ausfalls einer Person notwendig, den Dienst genau so, als Bereitschaftsdienst, zu besetzen.

Wenn eine "offizielle" Änderung des Dienstplans nicht mehr möglich ist, heißt das nur, dass, gemäß der gängigen Tarifverträge, (Straf)Zahlungen auf deine Dienstvergütung zu leisten sind für kurzfristige Inanspruchnahme.

abcd
25.09.2023, 17:46
Der Rufdienst mit Anwesenheit ist allerdings besser bezahlt als der BD, daher sicher auch die Frage.
Wenn der Vordergrund kurzfristig ausfällt und der Rufdienst einspringt, ist er meiner Meinung nach als Rufdienst zu bezahlen. Bei vier Tagen vorher wird das wohl nicht funktionieren

Zu diskutieren ist , ob man am heutigen Tag verpflichtet ist einzuspringen, der Dienstplan steht und ein RD ist eingetragen und der BD ist neu zu besetzen.

FirebirdUSA
25.09.2023, 17:59
Ich würde soweit gehen zu argumentieren der BD muss sogar wenn möglich mit dem RD besetzt werden, da er ja schon mit möglicher AZ gerechnet hat... aber ggf kennt Autolyse passende Urteile.

Nefazodon
25.09.2023, 18:01
Der Rufdienst mit Anwesenheit ist allerdings besser bezahlt als der BD, daher sicher auch die Frage.

Ah, verstehe.

Kenne mich mit der Bezahlung von Rufdiensten nicht aus, da ich nie welche leisten musste.

Von wieviel mehr sprechen wir denn, wenn man die zusätzlichen Zahlungen für kurzfristiges Einspringen berücksichtigt? Hat da jemand Zahlen zu und kann das gegenüberstellen?

Im Zweifel würde ich mich in so einer Konstellation ja auf den Standpunkt stellen, dass der Dienst so bezahlt wird, wie es für mich am günstigsten ist (also BD oder RD mit Anwesenheit) oder ich sonst den Dienst *leider* nicht übernehmen könnte, da bereits für den RD verplant....:-nix

Rein formal aus arbeitsrechtlicher/tarifrechtlicher Sicht gehe ich weiter davon aus, dass es sich um einen BD handelt. Aber wo kein Kläger, da kein Richter.
Muss man halt transparent mit Vorgesetztem und Verwaltung besprechen vorher.

abcd
25.09.2023, 18:28
RD Pauschale + 24h x (Überstundenentgelt + Überstundenzuschlag)

In Zahlen habe ich gerade keinen Vergleich, kommt auch auf die STufe des BD an. Aber eine BD Stunde ist, soweit ich das überblicke, im TVÄ generell weniger wert als eine Überstunde.

Zuschlag für kurzfristiges Einspringen nur bei <3 Tage
4Die Mitbestimmung nach der Aufstellung des Dienst-
planes bleibt unberührt. 5Liegen bei einer notwendigen Dienstplanänderung nach
Satz 3 zwischen der Dienstplanänderung und dem Antritt des Dienstes weniger
als drei Tage, erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes gemäß § 12
Absatz 1 Satz 1 um 17,5 Prozentpunkte

Autolyse
25.09.2023, 20:47
Ich würde soweit gehen zu argumentieren der BD muss sogar wenn möglich mit dem RD besetzt werden, da er ja schon mit möglicher AZ gerechnet hat... aber ggf kennt Autolyse passende Urteile.
Also ohne Zustimmung des Betriebsrats zur Änderung des Dienstplanes läuft schon einmal gar nichts, da das eine Änderung der Dienstform und damit auch von Beginn und Ende der Arbeitszeit ist. Der Rufdienst ist derjenige, der arbeiten muss, das stimmt, allerdings ohne Änderung der Dienstform, also Rufdienst mit durchgehender Anwesenheit. Freiwillig zustimmen würde ich da gar keiner Änderung, sondern den Rufdienst machen wie er im Dienstplan steht und sich auf durchgehende Anwesenheit einstellen.

/edit: Nachtrag. Die Arbeitgeberin darf selbstverständlich fest zu erwartende Arbeit im Rufdienst anordnen, solange die Voraussetzungen für den Rufdienst in der Gesamtbetrachtung gewahrt bleiben.

FirebirdUSA
25.09.2023, 20:57
Zumindest was ich finden kann, gilt aber eine Dienstplanänderung mit 4 Tagen Vorankündigung vor Gericht als ausreichend (hab das Urteil nicht nachgelesen, wird aber regelhaft zitiert Arbeitsgericht Berlin, 5. Oktober 2012, Az. 28 Ca 10243/12) und ich gehe davon aus, dass der Betriebsrat im Krankheitsfall der Änderung zustimmen wird. Außerdem ist im Tarifvertrag ein Zuschlag für kurzfristiges einspringen vorgesehen, was vermutlich auch gewertet wird das dies im Krankheitsfall zu erwarten ist (Vermutung!).
Aber gerne berichten wie es aus ging. Im Zweifel verkämpfen wir uns ja meist nicht und vermutlich hätten wir eigentlich häufig das Recht auf unserer Seite.

Autolyse
26.09.2023, 00:20
Zumindest was ich finden kann, gilt aber eine Dienstplanänderung mit 4 Tagen Vorankündigung vor Gericht als ausreichend (hab das Urteil nicht nachgelesen, wird aber regelhaft zitiert Arbeitsgericht Berlin, 5. Oktober 2012, Az. 28 Ca 10243/12) und ich gehe davon aus, dass der Betriebsrat im Krankheitsfall der Änderung zustimmen wird. Außerdem ist im Tarifvertrag ein Zuschlag für kurzfristiges einspringen vorgesehen, was vermutlich auch gewertet wird das dies im Krankheitsfall zu erwarten ist (Vermutung!).
Aber gerne berichten wie es aus ging. Im Zweifel verkämpfen wir uns ja meist nicht und vermutlich hätten wir eigentlich häufig das Recht auf unserer Seite.
Da geht es um einen Kündigungsrechtsstreit und die 4 Tage sind nicht tragend festgestellt worden, sondern dafür herangezogen worden, dass am Vortag auf keinen Fall ausreicht.

Aus der Betriebsratspraxis: Normalerweise ist einmal pro Woche Sitzung. Im Regelfall sollte wenigstens drei (Arbeits)tage vorher geladen werden, teilweise ist das deutlich länger und erfordert eine Tagesordnung. Verstöße kann man zwar heilen, aber trivial ist das nicht. Wenn der Betriebsrat jetzt in einem Großpuff wie deiner Arbeitgeberin (auch wenn er dort Personalrat heißt) jede Dienstplanänderung abnicken soll, dann ist der aber nur damit beschäftigt. Der Tarifvertrag kann die Mitbestimmung nicht beschränken (Normenpyramide! Deswegen gibt es auch Satz 3 der Tarifvertragsnorm, in der das ausdrücklich festgestellt wird).

Die Arbeitgeberseite wird da zwar drauf setzen und auch eine entsprechende Drohkulisse aufbauen, dass sich ein Dummer freiwillig findet, aber die weiß genauso, dass sie sich damit eine blutige Nase bei Gericht holt. Die Voraussetzungen jemanden rechtskonform zu zwingen sind faktisch nicht zu erfüllen, weil es so viel Fallstricke gibt und die Arbeitgeberin alles vortragen und glaubhaft machen müsste. Prozessual sitzt man wie die Made im Speck als Arbeitnehmer, weil man nur den Status quo verteidigt und die Gegenseite als Beklagte ein "mehr" will.

anignu
26.09.2023, 00:49
Voraussetzung für einen Rufdienst ist, dass die zu erwartende, durchschnittliche Inanspruchnahme bei maximal 10% liegt.
Totaler Schmarrn.
Sorry für die klaren Worten. Dieses 10% ist ungefähr sowas von totaler Mist, da muss man einfach hinschreiben wieviel Schmarrn das ist.

Rufdienst heißt "in Ausnahmefällen". Das ist nicht klar definiert. Wir Rufdienstleistenden sind alle dem einen Kollegen dankbar der es tatsächlich mal bis zum BAG geschafft hat um dort zwar rein formal eine Abfuhr zu erhalten (er bekommt kein Geld für falsch titulierte Dienste) aber immerhin die Feststellung erreich hat das Anrufe jeden zweiten Dienst in Kombination mit 4% Arbeitseinsatzzeit einfach kein Rufdienst ist.

Insofern: eine Grenze von UNTER 4% sollte im Rufdienst erreicht werden! Also wenn man 16h Rufdienst hat, dann sollte man maximal jeden zweiten Tag für eine Stunde arbeiten müssen! Wobei auch das schon zuviel wäre laut BAG.
https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/6-azr-264-20/ für alle die nachlesen wollen.

Der Rufdienst mit Anwesenheit ist allerdings besser bezahlt als der BD, daher sicher auch die Frage.
Das ist keine Frage. Das ist easy. Ist man komplett anwesend, wird man als anwesend bezahlt. Im BD bekommt man in der niedrigsten Stufe "nur" 70% + 15%. Als Rufdienstler kann man aber am nächsten Tag wieder komplett da sein und dann scheffelt man so richtig Kohle weil man ja auch mal schnell 32h am Stück da sein kann... wenn man das Arbeitszeitgesetz ignoriert...

RD Pauschale + 24h x (Überstundenentgelt + Überstundenzuschlag)
Täusch dich da nicht. Bei dauernder Anwesenheit wird einem die RD-Pauschale gestrichen weil man ja dauernd anwesend war... bei uns zumindest

/edit: Nachtrag. Die Arbeitgeberin darf selbstverständlich fest zu erwartende Arbeit im Rufdienst anordnen, solange die Voraussetzungen für den Rufdienst in der Gesamtbetrachtung gewahrt bleiben.
Also das würde ich mich wundern wie das klappt laut dem BAG-Urteil mit den Einsätzen in 50% und 4% der Arbeitszeit. Wie willst du das schaffen? Ich ordne jeden 3. Tag eine halbe Stunde fest an und hoffe dass es maximal alle 5 Tage zu einem kurzen Rufdiensteinsatz kommt weil sonst die Grenzen überschritten werden?

Freiwillig zustimmen würde ich da gar keiner Änderung, sondern den Rufdienst machen wie er im Dienstplan steht und sich auf durchgehende Anwesenheit einstellen.
Und der nächste Tag? Dableiben? Heimgehen?
Lass es ändern auf BD, geh am nächsten Tag heim und lass dich sonstwo.

Autolyse
26.09.2023, 06:42
Also das würde ich mich wundern wie das klappt laut dem BAG-Urteil mit den Einsätzen in 50% und 4% der Arbeitszeit. Wie willst du das schaffen? Ich ordne jeden 3. Tag eine halbe Stunde fest an und hoffe dass es maximal alle 5 Tage zu einem kurzen Rufdiensteinsatz kommt weil sonst die Grenzen überschritten werden?
Auf die Frage, ob die Arbeitgeberin die gesetzlichen Grenzen einhält kommt es nicht an. Das ist mir als Angestelltem ziemlich hupe. Im Übrigen sind die Grenzen nicht fix, sondern auf die Kombination der Inanspruchnahmen kam es an. Klar kann ich den Anteil der Arbeitsleistung hochsetzen, wenn der Anteil der telefonischen Inanspruchnahmen deutlich abfällt. Sonst wäre der Personalumfang der Straßenmeistereien weit größer.


Und der nächste Tag? Dableiben? Heimgehen?
Lass es ändern auf BD, geh am nächsten Tag heim und lass dich sonstwo.
Darauf kommt es nicht an. Der Fragesteller sagte Freitag, damit ist der Folgetag kein Arbeitstag.

MagicMuffin
26.09.2023, 11:57
Interessante Ansichten.
Das heißt zusammenfassend, auch wenn man mich nicht zur Übernahme des BD „zwingen“ kann, muss ich unter Umständen 16 Stunden als RD arbeiten.
Den Arbeitseinsatz im Rufdienst werde ich nicht abwenden können und somit muss ich mal wieder dieses Wochenende in der Klinik verbringen.

Die Bezahlung ist im RD natürlich deutlich höher.
16 Stunden Bereitschaftsdienst + Nachtzuschlag und die Höherbewertung ergeben bei Ä1 und höchste BD Stufe ungefähr 350€ brutto, wenn sie zu 100% ausbezahlt würden.
16 Stunden Arbeit im Rufdienst ergeben knapp 570€ + RD Pauschale als fast das doppelte

FirebirdUSA
26.09.2023, 14:38
Also ich kenne es auch so wie anigu, das RD Pauschale für Zeiten der Insnspruchnahme nicht gezahlt wird.

Insofern bleibt dir nur Füße still halten, Dienst machen und wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats auf Arbeitseinsatz im RD zu bestehen (und das dann ggf auch einzuklagen).

Viel Erfolg

Edit: zumindest der Betriebsrat bei uns stimmt keinen AZ Modellen mit zu festen Zeiten erwartbarer Arbeit im RD an, da es dann ja eben kein Rufdienst mehr sei.

Autolyse
26.09.2023, 16:59
Also ich kenne es auch so wie anigu, das RD Pauschale für Zeiten der Insnspruchnahme nicht gezahlt wird.
Okay, das ist kreativ. Wie muss ich mir das praktisch vorstellen? Werden euch für jede Aktivstunde 12,5% des individuellen Stundenentgelts von der Pauschale abgezogen?

FirebirdUSA
26.09.2023, 17:09
Bei 12h RD und darin 2h Einsatz, Pauschale für 10h und 2h Überstundenbezahlung + Zuschläge

abcd
26.09.2023, 19:25
Wir bekommen unsere Pauschale unabhängig der Einsätze bezahlt. Unsere RD sind alle >12h, also 2facher bzw. 4facher Stundenlohn.

Immer wieder spannend, was manche AG sich so einfallen lassen.

Autolyse
26.09.2023, 19:57
Bei 12h RD und darin 2h Einsatz, Pauschale für 10h und 2h Überstundenbezahlung + Zuschläge
Den Tarifvertrag und die Mitbestimmung (Beginn und Ende der Arbeitszeit!) einfach ausgedribbelt...
Konsequenterweise beginnen Bereitschaftsdienste dann auch erst, wenn die erste Arbeitsunterbrechung eingetreten sind, denn davor sind es dann Überstunden. Ich bin ziemlich sicher, dass diese Konsequenz nicht gezogen wird.

JJ*
26.09.2023, 21:23
Den Tarifvertrag und die Mitbestimmung (Beginn und Ende der Arbeitszeit!) einfach ausgedribbelt...
Und wie so oft frage ich mich, ob dahinter Absicht bzw. Kalkül, Ignoranz oder Inkompetenz steckt. Der Vertreter der Personalabteilung eines ehemaligen Arbeitgebers mit teils ähnlich kreativen Ideen und einem oft spannenden Rechtsverständnis hat in etwas größerer Runde mal von deren Selbstverständnis als „Hüter des Tarifvertrags“ erzählt und war sichtlich angefressen, dass diese Aussage vernehmbares Gelächter aus diversen Ecken hervorrief.

MagicMuffin
27.09.2023, 09:22
Wir bekommen immer die volle Pauschale ausbezahlt. Ich wüsste keine Rechtfertigung das nicht zu tun.

anignu
28.09.2023, 22:01
Die Rechtfertigung lautet, dass man, wenn man nach der regulären Arbeitszeit noch weiterarbeiten "darf" das dann Überstunden sind und die Rufbereitschaftszeit ja erst nach dem allerersten Ausstempeln beginnt. Und ist die Zeit dann <12h macht man ja keine voll anerkennenswerte Rufbereitschaft...
Konsequenz: Ausstempeln und eine Minute später wieder einstempeln. Hat auch den Vorteil dass der 2. Stempelblock dann ja in die Rufbereitschaft fällt und somit eine Minute Wegezeit + die Wegezeit nach Hause anfällt die zum Block 2 gerechnet werden und der Gesamtblock incl. der einen Minute + einfacher Wegezeit dann auf volle Stunden aufgerundet wird. So sind die Regeln. Ich hab sie nicht gemacht.