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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Erfahrungen von Oldies nach dem Studium/ im Berufsleben



leo1278
12.11.2023, 21:18
Hallo:),
ich bin 29 Jahre alt und bin jetzt im 3. Semester eines Regelstudienganges in Medizin. Es ist zwar viel, aber ich habe bisher alle Prüfungen bestanden, und konnte nur einen Kurs wegen eines Fehltermins nicht beenden, sodass ich das Physikum erst voraussichtlich Frühjahr 2025 machen kann. Inhaltlich finde ich das Lernen nicht besonders interessant, aber gleichzeitig auch nicht anstrengend oder ermüdend. Es klappt halt so vor sich hin :)
Trotzdem zweifle ich im Moment stark daran, ob es den Aufwand noch wert ist. Ich werde erst mit 35 oder 36 ins Berufsleben als Ärztin starten und dann 5 Jahre Facharzt machen. Im Moment habe ich keinen Partner und keine Kinder, jedoch hoffe ich schon sehr, dass ich in meinen 30gern eine Familie gründen kann. Ich mache mir immer mehr Sorgen wegen meines Alters und bin mir nicht mehr sicher, ob der Aufwand die Mittel noch rechtfertigt. Ich will ja auch nach dem Studium nicht gleich wieder aufhören...

Deshalb würde ich mich sehr freuen zu hören, wie es anderen Oldies erging. Ich weiß, dass Medizin einfach auch nur ein Job ist, aber trotzdem hält mich daran immer noch was fest. Es war halt eigentlich immer das, was ich machen wollte. Aber die Umstände sind ja doch ganz andere als mit 20 und ich überlege deshalb immer häufiger, abzubrechen. Was mich immer wieder motiviert sind die guten Jobaussichten und die Perspektive vielleicht doch noch einen Arbeitsbereich zu finden, der mich inhaltlich interessiert.

Die Alternative wäre im Moment, einen Studienkredit aufzunehmen und einen 1jährigen Master im Ausland zu machen, der auf kein festes Berufsbild zuführt, mit dem man in Deutschland sicher aber auch eine Arbeit findet. Langfristig aber sicher nicht so gut bezahlt und mit deutlich weniger Entwicklungsmöglichkeiten.

Wie ist es euch denn so ergangen? Konntet ihr Familie auch im Studium verwirklichen? Man muss ja auch erstmal einen Partner finden, der Studieren über 30 nicht sehr kritisch sieht und bereit ist, diese "Last" für ein paar Jahre mitzutragen.
Und würdet ihr das Studium nochmal machen? Hat es sich für euch am Ende gelohnt und seid ihr glücklich damit geworden, auch als Späteinsteigende?
Oder gibt es vielleicht hier auch jemanden in einer ähnlichen Situation und wie geht ihr damit um? :-)

davo
13.11.2023, 19:47
Was genau sind denn deine Sorgen? Geht es hauptsächlich um den Kinderwunsch?

Sehr viel Aufwand scheint das Studium für dich ja eigentlich nicht zu sein, wenn du eh problemlos alles bestehst. D.h. eigentlich geht es nur um den Verdienstentgang, oder wie? Oder um die Tatsache, dass du in einem Alter, in dem du gerne berufstätig wärst, noch (bzw. wieder) Studentin bist?

Kinder zu haben wird dein Berufsleben auf jeden Fall stark verändern - aber das gilt ja nicht nur als Medizinstudentin oder als Ärztin, sondern würde genauso auch in deinem ursprünglichen (oder möglichen alternativen) Beruf gelten.

Ich war beim Studienabschluss noch ein paar Jahre älter als du es sein wirst, und bereue nichts. Allerdings ist das Kinderthema bei mir auch nicht so präsent. (Und ich bin männlich, nur damit ich es gesagt habe.)

crossie
14.11.2023, 17:19
Ich in Kurzform: mit 31 Jahren als Single/Ledig/keine Kinder mit dem Studium begonnen. Aktuell 43, verheiratet, zwei Kinder, wartend auf einen Termin für die Facharztprüfung. Der Beruf ist genau das, was ich immer machen wollte, auch wenn die Umstände, insb. mit der Familie manchmal sehr belastend sind. Würde ich aber immer wieder so machen.

Matzexc1
14.11.2023, 17:37
Ich, zu Beginn 27 und zum Ende des Studiums 35, habe eine Reihe Kommilitonen/Kommilitoninnen erlebt die während des Studiums Familien gegründet haben oder schon hatten.

Es kommt eher darauf sich an die Umstände anzupassen als sich darüber Gedanken zu machen. Ich bin trotz Schwierigkeiten(3 Versuche mündliches Physikum) durchgekommen und würde wieder Medizin studieren, nur 6 Jahre warten war anstrengend.

Meine Partnerin kenne ich seit bald 2 Jahren und sie hat die 30 auch schon hinter sich gelassen, sie war eher beeindruckt das ich das so durchgezogen habe.

Chriman
15.11.2023, 00:42
Ich, männlich, mit 31 begonnen - mit 37 in den Beruf gestartet.

Was genau sind denn deine Bedenken? Kinder, Einkommen, "alt" sein wenn alle anderen jung sind?!

Kinder während des Studiums zu bekommen ist aus meiner Sicht absolut premium - hätte ich direkt nach dem 4. Semester mit anfangen sollen und nicht erst zum 9-10. So viel Zeit wie während des Studiums hatte ich in meinem ganzen Erwachsenendasein nicht.
Da du ja scheinbar mit den Studieninhalten keinen Stress hast würde ich es unbedingt durchziehen und ggf mehr nebenbei jobben, falls Geld ein Problem ist. Oder ein Stipendium bei den diversen Studienförderungsstiftungen anstreben- diese Möglichkeit ist gerade bei älteren Studis oft nicht präsent. Dann erst Studienkredit etc. in Erwägung ziehen.

Zum Alter: ich hatte wirklich durchweg positive Resonanz auf mein Alter bzw. Lebenserfahrung. In meiner aktuellen Abteilung (beliebte Abteilung mit massig Bewerbern + Großstadt) sind locker 50 % der Assis Wartezeitler/ 2. Studium. Mein Chef sagt sinngemäß der erste Job ist immer schwer und wenn die Leute schonmal gearbeitet haben - egal ob medizinisch oder nicht, merkt man das.

Einkommen als Berufsanfänger: Als Assi im ersten Weiterbildungsjahr verdient man aktuell um 60K - im letzten Jahr 75-80K, ohne Dienste etc.
Mein aktuelles Nettoeinkommen (1.WBJ) von 3,6-4k mit Diensten hätte ich in meiner vorigen Tätigkeit im Rettungsdienst nie erreicht bzw wäre das dass absolute Ende der Fahnenstange gewesen...

leo1278
19.11.2023, 21:45
Ganz herzlichen Dank für eure Nachrichten:). Die machen ja echt Mut. Ja, genau. Ich mache mir Sorgen immer "zu alt" zu sein, jetzt, später im Beruf und quasi ein Leben lang. Aber später verliert sich das ja auch und dann spielt das mit dem Alter auch wahrscheinlich keine so große Rolle mehr. Ich mache mir schon Sorgen, dass ein Partner das eher schwierig finden könnte, aber so was kann man ja sowieso nicht so ganz planen. Nehmt ihr das Arbeiten im Schichtsystem als sehr große Belastung war? Das ist ja schon einfacher, wenn man etwas jünger ist... Danke für eure Eindrücke:-)

Frisko
20.11.2023, 09:34
Ich schlag mal in die andere Kerbe.

Dein Partner muss das mitmachen. Und ihr müsst das ein Stückweit planen können. Schau gerne mal in den "Familien-Thread", da siehst du regelmäßig, wie Versorgungssysteme nicht scheitern aber an die Belastungsgrenzen und drüber gedrückt werden. Deutschland ist kein Kinderland und der Arztberuf ist nicht familienfreundlich. D.h. für mich, dass ich sehr wohlwollende Weiterbilder und Vorgesetzte hatte und sehr maligne. Mein letztes Kind-krank wurde mit einem "Pfft, ich kann es nicht mehr hören..." quittiert.

Auch den Schicht- oder in meinem Falle Nachtdienst finde ich mit Ende 30 ätzend. Unregelmäßigen Schlaf insgesamt.

Fazit: Altersunterschied ist egal. Aber: man muss es schon wollen. Ich würde es nicht nochmal machen.

Matzexc1
20.11.2023, 09:45
Auch den Schicht- oder in meinem Falle Nachtdienst finde ich mit Ende 30 ätzend. Unregelmäßigen Schlaf insgesamt.



Den Punkt kann ich gut bestätigen, vor allem selbst wenn du schlafen könntest heisst nicht das du es neben einem Funkmelder/Telefon kannst

Frisko
20.11.2023, 10:01
Richtig. Das ist das Schlimmste. Alle fünf Minuten Augen auf, "Hab ich den Pieper überhört?".
Furchtbar.

crossie
20.11.2023, 11:17
Um meinen Vorrednern anzuschließen: auch wenn ich es definitiv noch mal so machen würde, ist es doch teilweise echt hart. Eben die Dienste, der unregelmäßige Schlaf (ich bin vorgestern und gestern Nacht z.B. 12h NEF gefahren, kam in der Nacht auch zerstückelte 3 Stunden Schlaf und zuhause ist tagsüber an Schlaf nicht zu denken bzw. will/kann ich das meiner Frau und meinen Kinder nicht antun). Ich arbeite mit 80% real um die 45h-50/Woche in der Klinik (durch die Dienste) und fahre nebenbei noch 1x die Woche NEF irgendwo um noch mehr Kohle ranzuschaffen.
Und ich hatte auch schon wegen Kind-Krank ein persönliches Gespräch beim Chef...

crossie
20.11.2023, 12:50
ABER: ich hatte vorher einen in jeder Beziehung sozial kompatibleren Job ("Real Estate Asset Manager") in der freien Wirtschaft. Geregelte Arbeitszeiten, gutes Gehalt, Benefits wie Firmenwagen, schon damals viel home office, usw. Die Arbeit an sich hat mich aber sowas von angeödet, dass ich es nicht mehr ausgehalten und die Reißleine gezogen hab. Ich bin eben vom Typ so, dass mir die Arbeit Spaß und Sinn geben muss, da sind die Umstände tatsächlich nebensächlich. Und das ist eben aktuell der Fall. Alles sehr, sehr anstrengend und nicht unter einen Hut zu bringen aber es macht mir Freude.

Chriman
25.11.2023, 23:45
Klar ist (akut)Medizin anstrengend, da wäre es natürlich interessant was Leo gemacht hat bevor mit Ende 20 das Medizinstudium begann.
Wenn man noch nie nachts gearbeitet hat und vorher einen Bürojob hatte, ist es natürlich mit Mitte 30 echt anstrengend mit Nachtdiensten zu beginnen.
Ich merke mittlerweile auch das es mich ganz schön belastet. In meiner RettAss Ausbildung bin ich nach der 24h Schicht mit 4h Schlaf locker zum Sport gefahren - da war ich aber auch 23-24....

leo1278
14.12.2023, 20:13
Oh, ich hatte das gar nicht mehr gesehen:-oopss. Ja, genau. Ich habe davor nicht im medizinischen Bereich gearbeitet und es ist quasi eine Art Neuanfang für mich. Ich habe mir das natürlich sehr gut überlegt, aber am Ende sehen die Dinge ja trotzdem meist anders aus. Das Studium ist im Moment wirklich nicht so sehr das Problem, sondern die Unsicherheit, ob sich vor allem der zeitliche Aufwand nochmal lohnt und die Frage, ob ich in diesen Beruf nicht zu viel Hoffnung setzte.
Und um ehrlich zu sein finde ich es schon schwierig, deutlich älter als alle anderen zu sein, ich habe hier aber vielleicht einfach auch noch keinen Anschluss an andere "Oldies" gefunden, das macht das sicher auch leichter. Aber ich habe auch das Gefühl wie Frisko meinte, dass ein Partner das ja auch erstmal mittragen muss. Jemanden passendes zu finden macht es vielleicht nicht einfacher. Und die Arbeitsbelastung ist in dem Beruf ja wirklich hoch, vor allem in Bezug auf Schlaf usw. Ich habe mich jetzt entschieden, dass Semester auf jeden Fall fertig zu machen und mir für die Entscheidung noch etwas Zeit zu geben. Vielen Dank für euren Input auf jeden Fall:)