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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sachverständigengutachten 2024



h3nni
02.05.2024, 23:05
https://www.svr-gesundheit.de/publikationen/gutachten-2024

Was ich besonders spannend finde: Primärarztsystem mehr oder weniger verpflichtend machen, speziell ausgebildete Pflege soll heilberuflich tätig sein dürfen, bessere Steuerung von Fachärzten, damit sie auch im Krankenhaus tätig sein können.

Und Quotierungen für alle Weiterbildungen, weil vom Zerteilen wird die Sau fetter.

Man schaut wirklich nur zu und wartet auf den Impact.

Dooly
06.05.2024, 13:21
Danke für den interessanten Thread.



Und Quotierungen für alle Weiterbildungen, weil vom Zerteilen wird die Sau fetter.Was heißt vom Zerteilen wird die Sau fetter?

Ich habe nur den Abschnitt bzgl. Quotierung der WB Stellen gelesen. (S. 177ff)
In einigen europäischen Ländern wird die Anzahl der Weiterbildungsplätze quotiert, sodass eine freie Wahl der Facharztweiterbildung nicht ohne weiteres möglich ist. So wird etwa in Belgien, den Niederlanden und Frankreich jährlich die Anzahl der Weiterbildungsplätze neu festgelegt, um so möglichst engmaschig die Entwicklung zukünftiger Bedarfe abdecken zu können (Zich et al. 2023). Die Quotierung der Weiterbildungsplätze unterscheidet sich von der Landarzt- bzw. ÖGD-Quotierung insofern, als dass sie zu einem späteren Zeitpunkt greift, wenn davon auszugehen ist, dass Kandidaten klare Präferenzen entwickelt haben. Wartezeiten könnten – wie auch heute bereits bei der Vergabe von Studienplätzen in der Humanmedizin genutzt – einen fairen Zugang zu Weiterbildungsplätzen sicherstellen. Gleichzeitig könnte eine Quotierung, die von den zuständigen Ärztekammern unter Einbindung von KVen und Krankenhausgesellschaften durchgeführt wird, eine regionale Steuerung vereinfachen und die spezifischen lokalen Engpässe besser adressieren. Eine Quotierung aller Weiterbildungsplätze ist dabei nicht zwingend notwendig; eine steuernde Funktion könnte bereits mit einer Deckelung von populären Fachrichtungen, bei denen eine relative Überversorgung angenommen werden kann, erreicht werden. Ebenso könnten Quotierungen an andere Bedingungen gekoppelt werden, z. B. könnte ein bevorzugter Zugang zu den quotierten Weiterbildungsplätzen an die Art und Lokalität der Weiterbildungsstelle gekoppelt werden (z. B. im ambulanten Sektor, in unterversorgten Gebieten).Hier wird auf andere Länder Bezug genommen, die jährlich die Anzahl der WB-Plätze festlegen. Kennt sich jemand mit den WB in BEL, NDL und FRA aus und weiß, wie gut das dort tatsächlich funktioniert? Was soll "Wartezeit" sein? Wohl kaum, wie der Vergleich zur Studienplatzvergabe erst einmal denken lässt, eine Zeit nach Abschluss des Studiums ohne WB. So eine Wartezeit wird nicht zu Fairness bei der Verteilung von WB Stellen führen. Davon abgesehen, dass Wartezeit schon lange auch bei der Studienplatzvergabe keine valide Ersatzleistung mehr ist, ist es bei einem Arbeitsverhältnis nicht denkbar. Man kann einer Arbeitgeberin doch niemanden zwangszuweisen.
Die Regeln, nach denen die quotierten Weiterbildungsplätze vergeben werden, sind von den Ärztekammern zu erarbeiten.Da freuen sich die LÄK. Note Stex, Note Promotion, Berufserfahrung oder was denkt ihr?

Ich finde es auch interessant, dass in der Veröffentlichung davon gesprochen wird teilweise Pflichtabschnitte in der ambulanten Versorgung einzuführen.
Die fachärztliche Weiterbildung findet üblicherweise im Rahmen einer Anstellung bei einem Krankenhaus statt, kann aber fakultativ auch teilweise in einer Praxis oder einer anderen Versorgungseinrichtung erfolgen. Die im Jahr 2018 novellierte Muster-Weiterbildungsordnung ermöglicht bei allen 52 Facharztweiterbildungen einen Anteil ambulanter Weiterbildungsabschnitte; darüber hinaus wurde in 35 Facharztweiterbildungen der mögliche Anteil der ambulanten Weiterbildungsabschnitte flexibilisiert. In einer Mitgliederbefragung des Marburger Bundes aus dem Jahr 2021 gaben jedoch lediglich 5,4 % der Befragten an, ihre fachärztliche Weiterbildung im Rahmen einer ambulanten Beschäftigung zu absolvieren (Marburger Bund 2021). Insgesamt sind allerdings 39,3 % der Ärzt*innen im ambulanten Sektor tätig (siehe Kapitel 1). Hier besteht das Risiko eines Skill-Mismatches, da Krankheitsbilder, die in der ambulanten Versorgung im Fokus stehen, während Gutachten 2024 179 der stationären Ausbildung nicht oder zu selten vorkommen. Auch nichtmedizinische Aufgaben, wie z. B. das Praxismanagement, unterscheiden sich zwischen dem stationären und dem ambulanten Sektor. Ein solcher Skill-Mismatch kann zu einem Verlust an Produktivität führen, da Fähigkeiten und Fachwissen nicht effizient eingesetzt werden können, oder interessierte Ärzt*innen davon abhalten, nach ihrer Weiterbildung ambulant tätig zu werden. Um dies zu vermeiden, empfiehlt der Rat, dass in Facharztgruppen, in denen ambulante Versorgung gängig ist, ein Teil der fachärztlichen Weiterbildung im ambulanten Sektor absolviert werden muss, wie es bereits heute in der Allgemeinmedizin der Fall ist.Hierbei wird von Fächern gesprochen, "in denen ambulante Versorgung gängig ist". Durch die Berichte aus dem Freundeskreis habe ich eher das Gefühl, dass die Leute in WB weniger in Praxen gehen, weil sie dort keine Stelle bekommen, nicht, weil sie die Klinik vorziehen. Gerade in den "Fremdjahren" wird Praxis ganz gern mal in Erwägung gezogen, aber ohne/mit wenig Berufserfahrung ist das für Praxen oft schlechter realisierbar, als für Kliniken.

h3nni
06.05.2024, 14:15
Es gibt den Spruch "vom Wiegen wird die Sau nicht fett", also vom Zuschauen kann man das Füttern nicht ersetzen.

Genauso: wenn man 200kg Schwein hat (oder 10000 Ärzte), kann man daraus nur 200x1 kg Steaks machen maximal und nicht, nur weil man zerteilt, 250x1kg.
10000 Ärzte werden nur 5000 Internisten und 5000 Chirurgen. Wenn man 1000 Kinderärzte erzeugen will, kann man das nicht tun, ohne den anderen Fächern was wegzunehmen.

Dooly
06.05.2024, 21:10
Alles klar, danke für die Erklärung. Ja genau, so eine Umverteilung schlagen die Sachverständigen vor. Die „populären Fächer“, wo es eine „relative Überversorgung“ gibt, sollen gedeckelt werden. Gibt es bereits brauchbare Daten von den Kliniken? Die Daten der KBV findet man hier https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/17016.php

Bonnerin
08.05.2024, 06:53
Persönlich halte ich ja nichts von noch mehr Planwirtschaft im System. Denn gerade die Kombi aus schlechter Planwirtschaft, die dann die guten Aspekte der freien Marktwirtschaft auffrisst sind wir ja erst in die aktuelle Lage gekommen.

Ansonsten gibt es in Deutschland ja schon ein Beispiel für die besagte Quoten-Verteilung - die Medizinstudierenden der Bundeswehr. Da gibt es ja Punktesysteme, bestehend aus z.B. Abschluss in Regelzeit, Famulaturschwerpunkten, Offizierskursen, Examensnoten.

Habe mit Leuten studiert, die dann so hoch punktiert waren, dass sie sich aussuchen konnten, welches Fach (und teilweise auch welcher Ort). Andere haben was zwangszugeteilt bekommen. Wenn, dann sehe ich das als "Idee" der ÄK. Oder das BGM mischt sich ein, was sicher noch viel besser wäre...nicht.

Dooly
08.05.2024, 15:30
Ansonsten gibt es in Deutschland ja schon ein Beispiel für die besagte Quoten-Verteilung - die Medizinstudierenden der Bundeswehr. Da gibt es ja Punktesysteme, bestehend aus z.B. Abschluss in Regelzeit, Famulaturschwerpunkten, Offizierskursen, Examensnoten.

Habe mit Leuten studiert, die dann so hoch punktiert waren, dass sie sich aussuchen konnten, welches Fach (und teilweise auch welcher Ort). Andere haben was zwangszugeteilt bekommen. Wenn, dann sehe ich das als "Idee" der ÄK. Oder das BGM mischt sich ein, was sicher noch viel besser wäre...nicht.Ah ja, dass die Bundeswehr weiterbildet, was sie gerade braucht, liegt nahe. Die Kriterien find ich okay, was anders hat man derzeit nicht zur Verfügung und was besseres fällt mir auch nicht ein. Die Bundeswehr steht aber als Arbeitgeberin fest oder? Das ist dann ein relevanter Unterschied zur freien Wildbahn, wo es ja auch um Bewerbungen geht. Eigentlich ist das Quatsch und denkbare Lösungen, wie Ranking/Matching zu aufwendig. Dann sollen die LÄK die WBBs beschränken und den Rest regelt die Arbeitgeberin selbst, eigentlich fast so, wie bisher.