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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Interdisziplinäre Veranstaltungen



Lava
12.02.2004, 18:22
Hallo,

soweit ich weiß, basieren die Modellstudiengänge ja alle auf dem POL-Prinzip: problemorientiertes Lernen. Es wird nicht nach Fächern, sondern fächerübergreifend nach Themen gelehrt und gelernt. Da ich für die freiwilligen POL Kurse bei uns immer zu faul war und in einem "normalen" Studiengang bin, kann ich nicht beurteilen, wie gut oder schlecht POL ist.

Allerdings hat auch unsere scheinbar stockkonservative und teils ganz schön altmodische Uni auch endlich so ein Projekt gestartet. Im Rahmen der neuen Studienordnung gabs im ersten klinischen Semester interdisziplinäre Vorlesungen zu den Themen Tuberkulose, Antibiotika und Malaria. Daran beteiligt haben sich Dozenten aus der Mikriobiologie, Geschichte der Medizin, Pathologie, Pharmakologie, Hygiene und Innerer Medizin. Die Vorlesungen dauerten jeweils drei Stunden. Ich muss sagen, dass sie zumindest thematisch wirklich gut strukturiert und inhaltlich sehr ansprechend gestaltet waren. Scheinbar haben sich die Dozenten untereinander gut abgesprochen, so dass es zwischen den einzelnen Fächern nahtlose Übergänge gab. Die Reaktion der Studenten war, so wie ich das mitbekommen habe, auch eher positiv. Da es das erste Mal war, muss natürlich hier und da noch gefeilt werden. :-top
Ich frage mich, wie sehr diese neue Art der Vorlesung in Zukunft die bisherigen ersetzen soll. Zwar war das alles ganz nett, aber schließlich gibt es auch innerhalb der einzelnen Fächer wichtige Zusammenhänge, die bei den interdisziplinären Vorlesungen verloren gehen. außerdem ist der Vorbereitungsaufwand für die Dozenten sehr groß. Haben interdisziplinäre Vorlesungen eine Zukunft? Für welche Themen fändet ihr sowas sinnvoll? Gibt's das an eurer Uni auch?

Faust601
12.02.2004, 18:56
Original geschrieben von Janine
soweit ich weiß, basieren die Modellstudiengänge ja alle auf dem POL-Prinzip: problemorientiertes Lernen. Es wird nicht nach Fächern, sondern fächerübergreifend nach Themen gelehrt und gelernt.
Moment mal:

POL ist nicht gleich interdisziplinär. POL bedeutet lediglich, dass man einen klinischen Fall präsentiert bekommt, anhand dessen man sich die theoretischen Grundlagen erarbeitet.

Wenn du mich fragst, ist das Prinzip ziemlich bescheuert. Ich bin da gerade ein wenig frustriert, weil unsere Mikrobiologen POL so toll finden (kommt halt aus Harvard, also muss es ja gut sein) und uns damit quälen.

Das läuft dann ungefähr so ab: Man kriegt ein Fallbeispiel und darf sich anhand der Symptome ausdenken, was der Patient haben könnte. Und das zu einem Zeitpunkt, wo man eigentlich noch keine Ahnung hat. Denn man soll sich ja eben durch dieses gemeinsame Überlegen das nötige Wissen aneignen. Wie schon gesagt: Ich finde das halbwegs schwachsinnig.



Original geschrieben von Janine
Haben interdisziplinäre Vorlesungen eine Zukunft? Für welche Themen fändet ihr sowas sinnvoll? Gibt's das an eurer Uni auch?
Bei uns gab's bereits in der Vorklinik erste Versuche zum fächerübergreifenden Unterricht, indem zu bestimmten Themen eine Vorlesung von zwei Dozenten gehalten wurde. Z.B. über die Niere von einem Anatomen und einem Physiologen zusammen, über Diabetes von einem Biochemiker und einem Internisten usw.

Eine Vorlesung war wirklich gut, da sich die beiden Dozenten gut aufeinander abgestimmt hatten. Die anderen bestanden aber jeweils schlichtweg aus zwei getrennten Teilen, von denen der eine mit dem anderen nicht viel zu tun hatte. Wenn fächerübergreifender Unterricht so aussieht, dann kann ich gerne darauf verzichten.

Sidewinder
12.02.2004, 19:09
Bei uns gab's jetzt im dritten Semester eine integrative Anatomie/Physiologie Vorlesung, wo eben verzahnt die Neuroanatomie und entsprechend die zugehörige Neurophysiologie abgehandelt wurden...was soll man dazu sagen?
Von der Idee her war's schon klasse, weil viele Zusammenhänge eben viel leichter klar wurden und besser zu verstehen waren und die Dozenten haben sich auch super aufeinander abgestimmt!
Trotzdem bin ich nach der ersten Woche nicht mehr hingegangen...der Grund? Drei Stunden Vorlesung am Stück, das fünf Tage in der Woche, zusätzlich noch Präpkurs, Histo und Physioseminar, das macht einfach keiner mit...unmöglich! Bei aller Mühe, die sie sich mit der Vorlesung gegeben haben, aber drei Stunden ist einfach dermaßen ausufernd...und dann muss man ja das Zeug zusätzlich auch noch lernen...alles hat man ja auch nicht gleich nach dem ersten Hören drauf....
Also ich weiß nicht, das Konzept an sich ist gut, aber an der Durchführung haperts noch gewaltig....naja...wenn Morgen die Anatomieklausur gut läuft, dann kann ich am Montag meine Scheine abholen, dann ist das Fach (abgesehen vom Physikum!) für die Vorklinik erledigt!

Rugger
12.02.2004, 19:09
Original geschrieben von Faust601
Wenn du mich fragst, ist das Prinzip ziemlich bescheuert. Ich bin da gerade ein wenig frustriert, weil unsere Mikrobiologen POL so toll finden (kommt halt aus Harvard, also muss es ja gut sein) und uns damit quälen.

Das läuft dann ungefähr so ab: Man kriegt ein Fallbeispiel und darf sich anhand der Symptome ausdenken, was der Patient haben könnte. Und das zu einem Zeitpunkt, wo man eigentlich noch keine Ahnung hat. Denn man soll sich ja eben durch dieses gemeinsame Überlegen das nötige Wissen aneignen. Wie schon gesagt: Ich finde das halbwegs schwachsinnig. Jaja, ein Riesenspaß! :-top
Wenn mich fragst, ist das nicht nur halbwegs, sondern vollkommen schwachsinnig, insbesondere in der Form, wie es bei uns gehalten wird...
Aber es kommt ja aus Harvard...

R.

test
13.02.2004, 00:01
Ich fand das POL bei uns auch total schwachsinnig. FInde das viel zu aufwendig für wenig effekt. Die interdisziplinären Vorlesungen finde ich wenn sie aufeinander gut abgestimmt sind sinnvoll. Aber nur als Ergänzungen zu den normalen nach Fächern getrennten VLen.

Sebastian1
13.02.2004, 00:13
Bei uns baut der Modellstudiengang fast ausschlieslich auf POL bzw. interdisziplinären veranstaltungen auf. Das Konzepot ist sehr gut, und das Problem mit den Monsterveranstaltungen von "5*die Woche das ganze Semester 3 Stunden am Stück nur zuhören" tritt nicht auf, da bewusst viel zeit zum Eigenstudium im Stundenplan vorgesehen wurde. Dieses Eigenstudium wird natürlich auch vorausgesetzt, aber die Zeit ist auch wirklich da und die Studis bekommen auch explizit das Konzept vorgestellt, bevor sie sich für diesen Studiengang bewerben.
Die Leute dort scheinen sehr begeistert zu sein. Ich selbst fand unser POL-Konzept im Regelstudiengang auch nicht verkehrt, allerdings gehts ein wenig dadurchunter, dass es vor dem Physikum liegt - 7 wochen vor Semesterende im Semester vor dem Physikum wöchentlich nur eine 3stündige veranstaltung zu haben (und keine Klausuren mehr) hat aber auch was für sich ;-)
Ich persönlich bin sehr gespannt, wie auf längere Sicht die jetzt jährlich (ab dem 1. Semester, alle höheren Fachsemester haben jetzt nopch nicht mitgeschrieben) stattfindenden Progress Tests ausfallen, vor allem im vergleich zwischen Modell- und Regelstudiengang.
Aber: richtig in ein Gesamtkonzept eingebunden ist POL eine klasse Sache und hat deutlich höhere Lernquoten als zum Beispiel der Massenfrontalunterricht in Form von Vorlesungen, das muss man POL einfach lassen.
Einmal im Studium ein paar POL-Veranstaltungen anzubieten kann nicht mehr sein als ein Testballon, das geht natürlich in der grossen Masse der restlichen regelveranstaltungen unter....

Gruß,
Sebastian

Gerlinde
14.02.2004, 19:36
Also, ich bin im Modellstudiengang Medizin in Bochum und habe das unbedingte Bedürfnis, den zu verteidigen.

Zwar habe ich auch schon gehört, dass andere Unis (halbherzige) Versuche machen, POL zu integrieren und es wohl auch Modellstudiengänge gibt, sie sich vom Regelstudiengang nicht viel unterscheiden, aber in Bochum läuft es einfach super!

Hier ist Modelstudiengang längst nicht gleich POL, sondern baut auf auf einem ausgeklügelten Konzept, in das - das spürt man deutlich - viele engagierte Menschen ihr Herzblut gesteckt haben!

Ich würde nicht mehr tauschen wollen! Und welche/r Medstud - vor allem Erstsemester - kann schon ehrlich von sich behaupten, noch JEDEN TAG gern zur Uni gegangen zu sein? Also, ich habe jetzt das erste Semester (fast) hinter mir und kann das wirklich sagen!

:-top

ClooneyGeorge
15.02.2004, 12:05
Also hier in Göttingen ist das sog. "POL" wieder "abgeschafft" worden, die Leute die jetzt nach neuer AO in der Vorklinik studieren kommen nicht in Genuss dieses völlig halbherzigen Kurses.
Wir hatten POL im 1. Semester (und werden es jetzt nochmal im 3. haben) und es sah so aus, das unser Assi aus dem 2. Semester war (vorklinischen!) und genauso viel (wenig) Ahnung hatte wie wir.
Dann gab´s stets jede Woche schöne bunte Zettel mit einer Patientengeschichte wie sie Rosamunde Pilcher nicht schlimmer hätte schreiben können.
Manchmal war´s dann so eindeutig, dass einer in den Genuss kam ein Referat zum Thema "Exorzismus" vorzubereiten (bei der ziemlich eindeutigen Diagnose Epilepsie).
Im Endeffekt gab´s halt pausenlos Referate, manch einer Tat so als würde er wirklich wissen wovon er redet, und somit konnte zumindest ich relativ wenig aus dem 1. Pol-Kurs mitnehmen.
"Höhepunkt" waren die begleitenden Vorträge von Ärzten, teilweise mit Patientenvorstellung.
Hierbei muss ich noch erwähnen das ein Neurochirurg einen Patienten ziemlich vorgeführt hat, so das ich mit einem äußerst flauen Gefühl dort saß und ernsthaft überlegte ihn zu fragen ob er sie noch alle hat.
Ein Kinderarzt "präsentierte" uns einen 8 jährigen Diabetiker, welcher vor lauter Nervosität fast vom Stuhl fiel und mit seiner Mutter den Saal verließ.
Frag mich wie man einem Kind (am Tag seiner Entlassung aus dem Krankenhaus!) eine Horde von 50 Studenten zumuten kann.
:-???

Mal abwarten, vielleicht wird es ja jetzt im 3. Semester nochmal spannen, zumal unsere anatomischen Kenntnisse dank Präpkurs weit ausgeprägter sind.

Was ich jedoch von den Modellversuchen gelesen hab klingt recht vielversprechend, denn das vorklinische Studium ist stellenweise nun wirklich ein Relikt vergangener Zeiten. (zumindest wird die Vorklinik dank neuer AO sehr enthusiastisch umgemodelt, hör jedoch viel jammern von dort)

Gerlinde
15.02.2004, 12:43
Das klingt nach einem besonders misslungenen Versuch von POL!