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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vor Angst in die Hose...



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Phage
02.05.2004, 14:30
Meine Frage ist eigentlich ganz simpel: Warum macht man sich vor Angst in die Hose?

Es waere nett, wenn auch der ein oder andere medizinische Beitrag kommen wuerde. Und bitte keine Details von persoenlichen Erfahrungen... ;-)

Lava
02.05.2004, 14:41
Gute Frage! Wo doch eigentlich eine Sympathikusaktivierung den Sphinktertonus erhöhen oder zumindest aufrecht erhalten müsste... :-???

Rico
02.05.2004, 14:48
Ich denke, das wird analog zur vagalen Synkope funktionieren, also durch eine inadequate (also der Situation der Bedrohung nicht entsprechenden) Aktivierung des Parasympatikus, der zu einer Verminderung des Shpinktertonus führt.
Dazu noch ggf. ein Erhöhter intraabdominaler Druck bei einem Schreck und schon geht alles in die Hose.

Oder?

Lava
02.05.2004, 14:58
Intraabdomineller Druck ist sicher die Erklärung, warum man sich manchmal vor Lachen in die Hose macht ;-)

Faust601
02.05.2004, 16:02
Original geschrieben von Rico
Ich denke, das wird analog zur vagalen Synkope funktionieren, also durch eine inadequate (also der Situation der Bedrohung nicht entsprechenden) Aktivierung des Parasympatikus, der zu einer Verminderung des Shpinktertonus führt.
Dazu noch ggf. ein Erhöhter intraabdominaler Druck bei einem Schreck und schon geht alles in die Hose.

Oder?

Die Frage ist aber, warum soll der Parasympathikus aktiviert werden?

Eine Angstreaktion oder auf neudeutsch ein "Fight-or-Flight-Syndrom" ist doch gekennzeichnet durch eine Erhöhung des Sympathikustonus. Siehe kaltschweißige Haut und Tachykardie.

Die neuronale Seite habe ich daher auch noch nie verstanden, was aber einfach zu erklären ist, ist der evolutionäre Aspekt.

Stellen wir uns mal vor, wir wären Kaninchen. Und nun kommt ein bößer bößer Hund auf uns zu, der uns an den Kragen will. Da uns das nicht gefällt, müssen wir den Hund entweder selber außer Gefecht setzen oder schlicht und einfach wegrennen. Wie gesagt: Fight or Flight.

Damit wir aber möglichst effektiv wegrennen können, empfiehlt es sich, vorher allen unnötigen Ballast loszuwerden. Also entleeren wir mal schnell noch unsere Blase und unseren Darm, bevor wir die Beine in die Hand nehmen und hoffen, den Hund abhängen zu können.

Ergo: Die Entstehung der unwillkürlichen Ausscheidung in Stresssituationen war ein klarer Selektionsvorteil, denn wer das nicht hatte, konnte nicht so schnell rennen und wurde gefressen.

Hellequin
02.05.2004, 16:17
Original geschrieben von Faust601
Damit wir aber möglichst effektiv wegrennen können, empfiehlt es sich, vorher allen unnötigen Ballast loszuwerden. Also entleeren wir mal schnell noch unsere Blase und unseren Darm, bevor wir die Beine in die Hand nehmen und hoffen, den Hund abhängen zu können.

Und wenn wir Glück haben, rutscht der Hund noch auf unseren Exkrementen aus. :-))

ehemalige Userin 24092013
02.05.2004, 17:56
Original geschrieben von Janine
Intraabdomineller Druck ist sicher die Erklärung, warum man sich manchmal vor Lachen in die Hose macht ;-)

Liegt das nicht an der Stressinkontinez infolge geschwächter Blasenmuskulatur?



Gruss Kaddel

Die Niere
02.05.2004, 18:56
Original geschrieben von Faust601
Damit wir aber möglichst effektiv wegrennen können, empfiehlt es sich, vorher allen unnötigen Ballast loszuwerden. Also entleeren wir mal schnell noch unsere Blase und unseren Darm, bevor wir die Beine in die Hand nehmen und hoffen, den Hund abhängen zu können.
Aber genau das passiert ja eigentlich nicht, denn die Darmperistaltik, die für das "Ballastabwerfen" entscheidend wäre, wird komplett unterbunden und unter normalen Umständen kommt es auch zu keinem Harnabgang, wenn ich vom Bären wegrennen muss (oder wie heute 13m über dem Boden an einer Steilwand hänge und tierisch Schiss habe (is halt so mit Höhenangst :-blush )).

Ich glaube viel eher an eine inadäquate Reaktion ohne Aktivierung des Parasympathikus mit Erhöhung des intraabdominellen Druckes...passiert ja auch eher selten.

gruesse, die niere

Rico
02.05.2004, 20:12
Original geschrieben von Faust601
Die Frage ist aber, warum soll der Parasympathikus aktiviert werden?Soll er ja gar nicht. Es ist eine inadequate Reaktion.
Das hat sich die Evolution so nicht gedacht.
So Leute wären halt früher ausgestorben - aber in den Straßen von Mitteldeutschland frißt Dich halt kein Wolf mehr....

Genausowenig hat die Evolution ja geplant, daß einer umfällt wenn er Blut sieht.
Das is auch nicht grade ein Selektionsvorteil, wenn ich sehe wie ein Rudel Wölfe meine Stammesbrüder zerfleischt und ich kipp halt um, anstatt wegzurennen und werd dann auch gegessen.

Ob das mit dem Ballastabwurf Sinn macht weiß ich nicht... ich stell es mir grade für den Fight-Teil der Fight-of-Flight-Reaktion eher unappetitlich vor...

test
02.05.2004, 21:17
Könnte es nicht auch ein Überbleibsel des totstellreflexes sein? Manche Tiere bleiben ja dann einfach liegen bei extrem verlangsamten Kreislauffunktionen, vielleicht führt dann auch der Exkrementgeruch dazu, dass der Jäger denkt man ist schon am verfaulen :-))

OliP
02.05.2004, 22:37
Naja, vielleicht findet der Räuber den abgeworfenen Köder ja auch interessant. Also mein Hund z.B. findet Fuchskacke im Wald hochgeradig anziehend. Er tut dann auch alles um möglichst lange diesen tollen :-blush Geruch bei sich zu behalten.
Denke also es könnte sich um die evolutionäre: "Ich lass schnell mal ein hochinteressantes Stück von mir fallen" - Beute -Strategie handeln könnte.
Ob das in jedem Fall den Räuber ablenkt ist natürlich fraglich. Wenns beim Menschen passiert, findest wahrscheinlich immer große Beachtung ;-)

Phage
03.05.2004, 08:42
Eure evolutionsbiologischen Betrachtungen sind ja hochspektakulaer. Aber irgendwie glaube ich trotzdem nicht dran :-blush

Ist es nicht viel sinnvoller, wenn man in der fight-or-flight Situation eben NICHT noch mal schnell aufs Klo muss? Das bischen Gewicht spielt doch sicher keine so grosse Rolle (obwohl ich natuerlich eure Stuhlmengen nicht einschaetzen kann... :-D ). Und einfach weglaufen ist sicher schneller, als wenn ich noch ein "Geschaeft" dazuschalten muss, oder?

Von der Betrachtung des autonomen Nervensystems her gesehen, duerfte das ja sowieso nicht passieren? Oder gibts da noch eine sinnvolle Erklaerung fuer?
Einfach zu behaupten, es sei inadequat, ist einfach. Wobei ich zustimme - es ist sogar ganz sicher inadequat - aber das erklaert ja nun mal gar nichts.

stefane_stefane
12.05.2004, 22:57
Hi!

Hat schon mal jemand dran gedacht, dass das Darmnervensystem autonom reguliert ist (Meissner/Auerbach/etc.). Meiner Meinung nach kann es nur inadäquat durch Sympatikus / Parasympatikus aktiviert werden. Das mit dem Ballast abwerfen ist glaub ich nonsens, aber ziemlich lustig.

Viele Grüße,

Stefan

Phage
13.05.2004, 08:49
Das ist ein ziemlich guter Aspekt - aber ich glaube nicht, dass er zutrifft. Die Darmtaetigkeit steht unter sehr starkem Einfluss von Sympathikus und Parasympathikus (ist ja auch autonomes Nervensystem).

Ich denke, dass es sich um eine Art Sympathikolyse mit dadurch ueberschiessender Parasympathikusaktivitaet handelt. Das ist z.B. auch offensichtlich wenn einem "schlecht" wird, wenn man bei einer OP zuschaut:
Sympathikolyse = Vasodilatation = RR-Abfall = Kollaps.
Genauso: Sympathikolyse = Sphinktertonusverlust = Schi## in die Hose.

Die grosse Frage ist nur - warum kommt es in einer Stresssituation dazu??? Was fuehrt zur Inaktivitaet des Sympathikus? Irgendwelche schlauen Einfaelle?

Rico
13.05.2004, 09:41
Original geschrieben von Phage
Ich denke, dass es sich um eine Art Sympathikolyse mit dadurch ueberschiessender Parasympathikusaktivitaet handelt. Das ist z.B. auch offensichtlich wenn einem "schlecht" wird, wenn man bei einer OP zuschaut:das is aber ein anderer Mechanismus. Die Übelkeit hat evolutionär den Zweck, daß wenn man was ekliges gegessen hat, oder etwas, bei dem es sich jetzt im nachhinein herausstellt, daß es nicht gut war, dies möglichst schnell wieder zu Tage zu fördern.
Also vagaler Reiz zum Erbrechen, der als Nebenwirkung sozusagen zu einem Abfall des Blutdrucks führt.

Phage
13.05.2004, 09:47
Ja, da hab ich mich wohl schlecht ausgedrueckt. Du hast mit deinem Aspekt sicher recht.

Was ich mit "schlecht" werden meinte, war, dass man beim Anblick von Blut oder einer OP oder einer Leiche oder was auch immer einfach nur kollabiert (ohne zu erbrechen). Da ist die Vasodilatation sicher vorrangig.

Und dass man bei einer OP erbricht, ist sicher evolutionaer nicht erwuenscht, oder? :-D

Phage
13.05.2004, 09:50
Ach so, und wo wir gerade dabei sind:

Die Vasodilatation beim Erbrechen kann keine Nebenwirkung des Parasympathikus sein: Blutgefaesse sind gar nicht parasympathisch innerviert. Wie kommt es also von der ueberschiessenden Parasympathikusaktivitaet zur Vasodilatation?

OliP
13.05.2004, 10:14
Also ich hab nun auch keine letztendliche Lösung parat, denke aber an die Worte meines Neurobiologie Profs: "Nichts in der Biologie macht wirklich einen Sinn, wenn man es nicht unter evolutionären Aspekten betrachtet. " Da es sich ja um eine dafakto (heute) inadäquate Reactio handelt, sollte die Antwort auf Deine Fragen sicher in der evolutionären Vergangenheit zu suchen sein. (über die Form(Funktion)-Verhalten - Beziehung kann man aber zugegeben, ne Menge Spekulationen anstellen)

OliP

Phage
13.05.2004, 12:51
So weit will ich ja gar nicht gehen...

Es ist mir eigentlich ziemlich wurscht, aus welchen evolutionaeren Gruenden das denn nun eigentlich passiert.

Mich interessiert einfach nur, was physiologisch im Koerper geschieht. Und in der Stresssituation wird nun mal der Sympathikus aktiviert - und das vereinbart sich nicht mit Kollaps und in die Hose machen. Das sind naemlich sympathikolytische bzw. parasympathische Aktivitaeten. Ich will nur wissen, wie das denn zusammenpasst.

Wenn dann noch irgendjemand erklaeren kann, welche Gruende in unserer Vergangenheit dies als sinnvoll erscheinen lassen - bitte, dann nur her mit der Erklaerung. Aber das ist nicht der Kern meiner Frage.

Bisher haben sich alle ziemlich schwer getan, unter evolutionsbiologischen Aspekten dafuer eine auch nur im entferntesten sinnvolle Antwort zu finden....

Es macht einfach keinen Sinn, in der fight-or-flight-Situation zu sche##en oder zu kollabieren - soweit man in der Geschichte der Saeugetiere auch zurueckgehen mag. Jedes andere Tier waere schon laengst ausgestorben, wenn es sich vor Angst erst mal in die Hose macht, oder kollabiert.
Vielleicht sind die Ursachen dafuer eher in der Gegenwart bzw. in den Eigenschaften des Menschen an sich zu finden (Emotionen...)

Wuerde mich aber trotzdem ueber weitere Antwortversuche freuen...

Alles wird gut
13.05.2004, 14:04
Original geschrieben von Phage
. Jedes andere Tier waere schon laengst ausgestorben, wenn es sich vor Angst erst mal in die Hose macht, oder kollabiert.


Das ist doch eigentlioch gar nicht war! Viele Tiere "kacken vor Aufregung"! Das kann man ganz gut an neuen Haustieren beobachten, die noch nicht so richtig zahm sind... nur, dass die keine Hosen anhaben wo's dann hängenbleibt. :-D

Ein Tier macht sich nur nicht so viel Gedanken über (subjektiven!) Ekel, denn der Mensch entwickelt hat, sich selber einzukoten. Andererseits ist das defintiv das geringere Übel, wenn man vor dem vielzitierten Tiger flüchten muss, und dadurch mehr "Bewegungsfreiheit" erhält, die einem evtl. vor dem Gefressenwerden bewahrt und man dadurch hinterher jede Menge Zeit hat alles wieder sauber zu wischen...