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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Zyklotymie - Demenz



chaospilotin
08.05.2004, 22:20
Hey, ich bin ergotherapeutin im alteneheim

ich beschäftige mich grade mit zyklotymie. kann diese erst im alter auf treten? ist demenz ein möglicher auslöser oder nur durch zufall zeitgleich entdeckt worden?

die krankheitsbilder hab ich gefunden, kann das aber leider nicht gabz zuordnen.

hoffe euch stört en ergo net ;-)

gruß chaospilotin

Phage
09.05.2004, 12:07
Zyklothymie wird in der Medizin meist als Synonym fuer die "manisch-depressive Erkrankung" verwendet (auch wenn es noch andere Definitionen geben mag) - ein psychiatrisches Krankheitsbild, bei dem sich Depressionen und manische Phasen abwechseln. Diese Erkrankung kann sich bereits bei Jugendlichen manifestieren (in 20% der Faelle vor dem 20.LJ), tritt aber in jeder Lebensphase auf - also auch im Alter. Es werden unter anderem genetische Ursachen diskutiert.

Die Demenz ist eine Reduktion der intellektuellen Faehigkeiten ("chronische Verwirrtheit") mit Persoenlichkeitsveraenderungen und Vergesslichkeit.
Die Demenz ist Ursache hirnorganischer Veraenderungen, wie z.B. bei Morbus Alzheimer, Morbus Parkinson, Alkoholerkrankungen, Hirnatrophie des Alters (verantwortlich fuer ueber 60% der Faelle von Demenz), u.v.m.
Auch Stoffwechselerkrankungen des Kindes koennen zu dementen Krankheitsbildern fuehren.
Es wird beschrieben, dass demente Zustandsbilder als Folge von psychiatrischen Erkrankungen wie Schizophrenie und Zyklothymie auftreten koennen.

Um deine Fragen also konkret zu beantworten: Die Zyklothymie kann durchaus auch erst im Alter neu auftreten. Ob allerdings eine Demenz ein Ausloeser sein kann, ist meines Erachtens Abhaengig von der organischen Grunderkrankung.
Die Zyklothymie kann selber Ausloeser von dementen Zustandsbildern sein - der Umkehrschluss ist meines Erachtens nicht immer moeglich. Die klassischen Symptome der Demenz umfassen normalerweise keine manisch-depressiven Symptome und werden auch klar gegen die echte Depression abgegrenzt (bei Demenz spricht man teilweise von "Pseudo-Depression).

Ich denke aber, dass bei bestimmten hirnorganischen Erkrankungen eine Entwicklung von Demenz und Zyklothymie in Folge moeglich ist.

chaospilotin
09.05.2004, 17:25
danke für die antwort :)

mhh.. das pflegepersonal hat mich gefragt ob ich das krankheitsbild vorstellen kann. mich interessiert welche erkrankung vorwiegt. ich denke das die bewohnerin grade in einer depression steckt. sie war aber auch schon manisch hat keine handlung zuende geführt, die gedankenflucht und sprunghaftigkeit wurde als demenz gesehn.
es gibt probleme da die bewohnerin das pflegepersonal angreift wenn etwas nicht nach ihrem willen geschieht.
weiß jemand einen literatur hiweis wie man adäquat reagiert? so das die pflegenden sich schützen, jedoch offen mit der bewohnerin umgehn können?

milz
09.05.2004, 18:23
Das hier ist ein gutes Konzept bei Demenz:


Ärzte Zeitung, 12.12.2002
INTERVIEW
Validation - eine Methode, mit Demenz-Kranken eine befriedigende Kommunikation aufzubauen

Man drückt sich oft um das Gespräch mit Demenz-Kranken, denn man fühlt sich unwohl dabei. Eine Methode, Validation genannt, wie mit solchen Patienten eine befriedigende Kommunikation möglich ist, hat die die US-Gerontologin Naomi Feil entwickelt. Wie das gemacht wird, hat Ingeborg Bördlein für die "Ärzte Zeitung" gefragt.

Ärzte Zeitung: Was ist Validation?

Naomi Feil: Ein Beispiel: Ein verwirrter alter Mensch im Altenheim sagt - "ich will jetzt heim, weil ich zu meiner Mutter muß". Wenn man ihm antwortet: "Sie können jetzt nicht heimgehen, weil Sie hier im Altenheim leben, es geht ihnen doch hier gut" ..., wenn man diese Menschen also in die Realität zwingen will, dann reagieren sie oft verzweifelt oder aggressiv und sind nur noch mit Medikamenten ruhigzustellen. Wenn man aber bereit ist, in die Realität des alten Menschen hineinzugehen und seine momentane Befindlichkeit zu akzeptieren, dann ist dies Validation. Man erkennt also die Gültigkeit der Realität des Menschen an.

Ärzte Zeitung: Was würde man ihm also antworten?

Naomi Feil: Man würde zurückfragen: "Wo ist ihre Mutter? Was macht Ihre Mutter mit Ihnen, umarmt sie Sie? Welche Kleidung trägt sie?" Damit eröffnet man dem alten Menschen die Möglichkeit, die Mutter, die gerade seine Gedanken und Gefühle beherrscht, wieder herbeizuholen. Vielleicht fühlt der alte Mensch sich einsam und sehnt sich nach seiner Mutter, vielleicht muß er auch verarbeiten, daß er nicht bei der Mutter war, als sie starb!

Läßt man den Menschen also diese emotionale Situation noch einmal durchleben und unterstützt man ihn durch Fragen dabei, wird man merken, daß er ruhiger wird. Im tiefsten Inneren weiß er, daß seine Mutter tot ist. Wenn die Demenz so fortgeschritten ist, daß der Patient nicht mehr sprechen kann, kann man ihn streicheln, wie es eine Mutter mit ihrem Kind tut, oder ihm ein Kinderlied vorsingen.

Ärzte Zeitung: Wird mit Validation nicht ein Pflegeansatz neu betitelt, der unter dem Begriff Empathie schon praktiziert wird?
«Validation ist mehr als Empathie, denn man muß seine ganze Energie und Konzentration darauf verwenden.»


Naomi Feil: Validation ist mehr als Empathie, denn man muß seine ganze Energie und Konzentration darauf verwenden, sich in die oft völlig chaotisch erscheinende Welt des geistig Verwirrten zu begeben. Sonst können wir ihn nicht erreichen. Diese Techniken kann man lernen. Dabei ist es sehr hilfreich, wenn man etwas von der Lebensgeschichte des alten Menschen kennt. Denn vieles, was wirr scheint, hat tatsächlich einen realen Hintergrund im Leben dieses Menschen gehabt.

Ärzte Zeitung: Damit wäre dies oft die späte Verarbeitung eines Traumas?

Naomi Feil: Das habe ich oft erlebt! Als ich 1963 im Altenheim, das mein Vater leitete, zu arbeiten begonnen habe, hat mir ein Mann mit Demenz gesagt, mein Vater wolle ihn auf dem Dachboden mit einem Messer kastrieren. Ich wollte ihm unbedingt klarmachen, daß dies nicht so ist. Darüber war er völlig verzweifelt. Von seiner Schwester habe ich schließlich erfahren, daß ihrem Bruder vom Vater in der Kindheit tatsächlich oft angedroht worden ist, ihn auf den Dachboden zu sperren, weil er völlig wertlos sei. Also hat ihn sein Vater mit Wörtern kastriert. Das hat er in seinem Leben wohl nie thematisiert, jetzt im hohen Alter kam es raus. Oder eine Frau hat ständig einen Mann bei sich im Bett gesehen. Es hat sich herausgestellt, daß sie als Kind sexuell mißhandelt worden ist.

Ärzte Zeitung: Wird durch eine solche Sichtweise nicht geleugnet, daß die senile Demenz nun mal ein dramatischer Abbau von Hirnzellen und das Gedankenchaos die Folge ist?

Naomi Feil: Nein, ein alter Mensch hat auch bei geistigem Abbau noch eine letzte Lebensaufgabe zu leisten, er zieht gewissermaßen Bilanz. Gefühle, die er früher vielleicht nicht herausgelassen hat, die kommen vielleicht erst jetzt zutage und dabei können wir ihnen helfen, indem wir sie in ihre Realität begleiten.

Ärzte Zeitung: Kann man Validation im Alltag praktizieren?

Naomi Feil: Ja, das kann in einem Gespräch von wenigen Minuten stattfinden oder in einer nonverbalen Kommunikation über wenige Augenblicke, etwa über Streicheln des Kopfes. Allerdings muß diese Technik gelernt werden. In Deutschland werden jetzt vielerorts Kurse angeboten.
[http://www.aerztezeitung.de/docs/2002/12/12/226a0203.asp?cat=/medizin/demenz

chaospilotin
09.05.2004, 19:25
Validation is mir bekannt, finde ich aber schwierig bei menschen die depressiv sind. wenn ich ihr verhalten spiegel gebe ich keinen halt. wenn ihre gedanken um ihren mann kreisen wird sie bei validation tiefer in ihre gedanken versinken. vielleicht an suizid denken um endlich bei ihm zu sein.
danke für den hinweis, für mich leider in diesem fall nicht umsetzbar :-nix

Hellequin
09.05.2004, 21:14
Was sagt den der Arzt? Irgendeine medikamentöse Therapie der Depression?

FataMorgana
10.05.2004, 10:52
Ich denke, dass eine Zyklothymie in aller Regel (oder sogar generell?) nicht durch einen hirnorganischen Abbauprozess (Demenz) ausgelöst wird. Natürlich gibt es organische Depressionen, aber ich fände es doch sehr ungewöhnlich, wenn diese dann als Zyklothymie bezeichnet würden. Die Zyklothymie zählt nämlich im klassischen triadischen System der Psychiatrie (das zugegebenermaßen nicht mehr ganz dem aktuellen Stand der Forschung entspricht - eine Diskussion darüber hatten wir ja hier bereits mal) zu den endogenen Psychosen (also ohne äußere Ursache, dafür mit einer genetischen Prädisposition).

Die Frage ist also, ob es sich hier tatsächlich um eine "echte" Zyklothymie handelt oder um eine exogene Depression.

Schwierig kann es auch sein, eine bei Depression auftretende "Pseudodemenz" abzugrenzen (ein depressiver Patient kann wegen Antriebsarmut und formaler Denkstörungen dement wirken, obwohl er es nicht ist).

Als Ratgeber für den Umgang mit dieser Patientin ist dieses Forum hier wohl eher weniger geeignet. Ich denke, das wäre Aufgabe eines Facharztes für Psychiatrie!

Phage
10.05.2004, 15:18
Ich moechte FataMorgana beistimmen. Die allgemeinen Fragen waren ja noch voellig in Ordnung, aber konkrete Ratschlaege fuer reale Patienten werden hier wohl nicht so gerne gesehen:


(4. In diesem Forum dürfen und können keine Ferndiagnosen von real kranken Personen stattfinden. Jeglicher Rat in diesem Forum ist reine "Fachsimpelei" und ersetzt auf keinen Fall den Gang zum Arzt!
Aus rechtlichen Gründen werden die Moderatoren Beiträge mit konkreten Fragen von real kranken Personen direkt mit dem Verweis auf einen unerläßlichen Besuch beim Arzt schließen)