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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : MRSA & ORSA



Curryhuhn
13.05.2004, 18:53
Hallo Leute!

Irgendwie werde ich aus der MRSA Geschichte nicht ganz schlau.

MRSA = Methicillin-resistenter Staphylokokkus aureus oder auch gerne multi- resistenter SA genannt. Und dann gibt es da noch den ORSA, der gegen Oxacillin resistent ist.

Und jetzt geht es los mit den Fragen:

1) Ist der ORSA auch gegen MRSA resistent und anders herum?
2) Wie sieht es mit einer Resistenz gegen Vancomycin aus?
3) Ist das Immunsystem des gesunden Menschen in der Lage MRSA bzw. ORSA zu besiegen?
4) Wenn ja, wieso haben dann einige vollständig gesunde Menschen einen MRSA? Warum wird der bei diesen Menschen nicht besiegt?

Über eure Hilfe würde ich mich sehr freuen!

Ciao, Curryhuhn

Cassy
13.05.2004, 19:35
Also ich kenne MRSA zu Gute von unseren Stationen im Krankenhaus.
Zu uns hieß es damals, dass MRSA nicht gegen Vancomycin resistent sei. Wir mussten, als MRSA aufgetreten war, von allen Mitarbeitern der Station Rachenabstriche machen. Dabei kam bei einer eigentlich gesunden Schwester heraus, dass sie auch mit diesem Keim infiziert war. Sie müsste dann für einige Tage zu Hause bleiben und Irgendetwas (weiss leider nicht mehr was) einnehmen.

Hoffe ich konnte dir wenigstens ein kleines bisschen helfen, auch wenn ich keine Arzt oder Student bin. :-blush

Rico
13.05.2004, 20:52
Original geschrieben von Curryhuhn
2) Wie sieht es mit einer Resistenz gegen Vancomycin aus?Vancomycin geht in der Regel noch, die Resitenz des MRSA beruht auf einer Veränderung der Penicillinbindeproteine (Transpepdidasen, die für den Zusammenbau der Zellwandbausteine zuständig sind) im Baktrium. Das Vancomycin greift aber an den für die Auschleusung der Zellwandbausteine zuständigen Carrier an und verhindert, daß sich die Zellbausteine von ihm lösen können, sodaß die Bakterien keine Zellwände bilden können.

Original geschrieben von Curryhuhn
3) Ist das Immunsystem des gesunden Menschen in der Lage MRSA bzw. ORSA zu besiegen?Jein.

Original geschrieben von Curryhuhn
4) Wenn ja, wieso haben dann einige vollständig gesunde Menschen einen MRSA? Warum wird der bei diesen Menschen nicht besiegt?Staphylokokken gehören zu der normalen Flora, die jeder Mensch mit sich rumträgt. Normalerweise macht uns die keine Probleme, im Gegenteil: Wir profitieren sogar teilweise davon, da die bakterien in unserem Körper weitaus gefährlichen Organismen wie Pilzen den Lebensraum streitig machen.
Gefährlich werden die Staphylokokken bloß, wenn das Immunsystem geschwächt ist (Kinder, Alte, hämatologische Erkrankungen, KM-depressive Therapien...).
Der Bonus MRSA oder ORSA sagt ja nur etwas über die Resitenzen aus, nichts über die Agressivität des Keims per se.
Deshalb kann ein gesunder auch mal einen MRSA/ORSA haben, das macht dem gar nichts und dem Immunsystem auch nicht.
im günstigen Fall räumt das Immunsystem ihn ab - im ungünstigen (aber noch nicht gefährlichen Fall) arrangiert es sich mit dem keim und der Mensch ist fortan Träger, aber nicht krank.

Gefährlich wird es erst, wenn der Keim eine Infektion verursacht, der das Immunsystem nicht mehr Herr wird und die dann durch ABs behandelt werden müssen, weil dann - und erst dann - die Resitenzen zum Problem werden.

Curryhuhn
13.05.2004, 21:33
Gibt es eine Erklärung dafür, dass Staph. aureus bei einigen 'abgeräumt' wird und bei anderen nicht. Wodurch kommt das? Ich habe gelesen, dass 1/5 aller Menschen Staph. aureus im Nasen- Rachen- Raum haben.
Wäre es möglich, dass sich das Immunsystem denkt "jetzt will ich den Staph. aureus nicht mehr" und ihn beseitigt? Wenn ja, wie würde das aussehen?

Was würde passieren, wenn ein MRSA- Träger einen schweren Verkehrsunfall hat, auf die Intensivstation kommt, dort intubiert und beatmet wird und durch einen MRSA eine ventilatorassoziierte Pneumonie entwickelt? Was kann man da noch machen? Und wie verhält sich da das Immunsystem (geschwächt)?

"[...] durch ABs behandelt werden muss[...]" <-- was sind ABs ?

Ciao, Curryhuhn *vonderneugiergepackt* ;-)

Blackeneier
13.05.2004, 21:48
MRSA und ORSA meint das Gleiche, beide Medis sind sehr ähnlich. M ist aber in D nicht gebräuchlich, oder gar nicht im Handel, aber der Name MRSA ist dafür gebräuchlicher als ORSA.
AB=Antibiotika
Es gibt inzwischen Vancomycin-restistente S.a. glaube ich, aber ob die ne spezielle Abkürzung haben, weiß ich jetzt nicht. M/ORSA beinhaltet es jedenfalls nicht.
S.a. und damit auch MRSA gehören zur transienten Flora soweit ich weiß und nicht zur residenten. Gibt jedenfalls viele Arten an vielen Stellen, die manche eben haben (zeitweise) und andere nicht... bestimmt interessant für ne Drarbeit?! :-top

Rico
13.05.2004, 22:20
Original geschrieben von Curryhuhn
Gibt es eine Erklärung dafür, dass Staph. aureus bei einigen 'abgeräumt' wird und bei anderen nicht. Wodurch kommt das? Ich habe gelesen, dass 1/5 aller Menschen Staph. aureus im Nasen- Rachen- Raum haben.Keime werden v.a. dann vom Immunsystem angegriffen wenn es zu einem Kontakt kommt, z.B. durch eine winzige Verletzung im Rachenbereich kommen S.a. ins submuköse Gewebe und treffen dort auf Leukozyten. Dann wird die Immunreaktion initiiert.

Original geschrieben von Curryhuhn
Was würde passieren, wenn ein MRSA- Träger einen schweren Verkehrsunfall hat, auf die Intensivstation kommt, dort intubiert und beatmet wird und durch einen MRSA eine ventilatorassoziierte Pneumonie entwickelt? Was kann man da noch machen? Und wie verhält sich da das Immunsystem (geschwächt)? Als ersten Schritt würde man vermutlich mit einem normalen Penicillin (z.B. Amoxicillin) anfangen, denn man sieht der Pneumonie ja nicht an, daß sie von nem MRSA stammt.
Wenn man dann merkt, daß die Therapie nicht anschlägt (oder je nach Intensivstation auch standardmäßig) wird dann eine Bronchiallavage durchgeführt um Keime für eine Erreger- und Resitenzbestimmung zu gewinnen.
Diese werden dann von einem Mikrobiologen angezüchtet, klassifiziert und verschiedenen Antibiotika ausgesetzt.
Daraus erstellt der ein Antibiogramm in dem steht, welche ABs wirken und welche nicht.
Das geht zurück an die Intensivstation wo dann entschieden wird, welche dieser Medikamente man dem Patienten geben kann.
So bekommt der Patient ein AB, von dem man relativ sicher weiß daß es wirkt.
Falls es nicht wirkt --> neue Lavage und die Geschichte geht von vorne los.
Das Problem dabei ist, daß man mit jedem AB auch viel Normalflora platt macht und sich daraufhin irgendwelche exotischen Keime mit noch exotischeren Resitenzen vermehren können.
Das Problem hast Du ja theoretisch immer wenn Du ABs gibst, aber wenn Du schon mit einem multiresitenten keim anfängst, dann ist halt das Ende der Fahnenstange schneller erreicht.

Phage
14.05.2004, 09:44
Zu dem ganzen Thema empfehle ich die Seiten des Robert-Koch-Institutes, da gibts ziemlich viele und detaillierte Informationen ueber genau diese Fragen:

www.rki.de

Zur Praevention und Kontrolle von MRSA in medizinischen Einrichtungen:

http://www.rki.de/GESUND/HYGIENE/A49.PDF

Fuer die Behandlung von nosokomialen Pneumonien - egal ob bei beatmeten Patienten oder bei spontan-atmenden Patienten - gibt es ganz klare Richt- und Leitlinien - da nimmt man nicht mal einfach ein beliebiges Penicillin und guckt was passiert! Sonst zuechtet man sich naemlich ganz schnell Resistenzen!

Eine gute Seite fuer die Praevention und Therapie der beatmungsassoziierten Pneumonie:

www.pneumologie.de/publikationen/nosokomialepneumonie.pdf

Gemaess den Empfehlungen fuer eine kalkulierte Therapie wuerde man auf Intensivstationen bei beatmeten Patienten die Antibiotika-Therapie von verschiedenen Faktoren abhaengig machen. Je nach Krankheitsbild, Comorbidity, early-onset oder late-onset der Pneumonie wuerde man auch andere Therapien einleiten (siehe Website oben und unten) - und nicht einfach mit irgendeinem Penicillin losschiessen. Die BAL sollte man VOR dem Beginn der AB-Therapie durchfuehren (ganz wichtig!).

Eine super Leitlinie, auf der ALLES auf einer Seite zusammengefasst ist, findet man hier:

http://memiserf.medmikro.ruhr-uni-bochum.de/inf_ag/pneumonie/empfehlungen_inf-ag_HAP.pdf

Das ganze Thema ist ziemlich komplex, und fuer einige Empfehlungen ist die Studien-Basis ziemlich duenn.

Xela
14.05.2004, 16:20
wir machen bei jedem beatmungspat., der ne pneumonie entwickelt, sofort abstriche und bronchiallavage, die proben gehen dann zur mikrobio. da das aber paar tage dauert, bis zum antibiogramm, kriegen die pat. erstmal eine AB-therapie, die ein möglichst breites spektrum abdeckt. sobald dann das antibiogramm kommt stellen wir die antibiose um.

Vanco-resistente staphs. nennt man VRSA und die stellen bis jetzt vor allem in den usa ein problem dar. so wir mit antibiotika umgehen werden wir die aber auch bald haben.. sagt unsere krankenhaushygiene.

xela

Blackeneier
14.05.2004, 21:35
Ich glaube, die VRSA haben sich ihre Vancocomycinresistenz von Enterokokken per Plasmid rübergesaugt, aber ich weiß es nimmer genau