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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Sauerstoffgabe durch nicht-ärzte



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Klausi
15.05.2004, 22:56
Hallo,

villeicht kann mir hier jemand eine frage beantworten...

Stimmt es wirklich, dass eine Sauerstoffgabe durch nicht-ärzte nur bis zu einem Flow von 4l erlaubt ist, und eine O2-gabe von mehr als 4l als "Medikation" gilt?

Ich hatte während meiner Rettungssani-Ausbildung (die vorm Studium war, also schon ein bisschen her) noch gelernt, dass man dem Patienien soviel Sauerstoff gibt, wie er benötigt - das hab ich bisher auch immer so gehandhabt und auch mehr als 4l gegeben.
Nun meinte ein Kollege neulich, dass das nicht mehr zulässig sei und Sauerstoff nun ab 4l als medikament gelte und daher nur noch durch einen arzt verabreicht werden dürfe...klingt für mich aber ein bisschen komisch...warum sind ausgerechnet 4l ein medikament, 3l aber noch nicht? Wo ist sowas denn rechtlich - zum nachlesen - festgelegt?

Danke & Ciao

Sani
16.05.2004, 07:33
ich habe gelernt, dass wenn jemand O2 braucht, der das auch bekommen soll. EGAL welchen Flow ...

wenn du als RS ohne NA bei ner Rea bist, gibste ja auch 10-15l übern Beutel (was vorne rauskommt, sei mal dahingestellt)

und wenn du wirklich einen Pat haben solltest, der auf zuviel O2 aufhören sollte zu schnaufen (was ich draussen noch nie gesehen habe), dann drehst du halt den Sauerstoff runter und bebeutelst den kurz.

Feuerblick
16.05.2004, 09:37
Uns ist das mit den 4 l in der Sani-Ausbildung auch beigebracht worden...allerdings nur als "Richtschnur" für die Prüfung. Wo das genau steht und warum mehr als 4l eine "Medikation" darstellen, dazu müßte ich jetzt mal googeln, denn das weiß ich so auf die Schnelle auch nicht.
Aber auch mir ist es draußen noch nie passiert, daß ein Pat. plötzlich unter O2 aufhörte zu schnaufen (okay, bis auf einen, aber der hat sich selbst ohne zusätzlichen Sauerstoff hyperventiliert... :-)) ) und selbst wenn... solange man diese UAW kennt, kann man entsprechend reagieren, oder? Und all den Patienten, die mehr O2 dringend benötigen, hat man die richtige Menge zukommen lassen.
:-meinung

Phage
16.05.2004, 10:51
Zu diesem Thema gibt es mehrere Punkte anzumerken:

Sauerstoff gilt immer als Medikament bzw. genaugenommen als Arzneimittel. Arzneitmittel sind

"pflanzliche, tierische oder synthetisierte Stoffe, die gemäß Arzneimittelgesetz bestimmt sind zur Diagnostik („Diagnostika“) oder – in geeigneter Dosierung – als Therapeutika – zur Beeinflussung von Zuständen oder Funktionen des Körpers, als Ersatz für natürlich vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten sowie zur Beseitigung oder zum Unschädlichmachen von Krankheitserregern, Parasiten oder körperfremden Stoffen..."
(aus dem Roche Lexikon Medizin)

Arzneimittelgesetz: (http://www.kks-ukt.de/links/AMG_Stand010104.pdf)

Nach Arzneimittelgesetz (Neufassung vom 01.01.2004) ist Sauerstoff ein Arzneimittel - siehe Paragraph 2.

Weiterhin ist fuer die Verabreichung von Sauerstoff der Umgang mit Geraeten erforderlich, die dem MedizinProdukteGesetz unterliegen (Inhalatoren, etc.)

Daraus leiten sich folgende Schlussfolgerungen ab: Zum einen ist fuer die Verabreichung von Sauerstoff mit Hilfe von Medizinprodukten eine Sachkunde erforderlich. Zum anderen erfordert die Sauerstoffgabe durch nicht-aerztliches Personal eine entsprechende Fachkunde, da es sich - strenggenommen - um ein Arzneimittel handelt.

Wenn die erforderlichen Bedingungen fuer eine Sauerstoffgabe ohne Anwesenheit eines Arztes erfuellt sind (Notwendigkeit, Fachkunde), dann gibt es natuerlich auch keine Restriktion auf bestimmte Literzahlen. Aufgrund deiner Fachkenntniss bist du dann in der Lage, die entsprechende Dosierung, die Indikation, die Gefahren, Nebenwirkungen und Kontraindikationen selber einzuschaetzen. Wenn du hingegen selber nicht weist, ob du dem Patienten eventuell schaden koenntest, dann hast du ganz offensichtlich nicht die ausreichende Ausbildung, um dieses Medikament anzuwenden....

Dies gilt ja auch fuer andere Medikamente: Der Rettungsdienstmitarbeiter darf z.B. auch Adrenalin, Glukose, Glyceroltrinitrat, Diazepam, u.a. in BESTIMMTEN Situation ohne die Anwesenheit eines Arztes anwenden.
Die Frage nach der Dosierung muss dabei in jedem Fall vom Anwender beantwortet werden koennen (FACHKUNDE!) und ist nicht konkret im Gesetz festgelegt.

Dr. Pschy
16.05.2004, 15:21
"Der Rettungsdienstmitarbeiter darf z.B. auch Adrenalin, Glukose, Glyceroltrinitrat, Diazepam, u.a. in BESTIMMTEN Situation ohne die Anwesenheit eines Arztes anwenden."

Korrekt. §34 StgB: Rechtfertigender Notstand, Stichwort Notkompetenz.
Allerdings muss dafuer der NA nachalarmiert sein. Dass es sich bei O2 um ein Medikament handelt, steht ausser Frage, aber eine andere stellt sich:

Muss ich bei einer "simplen" O2-Gabe auch den NA nachfordern? Bei jedem anderen Medikament muss ich es. Aber ich werd in der Praxis den Teufel tun und bei einer O2-GAbe von 4-6l fuer den Transport in die Klinik den Akademiker dazuholen. Die Krankenkassen werden's mir danken.

Klausi
16.05.2004, 21:14
Hallo!

Danke für die antworten.

Was die Medikamentengabe ohne NA o.ä. angeht war mir dies soweit auch bekannt, es ging mir vor allem um die Frage, ob es nun (neuerdings?) eine gesetzliche Regelung gibt, die die O2-Gabe entsprechend regelt...genau dies meinte eben der kollege von mir, und dieser hat das (also auf keinen fall mehr als 4l, da man sich dann strafbar macht) als Ausbilder auch den Sanis im Lehrgang beigebracht - was z.B. die Blüte treibt, dass die Sani-Kollegen nun bei einer Rea fleissig O2 mit einem flow von 4l ans Resservoir anschließen, weil sie angst haben sonst in den knast zu kommen... :-?

Als Richtlinie ist das ja Ok, dass hatte ich damals auch so gelernt... aber da weder euch noch mir eine entsprechende gesetzliche regelung bekannt ist, gehe ich mal davon aus, dass es diese nicht gibt und gebe weiterhin den patienten so viel O2, wie sie brauchen...und erzähle auf der nächsten San-Ausbildung, dass man keine angst vor rechtlichen konsequenzen haben muss, wenn man mehr O2 als 4l gibt...

Hätte mir solch eine regelung auch nur schwer vorstellen können...

Ciao!

Phage
17.05.2004, 07:20
Falls es dich in irgendeiner Form beruhigt:

Ich bin auch Ausbilder, an einer Rettungsdienstschule des DRK. Und von dort aus sind mir keine Weisungen dieser Art fuer die Sauerstoffgabe bekannt.

Allerdings moechte ich - auch selbstkritisch - anmerken, dass diese ganze profilneurotische Titel- und Ausbilder-in-der-Vordergrund-Stellerei ziemlich albern ist. Auch Ausbilder und LRAs und Notaerzte koennen sich irren.
Wichtig ist, dass es fuer die Massnahmen, die man ergreift - egal ob SAN-Helfer oder LNA - fundierte Studien, Richtlinien oder Algorithmen gibt, die einigermassen anerkannt sind und daher in der Fachliteratur nachvollziebar sind. Dann ist es relativ wurst, was ein Herr XY sagt, selbst wenn er ein So-und-So sein mag.

@Dr.Pschyrembel: Ich hatte schon vor meinem letzten Beitrag ziemlich viel recherchiert, und ganz bewusst auf den Begriff Notkompentenz verzichtet, um genau diese Frage zu vermeiden. Leider durchschaut... ;-)
Ich konnte dazu keine wirklich aussagekraeftigen Daten finden. Ich denke, dass es sich dabei um eine Grauzone handelt, die aufgrund der minimalen Nebenwirkungen von Sauerstoff entstanden ist. Auch Taucher verabreichen bei Unfaellen medizinischen Sauerstoff, wenn sie entsprechende Fachkunde haben (Oxygen-Provider-Kurse) - ohne Aerzte oder gar medizinisches Personal zu sein. Bei entsprechender Fachkenntnis sollten eigentlich keine schwerwiegenden Komplikationen zu befuerchten sein.
Ich werde mal einen Kollegen befragen, der RettSan und Staatsanwalt ist - der weis sicher mehr.

Dr. Pschy
17.05.2004, 13:38
Phage:

Erwischt :-D

Ich geb dir, was den restlichen Text angeht, recht, das trifft zu 100% meine persoenlichen Ansichtsweisen.
Ich persoenlich hab noch nie irgendwelche minimalen Nebenwirkungen von Sauerstoff am Notfallpatienten beobachtet, mir ist nur der theoretische Fall bekannt, dass ein langjaehriger Asthmatiker bei einem Ueberangebot an O2 meint das Schnaufen aufhoeren zu muessen, aber ich hab in meiner ganzen Laufbahn als Rettungsdienstler und angehender RA (ok, ist noch nicht sooooo lang ;-)) weder so einen Fall gesehen noch davon berichtet gehoert.

Fazit: O2 muss / darf / sollte m.E. in angemessenem Flow auch ohne NA verabreicht werden

cKone
17.05.2004, 14:22
Das Thema Notkompetenz wurde ja schon angeschnitten, hier mal mein Beitrag dazu.

Jeder Patient hat rechtlich gesehen das Recht auf adäquate Hilfe.
Ganz egal ob du RH, RS, RA oder NA bist. (Siehe Garantenstellung (http://www.rettungsdienst-recht.de/html/die_garantenstellung.html) )
Selbst als Rettungshelfer kann man davon ausgehen das man sich mit dem Medikament O2 auskennt.
Das beispielsweise einem Patienten mit ausgeprägtem Lungenödem mit einem O2 Flow von 4l weniger geholfen ist als mit einem Flow von 10l zeigt das du rechtlich dazu sogar verpflichtet bist dann den Flow auf 10l zu erhöhen bzw. kann wenn der Patient aufgrund eines zu geringen O2 Flows stirbt rechtliche Konsequenzen haben. Wenn du dem Staatsanwalt dann erzählst das du nur 4l geben darfst wird er dich auslachen.

Bei einem Patienten im Status asthmaticus wäre ich persönlich auch vorsichtig, da bei so einem Krankheitsbild ja sowieso der NA mit rauskommt muss man halt für sich selbst entscheiden ob man das Risiko eines Atemstillstandes bei hochgradigem O2 Flow in Kauf nimmt oder auf den NA wartet.

Phage
17.05.2004, 14:46
Ich denke, dass wir uns ja nun offenbar alle darueber einig sind, dass - sofern indiziert - Sauerstoff auch durch Rettungsdienstpersonal gegeben werden sollte, und die Dosierung vom Anwender bestimmt werden muss. Wenn man sich damit auskennt (Fachkunde) dann hat man medizinisch sowieso nichts zu befuerchten, und wenn man sich nicht damit auskennt, dann sollte man es halt sein lassen - wie immer im Leben.

Das sagt aber nichts ueber die rechtliche Seite aus - und genau das ist ja des Pudels Kern. Wenn jemand hunderprozentig wasserdichte juristische Aussagen dazu hat - unbedingt her damit! Mein Kollege hat leider noch nicht geantwortet...

@cKone: Man kann und sollte bitte nicht einfach so davon ausgehen, dass sich Kollegen mit ueberhaupt irgendwas auskennen (es sei denn, man kennt den Kollegen persoenlich). Was man in so mancher Schicht, Unterrichtsstunde oder einer Pruefung in der RD-Schule erleben darf, ist sehr beunruhigend.

Ich gebe dir recht, dass sich ein RA oder RH mit Sauerstoff auskennen SOLLTE - aber da gibt es erschreckende Gegenbeispiele. Nur weil wegen geringer Nebenwirkungen wenig zu befuerchten ist, bedeutet das noch lange nicht, dass sich der Anwender fachkundig verhaelt. Wir beurteilen die Fachkunde ja nicht an mangelnden Schaeden, sondern an korrektem Anwenden.
Oder? ;-)

cKone
17.05.2004, 15:26
@Phage
Ich war letzte Woche bei einer Pflichtfortbildung wo unter anderem ein Dozent aus Hannover anwesend war der Anästhesist ist und grade sein Jurastudium beendet(sich also in beiden Fachgebieten auskennt).

Viele Beispiele wurden diskutiert und im Endeffekt wurde jedem Teilnehmer klar das es für den Rettungsdienst rein rechtlich gesehen wenig klare Aussagen gibt.

Ganz interessant fand ich folgendes Beispiel:
Patient mit Lungenödem. Kein NA abkömmlich, es ist nachts, nebelig=> keine Schraube verfügbar.
Das nächste KH ist 20min entfernt.
Der RD macht die Basismaßnahmen mit allem drum und dran(Lagerung, O2, Monitoring usw.).
Der Zustand des Patienten verschlechtert sich trotzdem von Minute zu Minute.
Der Rettungdienst entscheidet sich nach gegenseitiger Absprache für Lasix, der Zustand des Patienten bessert sich zunehmend.

Soweit alles richtig gemacht?
Ja klar denken jetzt die meisten.
Jedoch falsch Gedacht...

Plötzlich bekommt der Patient Herzrhythmusstörungen und stirbt.
Die Dokumentation zeigt das sich der RD fast alles richtig gemacht hat. Jedoch bei der Anwendung von Lasix ist folgendes falsch gelaufen. Die Maßnahme des RD ohne Arzt bei einem Patienten mit Lungenödem ist der unblutige Aderlass.
Also strafrechtlich schonmal die "Arschkarte" für den RD.
Hätten sie vorher den unblutigen Aderlass gemacht und hätte dieser nicht geholfen wäre es rechtlich unbedenklich gewesen Lasix zu spritzen. Da dies jedoch versäumt wurde...(Das ganze nannte sich dann "Unverhältnismäßigkeit der Mittel")
Hätte der RD ausser den Basismaßnahmen nix gemacht wäre der Patient vielleicht auch gestorben, aber halt nur vielleicht.

Viele weitere Beispiele wurden genannt und besprochen die natürlich auch den alltäglichen RD-Verlauf eher entsprachen als das oben genannte Beispiel.

Dr. Pschy
17.05.2004, 17:45
Quote:

"Die Maßnahme des RD ohne Arzt bei einem Patienten mit Lungenödem ist der unblutige Aderlass."

Deine Argumentation mit der Unverhaeltnismaessigkeit der Mittel sehe ich absolut ein. Erst nicht-invase Massnahmen fuer den Rettungsdienstler, dann die invasiven.

ABER:

Das Gesetz legt auch die DIN-Ausstattung eines RTW's fest. Und die besagt defintiv NICHT, dass 3 Manschetten mitgefuehrt werden muessen.

Was jetzt? Pflichtkollision? Ein Gesetz kollidiert mit dem anderen.

Okay, ich kann die Blutdruckmanschette und 2 Staubinden hernehmen. Mit diesen kann ich jedoch den Druck nicht genau steuern, was zu einer Patientengefaehrdung fuehren kann. (Mal ganz davon abgesehen, dass nach DIN auch keine 2 Staubinden mitgefuehrt werden muessen)

Im Prinzip befindet sich der verantwortliche RA staendig im juristischen Graubereich.
Den RA aus deinem Beispiel jetzt voellig in die Mangel zu nehmen finde ich persoenlich unpassend. Wars ein Fehler? Ja. Keine Medikamentengabe ohne nachgeforderten NA bzw. ohne Delegation. Nein - Furosemid ist immer da, Manschetten nicht.

Alles baeh.

cKone
17.05.2004, 18:11
Ja, genau das kam auch als Gegenruf von uns.

Bei uns sind jedoch 2Blutdruckmanschetten + 1ne Beinmanschette im Traumaset.

Also wäre es bei uns möglich (viel wusste nicht einmal das wir im Traumaset so eine Beinmanschette haben)

Und selbst das Stauen von nur 2 Armen wäre möglich und würde laut Dozenten schon eine Besserung hervorbringen.

Dr. Pschy
17.05.2004, 18:55
Tja, eine Senkung der Vorlast macht sich beim Lungenoedem natuerlich bemerkbar da hast du recht, auch wenn nur die Arme gestaut werden.

Das lustige ist aber, das Zeug im Traumaset zu transportieren und bei einem internistischen Patienten zu gebrauchen. Aber nung gut, hauptsache dabei ;-)

cKone
17.05.2004, 19:02
Genau :-))

Klausi
17.05.2004, 21:41
Danke nochmal an alle für die Antworten.

Phage:
Damit triffst du m.E. des Pudels Kern.

Konkret war so, dass der Kollege LRA auf der SanH-Ausbildung erklärt hat, dass es rechtlich neuerdings nicht mehr zulässig sei, mehr als 4l durch nicht-ärztliches Personal zu geben. Ich (RS und student) habe dann auf einer Fortbildung vor den selben SanHs eben das genaue gegenteil - also soviel O2 wie nötig - erzählt...das die Kollegen SanHs nun mehr als verunsichert sind ist nun wohl selbsterklärend.

Phage
19.05.2004, 14:50
So, jetzt habe ich zumindest eine Teilantwort vom Fachmann. Der sagt, dass die Sauerstoffgabe, da ein Arzneitmittel nach AMG, in jedem Fall unter die Rechtsvorschriften des rechtfertigenden Notstandes (Paragraph 35StGB) faellt. Ein eigenes Gesetz ueber die Notkompetenz gibt es ja bekanntermassen nicht - nur eine Stellungnahme der Bundesaerztekammer (siehe unten).
Leider hat er momentan keine Zeit, tiefer auf das Thema einzugehen, aber sobald er sich meldet, lasse ich es euch wissen.

Man koennte ja nun ueber die Verhaeltnismaessigkeit und, Zitat: "da es wohl regelmäßig am Herstellen/Steigern eines pathologischen Zustandes fehlt" magels Schaedlichkeit damit argumentieren, dass trotz "Notkompetenz" = rechtfertigendem Notstandes eine Nachalarmierung des Notarztes bei Sauerstoffgabe nicht erforderlich ist. Dazu fehlen uns aber noch ein paar Daten, wie gesagt, der Mann hat wenig Zeit.

Nochmal @cKone und deinem Beispiel: Du schreibst, dass wenn vorher der unblutige Aderlass durchgefuehrt worden waere, die Lasix-Gabe "rechtlich unbedenklich" gewesen waere. Dem kann ich nicht zustimmen.
Es ist ganz klar geregelt und durch Praezedenzfaelle nachvollziehbar, dass die Medikamentengabe durch den Rettungsdienst 1) eine entsprechende Fachkenntnis erforderlich macht, 2) keine besser ausgebildete Kraft in absehbarer Zeit verfuegbar ist und 3) keine weniger invasive Massnahme zur Abwendung von weiteren Schaeden oder dem Tod fuehrt.

1) Ein RS/RA wird sich sehr schwer tun, die entsprechende Fachkenntnis ueber dieses Medikament nachzuweisen. Dazu gehoert naemlich ein entsprechender Kurs / eine Ausbildung UND die Beherrschung dieser Massnahme. Beherrschen bedeutet Zitat: "hinreichend in der täglichen Praxis erprobt und geübt" (siehe Link unten). Welcher RA kann das fuer Furosemid bitte nachweisen?

2) Stand wirklich keine besser ausgebildete Kraft zur Verfuegung? Eine dringliche Anfahrt ins Krankenhaus, zum aerztlichen Notdienst oder einem niedergelassenen HA wird in der Literatur als Moeglichkeit erwaehnt, besser ausgebildete Kraefte heranzuziehen. Was waere passiert, wenn das Team die Zeit zur Diskussion und Medikamentengabe genutzt haette, dringlich in die Klink oder vorangemeldet zu einem HA zu fahren?

3) Gibt es nicht auch weniger invasive Massnahmen? Das wurde bereits angesprochen.

Von wegen "es gaebe im RD rechtlich wenig klare Aussagen". Wieviel klarer muss es denn noch sein, dass Fachkunde erforderlich ist, bevor man etwas tut???
Die Annahme, alles im RD sei eine Grauzone, kommt meistens von Menschen, die nicht akzeptieren koennen, dass alle Massnahmen einer fundierte Ausbildung beduerfen, und die in der Regel mehr machen wollen als erlaubt.
Wenn man sich an die gaengigen Regeln haelt und Fachkunde nachweisen kann, dann hat man fast gar nichts zu befuerchten - und dann findet man auch nicht ueberall "Grauzonen" - von unserer Diskussion mit dem Sauerstoff mal abgesehen... :-D

Links:

Stellungnahme der BAEK zur Notkompetenz:
www.bundesaerztekammer.de/30/Richtlinien/Empfidx/NotfallRet.html

Beitrag eines Rechtsanwaltes zum Thema Notkompetenz:
http://www.kanzlei-spengler.de/rtdrecht/beitraege/notkomp.html

harlekyn
20.05.2004, 00:09
Wobei wohl kaum ein RA, der an seinem Job hängt, auf die glorreiche Idee kommen würde, bei so einem Patienten Lasix zu spritzen!(So, jetzt hab ich es ausgesprochen, bin mal gespannt wann ich dem ersten RA die Spritze aus der Hand nehmen muss)
Bei so einem Notfall würde ja so oder so der NA nachalamiert oder direkt mitgeschickt.
Zum Unblutigen Aderlaß sei gesagt, dass ich sowas in der Realität noch nie gesehen habe und in meinem Praktikum in der Intensiv sogar mal einen Chefarzt darüber aufklären mußte, was das überhaupt ist! *Stolzist*
Festzuhalten bleibt, dass RA zusein ein Scheiss-Job ist. "Wenn man was erreischen will im RD, steht man mit einem Bein im Grab, weil man oft Fahren muss wie ein Irrer um noch möglichst viel für den Patient tun zu können. Mit dem andren steht man im Gefängnis, weil man die Grenzen des Rechts manchmal überschreiten muss, wenn man Patienten retten will!" Ein zitat meines LRA während der Ausbildung. DA fällt mir auch gerade das negativ Beispiel unserer Deffis ein...*schauder* :-((

cKone
20.05.2004, 07:02
Ich hab aber in dem Beispiel extra darauf hingewiesen das kein Arzt abkömmlich ist. ;-)

Phage
20.05.2004, 07:41
@harlekyn:

Ob man mit einem Bein im Grab oder Gefaengnis ist, haengt ganz von einem selber ab. Rettungsdienst ist kein Schei##-Job - wenn man die richtige Einstellung dazu hat. Wer seine eigenen Grenzen akzeptieren kann (das ist auch fuer Aerzte gueltig!) kann mit voller Zufriedenheit arbeiten (wie ich selber z.B. seit nun fast 10 Jahren).
Wenn man immer mehr will als man darf, und immer die Grenzen des Machbaren sprengen moechte, dann wird man automatisch unzufrieden.

Es ist interessant, dass dieses Phaenomen besonders in Deutschland ausgesprochen haeufig und intensiv anzutreffen ist. In anderen Laendern sind die Moeglichkeiten der Rettungsdienstmitarbeiter rechtlich noch viel enger eingeschraenkt, auch fachlich oftmals nicht viel weiter gefasst als in BRD - aber der Beruf erfreut sich trotzdem grossen Prestiges und die Mitarbeiter sind allgemein viel zufriedener! Woran liegt das?
Selbst in den vielzitierten USA, wo der Paramedic wirklich immer rechtlich mit dem schlimmsten rechnen muss, und wo die Algorithmen noch viel enger gefasst sind als bei uns - selbst da ist die Zufriedenheit imho groesser als bei uns (zugegeben etwas schwer zu quanitifizieren....)
In USA haette es die Diskussion gar nicht gegeben: Wenns nicht im Algorithmus steht, wirds nicht gemacht. BASTA.
Nur wir hier muessen versuchen, an allem herumzudeuteln und uns noch ein bischen weiter aus dem Fenster zu lehnen, als gut fuer uns ist.

Das ist zugegeben sehr generalisiert - aber ich denke, es hat einen wahren Kern.