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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Präklinische Therapie bei Apoplex



Faust601
12.07.2004, 20:17
Hallo zusammen.

Ich hab gerade festgestellt, dass mir zur präklinischen Therapie des Schlaganfalls einiges unklar ist. Und leider finde ich nirgends eine Lösung.

Also: In einem Skript aus der Uni ich auf die Formulierung gestoßen: "Gute Hydratation." Die Frage, die sich mir stellt, ist nun, ob ich nicht das Hirnödem verstärke, wenn ich großzügig Volumen in den Patienten einfülle.

Weiterhin heißt es, dass der Blutdruck hochnormal gehalten werden soll. Dass dadurch der zerebrale Perfusionsdruck steigt, ist mir klar. Aber was ist, wenn der Patient keinen ischämischen, sondern einen hämorrhagischen Insult hat, was ich ja präklinisch nicht differenzieren kann? Mache ich dann nicht alles nur noch schlimmer?

Und dann steht an einer Stelle, dass man eine Hyperventilation vermeiden soll, da dies eine weitere Ischämie provoziert. Andererseits soll man dann aber doch hyperventilieren, weil das den Hirndruck senkt...

Wäre klasse, wenn jemand da ein wenig Licht in mein Dunkel bringen könnte.

Danke, Faust

Froschkönig
12.07.2004, 20:47
Original geschrieben von Faust601
Weiterhin heißt es, dass der Blutdruck hochnormal gehalten werden soll. Dass dadurch der zerebrale Perfusionsdruck steigt, ist mir klar. Aber was ist, wenn der Patient keinen ischämischen, sondern einen hämorrhagischen Insult hat, was ich ja präklinisch nicht differenzieren kann? Mache ich dann nicht alles nur noch schlimmer?

Ja machst Du...aber die maßname ergibt sich aus dem Grundsatz, daß das Häufige häufig ist ;-)

85% aller Schlaganfälle sind eben ischämisch und nur 15% hämorrhagisch, also wählt man präklinisch die Therapie, mit der man den größeren Teil abdeckt !

Der Frosch

RettAss
12.07.2004, 21:03
Moin Faust,

in der Tat finden sich lustigste und wiedersprüchliche Angaben für die präklinische Versorgung von Apoplexpatienten.
Obsolet ist die in der Hausärztlichen Versorgung gelegentlich noch beobachtete Antikoagulation per Aspisol (wg der von Dir schon benannten fehlenden DD Ischämie vs Hämorrhagie). Ebenso obsolet ist die aggressive Blutdrucksenkung (Ebrantyl + Nitro oder + Bayotensin). Zum einen weil der Patient häufig vor dem Ereignis schon manifester Hypertoniker ist und damit an hohe Drücke gewöhnt ist. Eine 140er Systole mag bei ihm u.U. bereits hämodynamisch wirksam sein! Außerdem haben diese Patienten gerne ein fein abgestimmtes Equilibrium vasoaktiver Substanzen im Blut, ich würde mich hüten, solange er damit noch atmet irgendwie reinzuspielen.
Als Zieldruck sollte eine Senkung um nicht mehr als 20 mmHg angestrebt werden, mindestens jedoch 180 mmHg sys.
Der dritte Grund für einen hohen Druck bis in die Klinik ergibt sich aus der Formel für den Cerebralen Perfusionsdruck:
CPP=MAD-ICP
Bei Steigerung des ICP durch Raumforderung bleibt die einzig kontrollierbare Variabel der MAD. Bei Abfall wird das Hirn nicht mehr perfundiert. Dann sistiert zwar die Blutung, aber der Patient hat nix mehr davon.

Die Hydratation steht eher bei sehr ausgetrockneten Patienten im Vordergrund (ist ja doch eine geriatrische Klientel), auch weil der dann hohe Hämatokrit ischämische Episoden verursachen kann. Eine der wenigen Möglichkeiten übrigens, wo die Notfallretter mal wirklich heilen können und nicht nur Symptome verschleiern...

Die Hyperventilation ist so ne Sache. Mehr Sauerstoff krieg ich damit nicht rein. Will aber viel, um die Penumbra (die im blutigen wie unblutigen Apoplex entsteht!) klein zu halten. Und wie hinreichend bekannt, ist eine Folge von einem hohen pH im Gefäß eine Konstriktion (deshalb wird's uns ja schwindelig, wenn wir zu schnell ein Schlauchboot aufblasen). Ich senke also mit einer Hyperventilation die Durchblutung, was im Hinblick auf die neurologische Prognose doch eher schade wär.

Meine Schritte in der Therapie waren üblicherweise:
Oberkörperhochlage (klingt selbstverständlich, muss aber gesagt werden),
diskreter Körperkontakt während der ganzen Betreuung (Hand halten, bzw. laut House of God "putzeln")
gut lumiger Zugang mit langsamer Infusion VE (Präklinisch ödeminduzierend sind eigentlich nur 5%Glucose-Lsg.)
Sauerstoff mit maximalem Flow,
Schon am Einsatzort abprüfen der Kriterien für die StrokeUnit und dann üblicherweise entweder ohne Doktor oder im Rendez-Vous, aber mit Sondersignal ins Klinikum (sollte ein CT haben und eine 24-h-Neuro, lieber Stroke-Unit)

Kackt er mit der Atmung ab (denkbar wär BIOT oder Cheyne-Stoke), assistierte Beatmung mit Maske-Beutel und Demand-Ventil. Toleriert er das nicht, oder verschlechtert sich schnell (schneller Verlauf geht häufig Richtung Blutung), intubiert beatmet mit Voranmeldung.

Gut Horn,

RettAss

Rugger
12.07.2004, 21:05
Sowie ich das immer verstanden habe, tamponiert sich der hämorhagische Infarkt aufgrund des Mangels an Raum wohl irgendwann (recht schnell) von selbst, und dann braucht man den Druck, um eine Restperfusion aufrecht zu erhalten.

R.

Faust601
13.07.2004, 10:16
Danke für die Antworten.

In diesem Zusammenhang mal noch kurz eine andere Frage:

Gibt's eigentlich eine Internet-Seite, auf denen man sich aktuelle Empfehlungen in der Notfallmedizin ansehen kann (ähnlich etwa den AWMF-Leitlinien für die klinische Medizin)?

Faust

RettAss
13.07.2004, 18:21
Der Referenzmann für die präklinische Therapie in einem Gäu ist eher der Ärztliche Leiter Rettungsdienst. Der wird vom Landratsamt glaub ich bestallt und ist normalerweise auch in dem größten Krankenhaus der Region unterwegs.
Und nicht ganz unabhängig von den Empfehlungen gibt er regional angepasste Algorithmen raus. Bringt Dir jetzt nix für die Prüfung, aber für's Leben.
Falls das Modell flächendeckend ist, weiß ich gar nicht.

Greedz,

Christoph