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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Procain bei akuter Pankreatitis



Faust601
28.07.2004, 20:24
Hallo zusammen.

Mir will einfach nicht einleuchten, warum die Schmerztherapie bei akuter Pankreatitis mittels Procain-Infusion durchgeführt wird.

Eine i.v.-Anwendung von Lokalanästhetika bringe ich eigentlich nur mit furchtbaren kardialen und zentralnervösen Nebenwirkungen in Verbindung, aber sicher nicht mit einer Analgesie (mal abgesehen von der i.v.-Regionalanästhesie).

Hinzu kommt noch, dass Ester-Lokalanästhetika doch im Blutkreislauf sofort durch die Pseudocholinesterase hydrolysiert werden.

Kann mir da jemand auf die Sprünge helfen?

Gruß, Faust

Zoidberg
29.07.2004, 09:28
wenn ich mich richtig an meine VL dieses Semester erinnere wurde gesagt, das Procain nicht hilft, Opioide sind hier trotz den spasmogenen Effektes Mittel der Wahl.

Wie sieht es eigentlich aus bei Metamizol?

Älgen
29.07.2004, 10:32
Hej !

PROCAIN hat wohl eher geschichtliche Gründe, da es nunmal eines der Ersten/Ältesten LA ist. Das Problem mit Der akuten Pancreatitis ist, dass diese unendliche Schmerzen macht & man Morfine wegen der Sphinkterspamen nunmal nicht geben darf (siehe biliäre Pancreatitis ...)
So kam man recht kurz nach der "Erfindung" der LA (meines Wissens bereits in den 30er Jahren) darauf, dass diese Natriumcanalblocker auch I.V. diese natrimkanalblockierende Wirkung haben & so schmerzmindernd wirken. Deshalb Procain i.v. (früher) Standardschmerztherapie bei Pancreatitis.

Auch heute werden LA (inzwischen aber eigentlich nur noch die -amide, meines Wissens ist Procain nicht mehr im Handel, zumindestens in S) teilweise noch i.v. als "systemische Schmerztherapie" gegeben; zu bevorzugen sind Kurzwirksame Präparate wie Lidocain (auch wenn das wohl irgendwann vom Markt verschwinden wird), Mepivacain oder Prilocain. Kurzwirksame Präparate wegen der eventuellen oben schon erwähnten NW, die bei kurzer HWZ schneller abklingen - zur kontinuierlichen Therapie verarbreicht man das per Perfusor.

Wir hatten vor nicht allzulanger Zeit einen 14-Jährigen mit Guillane-Barre-Syndrom auf der Intensiv, der massive Muskelschmerzen im ganzen Körper hatte & mit eben einer solchen Lidocain-Infusion erfolgreich behandelt wurde - sollte Interesse bestehen kann ich die genaue Dosierung nachliefern.

Zum i.v.-Effekt der LA sei dann noch auf die IVRA (IntraVenöse RegionalAnästhesie) hingewiesen, bei der eine Extremität nur durch i.v.-Injektion von (viel !) LA, anch anlegen einer Blutleere anästhesiert wird & auch die Injektion von 1 ml LA i.v. vor Einleitung mit Propofol (bzw das Zumischen zum Propofol) um den Injektionsschmerz auszuschalten ist eine gängige Technik.

Zur Schmerztherapie bei Pankreatitis sei noch erwähnt, dass (bei intaktem Koag-Status & Aussschluss der übrigen KI !) ein thorakaler Epidural ("Peridural")-Katheter in Höhe Th 6-8 (-10) mit LA & Opioid (z.B. 2-4mg/ml Ropivacain & 1-2µg/ml Sufenta mit Infusion 4-10ml/Stunde) die effektivste Schmerzbehandlung darstellt.

Hoffe etwas Licht in's Dunkel gebracht zu haben.

Viele Grüsse aus dem Sommer !

Kolja

Rico
29.07.2004, 10:37
So steht's auch im TIM:


Eine Reihe von Schmerzmitteln aus der Gruppe der Morphinanaloge haben sich hierfür bewährt (z.B. Pentazocin, Buprenorphin, Prithramid und Pethidin). Die früher geäußerte Befüchtung, daß diese Analgetika zu einer therapeutisch ungünstrigen Kontraktion der Duodenalpapille führen können haben sich zum Teil nicht bestätigt, bzw. sind ohne klinische Relevanz. Die in deutschland und der Schweiz weitverbreitete behandlung von Schmerzen bei akuter Pankreatitis mittels Infusion von Procainhydrochlorid (Novocain, 2g/24h) hat sich international nicht durchgesetzt, und ihre Wirksamkeit ist ducrh keine klinische Studie belegt.
Ein neues sehr effektives Verfahren zur Behandlung der Schmerzen bei akuter Pankreatitis ist die periduralanästhesie, die bei höher Anlage (Th7-10) zusätzlich eine sehr hohe Ileusprophylaxe darstellt.

aus
TIM - Thiemes Innere Medizin
Thieme Verlag 1999
1. Auflage, S.634

Faust601
29.07.2004, 16:57
Danke euch für die Antworten.

Ihr habt mein Weltbild wieder hergestellt. ;-)

Allerdings bin ich nun umso mehr irritiert, dass unsere chirurgische Uni-Klinik, die sich für ein Pankreas-Zentrum hält, uns im Seminar immer noch die Geschichte mit dem Procain erzählt.

Aber manchmal ist es halt offenbar so, dass man Dinge, die man sich einmal in den Kopf gesetzt hat, nicht mehr so einfach wieder rauskriegt. :-((