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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Myasthenie: Falsch gehandelt ?



Paracelsus
20.08.2004, 19:40
Hallo !

Hatte gestern wieder einmal Dienst und muß nun einfach mal einen
Fall, den ich dabei erlebt habe, an dieser Stelle einbringen, weil mir
das irgendwie keine Ruhe läßt.

Also: Ich wurde um 4:00 Uhr morgens in die Aufnahme gerufen, weil
eine Myasthenie-Patientin sich auf eigene Veranlassung ins Kranken-
haus hatte fahren lassen (wir haben keine Neurologie im Haus, so daß
der Internist gerufen wird, wenn neurologische Patienten eintreffen). Bei meinem Eintreffen stoße ich auf eine Patientin, die so etwa 65 Jahre alt ist. Sie ist wach, ansprechbar und allseits orientiert, spricht aber sehr leise und unter Anstrengung. Sie berichtet, daß sie eine längere Autofahrt unternommen hätte, was sie wohl sehr angestrengt hätte. Danach hätten die Beschwerden ihrer Myasthenie deutlich zugenommen, so daß sie, da um diese Zeit ja keine Arztpraxis geöffnet habe, ins Krankenhaus gekommen sei.
Neurologisch war, abgesehen von der kraftlosen Stimme und einer
mäßig reduzierten Kraft in allen Extremitäten nichts festzustellen.
Als ich Ihr dann anbat, Ihr etwas Tensilon oder Mestinon zu geben,
lehnte sie ab und erklärte, daß Sie diese Medikamente überhaupt
nicht vertragen würde und daß sie bisher das Problem beim Hausarzt
mit etwas Sauerstoff und einer Ringer-Infusion stets "in den Griff"
bekommen hätte. Daher beschränkte ich mich erstmal auf diese
Maßnahmen. Tatsächlich besserte sich darunter das Befinden der
Patientin relativ rasch und bereits eine Stunde später war auch die
Stimme schon deutlich kräftiger. Ich habe die Patientin dann nicht
stationär aufgenommen und mit einem Krankenwagen nach Hause
fahren lassen, da sie noch leicht geschwächt war und die Nachbarin,
die sie hergefahren hatte, schon wieder weg war. Ich habe diese
Entscheidung, das muß ich dazu sagen, ohne meinen Hintergrund
getroffen, da ich mir einfach absolut sicher war, daß die Sache
so in Ordnung ist.

Nun habe ich, wie ich es öfters mache, noch mal einiges zu verschiedenen
Krankheitsbildern nachgelesen, u.a. auch zum Thema Myasthenie. Dort
steht nun, daß Patienten mit einer mutmaßlichen myasthenen Krise
auf die Intensivstation gehören !!! Das beunruhigt mich nun sehr und
ich mache mir nun wirklich Gedanken, ob ich hier nicht einen riesigen
Fehler gemacht habe. Wie seht Ihr das ? Würde mich über ein paar
Kommentare freuen....

Gruß Paracelsus

test
20.08.2004, 19:57
Hmm ist nich böse gemeint, aber warum fragst du das nicht deinen Oberarzt oder einen anderen Kollegen?

nightingale
20.08.2004, 20:57
Du hast ja geschrieben, dass die Patientin ihre Krise bisher immer gut mit Ringer-Lösung und Sauerstoff überwunden hat - und wenn sie gegen 5 Uhr wieder OK war, waren's vielleicht noch 3, 4 Stunden, bis ihr Hausarzt wieder aufmacht... So wie du die Pat. beschrieben hast, scheint sie ganz gut über ihre Krankheit + Procedere aufgeklärt zu sein und wird ihren Hausarzt schon aufsuchen, falls sich irgendwas wieder verschlechtert.

Denke mal nicht, dass da noch was kommt.

(Bin zwar noch nicht so weit wie du, aber hab lange in Arztpraxis gearbeitet und viele Sachen miterlebt)

lala
21.08.2004, 12:29
Hallo Paracelsus...
mach Dir keinen Kopf!!! Eine myasthene Krise sieht anders aus - erkennt man auch als Internist ;-)

Eine kraftlose Stimme und leichte Paresen sind kein Grund für Panik. Erst ist mal wichtig: ist die Diagnose SICHER gestellt (wo-wann-wie-Antikörper postiv? etc.), was nimmt sie für Medis (nimmt sie zB schon Mestinon - vielleicht zu wenig?)? Oft werden Myastheniker bei Anstrengung oder Infekten mal schlapper- aber da hilft dann weder Sauerstoff noch Ringer wirklich - hat allenfalls beruhigende Wirkung ;-)

Wichtiger ist zu untersuchen: Schluckstörung? Atmung? (Vitalkapazität messen!!! ganz wichtiger und einfacher Überwachungsparameter - taschenspirometer sollte man auftreiben können). Und nur wenn DAS schlecht ist (bei uns machen wir uns so ab `ner VK von 900-1000ml Gedanken) wird es Zeit für intensivmedizinische Überwachung....

Deine Patientin hatte sicher keine Krise - klar bei so `nem Fall würde ich an deiner Stelle als Nichtneurologe der das Krankheitsbild nicht kennt mit dem Hintegrund sprechen-gerade als Anfänger - aber geschadet hast du ihr auch nicht....

Liebe Grüße,
lala
(die erst vor 5 Tagen wieder `ne Myasthenie-Patientin auf die ITS verlegen mußte....ist schon interessant die Krankheit :-))

Paracelsus
21.08.2004, 21:35
Hallo !
Vielen Dank erstmal für Eure Stellungnahmen. Das beruhigt mich ein wenig.
Wie ich schon sagte: Unklare Situationen bespreche ich an sich IMMER
mit einem Oberarzt bzw. dem Hintergrund. Hier war ich mir aber wirklich
sicher, daß mein Handeln so in Ordnung ist. Die Patientin wußte so gut
Bescheid über Ihre Erkrankung und auch die Medikamente, die man
normalerweise bei Myasthenie so einnimmt, daß ich dachte: "Naja, dann
wird es wohl stimmen..." und da sie sich nach dem Sauerstoff und der
Infusion ja wirklich besserte (Stimme wurde kräftiger), hatte ich wirklich
überhaupt keinen Zweifel, daß ich diese Frau ambulant führen kann.
Naja, eine Lehre ist mir das aber auf alle Fälle...

@Doclala:
Vielen Dank auch für Deinen Kommentar von der neurologischen Seite.
Ein Taschenspirometer gibt es bei uns, so weit ich weiß, nicht in
der Aufnahme. In diesem Kreiskrankenhaus bin ich schon froh, wenn
ich es schaffe für einen COPD-Patienten binnen 4 Tagen eine LuFu
zu bekommen. Es ist eben hier alles ein wenig anders als in einer
großen Uni-Klinik...

Gruß Paracelsus

starter
21.08.2004, 22:56
als gerade stex-gebeuteltes wesen hätte ich eine aufgabenstellung wie die die du erlebt hast, für einen witz gehalten...
ist ja unglaublich, wie weit realität und prüfung auseinanderklaffen.

sauerstoff und ringer bei myasthenie - wäre sicher die falschantwort gewesen, da sollten doch die medikamente kommen, die doclala erwähnt hat.
und trotzdem erscheint mir dein handeln als richtig und logisch, und das bestätigt doclala auch, daß ich mir hier mal meine "gefühle" erlauben kann - beim examen geht das regelmäßig in die hose....

ich finde, solche beiträge können wir hier mehr gebrauchen! das ist der alltag, vor dem ich mich ein wenig fürchte....weil ich davon so wenig weiß

gute nacht!