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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Spiegel: Chemo wirkungslos



milz
07.10.2004, 18:06
Der Spiegel ist vielleicht nicht das seriöseste Blatt, aber trotzdem will ich es mal zur Diskussion stellen:

http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,321192,00.html

Was haltet Ihr davon?

Hellequin
07.10.2004, 18:15
Der Artikel läßt sich leider nicht lesen, ist ein Link ins gebührenpflichtige Spiegelarchiv.

DoktorW
07.10.2004, 18:33
Ich verweise mal kurz auf unser Partnerforum Rippenspreizer:

http://www.rippenspreizer.com/forum/showthread.php?s=&threadid=3399

Dort wird das bereits diskutiert, und es gibt auch nen Text einer österreichischen Webseite.

ehec
07.10.2004, 18:44
fuer internetinhalte bezahle ich zwar nicht, meinen spiegel kauf ich mir aber trotzdem immer....
laut artikel werden in deutschland bei tumorerkrankungen im fortgeschrittenen stadium, sprich vorhandensein (multipler) fernmetastasen, seit jahrzehnten zytostatika eingesetzt. trotz vieler neu entwickelter substanzen ist dabei in den letzten zwanzig jahren kein statistisch signifikanter gewinn an ueberlebenszeit festzustellen. ausgenommen hiervon sind in dem artikel ausdruecklich adjuvante therapieformen und zytostase bei tumorerkrankungen des haematopoetischen systems. die validitaet der studien der letzten jahre wird in frage gestellt, da es seit geraumer zeit keine studie mehr gab, die eine echte placebo - gruppe aufwies.tja. boese pharmaindustrie, rat- und hilflose aerzte, verzweifelte patienten und eine menge geld, das wird im folgenden herausgestellt, sind die zutaten dieser geschichte.
sprich: es werden immer neue medikamente entwickelt, in studien wird ein verbessertes outcome attestiert, es wird geworben, es wird verabreicht, aber - es wird weiter gestorben. und damit verdienen ja bekanntermassen eine menge firmen, eine menge krankenhaeuser und also auch eine menge leute ihr geld. zitiert wird in dem artikel glaube ich auch arzt, der sinngemaess sagt, dass er zwar weiss, dass es nichts bringt, er den menschen aber auch nicht die hoffnung nehmen will.
auch in anderen bereichen der medizin ist es ja so, dass all das, was der medizin therapeutisch zur verfuegung steht auch ausgenutzt wird, stichworte maximalterapie und "kosten"/nutzen-abwaegung bei therapien im letzten lebensabschnitt. es wird zum beispiel auch viel an terminalen tumorpatienten herumoperiert, denen es ohne diese op wahrscheinlich doch bedeutend besser gehen wuerde, sprich die um einiges friedlicher das zeitliche segnen wuerden. man kann hier also nicht so einfach der pharmaindustrie die schuld in die schuhe schieben, die ausfuehrenden herren und damen sollten lieber ein wenig mehr evidenz-basierte und patienten-orientierte medizin betreiben, die diese etikettierung auch wirklich verdient.


ehec

Doktor_No
07.10.2004, 18:54
nun ja, evidenzbasiert sind die daten ja meist - beim metastasierten prostata-ca beispielsweise ist ein überlebensvorteil von 8 wochen bereits signifikant... 8 WOCHEN!
ich denke, dass ALLE beteiligten diese therapien wollen: die patienten, was ich sehr gut verstehen kann, die ärzte, denn chemo lohnt sich richtig, die hersteller, denn sie verdienen massig geld an den präparaten.

neu sind die zahlen nicht, wurden bereits vorab veröffentlicht, vor ca. 6 wochen. da es sich, wie bereits durch andere erwähnt, um daten zu fortgeschrittenen, metastasierten karzinomen handelt, haben mich diese zahlen nicht wirklich überrascht. im artikel wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es nicht um zahlen zu leukämien, hodenkrebs etc. geht.

bedenklich finde ich, dass viele dieser krebsarten bereits in frühen stadien erkannt werden könnten, wenn die leute häufiger zur vorsorge gehen würden!!
und dass liesse sich doch mit besserer überzeugungsarbeit realisieren, oder?

hobbes
07.10.2004, 19:53
Also ich denke, das Ganze lässt sich nicht einfach so allgemein ausdrücken. Eine Chemotherapie bei Lymphomen, GIST ist durchaus wirkungsvoll. Einem MALT Lymphom lässt sich gar antibiotisch den Gar ausmachen.

Aber eines lässt sich vielleicht doch sagen. Die Versprechungen und vor allem die Hoffnungen in Chemotherapeutika sind viel grösser als die entsprechenden Resultate. Oft wirkt eine Chemotherapie nur palliativ und nicht wirklich kurativ und wenn, dann zumeist nur in Kombination mit Chirurgie (allenfalls Radiotherapie).

Falsch wäre es jedoch, zu meinen Chemotherapie sei nutzlos. Vielleicht sind einfach die Erwartungen zu gross - oder die Zukunft bringt tatsächlich den einen oder anderen Durchbruch.

Zarathustra
09.10.2004, 16:45
Bin heute erst dazu gekommen, den Artikel zu lesen. Irgendwie wirkt der echt suspekt auf mich, auch wenn an einer stelle explizit gesagt wird, dass die Aussagen nicht für Lymphomkrebsarten, Morbus Hodgkin, Leukämien, Sarkomen und Hodenkrebs gelten, ist der Artikel sonst so gehalten, als wenn jegliche Chemotherapie nutzlos wäre!
Dachte mir schon, als ich die Werbung für den Spiegel gesehen habe, dass da irgendwas nicht ganz OK sein kann, aber wenn man den Artikel nicht kritisch ließt, bekommt man schon den Eindruck, dass jegliche Chemotherapie unnütz ist, finde ich echt bedenklich. :-(

alex1
09.10.2004, 23:13
Gegen die häufigsten Tumorerkrankungen sind ja leider Chemotherapien im fortgeschrittenem Stadium nicht besonders wirkungsvoll.
Was Hodentumore, Lymphome und Leukämien angeht, sind das relativ nicht so häufige Erkrankungen. Da kann die Chemotherapie auch im fortgeschrittenem Stadium Arbeit leisten.

Das Problem mit den neuen Zytostatika ist auch der Vergleich der in den Studien betrieben wird.
Oft testen diese Studien Kombinationen von Zytostatika zB gegenüber eine Monotherapie mit einem Zytostatikum und kommen so auf signifikante Werte.
Was das heißt ist daß ein metastasierter NSCLC mit Cisplatin allein X Tage Überleben zeigt, mit Cisplatin und Taxane Y Tage zeigt.
Dabei ist der Unterschied zwischen X und Y vielleicht signifikant.
Der Untershied zwischen X oder Y und das Überleben ohne jegliche Chemotherapie kann aber nicht signifikant sein.
Zu zeigen daß die eine Chemotherapie signifikant besser als die andere ist, bedeutet nicht daß überhaupt eine Chemotherapie besser als gar keine ist.

Rico
09.10.2004, 23:20
Dann versuch doch heutzutage mal ne Studie gegen Placebo zu machen - ich fürchte, da wirst Du weder ne Ethikkommission noch Probanden für finden.

hobbes
09.10.2004, 23:44
.
Was Hodentumore, Lymphome und Leukämien angeht, sind das relativ nicht so häufige Erkrankungen.

Wirklich? Lymphome und Leukämie sind recht häufig und dies im Gegensatz zu anderen sehr häufigen Karzinomen bei jungen Patienten. So auch das Seminom, welches v.a. junge Männer betrifft. Der Benefit an gewonnen kumulierten krankheitsfreien Lebensjahren bei erfolgreicher Behandlung ist hier besonders gross. Dementsprechend wichtig die Bedeutung der Therapie (auch Chemotherapie) dieser Krankheiten.

milz
19.01.2005, 19:10
Noch einen (nicht ganz neuen) Artikel aus dem DÄ zum Thema findet man hier:
http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=43845
Ziemlich desaströse Bilanz.

Und dieses Detail...

Auch Prof. Dr. med. Ulrich Abel von der Universität Heidelberg, der vom Spiegel als Kronzeuge gegen die Chemotherapie zitiert wird, verweist gegenüber dem Deutschen Ärzteblatt auf solche neueren Studien. Seine im Spiegel wiedergegebenen Zitate stammten laut Abel aus einer Analyse von 1995, die er selbst heute als „überholt“ einordnet: „Das hatte ich dem Spiegel auch vor Abdruck des Artikels gesagt.“...hat dem SPIEGEL wohl nicht ins ins journalistische Konzept gepasst.