PDA

Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : RD-Fall Nr.1 - "Jemand spuckt Blut"



Seiten : [1] 2 3

Sebastian1
10.10.2004, 20:19
Hallo,

hier mal ein (teilweise) präklinischer Fall, ich hoffe, er entwickelt sich durch eure Beiträge ein bisschen :-) :

Stell dir vor, du bist gerade der Notarzt in einer größeren Stadt. Kurz vor der Mittagszeit geht dein Pieper los und du begibst dich zum NEF. Der Fahrer kann dir schonmal sagen, daß ihr in etwa 5-6 Minuten am Einsatzort eintreffen werdet und dass dort wohl jemand "Blut gespuckt hat".
Ihr trefft etwa zeitgleich mit dem Rettungswagen ein und betretet ein hübsches Häuschen am Stadtrand. Direkt hinter der Eingangstür befindet sich die Gästetoilette, vor dieser findet ihr halb liegend einen etwa 70jährigen Patienten, der in seinem weissen Bart deutliche Blutspuren hat. Die Ehefrau steht mit dem Hausarzt daneben - denn dieser wohnt zufällig um die Ecke und scheint wohl mit der Familie befreundet zu sein. Er ist aber auch erst vor 2 Minuten eingetroffen und kann euch zum aktuellen Geschehen nicht mehr erzählen, als ihr seht. Was er euch sagen kann, ist, dass der Mann aufgrund einer TAA bei VHF mit Marcumar behandelt wird; der letzte bekannte Quick stammt von vor etwa einer Woche und lag bei 30%. Sonstige Medikamente, die der Patient regelmäßg einnimmt: Captopril, Metoprolol, Furosemid, Metformin. Nachdem der Hausarzt euch diese Informationen gegeben hat, überlässt er euch das Feld und verschwindet.
Der Patient selbst ist ansprechbar, aber in deutlich reduziertem AZ. Auch ohne eingehende Untersuchung bemerkt ihr sofort, dass er stark schwitzt. Ausserdem atmet er angestrengt; ein brodelndes Geräusch ist dabei auch ohne Stethoskop deutlich zu hören.

So, und nu?

Vystup
11.10.2004, 10:12
Blutdruck messen, 2 (grosslumige) Zugaenge legen (lassen), Sauerstoff 8-10 Liter geben. EKG dran, nebenbei Anamnese erheben (wichtig: C2 Abusus erfragen, ggf. von Dritten). Menge des ausgespuckten Blutes erfragen, ausserdem die Farbe des Erbrochenen. Frage nach kuerzlichen Operationen. Koerperliche Untersuchung auf Traumata, Inspektion des Mund/ Rachenraums soweit moeglich.

Mehr Infos plz :)

Sebastian1
11.10.2004, 11:46
Blutdruck messen, 2 (grosslumige) Zugaenge legen (lassen), Sauerstoff 8-10 Liter geben. EKG dran, nebenbei Anamnese erheben (wichtig: C2 Abusus erfragen, ggf. von Dritten). Menge des ausgespuckten Blutes erfragen, ausserdem die Farbe des Erbrochenen. Frage nach kuerzlichen Operationen. Koerperliche Untersuchung auf Traumata, Inspektion des Mund/ Rachenraums soweit moeglich.

Ok:

Also, erstmal kommt ihr gar nicht richtig an den Patienten ran, der liegt nämlich immer noch in dem sau-engen Gäste-WC. Ihr befördert ihn also raus, er kann sich mit Hilfe erstmal auf einen Stuhl setzen.
RR 90/50, Sauerstoff wird angehängt, 2 Zugänge liegen. C2-Abusus wird verneint, Wohnumfeld und Pflegezustand des Patienten machen diese Angabe auch glaubhaft. Ausgespuckte Menge: Der Patient stammelt was von "weiss nicht, war schon viel. Farbe? Na, Rot natürlich...". Traumata seht ihr so erstmal keine. Mund/Rachenraum zeigen noch deutliche Blutrückstände, Verletzungen von Zunge und Schleimhaut sind nicht zu sehen.

Sebastian

Neujahrsrakete
11.10.2004, 12:10
Ich frage den Patienten oder die Angehörigen, ob irgendein Leberleiden bekannt ist. Es könnten ja blutende Ösophagusvarizen sein.

Sebastian1
11.10.2004, 12:12
Ich frage den Patienten oder die Angehörigen, ob irgendein Leberleiden bekannt ist. Es könnten ja blutende Ösophagusvarizen sein.

Bekannt ist nichts. Der Patient hatte so etwas auch noch nie.

Älgen
11.10.2004, 12:36
Hej !

Mmmmh, da der Patient ja noch halbwegs adäquat zu sein scheint & antworten kann schliessen sich blutende Ösophagusvarizen eigentlich von selbst aus - Die bluten RICHTIG !!!
Ich mein Ringer rein ist eigentlich immer gut (bis auf 2 Ausnahmen ... siehe unten ...) & dann sollte man ja aus dem Umfeld abschätzen können, wieviel Blut das so grob war - Wie sieht's um die Toilette aus, wie sieht's in der Toilette aus ? Blutets noch weiter ? Ist's frisches BLut, oder Kaffesatz, isses eventuell eher schaumig ? Kam "aus dem Anderen Ende" (sprich Diarrhö) auch was, Wie fing's an ? Schlagartig im Schwall blut gespuckt, oder erst "normal" erbrochen, dann Blut gekommen ? Dann bitte Pulsoximeter, & mal 'nen Puls um den cirkulatorsichen Zustand des Pat abschätzen zu können (Pulssteigerung spricht meistens immernoch für Volumendefizit ...) & EKG um einen Infarkt ausschliessen Ach & wie klingt's denn in der Lunge ? wird doch kein Lungenödem sein ? Das wäre eine absolute KI gegen zuviel Ringer...

Naja, & dann einladen & in die Klinik, den wenn das 5 Minuten dauert & de Pat halbwegs transportabel ist arbeitet es sich da besser & sicherer als "in der Wildnis"

Kolja

ehec
11.10.2004, 12:58
ich denke auch, dass die sache eigentlich eher nach lungenoedem durch infarkt als nach kotze / blut in der lunge riecht... schliesslich brodelt er ja laut und vernehmlich, ist kaltschweissig und klagt ja wohl ein wenig ueber uebelkeit. auch die vormedi mit einem diabetes-medikament, ace-hemmer und lasix koennte an was kardiales denken lassen.
das blut koennte man dann wieder durch unter marcumar verstaerkt blutende schleimhauteinrisse durchs kotzen erklaeren, das wiederum durch den infarkt verursacht waere. also: vorsicht mit volumen und: was macht eigentlich unser ekg?

Sebastian1
11.10.2004, 13:33
Ok: Nachdem, was auf der Toilette so zu sehen ist und im Bart des Patienten hängengeblieben und was die Ehefrau und Patient so erzählen könnt ihr nur auf ein "nicht wenig" an Blut schliessen. Aber ob es sich dabei um 50 ml (Blut auf weissen Fliesen sieht beeindruckend viel aus ;) oder einen Liter gehandelt haben mag, könnt ihr beim besten Willen nicht sagen. Das Blut ist nicht kaffeesatzartig, sondern sieht sehr frisch aus. Blutige Stühle oder Teerstühle kamen wohl nicht vor, der Patient ist allerdings inzwischen so schwer dyspnoeisch, dass eine weitere Anamneseerhebung durch ihn selbst kaum noch möglich ist - mehr als 2 Worte am Stück bringt er nicht heraus, ausserdem gibt er jetzt retrosternale Schmerzen an - die Ehefrau wirft ein, dass er die wohl schon morgens gehabt habe und sie sich wohl im Laufe der Zeit weiter verschlimmert hätten.

Ok, Puls fühlt sich schnell und schwach an.
Das EKG wird natürlich über den auf dem RTW befindlichen Defi abgeleitet und bietet damit nicht den Informationsgehalt eines vollwertigen EKGs. HF 145/min, absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern. Die T-Welle ist negativ.
Pulsoxymetrie will erst nicht so richtig, der Patient hat eiskalte Extremitäten. Schliesslich schliesst ein RettAss den Ohr- statt des Fingerclips an. SpO2: 78%.

Eine Auskultation der Lunge ergibt ein starkes Brodeln, basal > apikal. Aber das Brodeln an sich ist schon aus mehreren Metern Entfernung zu hören.

Hängen wir nun eine Ringer an? Oder was anderes? Irgendwelche Medikamente? Oder erstmal in den Wagen? Der Patient sitzt mit größter Anstrengung auf dem Stuhl im Vorflur, 5 Meter und 2 Treppenstufen entfernt steht inzwischen die Transportliege bereit.

ehec
11.10.2004, 14:01
hb geht im wagen wohl auch nicht, wa? ach, was solls: der herr bekommt erstmal ein wenig von dem, was er sonst auch einnimmt: lasix 40 mg i.v., dann morphin zum ruhigstellen. um die gerinnung muessen wir uns bei dem ja keine gedanken machen, wenn er das marcumar seit dem letzten labor weiter genommen hat --> also ehefrau fragen. hmhm, und dann? was zum rhytmisieren? oder dobutrex?
ansonsten halte ich es da mit aelgen: hopphopp ins haus, als sitzendtransport und fix wie nix.

Sebastian1
11.10.2004, 14:10
Okay, wir geben also 40 mg Lasix. Das Marcumar hat er ganz normal weitergenommen. Hb? Ein Rettungsassistent murmelt was von "Kein Problem, gebt mir ne Schnur und ne Büroklammer, daraus kann ich ein Labor basteln". Irgendwie erinnert er dich an McGyver :-))
Also: richtig erkannt....Hb gibt's nicht.
Noch weitere Medikamente? Infusion anhängen? Wenn ja, was für eine?


ansonsten halte ich es da mit aelgen: hopphopp ins haus, als sitzendtransport und fix wie nix.
Sitzen tut der Patient, und zwar immer noch auf dem Stuhl im Vorflur. Du bist dir allerdings nicht ganz sicher, wie lange er wohl noch sitzt, ohne zur Seite zu kippen. Du bist dir erst recht nicht sicher, ob du ihn die 5 Meter zur Trage noch mit Hilfe laufen lassen möchtest. Aber du bist dir ganz sicher, daß dieser Patient nicht sitzendtransportfähig ist. Um genauer zu werden: Du bist dir auch nicht sicher, ob du ihn so wie bisher versorgt überhaupt schon transportieren möchtest.

Bratwurst
11.10.2004, 16:48
wenn wir schon die braunülen haben, können wir ja aus den nadeln noch schnell nebenbei den zucker messen. könnte die frage nach der infusion vielleicht erleichtern?!

Sebastian1
11.10.2004, 18:20
Klar, BZ kannst du bekommen: 158 mg/dl.
Wie geht's weiter? :-)

ehec
11.10.2004, 18:43
hmmmm... einen schlauch in jedes loch? vielleicht wird er ja so transportfaehig:-)

Froschkönig
11.10.2004, 18:48
SpO2 von 78% ???? Gebt dem Mann Sauerstoff !!!!

@Ehec: warum willste ihm nen schlauch in den Hintern schieben ? :-D

Sebastian1
11.10.2004, 18:53
Okay. Also, Sauerstoff war ja oben gleich mit als erstes angehängt worden. Die SpO2 von 78% habt ihr also mit 8-10 l Sauerstoff/min.
Eine Infusion hat er aber von euch immer noch nicht erhalten, er sitzt noch auf dem Stuhl, und, das meint ihr inzwischen sagen zu können, trübt immer mehr ein und beginnt auf dem Stuhl sitzend zu schwanken und fällt nur deswegen nicht runter, weil einer der RA's ihn an den Schultern festhält.
Das mit den Schläuchen find ich ja schonmal gut: Welcher Schlauch in welches Loch? Medikamente? Und wohin jetzt mit dem Patienten und wie?

Cassy
11.10.2004, 18:56
:-blush Also ich würde vorschlagen: Intubieren mit Endotrachealtubus und sedieren.... und dann Liegendtransport ins nächste Krankenhaus?

nduester
11.10.2004, 19:06
Der Patient ist doch eindeutig instabil, also 8er Tubus Magill in die Trachea und mit 100% PEEP auf 5 beatmen. Nachdem der gute Mann also mit Etomidate, Midazolam und Vecuronium stillgelegt wurde können wir die Intubation hoffentlich ohne Zwischenfälle durchziehen und dem guten Mann den dringend benötigten Sauerstoff pur applizieren. Dann würde ich den Patienten endotracheal absaugen um mir die Farbe der dort abgesaugten Flüssigkeit mal näher anschauen, um nähere Erkenntnisse über eine Aspiration (ja/nein) zu gewinnen => Brodeln muß ja nicht gleich dekompensierte Herzinsuffizienz sein, auch wenn die retrosternalen Schmerzen da doch sehr stark drauf hinweisen. Dann soll mein McGyver :-D mal losziehen um mir das 12-Kanal vom NEF zu holen, schlimm genug, dass die sowas nicht auf dem RTW mitführen dürfen. Nun wird es langsam Zeit sich für eine adäquate Blutdrucktherapie zu entscheiden, angestrebt wird hier unter engmaschiger RR-Kontrolle ein systolischer Druck von ca. 90mmHG. Hier kann ich mich nicht so ganz entscheiden, warscheinlich wäre ein Dopaminperfusor angebracht, oder? Was machen meine Werte nun? SpO2, RR, EKG (12-Kanal! die retrosternalen Schmerzen irritieren mich), was treiben die RGs?

Ach ja: ne Magensonde könnte nichts schaden, mal schauen, was da noch so rauskommt und mit welchem Druck das so rausschießt.

Nils

Zoidberg
11.10.2004, 19:21
habt ihr einen Troponin Schnelltest mit an Board?
Bin auch für Dopaminperfusor in Kombination mit nem Nitroperfusor wegen V.a. Linksherzinsuff. und kard. Lungenödem

Sebastian1
11.10.2004, 19:30
Ahja, okay. Ihr entscheidet euch dafür, den Patienten auf die Liege und dann in den RTW zu transportieren, um ihn dort vor Fahrtbeginn zu intubieren - kontrolliert vorher ist schliesslich besser als notfallmäßig unterwegs. Da ihr immer noch keine besondere Infusion angehängt habt, hat unser McGyver mal eine 500er Ringer aus dem Köfferchen gezaubert und diese angehängt.
Die Magensonde kann nach dem Tubus kommen, letzterer scheint euch erstmal wichtiger, ausserdem ist so eine Magensonde dann ja normalerweise in ein paar Sekunden gelegt.
Im RTW liegt für euch alles bereit zur Intubation. Der Patient allerdings verdreht in der zwischenzeit die Augen und ist nicht mehr ansprechbar. Trotzdem gebt ihr ihm noch Sedierung und Relaxierung und beeilt euch mit der Intubation. Als ihr den Tubus vorschiebt, passieren 2 unschöne Dinge auf einmal: Aus dem Tubus kommt euch ein Schwall Blut - ihr schätzt es auf 150-250 ml - entgegen. Und zum anderen fängt der Defi, der immer noch euer EKG ableitet, auf einmal an zu alarmieren - der Patient ist asystol.

Achja: Perfusoren sind nicht an Bord, genausowenig wie ein 12-Kanal-EKG (der NEF besitzt dasselbe Defi-Modell wie auch der RTW). Einen Troponin-Schnelltest gibt es ebenfalls nicht.

Froschkönig
11.10.2004, 19:35
der Patient ist asystol.Womit McGyver jetzt mal sein handwerkliches können unter beweis stellen kann...also fleißig CPR machen...Supra würd ich i.v. geben und nicht über tubus, da ich mir nicht so sicher bin, wieviel denn da unten ankommt bei dem geblute.
Ansonsten auch dringend tubus nochmal absaugen, damit die bahn frei für´s O2 wird....alles in allem sieht das aber nach ner ziemlich ekeligen Geschichte aus.....und wenn ich irgendwann mal Zeit hab, knöpf ich mir den Kerl vor, der für die Wagenausrüstung verantwortlich ist.....:-(