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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Wiederholt sich falsche Erziehung?



boarding_girl
18.10.2004, 12:00
Hallo


Ich bin mir nicht sicher, ob ich das richtige Forum für diese Frage erwischt habe. Falls nicht sollte man sie verschieben.

In den letzten Monaten habe ich schreckliche Familiengeschichten gehört, die viel mit "falscher" Erziehung zu tun haben. Psychische Erpressungen, Abhängigkeiten, Nichtachtungen, körperliche Gewalt. Da diese Menschen in einem Alter sind, in dem sie langsam mit diesen Problemen "fertig" werden und mit ihren Partnern eigene Familien gründen, stellt sich mir die Frage: Inwieweit werden diese Menschen die Angwohnheiten ihrer Eltern nicht wiederholen.

Wer eine schlimme Kindheit durchgemacht hat, die man keinem weiter wünscht, der sagt sich, das werde ich meinen Kindern nicht antun. Doch würde das klappen? Werden diese Menschen vielleicht in der Mehrzahl ihre Kinder spüren lassen, welche Kindheit sie selbst hatten? Werden die Kinder das Leben bekommen, von dem die Eltern stets träumten oder wiederholt sich die "Familiengeschichte"???

Vielleicht kann man diese Fragen nicht pauschal beantworten, aber es lohnt sich zumindest einmal darüber nachzudenken.


BG

milz
18.10.2004, 13:57
Ich weiß nur, dass Kinder von Rauchern und Alkoholikern selbst ein erhöhtes Risiko haben, diese Süchte zu entwickeln und ich meine, das trifft mE auch auf andere Verhaltensmuster zu. Dazu kommen noch die genetischen Einflüsse (->Zwillingsstudien, ca. 40-60% soweit ich weiß(?)).
Von daher gibt es sicher eine gewisse Determination.

Andererseits steht man dem sicher nicht ausgeliefert gegenüber, ein bischen freien Willen haben wir ja noch und mit etwas Reflexionsfähigkeit kann man viel machen. Wichtig ist vor allem die eigene Vergangenheit gut zu verarbeiten.
Und wenn man damit selbst nicht klar kommt, sollte man sich nicht scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Evil
18.10.2004, 14:38
So richtig "pathologische" Verhaeltnisse kenn ich zwar nicht, ich hab aber meistens erlebt, dass die Kinder entweder dieselben Fehler wie die Eltern machen oder das genaue Gegenteil, dabei aber weit uebers Ziel hinausschiessen.
:-notify

Die Niere
18.10.2004, 14:44
Zu behaupten, dass jemand mit einer schlechten/traumatischen Erziehung keine Chance hat, die Fehler nicht auch zu begehen ist mit Sicherheit übertrieben. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die gleichen Fehler begangen werden ist auf jeden Fall signifikant höher als in "normalen" sozialen Verhältnissen. Ein gutes Beispiel sind Kinder, die mit Gewalt aufgewachsen sind und oft keine anderen Konfliktlösungsmöglichkeiten gelernt haben.

Natürlich gibt es aber auch genügend Gegenbeispiele, die einem zeigen, dass man dort auch wieder herauskommt. Frage ist nure was unterscheidet diese Menschen von den anderen - ein höherer Intellekt, andere Freunde, Zufall oder doch hereditäre Ursachen??

gruesse, die niere

OliP
18.10.2004, 14:58
Hallo
Inwieweit werden diese Menschen die Angwohnheiten ihrer Eltern nicht wiederholen.
BG

Das ist sicher schwer pauschal zu diskutieren. Im allgemeinen allerdings werden dem Menschen während der primäres Sozialisation (im Kindesalter) der Grundstock an Werten aus den Bereichen der Normen, Ethik, Moral usw. vermittelt (80%!!!). Wenn Kinder in dieser Phase Respekt, Toleranz, Großzügigkeit u.ä. erfahren, werden sie sicherlich einen Großteil dieser Werte verinnerlicht haben. Erleben sie Willkür, Gewalt, Respektlosigkeit so wird davon ebenfalls vieles ein Teil ihres Wesens. (Die Kindheit ist vor allem ein Reifeprozeß)
Stark überspitzt ausgedrückt kommen wir genetisch gesehen nur mit wenigen angeborenen Verhaltensmustern auf die Welt: vor allem der Drang nach Interaktion ist da zu nennen. Aus diesem heraus ergibt sich dann ein unendlich großer Input (primäre Sozialisation). Was für ein Individuum am Ende nun herauskommt, ist wesentlich davon abhängig, was für Inputs gesammelt wurden.
Anzumerken ist m.E. noch, dass auch kognitive Prozesse (also auch Selbstreflexion) bei der Persönlichkeitsentwicklung wirken. Aber letztendlich können diese ja nur begrenzt die eigenen Normen und Grundwerte überschreiten.

Es wird also häufig so sein, dass sich Verhaltensweisen der Eltern bei Kindern wiederfinden lassen, da diese ja auf Werten und Normen fussen.
Ausnahmen gibts natürlich.

OliP
(der genau weiß was er von welchem Elternteil "mitbekommen" hat)

Vystup
18.10.2004, 15:35
Ich hab da mal ein Buch zu gelesen, das war ganz interessant aber der Titel faellt mir nicht mehr genau ein, irgendwas mit Familien. Dort wurde unter anderem auch die Theorie vertreten, dass manche Verhaltensweisen hin und wieder einer Generation ueberspringen, um sich dann wieder zu manifestieren, wenn auch teilweise auf andere Art und Weise (z.B. verschiedene Suchterkrankungen).

He-Man
18.10.2004, 17:20
Eine Autorin, die sich oft mit diesem Thema beschäftigt hat, ist Alice Miller. Titel sind z.B. "Das Drama des begabten Kindes", "Am Anfang war Erziehung" oder "Du sollst nicht merken".
Noch tiefgehender, allerdings auch einige psychoanalytische Grundkenntnisse voraussetzend, ist "Narzißmus" von Heinz Kohut.
Großartige Bücher!